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  • Day 156

    Völker der Welt, schaut auf Walmer!

    February 7, 2019 in South Africa ⋅ 🌬 22 °C

    Zuallererst die Eingangsfrage: Wer aus dem Geschi-LK erinnert sich noch an das berühmte Zitat von Ernst Reuter?
    Es stammt aus einer Zeit, wo sich die ganze Welt in zwei Lager unterteilt befand. Einer Zeit der Angst und Drohungen. Und Berlin mittendrin. Der Knotenpunkt, an dem Völker aller Welt aufeinandertrafen, mit verschiedenen Lebensanschauungen, Traditionen und Sprachen, alle in der Angst, dass ihnen eben dieses von den anderen weggenommen werden könnte.

    Heute etwa 80 Jahre später befindet sich die Welt in einer ganz anderen Lage. Es ist nicht mehr auf so direkte Weise der Frieden in der Welt gefährdet, aber die Mechanismen sind nach wie vor dieselben. Menschen haben Angst vor anderen Menschen. Von Zuhause kannte ich das nur aus dem Fernsehen, wenn die Reporter wieder von brennenden Flüchtlingsheimen oder Gewaltattacken gegen unschuldige Syrer berichteten. Aber hier im Township, merke ich zum ersten Mal in meinem Leben, was es wirklich heißt, nur durch seine Hautfarbe oder Herkunft, von anderen Menschen kategorisiert und anders behandelt zu werden. Dazu möchte ich gerne einen kleinen Beitrag schreiben, weil Kulturen und Konflikte zwischen Kulturen hier so gegenwärtig und präsent sind, wie ich es noch nirgends sonst erlebt habe.

    Insgesamt gibt es sehr viele Kulturen in Südafrika, viele der Heutigen entstanden aus (vermutlich meist umherziehenden) Stämmen, die sesshaft wurden. Später kamen noch neue Siedler, Besatzer und Flüchtinge hinzu, die alle zusammen für eine bunte Mischung von Menschen aus aller Welt sorgten und somit ein buntes Bild erzeugten.

    Aber ist dieses Bild so bunt? Hätte man mir all diese Fakten vor meiner Abreise erzählt, so hätte ich vermutet, dass aus all den vielen Kulturen, die zusammenleben, irgendwann eine eigene aus den verschiedenen Einflüssen geworden wäre. Aber anstatt, dass man gemeinsame Werte, Traditionen und Lebensweisen teilt, ist das Land in viele verschiedene Kulturen und Bevölkerungsgruppen unterteilt. Es gibt elf (offizielle) Landessprachen, drei Hauptstädte und eine messerscharfe Trennung der Kulturen – und das nicht nur in ihrer Weltanschauung oder Traditionen, nein selbst geografisch lässt sich die Unterteilung der Bevölkerung über die Jahrzente hinweg beobachten. Ganz besonders klar sind die Grenzen zwischen schwarz und weiß gezogen. So gelten die Townships als absolute No-Go-Area für Weiße, welche teils auf veralteten rassistischen Vorurteilen, die beinahe an ein mittelalterliches Weltbild erinnern, basieren und teils auf der begründeten Angst vor der Kriminalität. Aber auch in den Townships selbst lassen sich Trennungen finden. Nehmen wir als Beispiel unser Walmer Township, welches (ihr erinnert euch bestimmt an den Blogbeitrag – „Das Township“) mit etwa 30.000 Einwohnern verhältnismäßig klein ist. Neben Südafrikanern findet man zu einem großen Teil Einwohner, welche ursprünglich aus Zimbabwe kommen. In Zimbabwe gab es einige Jahrzehnte zuvor Bürgerkrieg, was zu Flüchtlingswellen geführt hatte. Südafrika hatte damals als Nachbarland Flüchtlinge aufgenommen, weshalb man vielerorts auf Zimbabwaner trifft. Heute geht es Zimbabwe wirtschaftlich immernoch schlecht und es ist politisch instabil, was dazu geführt hat, dass die mittlerweile heimisch gewordenen Flüchtlinge der ersten Welle, die sich mittlerweile ein neues Leben in Südafrika aufgebaut haben, ihre Familie nachholen. Der Rassismus unter der schwarzen Bevölkerung ist immens hoch und auch wenn mittlerweile fast 40 Prozent (subjektive Schätzung eines Kollegen) in Walmer Township ursprünglich aus Zimbabwe kommen, so erzählt man es doch niemandem. Außer man braucht Arbeit, denn Leuten aus Zimbabwe wird Fleiß und ein guter Geschäftssinn nachgesagt. Ansonsten wird ihnen oft mit ähnlichen Vorurteilen und teilweise Gewalt von Seiten der südafrikanischen Bevölkerung begegnet, wie wir es in den letzten Jahren auch in Deutschland mit Flüchtlingen feststellen konnten. Ob sie einem den Arbeitsplatz oder sogar die eigene Frau stehlen oder einfach nur auf Kosten der Südafrikaner leben, die Argumente sind dieselben, nur die Gewalt ihnen gegenüber ist noch extremer.
    Fast noch schlimmer haben es Somalier, welche die dritte große Gruppe hier im Township bilden. Ihr Geschäftfeld sind meistens die vielen kleinen Läden im Township, welche gut strukturiert und logistisch durchorganisiert sind. Dadurch haben sie es zu einem gewissen Reichtum geschafft, was schnell Neid in der restlichen Bevölkerung geweckt und zu extremen Gewalttaten gegen diese Leute geführt hat.

    Um das Kapitel für heute abzuschließen, da der Blogeintrag erneut viel länger geworden ist, als geplant, möchte ich noch auf eine weitere Gruppe aufmerksam machen: die „Colored“. So werden all diejenigen kategorisiert, welche einen helleren Hautton besitzen, als dass sie als schwarz klassifiziert würden, aber auch nicht als weiß gelten. Hier herrscht unter der schwarzen Bevölkerung das Vorurteil, sie seien die „Schlimmsten“, da sie wohl keine Werte teilen würden, weder der schwarzen, noch der weißen Bevölkerung, und wesentlich krimineller wären, als Schwarze oder Weiße. Sie haben eigene Townships und werden von anderen gemieden, weshalb sie sich gezwungenermaßen zu einer eigenen Bevölkerungsgruppe entwickelt haben.
    Aber damit ersteinmal genug, ich werde später im Jahr noch einen eigenen Rassismus-Beitrag schreiben, wo ich auch auf eine der Ursachen, die Apartheid, genauer eingehen werde, aber davor möchte ich noch etwas über die hier verbreitete Xhosa-Kultur erzählen und ein paar ihrer Traditionen genauer erläutern, damit nicht das Bild entsteht, es gäbe nur Gewalt und Hass unter den Menschen verschiedener Religionen oder Nationalitäten im Township, sondern auch, was für bunte und fröhliche Seiten diese Kulturen, die zwar verschieden, aber doch sehr ähnlich sind, haben.
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