• Machu Picchu

    October 15 in Peru ⋅ ☁️ 19 °C

    Am ersten Morgen in Aguas Calientes stellte ich mich um 5:30 Uhr in die Schlange zum Ticketschalter. Online sind die Tickets für Machu Picchu meist monatelang im Voraus ausgebucht. Doch es gibt die Möglichkeit, vor Ort ein Ticket zu kaufen – jeden Tag wird ein Kontingent von 1000 Tickets für den jeweils nächsten Tag ausgegeben. Die Schlange war schon einige Häuserblöcke lang. Um Viertel vor acht war ich vorne und bekam die Wartenummer 578 für diesen Tag – gute Neuigkeiten, denn es gibt je 300 Tickets für die Routen 2A und 2B, die zu den beliebtesten in Machu Picchu gehören. Sie beinhalten die Schleife durch die angelegten Agrarterrassen, von denen man den klassischen Blick auf das darunterliegende Dorf hat. Nach einer weiteren Stunde hatte ich dann mein Ticket: Route 2A für 14:00 Uhr am darauffolgenden Tag. Glück gehabt! Erstmal zurück ins Bett und einen chilligen machen.

    Am nächsten Tag war es soweit – mein drittes Weltwunder auf dieser Reise wartete auf mich. Ich hatte mich entschieden, zu Fuß den Berg hochzusteigen, statt den Bus zu nehmen. Die Busfahrt kostet mittlerweile stolze 12 US-Dollar pro Strecke, und ich wollte mir den Aufstieg durch den Dschungel und mit eigener Kraft nicht entgehen lassen, schließlich war ich ja schon hierher gelaufen. Los ging es über die Brücke über den Río Urubamba bis zum Eingang des Wanderwegs. Der Weg führt fast ausschließlich über Stufen – rund 400 Höhenmeter nach oben. Immer wieder hörte man unten den Fluss rauschen, ab und zu ein Zughorn durch das Tal dröhnen und das Zwitschern der Vögel, dazu überall den feuchten Geruch des Waldes. Nur Stufen nerven mich echt... Nach den gefühlt ersten 300 hatte ich keine Lust mehr, ständig anzuhalten, um durchzuatmen. Also ging ich die Serpentinen entlang der Straße hinauf, die die Busse nehmen – etwas mehr Strecke, aber deutlich entspannter. Nach etwa anderthalb Stunden erreichte ich um 13:30 Uhr völlig durchgeschwitzt das Eingangstor. Gut in der Zeit, um noch einen Guide mit einer Gruppe zu finden.

    Raul führte Linda aus Österreich, Victoria aus den USA, Josiah aus Neuseeland und mich mehr als drei sehr spannende Stunden durch die Anlage. Wir hatten richtig Glück mit dem Wetter – am Vormittag hatte es noch geregnet, und die Wolken hingen so tief, dass die Sicht oben kaum 50 Meter betrug, so Raul. Bei uns dagegen war es sonnig, warm und wunderbar klar.

    Die Stadt Machu Picchu liegt auf dem gleichnamigen Berg („Alter Berg“) und war zur Zeit der Inka eine der wichtigsten Städte ihres Reiches. Zwei Besonderheiten machen diesen Ort einzigartig: mehrere Quellen auf dem Machu Picchu, die man zur Bewässerung und Versorgung der 500 bis 1000 Einwohner nutzte, sowie die Ausrichtung zum Sonnenaufgang, der für die Inka eine große spirituelle Bedeutung hatte. Vermutlich wurde die Stadt um 1450 unter dem Herrscher Pachacútec Inca Yupanqui erbaut. Bei der Ankunft der Spanier wurde sie verlassen, die damaligen Hängebrücken aus Schilfgräsern von den Inka abgerissen, und dieser heilige Ort erfolgreich geheim gehalten. Die Spanier entdeckten die Stadt nie – was vermutlich der Grund ist, warum sie so gut erhalten blieb und warum hier heute keine Kirche steht. Erst 1911 wurde sie von dem US-amerikanischen Forscher Hiram Bingham wiederentdeckt – beziehungsweise von Einheimischen gezeigt, die unten im Tal am Fluss lebten und natürlich von der Ruinenstadt wussten.

    Raul erklärte uns, dass Machu Picchu aus drei großen Sektoren besteht:
    – dem landwirtschaftlichen Bereich mit unzähligen Terrassen, auf denen Mais, Quinoa und Kartoffeln angebaut wurden,
    – dem urbanen Bereich mit Wohnhäusern, Plätzen und Werkstätten,
    – und dem religiösen Bereich, in dem sich die wichtigsten Tempel befinden.

    Manche Tempel wurden nie fertiggestellt, und andere Bereiche weiter unten am Berg sind archäologisch noch gar nicht erforscht. Es wird vermutet, dass sich die Stadt teilweise bis ins Tal ausdehnte.

    Es gibt einen Steinbruch auf der Rückseite, wo man grobe Felsen abflachte, um daraus Gebäude und an derselben Stelle Terrassen zu bauen. Oft schmiegen sich die Bauwerke hier an die Felsen – ein beeindruckendes Zusammenspiel aus Natur und Baukunst.

    Die Präzision, mit der die Inka ihre Steine bearbeiteten, ist wirklich unglaublich. Oft waren weder Mörtel noch Fugen notwendig – und trotzdem sind die Mauern seit Jahrhunderten erdbebensicher. Manche Steine wiegen über 20 Tonnen und wurden aus mehreren Kilometern Entfernung hierher transportiert. Man weiß nicht genau, mit welchen Methoden und Werkzeugen die Inka das geschafft haben – vermutlich mit vielen Hebeln und der Bearbeitung durch härtere Steine, denn Metalle besaßen sie nur in weichen Formen (Bronze, Silber, Gold).

    Nicht alle Mauern sind perfekt gearbeitet. Es gibt auch Bereiche, wie z. B. die Wohnhäuser, die schnell und gröber gebaut wurden. In deren Mauern wurde ein Mörtel aus verschiedenen Erdschichten, Sand und Gräsern verwendet. Das Niveau richtete sich nach der Bedeutung und Nutzung der Gebäude – die Tempel sind am hochwertigsten gebaut.

    Besonders beeindruckend ist der Sonnentempel, dessen geschwungene Steinmauern exakt auf den Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende ausgerichtet sind. Ebenso faszinierend war der Intihuatana-Stein – eine Art Sonnenuhr oder astronomisches Instrument der Inka, mit dem sie Jahreszeiten und Zeremonien bestimmten. Die originalen Dächer aus Holz und Stroh sind heute natürlich nicht mehr erhalten, doch an einigen Stellen gibt es Rekonstruktionen, damit man sehen kann, wie es einst aussah.
    Ein Gebäudekomplex wird als ehemalige Art Universität vermutet. Gelehrte aus dem gesamten Inka-Reich kamen hier zusammen, um ihr Wissen auszutauschen und an die nächste Generation weiterzugeben. Auf dem zentralen Platz und den umliegenden Terrassen wurde keine Landwirtschaft betrieben – sie dienten der Zusammenkunft zu Zeremonien und Festen. In der Mitte befindet sich ein Altar, der heute von einem kleinen Dach geschützt wird.

    Es war wieder einer dieser Orte, der einfach nur zum Fantasieren einlädt... Welche Handwerkskunst, welches Wissen und wie viele Jahrhunderte an Erfahrung hier wohl eingeflossen sind. Wie die Menschen hier gelebt, gearbeitet, geglaubt und gefeiert haben – und was sie angetrieben hat...

    Machu Picchu war für mich definitiv eines der absoluten Highlights in Peru. Nicht nur wegen der atemberaubenden Kulisse, sondern auch wegen der Geschichte, der Baukunst und der Energie dieses Ortes. Man spürt einfach, dass das hier etwas ganz Besonderes ist – und zu Recht ein Weltwunder.
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