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  • Day 34

    In den Knast nach Port Arthur

    November 4, 2022 in Australia ⋅ ⛅ 13 °C

    Früh aufgestanden.
    Vor mir liegen heute knapp 100km und 1000 hm, teils auf unbefestigten Straßen. Dazu will ich mir ausreichend Zeit nehmen.
    Zur Belohnung gibt's erstmal einen tollen Sonnenaufgang über der Flussmündung und wie immer ein leckeres Frühstück.

    Erstmal geht's den Prosser River flussaufwärts. Tolle Landschaft. Erster Vorgeschmack auf den Tag: Die Straße kürzt eine Flussschleife ab und steigt kurzfristig extrem steil an um gleich danach wieder auf Flussniveau abzufallen. Uff! Danach geht's gemütlich weiter bis Buckland. Dort verlasse ich den Tasman Highway und es geht in die Berge. Ich erwarte 30 km Gravel. Aber erstmal ist die Straße noch asphaltiert steigt nur sachte an, dann geht's zur Sache. Steiler Anstieg über 200hm ohne zwischendurch mal abzuflachen. Dann wechselt der Belag auf Gravel aber sehr gut befahrbar. Die Steigung lässt nach und bringt mich auf ca. 350m. Pause in einer Straßenbucht auf einem runden Stein. Aus ab und zu vorbei kommenden Fahrzeugen wird freundlich gegrüßt. Es ist sehr einsam. Ich habe die Straße für mich. Zeit zum Philosophieren 🙂
    Wenn ich an den gestrigen Tag denke: Lieber doppelt so weit und Berge als gegen den Wind ankämpfen.

    Danach geht es auf einer Hochebene im Auf und Ab weiter bis die Straße Richtung Meer abzufallen beginnt, erst steil dann flacher und mit zahlreichen Gegenanstiegen versehen. Irgendwann habe ich wieder Asphalt unter den Rädern und da ist er dann auch schon wieder, ein Highway. Diesmal A9, Arthur Highway mit entsprechendem Verkehrsaufkommen. Vorbei ist's mit der Ruhe.

    Pause gegenüber einer Tankstelle auf der Wiese. Komfortabel, mit Sitzgruppe.

    Dann nach Dunalley. Über einen Hügel nach Murdunna. Dann wird's irgendwie gemein. Anstieg, erst steil, dann zieht sich die Steigung flacher über eine schier endlose Strecke bis es dann steil hinunter nach Eaglehawk Neck geht.

    Pause am Meer und mittlerweile ziemlich geschafft.

    Noch 17 km bis Port Arthur und nochmal knapp 100 hm klettern. Das wird dann gut gemeistert und schon war ich da.

    Das war heute sehr anstrengend. Wetter gut, zeitweilig leichter Gegenwind. Ich würde sagen, das war noch nicht die Leistungsgrenze aber eindeutig die Grenze der Komfortzone bereits etwas gedehnt. Gut zu wissen für die Planung kommender Etappen. Merksatz: Nicht über 100/1000! ... Bei schlechtem Wetter weniger.

    In Port Arthur bleibe ich einen Tag.

    Ach ja, ich bin wieder bescheiden unterwegs: Backpacker-Unterkunft. Haut mich diesmal nicht vom Hocker. 8-Bettzimmer. Was fange ich mit einer Küche ohne Kochutensilien und Geschirr an? 🤔 Aber nette Mitbewohner:
    - Norman, Deutschland: Hat seinen Job gekündigt und reist durch die Welt bis ihm das Geld ausgeht
    John, Melbourne: Ist zum Tauchen hier.

    RUHETAG in Port Arthur, 5.11.

    Heute steht der Besuch des einstigen Straflagers an.
    Weitläufige, gut gepflegte Anlage mit Resten des Gefängnissen das im 19. Jahrhundert betrieben wurde und berüchtigt war. Ende des 19. Jahrhunderts geschlossen und bald danach u.a. durch Buschfeuer weitgehend zerstört. Gute Führung, die einen ersten Eindruck vermittelt. Die Schönheit der Umgebung und der Anlage selbst steht im krassen Gegensatz zur Bedrückung die jeden erfasst, wenn er von der physischen und psychischen Folter erfährt der die Gefangenen ausgesetzt waren (Auspeitschen, Isolationshaft,...). Alles gut dokumentiert durch zahlreiche Tafeln mit der Beschreibung von Einzelschicksalen von Insassen und Gefängnispersonal und dem Leben im Port Arthur der damaligen Zeit.
    Kleine Hafenrundfahrt ist ebenfalls im Eintritt enthalten.

    Danach braucht's dringend ein Kontrastprogramm um die düsteren Gedanken abzuschütteln: Remarkable Cave. Eine weitere Schönheit Tasmaniens. Google Maps nennt 7km dorthin. Süßwasser-Matrose Martin übersetzt Küstenstraße immer noch mit flach. Tatsächlich erreichte ich mein Ziel in üppigen Up's and Down's. Irgendwann lern' ich's 😏 Ich spüre den gestrigen Tag in den Beinen

    Bei der Ankunft langes Gesicht. Die Höhle liegt im Naturpark und der kostet Eintritt. Kein Problem, ich hab' das auch schon in Coles Bay exerziert. Ich kaufe das Ticket online. Shit. Kein Netz. Innere Diskussion good Guy - bad Guy. Dann siegt Diskussionsteilnehmer Nr 3: Angsthase. Keine Lust auf Ärger. Also Rückzug. Einen km zurück habe ich Netz. Hurra. Auf geht's.
    Nach wenigen Metern hinter dem Park-Eingang erschließt sich eine großartige Küstenlandschaft und die Höhle ist wirklich bemerkenswert. Bislang haben sich die Nationalpark-Tickets gelohnt. Wege, Stege und Aussichtsplattformen sind gut gepflegt und die Landschaften einfach grandios.

    Und was mir u.a. sonst so durch den Kopf gegangen ist:
    Autofahrer in Australien

    Ohne meine bisherigen Lobeshymnen zurücknehmen zu wollen, hier etwas differenzierter:

    Es gilt als grober Anhaltspunkt wie überall: Je dicker das Auto, desto geringer die Rücksichtnahme. Davon gibt es natürlich zahlreiche Ausnahmen aber die Tendenz ist für mich empirisch belegt.

    Klein- und Kompaktklassewagen im Rückspiegel: entspannter Überholvorgang

    Pickup mit Metallgehäuse oder Gestänge zum Befestigen von allerhand Material: Handwerker oder Farmer, very busy, vergisst im Eifer des Gefechts auch ausnahmsweise seine guten Manieren

    Pickup, tiefer, breiter, Metallic-Lackierung, Doppelvergaser: stark unterentwickelte Neigung der Fahrer den Fuß vom Gaspedal zu nehmen

    Miet-SUV mit Tourist am Steuer: Mal so, mal so und deshalb eher unberechenbar.
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