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  • Day 11

    Kurze Geschichte

    September 20, 2022 in Ghana ⋅ ☀️ 27 °C

    Erzählung über meinen ersten Arbeitstag

    Schlechter werdenden Gewissens, schaue ich immer wieder nach unten auf den Startbildschirm meines Handys. Dann wieder nach oben. Keinen Zentimeter weiter.
    Mein Magen spielt bereits Basketball, ich fühle, wie sich eine Schweißperle an der rechten Augenbraue vorbeischleicht und auf meinen, hektisch auf und ab wippenden, Oberschenkel tropft. Ich werde die Wasserverkäuferin an meinem Fenster nicht los, da startet unser Taxifahrer einen Versuch der Deeskalation, indem er den, am Seitenspiegel vorbeirasenden, Rollerfahrer freundlich auf die Verkehrsregeln, hinweist, während sich Cleo von der Rückbank meldet. “Ich halte es nicht mehr aus, lass uns aussteigen!”

    Ich bin zu spät. Und das an meinem ersten Arbeitstag.

    Es war bereits die dritte Nachricht, die ich meinem neuen Chef, Eric, gesendet habe, um ihn über mein Zuspätkommen zu informieren. Graue Haken. Noch immer auf dem Beifahrersitz s(chw)itzend, hörte ich mich schließlich Cleo zustimmen. Ohne davon Notiz zu nehmen, bezahlte ich den Taxifahrer und stieg aus.

    Der stressigen Situation entkommen, atmete ich durch und sammelte mich. Der Gehweg wurde nun zur linken Spur, als Cleo und ich mit moderater Schrittgeschwindigkeit an den, im Stau stehenden, Autos vorbeizogen. Nach einem halbstündigen Spaziergang entlang des glühenden Highways kam ich um Zehn nach Zehn endlich an. Neun Uhr war ausgemacht.

    Unsicher klopfte ich an der Bürotür. Entschuldigung schon formuliert, hoffte ich aufs Beste, die folgenden Minuten wurden aber noch viel besser…

    Von Eric war breit und weit keine Spur und außer einer Person wusste niemand im gesamten Office, dass ich kommen würde, geschweige denn, was meine Aufgabe war.
    So stellte ich mich den Festangestellten vor und wartete gespannt. Eine Stunde später, also insgesamt 2 Stunden nach dem vereinbarten Termin, traf Eric ein.

    Mit seinen knapp 2 Metern, schüchtert er auf den ersten Blick natürlich ein, aber schnell wurde mir klar, dass er ein lustiger und liebevoller Brocken ist. Wir haben uns sofort gut verstanden. Er zeigte mir das Wichtigste, stellte mich dem Rest der Bande vor und zerstörte mich abschließend noch auf dem Basketballplatz. Ein gelungener, erster Arbeitstag.

    In Deutschland ist Unpünktlichkeit am ersten Arbeitstag zwar kein Weltuntergang, würde aber beim neuen, auf die Uhr schielenden, Arbeitgeber bestimmt für Zweifel sorgen. Der andere Bewerber wäre vielleicht doch gescheiter gewesen.

    In Ghana ist das kein Grund zur Aufregung, hier ist man nämlich zu spät und
    im Nachhinein, immer mehr an das entspannte, ghanaische Zeitgefühl gewöhnt, mache ich mich darüber lustig, aus dem Taxi gestiegen und den restlichen Weg in der Hitze gelaufen zu sein.

    Cleo ist übrigens eine Mitfreiwillige und Freundin von mir. Sie arbeitet direkt neben meiner Einsatzstelle in einem Theater. Wir fahren jeden morgen zusammen nach Jamestown. Unser neuer Arbeitsort, direkt an Accras Küste.

    Bald mehr.

    Euer Jascha
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