• Kleipéda @ Litauen

    22 августа, Литва ⋅ ⛅ 17 °C

    Als ich in Klaipėda ankomme, fällt mir sofort die Architektur auf. Viele der Gebäude im historischen Stadtkern wirken, als könnte ich mich auch in Norddeutschland oder gar an der Ostseeküste in Schleswig-Holstein befinden. Backstein, Fachwerk, Giebelhäuser – ein ungewohnter Anblick in Litauen, aber typisch für diese Hafenstadt, die über Jahrhunderte eng mit Deutschland verbunden war.

    Klaipėda trägt noch immer die Spuren seiner bewegten Geschichte. Die Stadt wurde im 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden gegründet und trug damals den Namen Memel. Sie war die nördlichste Stadt des Deutschen Ordensstaates und entwickelte sich schnell zu einem bedeutenden Handels- und Hafenplatz. Viele deutsche Kaufleute, Handwerker und Siedler prägten hier das Stadtbild – deshalb wirken die Häuser so vertraut deutsch.

    Über Jahrhunderte war Memel Teil von Preußen und später Ostpreußen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich das. 1923 wurde die Stadt im sogenannten „Memelaufstand“ von litauischen Freischärlern besetzt und schließlich an Litauen angeschlossen. Doch die deutsche Vergangenheit blieb präsent – nicht nur in der Architektur, sondern auch in der Sprache und Kultur.

    Besonders eindrucksvoll ist es, über den Theaterplatz zu schlendern, wo die Statue des „Ännchens von Tharau“ steht. Sie erinnert an das bekannte deutsche Volkslied, das wiederum seinen Ursprung in einem Gedicht des ostpreußischen Dichters Simon Dach hat – ein Symbol für das kulturelle Erbe der Stadt.

    Im Zweiten Weltkrieg wurde Memel stark zerstört, und viele deutsche Bewohner flohen oder wurden vertrieben. Nach dem Krieg gehörte die Stadt zur Sowjetunion und wurde stark russifiziert. Heute aber ist Klaipėda eine litauische Stadt mit einem spannenden Erbe, die ihre deutsche Vergangenheit nicht vergisst.

    Wenn ich durch die Altstadt gehe, spüre ich, wie sich Geschichte und Gegenwart verweben: Fachwerkhäuser neben moderner Architektur, deutsche Straßennamen von einst neben litauischen Schildern von heute. Klaipėda ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Geschichte Städte formt – und wie vielschichtig europäische Identität sein kann.
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