Satelita
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  • E1-006-D-Eckernförde (35 km)

    15 czerwca 2014, Niemcy ⋅ ☀️ 20 °C

    Die Weite der Ostsee

    Um sieben klingelt der Wecker, meine Augen erfassen erst allmählich die ungewohnte Umgebung. Der Duft frisch gebrühten Kaffees lockt mich aus dem Bett, unten wartet ein reichhaltiges Frühstück auf mich, meine Schwiegermutter hat auf der Terrasse gedeckt und nun sitzen wir gemeinsam in der Morgensonne, unterhalten uns über meine vorangegangenen Touren.
    Es ist das erste Mal, dass ich zwei so lange Etappen ohne Pause mache. Mehr als dreißig Kilometer sollen es heute werden. Während der ersten Schritte achte ich besonders auf die Beine, ob sie müde sind oder schmerzen. Nein, alles ist bestens, keine Beschwerden. Das Laufen fällt sogar leichter als an den Vortagen.
    Ein schmaler Pfad führt um den Rother Teich herum. Grashalme streichen um die nackten Waden. Ich muss unweigerlich an Zecken denken, die gerne von Grashalmen auf ihre Opfer überspringen. Diese fiesen Insekten sind eine Plage für den Wanderer, denn sie übertragen unter anderem Borreliose. Ein Zeckenbiss kann nach Tagen eine Hautrötung auslösen, die sich dann kreisförmig ausbreitet. Die Symptome vergehen wieder und meist vergisst man das Ungemach, doch manchmal bildet sich später eine Hirnhautentzündung oder eine Muskelentzündung, die nicht mehr mit dem Zeckenbiss in Verbindung gebracht wird. Das macht den Zeckenbiss so tückisch. Ich sollte mir vorsorglich ein Mittel besorgen oder besser noch mich impfen lassen.
    Zwei Kilometern weiter beginnt der Asphalt, der heute nicht mehr enden wird. Vorbei geht es so an Mehlsdorf, Quarnbeck, Landbeck. Das monotone Wandern versetzt mich in Trance. Die Füße verrichten ihren Dienst ganz automatisch. Der Blick ist ins Leere gerichtet und was er sieht, nimmt der Geist nicht wahr. Die Gedanken fließen hier hin und dort hin, entfernen sich, kommen zurück, bringen Gedanken mit, die betrachtet und wieder losgelassen werden wollen. Überwiegend drehen sie sich um die Zukunft und fragen, was sein wird mit dem Wandern in in einem Jahr. Die Zeit verrinnt, ohne dass ich es wahrnehme.
    Mein Blick bleibt an einem Schild kleben: Nord-Ostsee Kanal (NOK). Ach, schon so weit? Vor mir liegt eine Anlegestelle, die Fähre macht in diesem Augenblick von der anderen Seite los. Genug Zeit, die Informationstafel zu studieren und etwas über die Geschichte des NOK zu erfahren.
    Der NOK hieß früher einmal Kaiser-Wilhelm-Kanal, wurde vor mehr als hundert Jahren erbaut, er ist fast hundert Kilometer lang ist, teilt Schleswig von Holstein und verbindet durch seine Wasserstraße die Ost- mit der Nordsee. Jedes Jahr passieren den Kanal 37.000 Schiffe, das sind doppelt so viele wie den Suezkanal befahren. Hinzu kommen weitere vierzehn Tausend Sportboote.
    Mit der Fähre geht es über den Kanal und dann wieder zu Fuß weiter Richtung Gettorf. Die Sonne steht hoch am Himmel, es ist heiß, der Asphalt kocht. Jeder noch so kleine Alleebaum, der für einen Moment kühlen Schatten bringt, ist mir willkommen.
    Am südlichen Stadtrand von Gettorf durchstreife ich das KuBiZi, das Kultur- und Bildungszentrum. Ich überquere einen großen Parkplatz, komme an Fahrradstellplätze für hunderte von Fahrrädern vorbei, erblicke eine große Turnhallen und noch größere Unterrichtsgebäude und wundere mich über die Größe der schulischen Anlage. Über allem liegt Stille, denn es ist Samstag und kein Schüler geht heute zur Schule.
    Kaum liegt das Schulgelände hinter mir, da lädt eine Bank im kühlen Schatten zur Mittagspause ein, die heute reichhaltiger ausfallen wird. Meine Schwiegermutter hat mir zwei hartgekochte Eier und Butterstullen in den Rucksack gesteckt. Ich wollte das erst gar nicht mitnehmen, aber nun esse ich mit Wonne und freue mich über dieses Extra. Es schmeckt mir so gut, dass ich sofort beschließe, es mit auf meine Proviantliste zu setzen. Ein anschließendes Nickerchen wird durch ein Mauzen beendet. Eine junge Katze streift um die Bank und möchte unbedingt gestreichelt werden. Sie springt hoch und vollführt auf mir eine kleine Katzenmassage, indem sie ihre Pfoten voller Wonne in meinen Bauch drückt. Schließlich lässt sie sich dort nieder, schließt die Augen und schläft laut schnurrend ein. So schlummern wir beide ein Weilchen, bis ein Hund mit lautem Gebell den kleinen Schmuser vertreibt. Schade.
    Damit ist die Pause zu Ende und ich mache mich Richtung Richtung Stratenbrook auf.
    Eine Straße ohne Fußweg. Ich gehe links, wie es mich vor langer Zeit mein Vater gelehrt hat. So sieht man den Gegenverkehr und kann rechtzeitig reagieren, falls Gefahr von vorne droht. Doch die Straße ist leer, kein Verkehr. Nur am Straßenrand liegt das, was aus Autos achtlos heraus geworfen wurde: leere Bierdosen, zerknüllte Zigarettenschachteln, zerrissene Chipstüten und noch viel mehr Unrat. Je mehr Müll und Dreck ich sehe, um so ärgerlicher werde ich. Muss das denn sein?
    Und dann liegt sie vor mir: die Ostsee. Nach einhundertsiebzig Kilometer zu Fuß habe ich das Meer erreicht. Ein großer Moment des Glücks breitet sich in mir aus und ich genieße das sehr.
    Lange hocke ich am Strand, der Blick schweift übers Meer bis zum Horizont. Ich kann es nicht richtig fassen, dass ich bis hierhin zu Fuß gekommen bin. Ich zerre mir die klobigen Wanderstiefel von den Füßen und wate ins Wasser. Gerne hätte ich auch gebadet, doch schon wieder habe ich die Badehose vergessen. Barfuß geht es weiter am Strand entlang, der verflixt steinig ist. Aua! Kurz vor Eckernförde am FFK-Strand komme ich doch noch zu meinem erfrischenden Bad, denn hier kann man ohne Badehose ins Wasser hüpfen. Natürlich habe ich auch das Handtuch vergessen, aber ich weiß ja mittlerweile, wie schnell man wieder trocken ist.
    Warum nur sind die letzten zwei Kilometer immer so schwer? Das war auf jeder Wanderung bisher so und auch heute zieht es sich bis zum Bahnhof wieder endlos hin. Doch endlich liegt er vor mir. In Windeseile löse ich das Ticket, denn der Interregio fährt schon ein. Zügig bringt er mich ohne Umsteigen zurück zum Hamburger Hauptbahnhof. Während der Fahrt fällt mir auf, dass die zwei aufeinander folgenden Wandertage mir nicht zugesetzt haben, obwohl es sechzig Kilometer waren. Statt es anstrengend zu finden, macht mich das Wandern glücklich und zufrieden.
    Mit diesen Gedanken muss ich wohl eingeschlafen sein, denn erst im Hamburger Bahnhof wache ich wieder auf.
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