• Ein Tag im Canyon und der Aufstieg

    Oct 5–6 in Peru ⋅ ☁️ 17 °C

    Der erste Tag und Abstieg in den Canyon war einfach zu viel für mich gewesen. Am Nachmittag konnte ich es kaum noch genießen, und der Gedanke, um 4 Uhr aufzustehen und dann über 3,5 Stunden oder mehr nur bergauf zu gehen, quälte mich. So zog ich zum ersten Mal auf meiner Reise ganz bewusst den Zeitjoker – davon habe ich ja wirklich genug. Ich musste mich hier nicht früh aus dem Canyon quälen, sondern konnte mir einen Tag Erholung gönnen und diese spektakuläre Kulisse inklusive Pool genießen. Alles andere wäre eigentlich auch eine Schande gewesen.

    Als die Sonne über den Rand des Canyons blickte, wurde es in der kleinen Oase, die aus mehreren Bauernhöfen und Wanderunterkünften besteht, sehr angenehm warm. Morgens ging ich im eiskalten Fluss baden, den Rest des Tages verbrachte ich am Pool und im Schatten. Ich hatte noch genug Nüsse und Früchte dabei – am ersten Tag war ich gar nicht dazu gekommen, etwas davon zu essen. Der Handyempfang war schlecht, aber zum Glück gab es erschwingliches WLAN für 5 Sol (1,25€), und so konnte ich ein bisschen nach Hause telefonieren.

    Zur Mittagszeit tauchten ein paar spannenden Wanderern auf, mit denen ich mich unterhielt. Ein älterer israelischer Mann erzählte mir, dass er zum ersten Mal in seinem Leben alleine reist – er war erstaunlich fit. Ein etwa 70-jähriger Deutscher meinte, dass er bisher eher unterfordert sei und sich schon auf den Aufstieg am gleichen Tag freue. Jonas und Lukas aus Bayern steckten das Ganze auch ziemlich locker weg, obwohl sie zur Mittagspause sowie auf dem Weg reichlich Bier getrunken hatten und entsprechend beschwipst am Nachmittag ankamen. Alles spannende Leute – für mich teils unfassbar und gleichzeitig inspirierend.

    Zum Abendessen tauchte meine neue Gruppe mit Guide auf. Wir saßen und aßen zusammen. Es gab das gleiche wie am Vortag: Quinoasuppe und einen Teller Spaghetti mit Kürbis-Hackfleisch-Soße – ich fand es nochmal ziemlich gut.

    Wieder ging es früh ins Bett, denn um 4 Uhr morgens starteten wir den über 1.000 Meter hohen Aufstieg aus dem Canyon - diesmal wirklich. Noch in der Dunkelheit, manche mit Stirnlampe, ich mit Handylicht. Das erste Stück verzweigte sich etwas, daher ging der Guide voraus und wartete hier und da auf manche Nachzügler aus der Gruppe ... und mich. Später gab es nur noch einen Weg, und jeder konnte sein eigenes Tempo finden. Bei mir lief es eigentlich ganz gut – ich war zwar langsam, aber machte kaum Pausen, zumindest die ersten 500 Höhenmeter.

    Als mich eine Gruppe Maultiere spielend leicht überholte, bot mir der Reiter an, meinen Rucksack für umgerechnet 6€ mit nach oben zu nehmen. Das konnte ich einfach nicht ablehnen – sehr gut investierte 25 Sol! Ohne das Gewicht auf meinen vom Vortag noch verspannten Schultern konnte ich mich voll und ganz auf jeden Schritt und jede Stufe konzentrieren. Das gab mir neue Motivation und Kraft. Es machte wieder mehr Spaß, und ich konnte den Aufstieg fast ein bisschen genießen.

    Es hieß, der Aufstieg dauere zwischen drei und dreieinhalb Stunden – mit meinen 3:45 h war ich wirklich zufrieden und sogar schneller, als ich mich selbst eingeschätzt hatte.

    Oben, wieder bei der Gruppe angekommen, gab es ein kleines Frühstück: Ei, Brötchen, den klassischen weichen Käse, den es hier überall gibt, und Mate de Coca (Tee aus Cocablättern).

    Ich war gut erschöpft, aber zufrieden mit mir – doch das sollte es für diesen Tag noch nicht gewesen sein.
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