• Death Road - Camino de la muerte

    October 29 in Bolivia ⋅ ☁️ 14 °C

    Die Camino de la Muerte („Todesstraße“) war einst die einzige Verbindung von den Anden in den Nordosten Boliviens – in das Amazonasgebiet des Landes. Sie wurde von Soldaten und Kriegsgefangenen des Krieges mit Paraguay in die steilen Hänge der Anden gesprengt und führt von rund 4.650 Metern über dem Meeresspiegel nahe La Paz hinunter auf etwa 1.200 Meter. Schmal gebaut, von Wasserfällen und Flüssen durchzogen, von Erdrutschen geplagt, stellenweise nur drei Meter breit und meist ohne jegliche Sicherung am Abgrund – diese Straße forderte im Laufe der Jahre unzählige Opfer. Deswegen ist sie so berüchtigt - hier stürtzten es früher beinahe jede Woche Autos, Busse und Lastwagen in die Tiefe. Meine Bebochtungen hier, lassen mich vermuten was dazu beitrug: in diesem Entwicklungsland gibt es natürlich keinen TÜV, die Fahrzeuge werden überladen und die Fahrer sind sind oft zu schnell, zu unvorsichtig, nachts oder unter Alkoholeinfluss unterwegs.

    Im Jahr 2006 wurde eine neue Umgehungsstraße eröffnet, die zunächst auf derselben Strecke verläuft, später jedoch abzweigt. Sie ist durchgehend zweispurig, deutlich sicherer und mit mehr Schutzeinrichtungen versehen. Zwar bleibt sie anspruchsvoll zu befahren, doch die Zahl der Unfälle ist seither stark zurückgegangen. Der alte, noch erhaltene Teil der ursprünglichen Straße wird heute nur noch selten von Fahrzeugen genutzt, die Waren oder Menschen in die an ihr gelegenen Orte bringen – dafür umso häufiger von Abenteurern und Touristen, die hier den Nervenkitzel suchen.

    In La Paz bieten zahlreiche Veranstalter Mountainbike-Touren über die Death Road an. Nach etwas Recherche entschied ich mich für Barracuda Biking - eine gute Entscheidung.

    Am Morgen trafen wir uns um sieben Uhr in einem Hostel in der Innenstadt. Nach einem heißen Coca-Tee und einem kleinen Frühstück fuhren wir zum höchsten Punkt der Strecke. An einem Bergsee rüsteten wir uns mit "Schutz"-Kleidung, Helm, Handschuhen und sehr gut gefederten Fahrrädern mit Scheibenbremsen aus.

    Zum Warmfahren ging es die ersten 20 Kilometer über die neue Straße. Warm war es allerdings nicht – oben auf über 4.000 Metern war es bitterkalt, neblig, windig und regnerisch. Die Sicht war schlecht, und nach wenigen Minuten waren alle durchnässt. Die uns gegebenen "Regen"-Jacken und -Hosen halfen kein bisschen. Der Wind biss, und durch die Wolken war kaum etwas zu erkennen. Trotzdem reichte es aus, um ein Gefühl für das Fahrrad zu bekommen.

    Dann wurden die Räder wieder auf den Bus geladen, und wir fuhren ein Stück weiter den Berg hinauf. Am Beginn der alten Death Road luden wir alles ab, machten ein Gruppenfoto und dann begann das eigentliche Abenteuer.

    Etwa 30 Kilometer ging es nun nur bergab: rechts die steilen Berghänge, links der Abgrund und dazwischen jede Menge Wasser. Auch wenn es nicht geregnet hätte wären wir ziemlich nass geworden, daher machte das eigentlich keinen Unterschied. Strampeln mussten wir kaum, dafür fast durchgehend gebremst. Der Boden war meist steinig, mit Schotter bedeckt und teilweise von kleinen Wasserläufen durchzogen. Es war nicht zu steil, und die Räder boten mit ihren guten Bremsen und der Federung ein sicheres Fahrgefühl. Trotzdem wurde ich ordentlich durchgeschüttelt, immer nasser, und die Konzentration forderte einiges. Ich fahre sonst nie mit dem Mountainbike in den Bergen, aber meine Motorrad-Erfahrung half mir, ruhig, sicher und vorrausschauend zu fahren. Ich war einer der schnelleren aus der Gruppe und fuhr meist direkt hinter dem ersten Guide – es machte riesigen Spaß!

    Die Guides waren hervorragend organisiert. Wir legten die Strecke in kurzen Abschnitten zurück, hielten regelmäßig an, um uns zu sammeln, kurz zu verschnaufen und Hinweise zum nächsten Teil zu bekommen. Einer der Guides fuhr immer wieder voraus und machte Fotos oder Videos von uns – besonders an spektakulären Stellen, oft dort, wo Wasserfälle die Straße überquerten.

    Der Begleitbus sollte eigentlich hinter uns herfahren, damit man zwischendurch etwas trinken oder in trockene Kleidung wechseln konnte. Doch weil es in der Nacht zuvor zwei Erdrutsche gab, war das diesmal nur auf den ersten Kilometern möglich. Der Bus musste an einer breiteren Stelle ganz vorsichtig wenden und über die neue Straße ins Tal fahren.

    Der Regen hielt sich hartnäckig, doch je tiefer wir kamen, desto wärmer wurde es. Der Nebel lichtete sich langsam, und nach und nach öffnete sich der Blick auf die beeindruckende Landschaft. Was wir sahen, war schlicht atemberaubend. Dichte grüne Vegetation, steile Felswände und weit unten das Tal. Das Adrenalin rauschte, und trotz aller Anstrengung war das Erlebnis überwältigend. Die meiste Zeit konzentrierte ich mich auf den Weg direkt vor mir, um die beste Spur zu finden, doch hin und wieder blickte ich nach links in die Tiefe – jedes Mal schlug mein Herz einen Takt schneller.

    Auch wenn hier schon einige Jahre kein Unfall mehr passiert ist, bleibt die Gefahr spürbar. Die zahlreichen Gedenktafeln und aufgestellten Kreuze am Straßenrand sowie die alten Autowracks, die man manchmal tief in der Schlucht erkennen kann, erinnern eindrucksvoll daran.

    Am Ende kamen alle aus der Gruppe heil im Tal an. Dort wartete ein Mittagessen und ein Pool zum Entspannen, bevor es mit dem Bus zurück nach La Paz ging – müde, durchnässt, aber glücklich und sehr zu frieden mit der Leistung des Tages.
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