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- Monday, September 19, 2016
- ⛅ 18 °C
- Altitude: 249 m
GermanyHausach48°17’6” N 8°10’54” E
E1-59-D- Hausach (16km)

Südwärts auf dem Westweg (7)
Es ist still, völlig still auf dem Harkhof. Ich schlafe herrlich durch, bis das Meckern einer Ziege mich weckt. Das hätte ich gerne jeden Tag so. Ich schaue aus dem Dachfenster, kann die Ziege im Nebel aber nicht entdecken. Ich drehe mich noch einmal um und warte auf bessere Zeiten. Irgendwann aber muss ich aufstehen, denn heute werde ich die letzte Etappe dieser Tour gehen. In Hausach wartet morgen der Zug auf mich. Also muss ich weiter. Muss ich wirklich? Nein, ich will auch!
Ich steige die knarrende Treppe hinab, freue mich auf ein deftiges Frühstück auf dem Bauernhof. Wie sich herausstellt, sind wir Wanderer die einzigen Gäste. An einem Tisch ist für uns alle gedeckt. So, als wären wir eine richtige Wandergruppe. Irgendwie sind wir es auch geworden, jedenfalls für Momente.
Alle sitzen gemeinsam am Tisch, nur eine fehlt noch. Da geht die Tür auf und eine strahlende Marie kommt herein.
„Ich durfte beim Kühe melken zusehen“, sagt sie mit leuchtenden Augen. „Das war ein großer Wunsch von mir. Die Kühe haben mich heute Morgen sogar geweckt". Ihre Gemeinschaftsunterkunft liege direkt neben dem Kuhstall, erzählt sie freudestrahlend.
Ich verlasse mal wieder als Letzter den Hof. Und ich gehe nicht gerne von diesem Ort, der so still und friedlich liegt voll der Ruhe, Wärme und Geborgenheit. Hier scheint die Zeit still zu stehen oder wenigstens langsamer zu vergehen.
Auf der anderen Talseite schaue ich noch einmal zurück zum Harkhof. Der Nebel hat sich verzogen und der Sonne Platz gemacht. Jetzt kann ich auch die Kühe auf der Weide sehen, deren Existenz gestern nur Glocken ahnen ließen. Dann drehe ich mich um, lasse los, schaue nach vorne auf den Weg. Weiter geht’s, es gibt noch so viel Neues zu erleben.
Was wird mich heute auf den letzten fünfzehn Kilometern dieser Tour überraschen? Fünfzehn Kilometer, das ist nicht weit und lässt genügend Zeit für mußevolles Wandern und ausgiebige Pausen.
Drei Schutzhütten liegen am Weg.
An der Kreuzsattelhütte treffe ich auf den Wanderer, der die Nacht in der Haaghütte mit dem Luchs gekämpft haben wollte. Er erzählt, dass er vor hat, den Westweg bis zum Ende nach Basel zu gehen. Er will nur in Schutzhütten übernachten. Dafür ist er gut gerüstet, meint er. Ich frage ihn ordentlich aus über seine gemachten Erfahrungen und es klingt ermutigend, was er erzählt. Während er redet, dampft sein Shirt in der Sonne. Schließlich geht er weiter. Ich werde ihn nicht wieder sehen. Ob er in Basel ankommen wird? Sicherlich.
Die Kreuzsattelhütte ist verschlossen und eine Übernachtung scheint nicht möglich. Aber es gibt einen Brunnen mit frischem Wasser. Ich habe aus ihm getrunken, es ist mir gut bekommen.
Der Weg ist breit, ich komme gut voran. In Windeseile bin ich an der Hohenlochenhütte. Auch diese Hütte ist verschlossen, aber das Vordach wohl groß genug, um für eine Nacht Schutz zu bieten. Benjamin Claussner hat hier einmal übernachtet, wie ich in einem seiner Schwarzwaldvideos entdeckt habe. Kumpel darf ruhen, während ich auf meinem Kocher die letzte Tütensuppe erwärme. Neben der heißen Suppe genieße ich auch die herrliche Aussicht und die Sonne, deren Strahlen schon fast zu warm sind. Bevor ich weiter gehe, untersuche ich noch eine brandneue, klitzekleine Holzhütte, die direkt neben der Haupthütte errichtet wurde. Zu meiner Überraschung ist sie nicht verschlossen und bietet Raum für vier Übernachtungsgäste. Wie toll ist das denn! Ein Brunnen liegt in der Nähe.
Weiter geht es bergab, bald wieder bergauf. Als letztes Highlight wartet der Spitzfelsen auf mich. Aus 570m Höhe schaut man vor dort in das tief liegende, aber schon nahe Hausach. Von unten dringt Verkehrslärm herauf und mahnt so, dass diese Tour nun bald zu Ende sein wird.
Doch noch ist es nicht so weit. Lange stehe ich am Gipfelkreuz, schaue in die Runde. Bevor ich mich an den Abstieg mache, werfe ich noch einen Blick in die Spitzfelsenhütte. Sie ist geschlossen, doch nicht verschlossen. Drinnen ein Tisch, zwei Bänke. Auf dem Tisch Blumen und eine Kerze. Auch hier könnte man wohl übernachten, zwei Personen finden
vielleicht auf dem großen, breiten Tisch Platz. Doch frisches Wasser gibt es hier nicht.
Schlimm ist, dass an der Stirnseite der Hütte ein Schild angebracht sein muss. Darauf geschrieben steht:
<< Liebe Wanderer, die wieder aufgebaute Spitzfelsenhütte möge Euch bei der Rast viel Freude bereiten. Dazu könnt ihr mithelfen. Haltet die Hütte sauber, verzichtet auf Einritzen oder Anschreiben Eures Namens, entfacht kein Feuer, denn schon einmal zerstörte ein Brand das lobenswerte Werk fleißiger Hände. Januar 2010 >>
Sätze, die jedem Gast selbstverständlich sein sollten, es aber offenbar nicht jedem sind.
Dann kommt der letzte Abstieg. Steil geht es nach Hausach hinab. Der Westweg gibt noch einmal alles, doch vom Tal tönt immer lauter der Verkehrslärm herauf. Da liegt ein Baumstamm quer, liegt da wie ein Schlagbaum und signalisiert mir, dass die Tour zu Ende sei. Doch es geht noch ein Stück weiter. Eine Brücke überquert die Kinzig und ich gehe nun den Kinzigdamm entlang, der mich in die Stadt führt. Am rechten Ufer tönt - für mich fast unerträglich - der Lärm einer Schnellstraße herüber. Man kann sich so schnell des Krachs und der Hektik entwöhnen, wenige Tage genügen da bereits.
Und schließlich stehe ich vor dem letzten Portal dieser Tour, dem hölzernen Kinzigtaltor. Ich werde etwas wehmütig und merke, dass ich gerne noch weiter wandern würde. Aber von hier nach Hause zurück zu fahren, das sah mein Plan so vor, der Zug ist gebucht. Lange verweile ich - mich fragend, ob ich dieses Jahr noch weiter wandern werde. Ich weiß es in diesem Moment nicht.
Nur wenige Schritte noch bis zum Hotel „Zur Eiche“. Es liegt zentral mitten im Ort. Auch hier hatte ich mir vor Monaten schon ein Zimmer reserviert. Es liegt zur Straße und es verspricht eine unruhige Nacht zu werden.
„Eine gute Eingewöhnung an die Großstadt, in die ich morgen wieder zurück kehren werde“, denke ich, während ich das Zimmer betrete.
Abends sind alle wieder da: Marie, das Ehepaar und die beiden älteren Damen. Unser Lachen und die gute Laune vergolden an diesem Abend die zu helle Gaststube. Für die beiden Damen ist heute mit dem Wandern ebenfalls Schluss, die anderen wollen weiter wandern.
Am nächsten Morgen kommt der Abschied und die Wandergruppe zerfällt. So ist das beim Wandern: Menschen treffen sich, lernen sich kennen, gehen ein Stück gemeinsam und verabschieden sich nach einer Weile wieder voneinander, um sich dann vermutlich niemals wieder zu sehen.
Gilt das nicht auch für das normale Alltagsleben? Ist darauf nicht alles aufgebaut?
Und ist es nicht gut so?Read more
XeroxusUnter dem Vordach der Hohenlochenhütte auf einem Tisch einer Biertischgarnitur hatte ich eine ruhige und erholsame Nacht. Es war der 30. September 1986 und ich kam von der anderen Seite, von den Alpen. Die nächste Nacht war ich in der Darmstädter Hütte. In dem Jahr kamen mir wenige Wanderer auf dem Westweg entgegen. Im September vorletzten Jahres wanderten meine bessere Hälfte und ich den Westweg. Da haben wir acht Leute immer wieder auf dem Weg und abends in den Quartieren getroffen.
Michael-wandertSo scheint es auf diesem Weg zu sein. Ist es nicht erstaunlich, wie gut die Erinnerung an derartige Wandererlebnisse ist?