• Michael-wandert
Mei – Okt 2016

E1-Deutschland.Süden

Im dritten Jahr auf dem E1 durch Deutschland. Es geht vom Rhein weiter Richtung Süden zum Bodensee, wo die Wanderreise nach 72 Tagen zu Ende geht.
E1-Tag 41-72, drei mehrtägige Touren durch den Odenwald und den Schwarzwald. 668km
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  • Permulaan perjalanan
    31 Mei 2016

    Einführung

    30 Mei 2016, Jerman ⋅ ☁️ 17 °C

    Wegen der weiten Anfahrt von Hamburg nach Süddeutschland werden im dritten Wanderjahr die Touren länger - drei mehrtägige Touren führen mich durch den Odenwald und anschließend durch den Schwarzwald.

  • E1-41-D-Fischteiche bei Trebur (34km)

    31 Mei 2016, Jerman ⋅ ⛅ 20 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (1/11) - 11 Etappen (250km)

    Der Winter war lang und ich freue mich, dass die nächste Etappe durch Deutschland endlich beginnt.
    Nach langer, aber angenehmer Zugfahrt stehe ich am Bahnhof von Walluf am Rhein und mir kommt die letzte Tour in den Sinn, die im letzten Jahr hier endete, wo es jetzt weiter gehen soll.

    Ich schalte Else Komoot, meine (meist) zuverlässige Navigationsbegleitung mit weiblicher Stimme ein.
    Sie begrüßt mich mit: "Los geht's".
    "Ja, los geht's", erwidere ich freudig und mache den ersten Schritt auf der elftägigen Wanderung durch den Odenwald.
    Als erstes strebe ich zur Fahrradfähre, die mich über den Rhein bringen soll. Auf diese Überfahrt habe ich mich den ganzen Winter gefreut. Letztes Jahr stand ich hier und ein Schild informierte mich, dass die Fähre ihren Dienst bereits eingestellt habe und erst im April den Dienst wieder aufnehmen würde.
    Heute stehe ich wieder vor diesem Schild, jetzt lese ich eine andere Botschaft: Fährbetrieb nur an Wochenenden oder Feiertagen. Heute ist Dienstag. Also setzt der Fährmann nicht über.
    Ich bin tief enttäuscht!
    Ich atme tief durch.
    Und denke: "was soll's. Alles hat auch immer etwas Gutes. Suche es."
    Ich verbleibe notgedrungen auf der linksrheinische Seite und merke dabei schnell, dass der Rheinuferweg wunderbar ist. Der Weg auf der anderen Seite hätte mich entlang einer großen Straße geführt. Da habe ich schon das Gute gefunden!
    In dieser Gegend hat es in den letzten Tagen viele Unwetter mit heftigen Regenfällen gegeben. Der Pegelstand des Rheins ist entsprechend hoch und an vielen Stellen ist er über seine Ufer getreten.
    Geplant war nach der langen Anreise ein nur kurzer Wandertag. So komme ich schon nach vierzehn Kilometern am geplanten Etappenziel an. Doch der Campingplatz Maaraue ist als Opfer des Hochwassers gesperrt. Wohnwagen werden gerade evakuiert.
    Ich hatte einen Zeltplatz reserviert und bin ein wenig sauer, dass ich hier nicht bleiben kann. Ich müffle die Campingbesitzerin an, dass sie mir doch wenigstens eine Mail hätte schicken können. "Guter Mann, ich habe weiß Gott gerade andere Sorgen!", erwidert sie.
    Da hat sie wohl Recht.
    So habe ich schon am ersten Wandertag zwei Mal Pech.
    Aber was soll's! Ich wandere weiter am Rhein entlang und werde schon sehen, wie weit ich noch komme und wo ich übernachten werde.

    Ich komme an einem großen Schild aus Edelstahl vorbei. 50 Grad nördliche Breite steht drauf. Das bedeutet, dass ich gerade den 50ten Breitengrad überschreite. Hey, das ist ja toll!
    Der Rhein tritt an vielen Stellen über seine Ufer. Wege sind überflutet, Anlegestellen nicht mehr zugänglich. Überall Hochwasser! Es müssen schlimme Unwetter gewesen sein in letzten Zeit.
    Ich verlasse den Rheinufer-Wanderweg hinter Wiesbaden, Mainz liegt auf der anderen Rheinseite. Weiter geht es jetzt auf dem Deichkrone den Ginsheimer Altrhein, einem Seitenarm des Rheins, entlang, den Wildblumen, bunten Tupfen gleich, bedecken, die feurig im feuchten Gras glitzern. Es ist ein wunderschöner Weg.
    Es wird Zeit, einen Platz zum Übernachten zu finden.
    Ein Campingplatz liegt am Weg, der gar nicht in der Karte verzeichnet ist. Ein Gang über den Platz läßt mich angewidert umkehren. Meine Güte, ist der herunter gekommen! Da stehen sogar zwei ausgebrannte Autos herum. "Nein, hier will ich nicht bleiben", entscheide ich.
    Es wird immer später. Nach meiner Karte gibt es keinen Campingplatz in der Nähe. Wild campen will ich aber auch nicht.
    Ich mache erst einmal Pause, hole den neuen Kocher raus und koche einen Tee. Dazu gibt es Brot und Käse, kurz zuvor in einem Supermarkt erworben.
    Während der Rast treffe ich die Entscheidung, weiter bis zum Campingplatz zu laufen, der für morgen das Tagesziel gewesen wäre. Doch bis dahin sind es noch einige Kilometer....
    Gerade geht es an Fischteichen entlang. Else Komoot will nach links abbiegen, aber da ist ein hoher Zaun. "Was machst du nur, Else? Ich habe keine Lust mehr auf Umwege", denke ich, als ich zurück gehe. Doch bald merke ich: auch hier fügt sich alles zum Guten.
    So stoße ich kurz darauf auf einen kleinen, privat geführten Campingplatz, der wohl den Anglern gehört. Vom Platz dringen Geräusche träger Gemütlichkeit herüber, denen ich nachgehe. Da sitzen Menschen zusammen beim Grillen. Ich trete hinzu und frage, ob ich hier vielleicht übernachten könnte.
    "Ja, da hinten auf unserer Gästewiese ist Platz genug". Komm ma' mit, dann kriegste 'nen Schlüssel für's Waschhaus. Macht 10€ die Nacht und 'nen Euro für die Waschmarke."
    Bin ich froh, nicht mehr weiter zu müssen!
    Auf der feuchten Wiese schlage ich mein neues Zelt auf und richte mich für die Nacht ein, während die Sonne über den angrenzenden Fischteichen rot glühend untergeht.
    Ich freue mich auf morgen und verbringe meine erste Nacht im Zelt.
    Karte:
    https://www.komoot.de/tour/9524144/embed
    https://www.komoot.de/tour/9527606/embed
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  • E1-42-D-Jugenheim (40km)

    1 Jun 2016, Jerman ⋅ 🌧 3 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (2/11)

    Früh bin ich wach, denn die Vögel begrüßen laut zwitschernd den Morgen und beenden damit meine Nachtruhe.
    Viel Zeit für's Frühstück nehme ich mir nicht. Die Nacht muss sehr feucht gewesen sein, denn die Wiese ist immer noch naß. So trocknet das Zelt auch nicht ab und kommt schließlich klamm in den Rucksack.
    Zunächst geht es ziemlich lange eine breite Straße ohne Seitenstreifen entlang, auf der die Autos ohne große Rücksichtnahme an mir vorbei brausen. Einige Male muss ich mich auf den Grünstreifen retten, um nicht von einem vorbeidonnernden LKW überrollt zu werden und bin sehr erleichtert, dass ich nicht gestern abend mehr hier lang musste, als ich keine Kraft mehr hatte.
    Ich komme am Campingplatz Riedsee vorbei, auf dem ich gestern übernachten wollte. Nun bin ich froh, dass ich es nicht getan habe, denn er wirkt abweisend auf mich und ich sehe fast keine Zelte oder Wohnwagen. Vermutlich hat sich auch hier das Unwetter ausgewirkt und die Gäste vertrieben. Ich gehe schnell weiter.
    Es beginnt zu schauern. Bald wird der Regen heftiger und schließlich gießt es in Strömen.
    Und vor allem - es hört einfach nicht mehr auf.
    Meine alte Regenjacke hält mich trocken und warm, während die kurze Wanderhose klitschnass ist, weil ich keine Regenhose dabei habe. Doch das macht mir nichts.
    Über Wiesen und Wälder geht es immer weiter durch das flache Rheintal dem Odenwald entgegen. Eine mörderisch lange Strecke von fast vierzig Kilometern bin ich schon gelaufen. Ich bin völlig fertig, als ich endlich in Jugenheim ankomme.
    Heute ist geplant, im Hotel Brandhof zu übernachten; das Ziel ist in der Navigationssoftware gespeichert. Doch Else Komoot meint, ich sei am Ziel vorbei gelaufen. Ich bin irritiert und halte Ausschau nach dem Hotel. Doch hier ist keines. Ich stelle mich unter, denn es gießt weiter in Strömen, versuche mich zu orientieren. Von meiner Kaputze lecken dicke Tropfen auf mein Smartphone, so dass ich Angst habe, dass es in Kürze den Dienst quittieren könnte. Ungeduldig versuche ich dem Internet die Adresse des Hotels zu entlocken, denn die habe ich mir nicht aufgeschrieben. Ein Fehler, der sich nicht wiederholen soll. Die Verbindung ist quälend langsam und es braucht gefühlte Stunden, bis sich die Hotelseite aufbaut.
    Schließlich habe ich die Telefonnummer und rufe im Brandhof an.
    "Ja, wir haben noch ein Einzelzimmer frei" , meint eine freundliche Stimme. Ich nehme es sofort und freue mich, bald dem Regen entronnen zu sein.
    Das Hotel liegt außerhalb und es sind weitere drei Kilometer bis dahin. Bergauf natürlich, denn hier beginnt der Odenwald.
    Pitschepatschenass erreiche ich endlich das Hotel. So schön war es noch nie, mich in meinem kleinen Zimmer lang ausstecken zu können.
    Was für ein langer Ritt heute! Ich bin am Ende.
    Ich raffe mich noch einmal auf und suche den Speisesaal auf.
    Spargel mit Butter an Frühkartoffeln, begleitet von diversen lokalen Bierchen bringen mich zurück auf Spur.
    Karte: https://www.komoot.de/tour/9539049/embed
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  • E1-43-D-Kreuz und quer durch Felsenmeer

    2 Jun 2016, Jerman ⋅ ⛅ 18 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (3/11)

    Nach einem ausgiebigen Frühstück geht es - heute mal ohne Rucksack - Richtung Felsenmeer. Es ist äußerst angenehm, ohne Last auf dem Rücken zu wandern.
    "Alles richtig gemacht mit der Zwischenübernachtung! Auch wenn ich den Weg morgen ein zweites Mal gehen muss", denke ich, während ich durch den Wald stapfend stets bergan dem Felsenmeer entgegenstrebe.
    Bald darauf bin ich in Felsberg, dort beginnt das Naturschutzgebiet.
    Hier gibt es jede Menge massiver Granitsteine. Einige haben aufgrund ihres Aussehens Namen erhalten: Riesensarg, Riesensäule, Krokodil u.a..
    Nach und nach stehe ich vor diesen berühmten Steinen. Nur das Schiff, den größten unter den Riesenbrocken, finde ich nicht, so sehr ich auch danach suche. Die Beschilderung könnte besser sein, finde ich.
    Und dann stehe ich vor dem eigentlichen Felsenmeer, direkt hinter der Riesensäule beginnt es. Riesige Brocken liegen hier über und über getürmt, vor Urzeiten während der Eiszeit von riesigen Gletschern hier abgelegt.
    Ich folge dem imposanten Felsenmeer talwärts und vergesse dabei völlig, dass ich denselben Weg auch wieder hoch muss. Der Anstieg ist dann auch sehr anstrengend und ich spüre den gestrigen Tag in den Waden. Puh!
    Endlich habe ich mich satt gesehen und kehre zurück zum Hotel. Wie schön, bereits eine Unterkunft zu haben und nicht mehr suchen zu müssen. Das war ein schöner, entspannter Wandertag.
    Die Sonne kommt noch heraus und ich nehme einen Milchkaffee und Nusstorte auf der Terrasse, während ich den nächsten Tag plane. Legger!
    Und was gibt es wohl abends? Richtig: Spargel mit Butter an jungen Kartoffeln, dieses Mal mit Schinken. Und Bier satt.
    Karte: https://www.komoot.de/tour/9548873?ref=itd
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  • E1-44-D-Fuhr (26km)

    3 Jun 2016, Jerman ⋅ ⛅ 20 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (4/11)

    Mit einigen Happen vom Frühstücksbuffet geht es weiter. Endlich Odenwald!
    Zunächst passiere ich im Schnelldurchgang noch einmal das Felsenmeer. Dieses Mal gehe ich bis zum südliche Ende runter nach Reichenbach, will nur schnell noch einen Blick ins Infocenter werfen. Mit dem Centerleiter komme ich ins Plaudern und so dauert es länger als gedacht. Er hat auch schon manche Tour gemacht und als wir uns verabschieden, meint er wehmütig, er würde am Liebsten jetzt gleich mitwandern. Doch er muss bleiben. Wer informiert sonst die Touristen über das Felsenmeer?
    Heute folge ich wieder den Wegmarken des E1. Der Weg ist gut gekennzeichnet und Else Komoot hat Pause.
    Dachte ich jedenfalls. Doch in Reichenbach verlaufe ich mich sogleich. Plötzlich bin ich auf den Spuren des E8, der hier offenbar auch durchkommt. Wo ist der E1 geblieben? Also zurück.
    Der E1 teilt sich das Wegstück mit dem Niebelungenweg. Irgendwo hier in der Nähe soll der Sage nach Held Siegfried im Drachenblut gebadet haben. Ich komme aber an der Stelle nicht vorbei. Das Drachenblut wäre sicher auch schon trocken.
    Was unweigerlich dem Abstieg folgt, ist ein erneuter Aufstieg. Dieses Mal geht es bereits auf 500 Höhenmeter hinauf. Ich komme trotz bewölktem Himmel mächtig ins Schwitzen
    Kaum bin ich oben angekommen, geht es gleich wieder abwärts. Doch zunächst einmal gibt es eine prächtige Aussicht zur Belohnung.
    So geht es einige Male heute. Und das schlaucht! Jedem Aufstieg folgt ein schöner Fernblick zur Belohnung.
    Das Wetter scheint besser zu werden, der Boden allerdings ist von den vorangegangenen Regentagen aufgeweicht und matschig. Meine neuen Wanderstiefel sind von den Alten, die zu Hause nun ihr Gnadenbrot fristen, bald schon nicht mehr zu unterscheiden. Jedoch machen sich die neuen Sohlen griffig bemerkbar.
    Das gute Wetter ist leider nicht von langer Dauer. Kurz vor dem Tagesziel beginnt es wieder an zu regnen. Aber das macht mir nichts, denn just kommt eine Schutzhütte in Sicht. Während einer erholsamen Pause koche ich mir ein Getreidemüsli von Alnatura mit Wasser auf. Schmeckt köstlich, wenn man Hunger hat. Hinterher gibt es noch einen Instant-Kaffee. Was braucht man mehr? Ach ja, ein Nickerchen. Nur zehn Minuten!
    Das ist Gemütlichkeit pur in dieser Schutzhütte, während der Regen aufs Dach trommelt.
    Es hört nicht auf zu regnen, also im Nassen weiter, ich bin ja nicht aus Zucker.
    Wie gut, dass ich die Unterkunft <Waldschänke Fuhr> in Juhöhe bereits heute morgen telefonisch gebucht hatte. Ein großes Zimmer mit roter Coach wartet auf mich.
    Nach einem kurzen Nachmittagsschläfchen und Wäschewaschen verdrücke ich später im Restaurant des Hotels - richtig geraten - Spargel mit Schinken und spüle mit drei großen Bieren nach, währenddessen mein Blick sich in der Ferne verliert. Zumindest, soweit es die heranziehenden Regenwolken zulassen.
    Karte: https://www.komoot.de/tour/9566398/embed
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  • E1-45-D-Birkenau (9km)

    4 Jun 2016, Jerman ⋅ ⛅ 19 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (5/11)

    Während des Frühstücks kann ich noch einmal den spektakulären Blick aus dem Fenster des Speisesaals in der Waldschänke Fuhr genießen. Heute ist es klarer und es verspricht ein schöner Tag zu werden.
    Ein Radfahrer, den ich gestern unterwegs traf, legte mir einen Abstecher nach Weinheim ans Herz. Beim Frühstück plane ich es für heute ein und buche auch gleich eine Pension in Birkenau, das kurz vor Weinheim liegt.
    Der Marsch dorthin ist nur kurz, es geht über Höhenwege, die weite Blicke übers Land gewähren. Der Himmel ist zwar bewölkt und lässt die Sonne nicht durch, aber das ist ja ideal zum Wandern.
    Bei der Leonhard-Schenk-Hütte mache ich Pause. Schenk? Wird hier auch Bier ausgeschenkt? Ein Fenster, gestaltet wie ein Tresen, suggeriert mir das. Nein, der Erbauer heißt nur so. Schade.
    Während ich Kaffee koche, beginnt es zu regnen.
    Ich frage mich: gibt es einen Zusammenhang zwischen Schutzhütten und Regen? Jedes Mal, wenn ich eine Schutzhütte aufsuche, gibt es Regen. Am Ende der Pause ist es schon wieder trocken.
    Bald darauf erreiche ich Birkenau. Die Pension macht keinen schönen ersten Eindruck, doch drinnen ist alles adrett und die Wirtin begrüßt mich sehr freundlich. Schnell richte ich mich ein, mache Wäsche und dann geht es wieder los. Weinheim wartet! (s. nächster Footprint).
    Route: https://www.komoot.de/tour/9578184/embed
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  • Burgruine Windeck
    schöner Weg entlang der Weschnitz nach Weinheimauf zur Burg WindeckBlick von der Burg Windeck über WeinheimMahnmal und MustangKaffeepause in Weinheimgemütliches Abendbrot in der Pension

    Sightseeing in Weinheim (14km)

    4 Jun 2016, Jerman ⋅ ⛅ 22 °C

    Der Nachmittag gehört Weinheim. Ich möchte mir den Ort in aller Ruhe und Leichtigkeit (ohne Kumpel) ansehen.
    Der Weg führt das Flüsschen <Weschnitz> entlang, es ist ein lauschiger, ruhiger und abgelegener Weg, der durch ein Wäldchen führt.
    Die 45 Tausend Einwohner große Stadt Weinheim hat touristisch mehr zu bieten, als mir Stunden zur Verfügung stehen: es gibt zwei Burgen, eine Stadtmauern, vier Kirchen, ein Schloss, die Altstadt und einen Exotenpark.
    Ich entscheide mich für die Burg Windeck. Es ist ein schweißtreibender Aufstieg, denn die Sonne scheint, obwohl der Himmel weiter bewölkt bleibt. Oben angekommen, erklimme ich noch die 60 Stufen den Burgturm hinauf und genieße vom höchsten Punkt die Aussicht über Stadt und Land.
    In der Altstadt treffe ich auf die Touristenströme, die sich vor allem in die Cafés und Restaurants ergießen.
    Auch ich geselle mich dazu, genieße Kaffee und Kuchen mit Sahne.
    So gestärkt geht es nun in die St.-Laurentius-Kirche, die erst 1912 erbaut wurde, aber viel älter aussieht. Das Ehrenmal vor dem Portal steht schon länger dort, es wurde 1890 auf dem Marktplatz errichtet. Es gedenkt Kaiser Wilhelm I und dem Deutsch Französischen Krieg von 1870/71, an dem auch hundertsechzig Weinheimer beteiligt waren, unter anderem der hier dargestellte Soldat. Mit erhobener Fahne und gezücktem Schwert stürmt er über einen bereits niedergerissenen Befestigungszaun dem Feind entgegen.
    In der Kirche geht es friedlicher zu, dort gibt sich ein Paar gerade das Ja-Wort. Für einen Moment setzte ich mich in die letzte Reihe und folge still der Hochzeitsprozedur.
    Draußen vor dem Mahnmal wartet ein Mustang auf die Frischvermählten.
    Dann mache ich mich auf den Rückweg, bunkere bei REWE noch Brot und Käse als heutiges Abendbrot, genieße später meinen ruhigen Abend auf dem Balkon bei heißem Tee vom Kocher und Käsebrot ohne Butter.
    Mehr brauche ich im Augenblick nicht, um glücklich zu sein.
    Und weil das Wetter gerade so gut ist, beschließe ich, morgen mal wieder im Zelt zu übernachten.
    Route: https://www.komoot.de/tour/9587002/embed
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  • rauf und runter dem Neckar zu
    Lohn der Mühe: schöne AusblickeHey, die erste Karte ist abgewandertSchon wieder sieht es finster ausein Unwetter direkt über mir ...Wege wandeln sich zu Sturzbächender Waldboden dampftes ist überstanden. Nun erst einmal eine Pause mit Asia-SuppeNeckar erreicht!Am Ziel. Gibt es hier sogar einen Biergarten? (Spätere Erkenntnis: nein, gibt es nicht ☹ )Auch bei Regen kann es in einem kleinen Zelt gemütlich sein

    E1-46-D-Neckargemünd (31km)

    5 Jun 2016, Jerman ⋅ 🌧 18 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (6)

    Kumpel steht schon gepackt und wartet im Zimmer auf seinen Einsatz, während ich Punkt acht Uhr als erster Gast im Frühstücksraum auftauche. Müsli und Kaffee geben die notwendige Kraft für den heutigen langen Wandertag, der bevor steht und mich an den Neckar führen soll.
    Die nette Wirtin wünscht mir beim Verabschieden viel Spaß, doch es dauert nicht lange, da gilt es schon wieder, Höhenmeter zu machen. Und das wird heute so bleiben. Mal geht es rauf, mal runter. Der heutige Wandertag wird sich zwischen zwei- und vierhundert Höhenmeter bewegen. Ich bin halt im Odenwald.
    In Gorxheim überquere ich den Grundelbach, der hier zu einem kleinen See aufgestaut wird. Den ersten steilen Aufstieg und nachfolgenden Abstieg habe ich hinter mir. Ich bin schon müde, und dabei liegen erst fünf Kilometer hinter mir. Ich lasse mich auf einer Bank am See, zu dem der Grundelbach hier aufgestaut wurde, nieder und genieße einen Energieriegel in der Hoffnung, er bringe neue Kraft. Ich ziehe meine Karte heraus und schaue, wie es weiter geht. Auf dieser Wanderung benutze ich neben Komoot auch klassische Wanderkarten von <Kompass> und ich bin froh, dass ich die Karten, die das Wandergebiet abbilden, mitgenommen habe. Doch bringen die drei Karten 450g zusätzliches Gewicht in den Rucksack. Und hier an diesem See habe ich die erste Karte "abgelaufen". Mit einem guten Gefühl lasse ich sie in dem Mülleimer neben der Bank zurück.
    So, nun soll's weiter gehen, aber Else Komoot weiß nicht, wohin. So irre ich etwas herum, bis wir gemeinsam den Weg finden. Und gleich geht es wieder bergan, stetig steige ich immer höher in den tiefen Odenwald hinein.
    Hinter Steinklingen habe ich bei 350 Metern den vorläufig höchsten Punkt für heute erreicht und trete aus dem Wald. Vor mir liegt kein erfreulicher Anblick, denn in der Ferne türmen sich dunkle Wolken hoch und höher, während hinter mir der Himmel weiterhin unschuldig blau ist. Schon grummelt und rumort es, ein Gewitter scheint heran zu ziehen. Ich hoffe, auch heute verschont zu bleiben, denn bisher habe ich nur über die Nachrichten von den Unwettern erfahren, die in dieser Region derzeit ihr Unwesen treiben.
    Doch es erwischt mich dieses Mal mitten im Wald. Es beginnt mit harmlosen Regen, der allmählich stärker wird. Erst grummelt es, dann donnert es, es folgen Blitze, die in den dunklen Wolken nur als helles Leuchten auszumachen sind. Ich suche Schutz unter die Bäume, wohl wissend, dass man es nicht soll. Es könnte gefährlich sein, sofern ein Blitz in der Nähe einschlägt. Das Gewitter kommt dicht und dichter, schließlich ist es direkt über mir. Es blitzt und donnert gleichzeitig. Kumpel wird es unheimlich, ich muss ihn beruhigen - und er mich. Aus einem von Sackis Videos (https://www.youtube.com/watch?v=NTUhV3SVKM0) erinnere ich, wie man sich bei Gewitter zu verhalten hat: Kein Metall am Körper. Ich habe das Bild vor Augen, wie er seinen Rucksack wegschleudert. So stelle ich Kumpel auf die eine Seite des Weges, decke ihn mit seinem Cape ab, während ich mich auf der anderen Seite des Weges unter einen nicht allzu hohen Baum stelle. Doch das Blätterdach gewährt keinen Schutz mehr, der Regen ist zu heftig. Ich werde nass bis auf die Haut. Kumpel dagegen bleibt unter seinem Cape trocken.
    Dann ist es plötzlich vorbei. Während der Regen von den Blättern tropft, schultere ich Kumpel und gehe weiter. Nun geht es nicht mehr über Wege, sondern durch Bäche, die talwärts stürzen. Doch die neuen Wanderstiefel halten dicht, auch wenn sie von außen völlig durchnässt sind.
    Dann kommt die Sonne wieder hervor und verdampft das Wasser. Im Wald entsteht durch die Nebelschwaden eine gespenstische Stimmung.
    Nach vielen Kilometern erreiche ich den Neckar. Die Sonne scheint immer noch, es ist warm geworden und meine Planung, heute auf einem Campingplatz zu übernachten, scheint aufzugehen. Ich habe mir den Campingplatz Haide, der hochwassersicher zwischen Heidelberg und Neckargemünd liegt, für die heutige Nacht ausgesucht.
    Und tatsächlich, er hat offen und der nette Campingwart lässt mich selbst einen Platz suchen. Damit lasse ich mir Zeit, denn er soll ja möglichst trocken sein. Das ist nicht leicht, aber schließlich ist er gefunden. Bei herrlichem Sonnenschein baue ich mein kleines Zelt auf. Nebenan baut bereits jemand an seinem wesentlich größeren Zelt, unterbricht aber seine Arbeit, als er sieht, wie klein mein Zelt ist und kommt rüber. Gleich reicht er mir ein Bier und stellt sich vor. Jörg kommt wie ich aus Hamburg, welch ein Zufall. Wir verabreden uns für später auf ein weiteres Bier und werkeln erst einmal weiter an unseren Zelten. Während ich mein 1-Mann Zelt errichte, baut er sein 5-Meter Zelt auf, in dem er dann alleine schläft. Jedem das Seine.
    Ich ziehe mir noch einen dicken Holzklotz heran, der mir als Campingstuhl dienen soll. Denn heute soll es mal was Richtiges aus der Campingküche geben und dafür möchte ich gemütlich sitzen. Ich angle mir eine Packung Rindfleisch Stroganoff mit Reis von Trek'n Eat aus den Vorräten. Einhundertsechzig leckere Gramm, die Kumpel bis hierher geschleppt hat. Genau das Richtige nach einer so langen Wanderung. Heißes Wasser drauf, neun Minuten warten, fertig. Und tatsächlich - es schmeckt lecker. Vielleicht ist es auch nur der Hunger...
    Danach noch einen heißen Tee.
    Kaum bin ich fertig, ziehen neue Wolken über den blauen Himmel. Da kommt das nächste Unwetter. Ich verziehe mich in mein kleines Zelt und schon geht es los. Der Regen trommelt auf das Zeltdach und der Donner klingt so nah, als wäre ich mitten drin. Ich kuschle mich in meinen Daunenschlafsack und finde es gemütlich. Das Zelt hält dicht, alles bleibt trocken. Es steigert mein Vertrauen in meine Minibehausung.
    In einer Regenpause schlüpfe ich zum Zähneputzen noch mal kurz aus dem Zelt, dann kuschle ich mich wieder in den Schlafsack und bin bald eingeschlafen. Gute Nacht.
    Das Biergelage mit Jörg gibt es dann vielleicht morgen.
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  • Pausentag in Neckarsgemünd
    das Higlight des Tages: Lasagne am Neckar...das ist schon der schönste Blick auf Neckarsgemündauch der Neckar ist über die Ufer getreten

    E1-47-D-Bummel in Neckargemünd (11km)

    6 Jun 2016, Jerman ⋅ ☀️ 27 °C

    Frühes Erwachen um 5:30 Uhr, mehr Schlaf gibt die harte Isomatte nicht her. Ich muss mich wohl noch daran gewöhnen. Draußen ist alles feucht, die umliegenden Hügel noch nebelverhangen. Bald darauf bricht die Sonne durch die Wolken, doch mein Zelt liegt weiter im Schatten und wird einfach nicht trocken.
    Erst einmal in aller Ruhe Frühstück machen mit Morgenstund und heißem Kaffee. Ich habe Zeit, denn heute mache ich einen Tag Wanderpause. Das bedeutet nicht, dass nichts unternommen wird. Was soll ich auch den ganzen Tag auf dem Campingplatz tun?
    Um zehn geht es nach Neckargemünd. Eine bewusste Entscheidung gegen Heidelberg wegen der vielen Touristen, die ich dort vermute. Es ist eine Fehlentscheidung, wie ich bald herausfinde. Neckargemünd hat nicht viel zu bieten: eine triste Altstadt, kein einziges Café, zwei Kirchen verschlossen, die Burg Reichenstein eine Ruine, von der fast nichts mehr zu erkennen ist.
    Ein Highlight ist die Lasagne beim Italiener direkt am Neckar, die ich genieße, während ich dem träge vorbeifließenden, braunen Wasser nachschaue. Auch hier: Hochwasser.
    Ich beschließe, zum Campingplatz zurück zu gehen. Noch schnell einen Abstecher in die Neustadt zum REWE auf der anderen Neckarseite, dann gehe ich die drei Kilometer zum Platz zurück.
    Kaum angekommen, trifft eine Radlerin ein, stoppt neben mir.
    "Wo ist denn hier ein guter Platz?", fragt sie und ich empfehle ihr einen Platz ein Stück weiter, der heute morgen bereits in der Sonne lag. Dort schlägt sie ihr kleines Zelt auf. Und weil's mir dort auch besser gefällt als auf meinem schattigen Platz, versetze ich mein Zelt neben das ihre. Das geht ruck zuck.
    "Nicht zu dicht", gibt sie zu verstehen, "schnarchst du?"
    Wenn sie wüsste, wie laut es hier nachts wegen Straße und Bahnlinie zugeht, würde sie das nicht fragen.
    Ich biete ihr einen Kaffee an, weil wir schon ins Plaudern gekommen sind. Was ich denn für einen hätte.
    "Instant Kaffee von Jacobs. Schön heiß und braun", meine ich.
    "Ja, wie Scheiße, die ist auch heiß und braun", erwidert sie und lehnt dankend ab.
    Ich muss laut lachen und mache mir einen Braunen, und während ich ihn heiß genieße, erfahre ich, dass sie aus den Niederlanden stammt und in der Schweiz arbeitet.
    "Nicht wegen der Steuer!", beteuert sie.
    Sie sei Ergotherapeutin und ihr Name ist Dannee.
    Ich rücke einen weiteren Holzklotz neben den meinen und es wird so richtig gemütlich. Der Nachmittag plätschert auf das Angenehmste dahin. Und da gerade die Sonne ihr Bestes gibt, kann ich nebenbei über das neue Solarpanel meine Batterien aufladen. Das geht heute ganz schnell.
    Später nutzen wir noch das WLAN an der Rezeption, jeder zur Planung seiner Route für den morgigen Tag.
    Es dämmert schon, als Jörg von seinem Tag zurück kommt. Er reicht mir gleich ein Bier herüber und erzählt von seinen heutigen Schlangenbeobachtungen. Es ist sein Hobby und er glüht vor Leidenschaft, wenn er davon erzählt.
    Dem ersten Bier folgen weitere, während es schon dunkel wird. Dannee zieht sich in ihr Zelt zurück und ich lerne Jörg noch ein bisschen besser kennen. Leicht hat er es gerade nicht, aber das ist eine andere Geschichte.
    Spät kriechen wir in unsere Zelte und ich schlafe wunderbar bis zum nächsten Morgen durch.
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  • Es wird ein sehr heißer Tag heute.
    Sehr heiß!schon wieder ein Gewitter?direkt an der WetterscheideSchatten wäre schön!über 1000 Hügel musst du gehn'ICH KANN NICHT MEHR!Nur noch diesen Hügel. Bitte!Endlich! Der Campingplatz Wackershof ist nah.viel Platz für Kumpel und mich auf dem Campingplatz Wackershof.

    E1-48-D-Camping Wackershof (37km)

    7 Jun 2016, Jerman ⋅ ⛅ 26 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (7)

    Frühstücken, Rucksack packen, kurze Verabschiedung von Dannee und Jörg, dann geht es 9:30 Uhr los. Bestes Wetter, blauer Himmel, Sonne satt.
    Mit der Überquerung des Neckars liegt der Odenwald hinter mir, aber es geht weiterhin rauf und runter, nur nicht mehr so extrem.
    Es wird immer heißer. So heiß, dass ich auf den sonnenbeschienenen Feldwegen den schattigen Wald herbei sehne, der allerdings mit hinterhältigen Schmeißfliegen und Stechmücken aufwartet, so dass ich mich schon wieder über die heißen Wege in der prallen Sonne freue. So geht es hin und her und ich denke: "Der Regen war echt nicht schlecht".
    Optimal ist es wohl selten und man soll es nehmen, wie es gerade kommt.
    Hinter mir fängt es schon wieder an zu grummeln. Wieder wird der Himmel schwarz. Wartet ein neues Unwetter auf mich? Lange stehen die dunklen Regenwolken über mir, kommen nur langsam voran und ziehen allmählich in westlicher Richtung an mir vorbei. Wo ich bin, scheint heute die Sonne. Und so soll es bleiben.
    Ich komme an einer Bank vorbei, auf der ein älterer Mann sitzt. Neben ihm ruht ein wuchtiger Rucksack, der größer ist als Kumpel. Der Mann schaut skeptisch in die dunklen Wolken.
    Ich bleibe stehen, wir kommen ins Gespräch. Er sei auf dem E1 unterwegs. So wie ich, allerdings ist er in umgekehrter Richtung unterwegs und läuft den Fernwanderweg in einem Stück von Basel nach Hamburg.
    "Hamburg ist meine alte Heimat", sagt er sehnsuchtsvoll. So, als wäre er gerne schon da.
    "Mein Rucksack ist zu schwer. Demnächst werde ich einiges zurückschicken."
    "Meiner ist auch schwer. Aber ich weiß nicht, auf was ich verzichten könnte", erwidere ich und mir fällt nur der nicht funktionierende EOE-Brenner ein, den ich als einziges Unnützte mitschleppe. Aber das Teil wiegt nur 40g. Und vielleicht kann ich ihn noch reparieren...
    Als wir uns verabschieden, meint er noch: "Du bist der erste Fernwanderer, den er bisher getroffen habe".
    Immer noch liegen zehn Kilometer vor mir, während Kumpels Riemen immer mehr auf meine Schultern drücken. Er zieht mich nach unten, oder ist es die Sonne, die mich fertig macht? Ich komme allmählich an meine Grenzen.
    Hinter jeder Kuppe wähne ich das heutige Etappenziel und weiß doch, dass es noch nicht sein kann.
    "Nur noch der eine Hügel", hoffe ich. Dann noch einer. Und noch einer.
    ICH KANN NICHT MEHR! Grenzerfahrung.
    Da, endlich! Das ersehnte blaue Schild, das mir den Weg zum Campingplatz weist. Der freundliche, alte Herr an der Rezeption des Wackerhofes scheint ein leidenschaftlicher Campingwart zu sein. Überaus freundlich begrüßt er mich, führt mich plaudernd mit seinem Fahrrad zum zugewiesenen Platz, der leider nicht ganz eben ist. So wird es wohl wieder eine rutschige Nacht im Zelt werden, die ich in der einen oder anderen Ecke des Zeltes verbringe.
    Aber egal, ich bin ja angekommen. Duschen, Kleiderpflege, Zelt aufbauen, Kochen. Langsam wird es Routine.
    Heute gibt es das zweite gefriergetrocknete Gericht, das ich bei mir habe: Trek'n Eat Huhn mit Curryreis. Heißes Wasser drauf, 8 Minuten warten. Fertig.
    Es ist nicht ganz so lecker wie das erste Gericht.
    Ab jetzt wieder 150g weniger im Rucksack. Hurra.
    Während ich noch einen heißen Tee genieße, beobachte ich ferne Wetterleuchten, von leisem Donnergrollen begleitet. Dunkel, fast schwarze Wolken ziehen rechts und links am Campingplatz vorbei und ich hoffe inständig, dass diese Nacht trocken und ruhig bleibt.
    Sie tut es. Der Campingwart erzählt mir am nächsten Morgen, dass der nächste Ort heute Nacht in einer Schlammlawine versunken sei. Und er verrät, dass der Hügel, auf dem der Campingplatz liegt, sehr oft von Regen verschont bleibt. Das hätte er mir schon gestern Abend erzählen sollen, finde ich.
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  • Heute braut sich was zusammen
    Natur erobert zurückStille im Rapsfeld. Alleine seinKumpel und ich lieben die RastMagnum-Freudenwir hängen durchschöne GegendenMal wieder ein Zeckenweg. Macht nichts, ich habe ja Kokosöl auf die Beine geschmiert.Schon wieder ein Unwetter! Sieht bedrohlich aus.Bin ich froh, das Schild zu sehen. Kumpel auch!Tagesabschluss

    E1-49-D-Öhlmühle [Oberderdingen] (25km)

    8 Jun 2016, Jerman ⋅ 22 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (8)

    Babygeschrei reißt mich sehr früh aus dem Schlaf. Stehe ich halt auf. Duschen, in aller Ruhe frühstücken, Rucksack packen. Es beginnt Routine zu werden. Das Zelt bleibt bis zum Schluss stehen, damit es ganz trocknen ist, wenn ich es einpacke.
    Der Weg führt mich über sanfte Hügel, Wald gibt es nur noch wenig. Der Odenwald liegt endgültig hinter mir.
    Heute ist es nicht mehr so warm wie gestern, aber schön sonnig. Ich komme durch Menzingen, dort geht es über den Stadtbahnwanderweg nach Odenheim. Ich hatte damit gerechnet, in einem Supermarkt Proviant aufnehmen zu können, aber es liegt keiner auf meinem Weg. Auch kein Bäcker, einfach nichts. Notgedrungen kaufe ich in einer Tankstelle ein Magnum-Eis, außer kalten Getränken und süßen Snacks haben sie nichts.
    Ich setze mich auf eine Bank, knacke genüsslich das Magnum und denke an die Fernsehwerbung. Mir fällt auf, dass die Bank direkt vor einer Bäckerei steht. Sie ist klein und unscheinbar und hat kein Schaufenster. Deshalb habe ich sie übersehen. Sie hat geschlossen, denn es ist Mittagspause, wie in dieser Region allgemein üblich. Zwischen 12 bis 15 Uhr geht nichts. Und Montag auch nicht, da haben alle Ruhetag. Das macht die Versorgung beim Wandern nicht einfach.
    Ich werfe einen Blick auf die Wanderkarte und entdecke ein Zeichen, dass für ein Wanderheim steht. Das interessiert mich. Ich kann mehrere dieser Symbole auf der Karte entlang meines weiteren Wegs entdecken. Ich passe meine Tour an, es liegt nur ein paar Kilometer weiter im Wald. Doch ich werde enttäuscht, denn es hat geschlossen, ist überhaupt nur Sonntags für Wandergruppen geöffnet, wie ein Schild informiert. Es ist also keine preiswerte Alternative bei Regen zum Campingplatz, wie ich gedacht hatte. Schade. Also weiter. Es geht jetzt auf engem Weg nach Kürnbach. Wieder einmal bin ich überrascht, welch kleine Pfade Else Komoot kennt! Das Gras steht hoch und müsste gemäht werden. Aber der viele Regen hindert vielleicht denjenigen, der für diesen Wegabschnitt zuständig ist. So wird ein Zeckenwege draus. Aber da bin ich schon sorgloser geworden und lasse meine nackten Beine an hohen Grashalmen vorbeistreifen, denke wenig an die blutrünstigen Zecken, die nur darauf lauern, auf meine Beine zu springen. Denn ich habe vorgesorgt, jeden morgen Kokosöl auf Arme und Beine verteilt. Es war ein guter Tipp einer Pferdeliebhaberin, die ihrem Pferd Hufe und Beine damit einreibt. Die Zecken sollen den Geruch nicht mögen und ich hoffe inständig, dass es stimmt. Bisher hat noch keine Zecke angebissen.
    Nun ist es nicht mehr sehr weit bis zur Ölmühle, die heute meine Unterkunft sein soll.
    Im Osten braut sich ein weiteres Unwetter zusammen. Zunächst sind es nur dunkle Wolken, die sich schnell zu bedrohlicher Größe auftürmen und pechschwarz werden. Ist da nicht eine Windhose zu sehen? Ich beschleunige meine Schritte, denn in dieses Unwetter möchte ich nicht geraten.
    Ein klapperiges, altes Auto überholt mich. Kaum ist es an mir vorbei, da stoppt es abrupt, der Fahrer verrenkt seinen Kopf, während er aus der Seitenscheibe zu mir rüberschaut. Nach einer Weile kurbelt er das Fenster herunter.
    "Wills´t mit?" fragt er. "Wegen de Unwedde".
    "Ja". Ich schmeiße Kumpel schnell auf den Rücksitz.
    "Danke". Ich bin echt froh, auch wenn jetzt ein paar hundert Meter Deutschland unter meinen Wanderstiefeln fehlen. Es ist mir egal in diesem Moment.
    Schon an der nächsten Kreuzung läßt er Kumpel und mich raus.
    "Do isses", meint der Fahrer, dann tuckert er weiter.
    Ich nehme die Füße in die Hand und sehe zu, dass ich zur Ölmühle komme, denn es beginnt zu regnen.
    Das alte Gemäuer, das die Ölmühle sein soll, sieht schon etwas herunter gekommen aus. Ich hatte mir etwas anderes vorgestellt und ob des ersten Eindrucks bin ein wenig enttäuscht.
    In einem Gartenhäuschen sitzt der Gastwirt mit seiner Frau. Sie sehen fern.
    "Ah, do isch de Wanderer", begrüßt er mich und zeigt mir sofort, ohne viel mehr zu sagen, mein Zimmer.
    "Bekomme ich noch etwas zu essen?", frage ich besorgt, denn hier ist überhaupt nichts los und anscheinend bin ich der einzige Gast.
    "Ah, scho. Sie mögen sicher Schnitzel mit Pommes?" Das war keine Frage.
    "Klingt gut", meine ich. Hauptsache Essen, denke ich.
    "I klopf' dann", meint er schon im Gehen.
    Der sucht nicht den Kontakt zu seinen Gästen, denke ich, während ich auspacke.
    Tatsächlich klopft es um 19:30 an meiner Zimmertür.
    Der Wirt steht draußen.
    "Dos Esse steht auf de' Tisch. Macht 54,90€ für Übernachtung, Esse' und Frühstück. Wenn's geht, bar!"
    "Lassen Sie mich erst einmal essen. Es wird doch kalt."
    Ich merke, das passt ihm nicht. Er zieht wortlos ab.
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  • ein weiterer Tag auf Matschwegen
    David gegen Goliathder Weg führt durch WeinbergeMaulbronnKlosteridyll in MaulbronnKaffeepausedas alte FruchthausBurgtorder Wandelgang nennt sich ParadiesAh!die heutige Unterkunft gleicht einer Mönchstube

    E1-50-D-Maulbronn (12km)

    9 Jun 2016, Jerman ⋅ ⛅ 22 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (9)

    Während es draußen ungeheuer viel geregnet haben muss, habe ich in der ungastlichen Unterkunft herrlich geschlafen.
    Um 7:30 klappert es draußen, das Frühstück wird wohl gerichtet. Zu sehen bekomme ich niemanden und als ich meine Zimmertür öffne, liegt der Frühstücksraum verlassen vor mir, eine Neonröhre am Fenster beleuchtet den Raum mit kaltem Licht.
    Hungrig mache ich mich über das karge Frühstück her. Den vereinbarten Lohn lege ich einfach auf den Tisch, packe meine Sachen, schultere Kumpel und gehe wortlos. So möchte es der Wirt wohl auch haben. Mir scheint, er sucht keinen Kontakt zu seinen Gästen.
    Es ist bewölkt und kühl. Der Weg ist matschig und die Wanderstiefel bald über und über mit Dreck bedeckt.
    Kurz vor Freudenstein trete ich aus dem Wald. Vor mir liegen Weinberge, durch die ein schmaler Steig nach unten führt. Hier soll es langgehen, meint Else Komoot, doch vorher muss ich noch eine Straße überqueren. Sie ist mit heruntergeschwemmter Tonerde bedeckt, durch die ich waten muss. Die nasse, schwere Erde reicht bis zur den Stiefelschäften. Ich frage mich gerade, ob ich meine Schuhe wohl je wieder sauber bekomme, da höre ich eine weibliche Stimme hinter mir:
    "Da würd' ich nich lang gehe, wegge de Zegge."
    Da hat sie wohl recht, denn das Gras, das auf dem abschüssigen Steig wächst, würde mir bis zur Hüfte reichen.
    Wo ich denn langgehen könne, frage ich sie und so kommen wir ins Gespräch.
    Eine Dogge neben ihr wartet ungeduldig, sie möchte weiter. Doch die Frau erzählt mir in aller Ruhe aus ihrem Leben. Sportlich schaut sie aus und wie sie erzählt, ist sie es wohl auch. Fährt mit dem Rad lange Touren, macht Kickboxen. Sie muss in meinem Alter sein und ihre Sportlichkeit beeindruckt mich sehr. Doch dann driftet sie ab in das derzeit so aktuelle und unerfreuliche Thema <Ausländer>, steigert sich zunehmend hinein. Anscheinend gibt es auch hier ein Thema mit Flüchtlingen. Zumindest in den Köpfen mancher Menschen.
    Ich versuche, freundlich zu bleiben und verabschiede mich unter dem Vorwand, dass mir kalt wird.
    Der Weg führt durch die Weinberge, für den Umweg werde ich mit einem schönen Ausblick belohnt.
    Kaum bin ich im Tal in Freudenstein, geht es auch wieder steil bergauf. Wieder ist der Weg reich an Höhenmetern, die es in die eine oder andere Richtung zu überwinden gilt.
    Bald erreiche ich Maulbronn, es ist noch früh, denn der Weg bis hierhin war nicht weit.
    Am Nachmittag ist Zeit, die Klosteranlage Maulbronn zu besichtigen.
    Doch erst einmal mache ich ausgiebig Rast, hole den Kocher hervor und braue mir einen heißen Instant-Kaffee. Ich muss kurz an Dannee denken und ihre Meinung über meinen Kaffee: "Schwarz und heiß und schmeckt wie Sch...".
    Im Internet finde ich die Pension StuttgART36. Eine schön gemachte Site verführt mich zu einem Anruft und schon habe ich ein Zimmer für die Nacht. Wie schön.

    Kurz darauf checke ich in der Pension ein. Ein stilsicher restauriertes, altes Gebäude, von den Eigentürmern liebevoll betrieben.
    Ohne Kumpel erkunde ich bald das UNESCO-Weltkulturerbe <Kloster Maulbronn>. Es gibt viel zu sehen, jeder Blick offenbart Interessantes. Die alten Klostermauern beherbergen auch ein Internat, und das bereits seit mehreren hundert Jahren in ununterbrochen Folge. Ansonsten hat das Kloster eine wechselhafte Geschichte.
    Ich bin erstaunt, wie wenige Touristen hier unterwegs sind. Dabei haben wir das herrlichstes Wetter.
    Lustwandeln macht Hunger.
    Am Klosterplatz liegt das Restaurant <Zur Klosterkatz>. Ich lasse mich draußen in der Sonne nieder und bestelle Pizza Tonno und vorab und ganz schnell ein großes, dunkles und süffiges Klosterbier. Oh, das schmeckt so gut, dass gleich noch ein Zweites her muss.
    Wenn man alleine unterwegs ist, hat man auch mußevolle Zeit und kann in Ruhe beobachten. Das tue ich ausgiebig, während ich auf mein Essen warte.
    So sitzt am Nebentisch ein älterer Mann in weiblicher Begleitung. Seinen dicken Bauch trägt er mit Würde und bestellt die Speisekarte gerade rauf und runter. Nebenbei unterhält er seine weibliche Begleitung königlich mit klugen Sprüchen. Sie turteln und geben sich Küsschen. Süß.
    Zwei Tische weiter: ein alter Herr - sehr entspannt. In der Hand eine Zigarre, an der er gelegentlich genüsslich saugt. Er macht auf mich den Eindruck des weisen Geistlichen. Ihm gegenüber: ein junger Mann - sehr aufrechte Haltung, angespannt. Seine Hände in ständiger Bewegung, währenddessen er sein Gegenüber nicht aus den Augen lässt.
    Auf der anderen Seite: eine amerikanische Großfamilie. Die junge Mutter genießt entspannt ihre Pommes, während ein junger Mann den Alleinunterhalter für die zahlreichen Kinder spielt. Erst spielt er mit ihnen Verstecken, dann Fassen kriegen, dann Fußball. Die Kinder wollen ständig etwas anderes. Schließlich setzt er sich und stibitzt von allen Tellern übrig gebliebenen Pommes. Ein Junge - vielleicht sechszehn - läßt seine Knie pausenlos auf und ab hämmern. Seine Mundwinkel sind nach ganz unten gezogen. Beim Fußballspielen hat aber auch er später seinen Spaß und gibt ordentliche Pässe.
    Dann verschwindet die Sonne vom Klosterplatz. Rasch wird es kühl. Ich verschwinde auch, mir ist jetzt nach Ruhe.
    Den Abend beschließe ich mit Fernsehen. Wild Wild West mit Will Smith ist heute genau das Richtige für mich. Leichtigkeit des Seins.
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  • Infotafel zur Eppinger Linie
    Kumpel ruht sich vor dem Chartaque aus, während ich hinauf steigeprächtige Sicht vom Schutzturm (Chartaque)es geht den Eppinger-Linie-Weg entlangda haben wir den Salatdie letzte Schutzhütte...... gefällt Kumpel und mir nicht sehrnoch ist es einsam, aber Pforzheim nahtich umkreise das Hotel...... komme nur langsam näher...... nur noch über diese Straße...... und schon bin ich da!Geschafft für heute

    E1-51-D-Niefern (18km)

    10 Jun 2016, Jerman ⋅ 24 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (10)

    Das Frühstücksbuffet ist liebevoll angerichteten, so dass ich lange bleibe. Erst spät checke ich aus, um heute auf die letzte Tour der Odenwald-Etappe zu gehen.
    Kumpel freut sich, wieder an meinem Rücken zu hängen. Ich freue mich nicht so sehr, denn ich bin es, der ihn gleich wieder bergauf schleppen muss. Es geht quer über einen Schulhof im neuen Teil Maulbronns, gerade ist Pause: Schülerinnen und Schüler schauen mir wortlos nach. In einer Ecke knutscht ein junges Pärchen; die beiden interessieren sich nicht für mich.
    Bald umgibt mich wieder der Wald. Der Weg ist trocken, der Regen mittlerweile versickert. Durch das Blätterdach blinzelt die Sonne.
    Nach fünf Kilometern stoße ich auf den Nachbau einer alten Wehranlage. Hier wird demonstriert, wie Ende des siebzehnten Jahrhunderts die Eppinger Linie verteidigt wurde. Vor mir steht ein 12m hoher Holzturm (Chartaque), der Teil einer Verteidigungsanlage war. Ich besteige ihn und bin von dem Ausblick über das weite Tal überwältigt. Der Turm wird durch spitze Pfähle geschützt, die damalige französische Angreifer abwehren sollten.
    Kurz darauf stoße ich auf den Eppinger Linien Weg. Es ist zwar ein kleiner Umweg, aber der Pfad sieht sehr interessant aus. Er verläuft auf dem alten Wall, der damals innerhalb von zwei Jahren von verdungenen Bauern geschanzt wurde, links davon ein tiefer Graben. Ein Verhau ineinander verkeilter Baumstämme machte die Verteidigungslinie damals komplett. Das war sehr effizient und ihre abschreckende Wirkung verhinderte eine Eroberung durch die Franzosen im Pfälzischen Erbfolgekrieg, den der alte Sonnenkönig König Ludwig XIV anzettelte. So einfach war das damals noch.
    In Mühlacker finde ich endlich einmal wieder einen Supermarkt, wo ich mich mit einer großen Tüte Salat versorge. Nach einem kurzen Gang durch die Fußgängerzone treffe ich auf die Enz. Auf einer ergonomischen Bank direkt an der Enz genieße ich eine sehr entspannende Pause und verdrücke dabei den ganzen Salat auf einmal. Auch die Enz führt Hochwasser, wie braune Trinkschokolade fließt es träge an mir vorbei.
    Als die Sonne hinter den schützenden Blättern hervorlugt, mache ich mich wieder auf den Weg. Auf einer Brücke überquere ich die Enz, der verträumte Weg schlängelt sich direkt am Flusslauf entlang.
    Noch einmal treffe ich auf eine Schutzhütte und beschließe spontan, eine Pause zu machen und den letzten Kaffee - schwarz wie Sch... zu kochen.
    Lange sitze ich, starre gedankenverloren auf die Enz, die weit entfernt hinten im grünen Flussdelta fließt. Ich packe zusammen und schultere Kumpel, der mir heute gar nicht so schwer vorkommt wie sonst.
    Schließlich bin ich am Ziel, nur noch eine Treppe hoch. Doch sie ist gesperrt, was einen längeren Umweg bedeutet.
    Dann sehe ich mein Hotel, dass ich aber erst umrunden muss. Eine breite, dicht befahrene Straße muss noch überquert werden und unglücklicherweise muss ich der Straße auch noch ein Stück folgen, denn einen anderen Weg zum Hotel gibt es hier nicht. Fußgänger sind hier nicht vorgesehen und die PKW und LKW rasen gefährlich dicht an mir vorbei, nehmen wenig Rücksicht.
    Doch auch das ist bald geschafft und schon vergessen.
    An der Rezeption des Hotels empfängt man mich freundlich. Ein junger Mann fragt, ob ich mit dem Fahrrad angereist sei. Er hat offenbar nicht so genau hingeschaut, denn mit Kumpel auf dem Rücken würde das nicht gehen.
    Das Zimmer im Neubau ist schön und von der nahen Autobahn ist durch die geschlossenen Fenster nichts zu hören.
    Luxus pur am letzten Abend. So war es geplant und so bekomme ich es jetzt.
    Die Sauna ist leider nur lauwarm, dafür ist der Spargel, den ich anschließend auf der Sonnenterrasse genieße, schön heiß. Heute gibt es alkoholfreies Hefeweizen dazu.
    Die Nachtruhe kommt früh und ist friedvoll. Das erste Spiel der EM 2016 lasse ich sausen.
    Bevor ich die Augen schließe, beschäftige ich mich noch ein wenig mit der nächsten Tour, die mich durch den Schwarzwald führen wird.
    Im Moment verspüre ich wenig Lust dazu. Vielleicht verschiebe ich sie auf das nächste Jahr. Mal sehen.
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  • der Weg nach Pforzheim ist ganz lauschig
    eine Brücke über die Enznoch eine Brücke über die EnzStadt-nahder Gasometer zeigt die Stadtgrenze zu Pforzheim anDer Bahnhof in Pforzheim. Ich hab's nach Pforzheim geschafft!Auch Kumpel kriegt im Zug einen Sitzplatz

    E1-52-D-Pforzheim (7km)

    11 Jun 2016, Jerman ⋅ ⛅ 20 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (11)

    Ein solides Businessfrühstücksbuffet gibt mir die Kraft für das letzte Stück.
    Es soll wieder regnen und so will ich nur bis zur nächsten S-Bahnstation spazieren.
    Aber die Prognose ist heute falsch, es wird freundlich, fast sonnig. Statt rechts zur S-Bahn abzubiegen, gehe ich einfach weiter geradeaus und marschiere auch die letzten Kilometer bis zum Pforzheimer Bahnhof an der Enz entlang.
    Der Weg lohnt sich. Es geht durch eine aufwändig gestaltete Parklandschaft. Mal führt der Weg links, mal rechts am Fluss entlang. Mehrere Brücken sind zu überqueren.
    Kumpel kommt mir heute leicht wie eine Feder vor. Wir haben uns gut aneinander gewöhnt und kommen prima miteinander aus.
    Schließlich erreiche ich ein Gaswerk. Ein imposanter Gasometer signalisiert die Stadtgrenze Pforzheims.
    Kurz darauf biege ich Richtung Innenstadt ab, dem Bahnhof entgegen. Es erwartet mich wenig attraktive Nachkriegsarchitektur. Deutschlandflaggen hängen aus vielen Fenstern, denn die EM 2016 ist im vollen Gange.
    Da ist der Bahnhof schon. Alt und marode liegt er da, wird aber derzeit renoviert.
    Die Toiletten sind zugesperrt. Ich würde jetzt eine brauchen...
    Muss warten, bis ich im Zug sitze.
    Ein Brötchen und ein Kaffee verkürzen die Wartezeit bis zur Abfahrt des schon lange gebuchten IC. Die Toilette im Zug ist frei, sonst hätte es ein Unglück gegeben...
    Danach ist die Rückfahrt nach Hamburg entspannt. Kumpel genießt sie auf einem eigenen Platz. Mancher schaut ihn verwundert an.
    Sechs Stunden später läuft der Zug in Hamburg ein. Die Großstadt hat mich mit ihrem Lärm und ihrer hektischen Betriebsamkeit zurück.
    Am Liebsten würde ich gleich wieder umkehren.
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  • wenig Gepäck (8kg)gute Vorbereitung ist wichtig!

    Südwärts auf dem Westweg

    12 September 2016, Jerman ⋅ 30 °C

    146 km von Pforzheim nach Hausach auf dem Westweg.
    Auf dieser Tour folgt der E1 dem Westweg, einem von drei bekannten Höhenwanderwegen, die durch den Schwarzwald führen.
    Die E1-Markierungen sucht man jedoch vergebens, denn hier orientiert man sich an der roten Raute des Westwegs. Die Wege sind perfekt ausgeschildert und Karten oder GPS-Navigation bedarf es eigentlich nicht.
    Der Westweg ist gesäumt von zahlreiche Schutzhütten, die viel besser ausgestattet sind als die auf dem bisherigen E1. Einige sind für eine Übernachtung geeignet. Auch Trinkwasser gibt es am Wegesrand genug, Brunnen und Quellen gibt es überall. Manchmal liegt ein Brunnen nahe einer Schutzhütten.
    Weil ich Respekt vor den vielen Höhenmetern habe, die es zu überwinden gilt, habe ich nur leichtes Gepäck dabei. Die Dinge, die man für eine Übernachtung im Freien braucht - also Zelt, Isomatte, Schlafsack, Batterien, Solarpack und Verpflegung - bleiben zu Hause. So reduziert sich das Rucksackgewicht gegenüber der Odenwaldetappe um vier auf insgesamt acht Kilogramm. Und das ist sehr angenehm!
    Die Unterkünfte habe ich bereits rechtzeitig vorher gebucht. Während der Wanderung stelle ich aber fest, dass dies im September nicht notwendig gewesen wäre. Überall waren noch Zimmer frei.

    Infos zum Westweg: https://www.schwarzwaldverein.de/schwarzwald/wa…
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  • los geht es am Bahnhof Pforzheim
    mußevolle Minuten in der Schlosskirche in Pforzheiman der Nagold wird es schönDas "goldene" Tor zum Westweg. Hier geht der Westweg offiziell losMichael wandert - nun auf dem Westweg

    E1-53-D > Dillweissenstein (5km)

    13 September 2016, Jerman ⋅ 31 °C

    Südwärts auf dem Westweg (1)

    In der Nacht vor der Tour lassen mich meine Gedanken nicht schlafen. Ich bin seltsam unruhig und frage mich fortwährend, was mich auf den nächsten Touren wohl alles erwarten wird?
    Lange bevor der Wecker klingelt, bin ich bereits wach und stehe weit vor der Zeit auf. Gepackt ist auch schon und so bin ich viel zu früh am Bahnhof.
    Die unverständliche Unruh hört auch im Zug nicht auf. Doch während ich aus dem Fenster schaue, spüre ich, wie sich ganz allmählich Zuversicht, Erwartung und Vorfreude auf die Wanderwoche in meinem Herzen breit macht.
    Das Wetter ist seit Tagen schon sommerlich und so soll es weiterhin bleiben. Endlich lehne ich mich entspannt zurück und lasse die Gegend, die ich auf anderen Etappen bereits durchwanderte, am Zugfenster vorbei gleiten. Die hektische Betriebsamkeit der Großstadt, in der ich wohne, lebe und arbeite, kann ich endlich loslassen. Nun endlich tausche ich sie gerne gegen die Stille des Wanderns ein. Ich schlafe ein. Viele Stunden später rollt der Zug im Zielbahnhof ein. Es kann losgehen.
    Vor fast drei Monate endete die letzte Etappe in Pforzheim. Hier hat sich hier wenig verändert, die Baustellen sind noch da und der Bahnhof sieht immer noch nicht schöner aus. Auch die Innenstadt lädt nicht zum Bleiben ein. Nur die alte Schlosskirche auf der anderen Straßenseite lockt und da ich auf meinen Wanderungen immer mal wieder gerne in einer Kirche bin, nutze ich auch jetzt das Gotteshaus für einen Moment des mußevollen Verweilens. Ich setze mich in eine der Bänke und schließe die Augen. Ganz leise dringt der Verkehr, der auf einer großen Straße um die Kirche tobt, noch an mein Ohr, doch er stört nicht mehr. Das äußere Leben hat hier drinnen für Momente Pause. Hier steht die Zeit still. Von der Orgel tropfen Akkorde leise durch das Kirchenschiff, werfen von den gegenüberliegenden Mauern ein sanftes Echo. Vielleicht übt der Küster seine Stücke für die nächste Predigt. Ich mag es, was er spielt. Ich bin gerne in dieser Kirche, obwohl ich nicht an den christlichen Gott glaube.
    Ich lausche lange.
    Als ich aus der Kirche trete, bin ich bereit für meinen Weg durch den Schwarzwald und wenig später am Nagold offenbart Pforzheim mir auch schon seine schöne Seite.
    Der E1 folgt im Schwarzwald dem Westweg, der in Pforzheim beginnt und durch den gesamten Schwarzwald in nordsüdlicher Richtung bis nach Basel an der Schweizer Grenze verläuft. Man bewegt sich oft auf über 1.000 Höhenmetern und muss täglich ordentlich Höhenmeter machen, wird dafür aber mit vielen Weitblicken belohnt. Erst am Feldberg wird der E1 den Westweg verlassen, um zusammen mit dem Querweg Richtung Bodensee zu streben. Aber so weit werde ich dieses Mal gar nicht kommen.
    Schon hält der Weg seine erste Überraschung bereit: ein goldenes Tor schimmert durch die Bäume. Als ich vor ihm stehe, sehe ich, dass es tatsächlich so heißt. Mit großen Lettern steht sein Name über dem Torbogen. Den Torboden ziert eine geschwungene Linie, die mit einem dicken, goldenen Punkt beginnt und weit hinten mit einem kleinen Punkt endet. So wird dem Wanderer der lange Verlauf des Westweges näher gebracht, der direkt hinter dem Tor beginnt.
    Weitere Informationen kann man im Innern des Tores finden. Das Goldene Tor ist das erste von zwölf Portalen, die an exponierten Stellen entlang des 360km langen Weges errichtet sein sollen. Jeder der Portale informiert den Wanderer über die letzte und die nächste Etappe. Das ist eine hübsche Idee und ich fühle mich, als würde ich nach Durchschreiten des Portals nun einen besonderen Weg einschlagen.
    So beginnt also mein Weg durch den Schwarzwald.
    Nur zwanzig Schritte weiter ruht ein mächtiger Stein am Wegesrand. An ihm ist die erste Wegmarke des Westweges befestigt. Eine rote Raute auf weißem Grund. Das ist ein schönes Fotomotiv, denke ich, halte an, krame mein Smartphone hervor und mühe mich mit einem Selbstportrait ab. Doch das will nicht recht gelingen, der Stein ist einfach zu groß. Ein nahender Wanderer, der in schnellen Schritten durch das Portal näher kommt, stoppt und fragt, ob er mir helfen kann.
    „Klar, mach ein Foto von mir“, antworte ich und reiche ihm mein Smartphone. Schnell schießt er zwei Bilder und gibt es mir sofort zurück. Er hat wohl nicht gerne ein fremdes Handy in der Hand und ich habe es ihm auch nicht gerne gegeben. Komische Sache.
    Mit den Worten „Viel Spaß“ verabschiedet er sich eilig und hastet den steilen Weg hinauf, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich schaue ihm lange nach, bis er im Laufschritt hinter der ersten Biegung verschwunden ist. Erst dann gehe ich los, viel langsamer als er und in Gedanken versunken. Was wird der Weg mit mir machen?
    Der Westweg gewinnt schnell an Höhe und nach ein paar hundert Meter schon muss ich erschöpft stehen bleiben. Offenbar muss ich an meiner Kondition arbeiten. Während ich Atem schöpfe, fällt mir folgende Filmszene ein.
    << Bryson und Katz, zwei alternde Helden des Films „Picknick mit Bären“ (herrlich dargestellt von Robert Redford und Nick Nolte) haben eben erst das südliche Tor des Appalachian Trails (AT) durchschritten. Der Weg führt sie steil bergan. Die beiden mühen sich Schritt um Schritt nach oben. Oft bleiben sie stehen, gehen dann weiter. In einer Nahaufnahme sieht man Katz, wie er leidet und Bryson, wie er sich an einem Baumstamm abstützt. Ein paar junge Wanderer stürmen an ihnen vorbei, sagen artig „Guten Tag“ und hasten eilig weiter, während die beiden immer wieder stehen bleiben müssen. In der nächsten Szene ruht sich Bryson auf
    einem Baumstamm aus und beobachtet, wie Katz langsam heran kriecht. Endlich ist auch Katz angekommen und lässt sich auf den Baumstamm sinken. Gequält fragt er Bryson, wie weit sie denn wohl schon gekommen sind.
    „Wohl so 400 Meter werden es schon sein“, antwortet Bryson. 2000 Meilen liegen da noch vor ihnen, und am Ende werden sie den langen Trail auch nicht ganz schaffen. Das macht ihnen aber nichts aus, denn sie sind ihn so lange gegangen, solange er ihnen etwas gegeben hat. >>
    Ich muss lachen. So schlimm wie um die beiden steht es um mich noch nicht. Und es wird besser werden mit jedem Tag. Das weiß ich. Und überhaupt: heute habe ich es gar nicht mehr weit. Die sechs Kilometer bis zur Jugendherberge Rabeneck, sind schnell gelaufen. Dort will ich übernachten. Ich bin angemeldet, doch die Dame am Empfang braucht lange, bis sie mich endlich einchecken
    kann.
    „Unser Computer spinnt immer rum“, meint sie entschuldigend, als sie mir die Schlüssel für mein Zimmer herüber reicht.
    In der Jugendherberge gibt es heute kein Abendessen.
    „Zu wenig los“, meint die Dame am Empfang.
    Also muss ich wieder raus und das ist sogar mein Glück, denn in der nahen Pizzeria „Romulus und Remus“ gibt es eine leckere Pizza und diverse Radler. Heute lieber kein Bier, denn es ist auch am Abend immer noch sehr warm, der Platz auf der Terrasse aber angenehm schattig.
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  • E1-54-D > Dobel (22km)

    14 September 2016, Jerman ⋅ 26 °C

    Südwärts auf dem Westweg (2)

    Das Frühstück verbringe ich mit ein paar Studenten. Bei ihnen dreht sich gerade alles um Betriebswirtschaft und eine nahende Prüfung. Mir scheinen sie sehr angespannt zu sein und ich muss schmunzeln, als ich mich frage, ob ich während meines Studiums früher auch so war. Ach, das ist lange her. Ich fühle mich heute lebendiger als damals und denke, wie gut ich es doch gerade habe.
    Bald bin ich wieder auf dem Weg, werfe noch schnell einen Blick zurück auf die Jugendherberge, die mitten in die alte Burgruine der Rabeneck gebaut wurde.
    Die Sonne vertreibt die Morgenkühle, der Weg durch den Wald ist breit und gut befestigt, so komme ich auf dem ersten Stück des Westweges gut voran. Der Weg ist ausgezeichnet mit der roten Raute beschildert. Verlaufen ist hier fast ausgeschlossen und meine Navigationssoftware <Komoot> wird hier eigentlich gar nicht gebraucht. Ich lasse sie nur zum Trecken mitlaufen. Else Komoot ist nahezu arbeitslos.
    „Willste `nen Apfel?“, fragt eine alte Frau, als der Weg mich gerade an ihrem Schrebergarten vorbei führt. In der linken Hand trägt sie einen großen Korb mit frischen Äpfeln.
    „Gerne“, sage ich und sie reicht mir einen schönen, runden, roten Apfel.
    „Woher kommt du?“
    „Aus Hamburg“, versuche ich mit einen beiläufigen Ton zu sagen, aber es klingt wohl doch etwas Stolz mit.
    „Ah, Hamburg, das kenn` ich. Ein schönes Städle. Da hab`n mein Mann und ich mal `ne Hafenrundfahrt g`macht.
    Und dann fragt sie, was alle fragen:
    „Biste den ganzen Weg g'laufn?“
    „Ja, aber nicht in einem Stück, sondern in mehreren Touren.“
    „Und wo will`ste hin?“
    „Zum Bodensee“.
    „Das is' ja noch a Stückle zu Fuß.“
    Da hat sie Recht, denke ich. Und ich werde jeden Schritt genießen. Beim Weitergehen beiße ich in den frischen Apfel, der köstlicher schmeckt als jeder Apfel aus einem Supermarkt.
    Die heutige Tour ist zum Einwandern bestens geeignet. Der Weg ist breit und gut befestigt, gewinnt nur ganz allmählich an Höhe. Die Mittagspause verbringe ich auf einer Bank, von der aus ich meinen ersten Weitblick genießen kann. So viele mehr werden folgen.
    Eine Wanderin müht sich im Wald den Weg entlang. Sie sieht nicht aus wie andere Wanderer, denn statt Funktionshose trägt sie einen bunten Rock, statt Fleecejacke eine Wolljacke. Auf ihrem Kopf trägt sie einen lustigen Hut. Das Bemerkenswerteste aber ist ihr Rucksack, den sie nicht auf dem Rücken trägt, sondern auf einem Rollwagen hinter sich her zieht. Das erscheint mir recht mühsam zu sein und sie ist auch recht langsam unterwegs. Bald habe ich sie erreicht und als ich sie überhole, frage ich neugierig, was es mit dem Rollwagen auf sich hat.
    „Ich habe mir die Schulter verletzt“, meint sie, „aber ich möchte trotzdem unbedingt jetzt den Westweg laufen. So trage ich meinen Rucksack nicht, sondern ziehe ihn.“
    Das hört sich nach einer ungewöhnlichen Geschichte an und ich bin geneigt, sie ein Stück zu begleiten. Sie sieht ja auch ganz keck aus mit ihrem lustigen Hut und dem Wanderrock.
    „Wo soll es heute denn noch hingehen?“, fragt sie.
    „Nach Dobel“, antworte ich.
    „Ach, da will ich noch ein Stück weiter“, meint sie.
    Da bin ich sprachlos, denn sie hat damit noch ein weites Stück vor sich und bald schon wird es dunkel werden.
    Ein kurzes Stück gehe ich neben ihr, um mehr von ihr zu erfahren, aber ihr Tempo ist mir einfach zu langsam. So verabschiede ich mich bald von ihr, denn ich möchte noch vor dem Dunkelwerden in Dobel ankommen, um in Ruhe ein schönes Abendbrot zu genießen.
    „Vielleicht treffen wir uns morgen ja wieder auf dem Weg“, meint sie noch, während ich schon ein paar Schritte entfernt bin. Das hoffe ich auch, denn sie hat sicher eine spannende Geschichte zu erzählen. Doch ich zweifle, dass sie Dobel heute noch passieren wird.
    Bald darauf erreiche ich die Pension Heidi, meine heutige Unterkunft. Abendessen wird nicht angeboten und so muss ich wieder raus. Die Empfehlung der Wirtin ist das Hotel Talblick, dort genieße ich auf der Terrasse den Blick ins Tal, die untergehende Sonne, das riesige Schnitzel Wiener Art und mehrere der äußert lecker schmeckenden Biere.
    Das Wandern ist herrlich. Und erst die Pausen!
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  • E1-55-D > Forbach (27km)

    15 September 2016, Jerman ⋅ ⛅ 22 °C

    Südwärts auf dem Westweg (3)

    Die Pension Heidi liegt an einer Durchgangsstraße und so wache ich vorzeitig durch Verkehrslärm auf, der durch mein Dachfenster dringt, das wegen der Hitze die Nacht über offen stehen musste. Aber alles hat sein Gutes und so genieße ich früh am Morgen schon mein Frühstück. Am Nebentisch sitzt ein russisches Pärchen, bestellt Kaffee und Eier. Die Wirtin ist emsig bemüht und bringt rasch das Gewünschte. Doch es ist nicht recht, der Kaffee nicht entkoffiniert und die Eier hart. Also nimmt sie es wieder mit. Fünf Minuten später schwebt sie wieder heran. Nun ist der Kaffee zu dünn und die Eier wollen sie gar nicht mehr. Sie dreht sich um und ich sehe, wie sie mit den Augen rollt. Ich tue es auch, denn nun unterhalten sich die beiden lautstark. Glücklicherweise gehen sie bald und es nun herrscht Frieden im Frühstücksraum. Die beiden haben echt genervt. Nach dem ausgiebigen Frühstück hole ich meinen Rucksack Kumpel aus meinem Zimmer. Nebenan steht eine Zimmertür offen und ich sehe ich, wie eine junge Wanderin gerade ihren Rucksack packt.
    Wohin soll`s gehen?“, frage ich.
    „Auf dem Westweg entlang Richtung Süden“, meint sie.
    „Oh, dann haben wir den gleichen Weg“, erwidere ich.
    „Wollen wir ein Stück zusammen gehen?“, fragt sie mit leiser Stimme.
    „Nein“, sage ich, „lieber nicht. Jeder sollte den Weg in seiner Geschwindigkeit laufen. Mach`s gut und viel Spaß“.
    So geht sie alleine los, während ich mich noch eine Weile zur Wirtin in die Frühstücksstube setzte.
    „Das waren ja anstrengende Gäste vorhin“, eröffne ich beiläufig, während ich die Rechnung begleiche.
    „Sie glauben ja gar nicht, was ich hier so alles erlebe“, meint sie und schon beginnt sie von ihren Sorgen als Pensionswirtin zu erzählen. Und später erfahre ich, dass ihr Mann schon lange in Hamburg im Hafen arbeitet und nur ab und zu nach Hause in den Schwarzwald kommt. So kommt es, dass ich heute erst spät starte. Aber was macht das schon? Die Tour ist ja nur zwanzig Kilometer lang.
    Gleich hinter Dobel liegt das Sonnentor. Und über dem Portal scheint tatsächlich die Sonne. Andächtig durchschreite ich das zweite Portal des Westweges. Dieses hier ist ganz aus Holzschindeln gemacht. Und wieder erfahre ich auf den Hinweistafeln, die im Innern des Tores befestigt sind, was für offizielle Wanderhighlights auf mich warten.
    Die Tafel kündigt an: der Weg sei garniert mit zahlreichen Weitblicken. Das wäre sehr nach meinem Geschmack. Und tatsächlich kann ich später mehrmals staunend bis ins weit entfernte Rheintal schauen, die Sicht ist prächtig. Immer weiter geht es den Westweg entlang. Ich komme an mehreren Schutzhütten vorbei, die alle viel besser sind als die, die ich bisher auf dem E1 kennen gelernt habe. An der Kreuzlehütte mache ich eine ausgedehnte Mittagspause mit Tütensuppe und einem frischen Nescafé. Dann Füße hoch und am Holz gehorcht. Nach dem ausgedehnten Nickerchen geht es weiter, von der Kreuzlehütte führt der Weg hinab zum kleinen Skigebiet Kaltenborn, das an diesem heißen Spätsommertag einsam im Tal ruht und auf die nächste Wintersaison wartet. Und wieder geht es bergauf, oben auf 988m Höhe wartet der Hohlohturm. 162 Stufen zähle ich während der Besteigung und oben gibt es einen herrlichen Rundumblick. Während ich im Westen das Rheintal sehe, kann ich auf der anderen Seite Forbach ausmachen. Dorthin muss ich und ich freue mich, denn Forbach liegt im Tal. Es geht gleich bergab, juche!
    Kurz darauf treffe ich die bemerkenswerte Wanderin wieder. Wie schon gestern zieht sie ihren Rucksack hinter sich her. Ich sage höflich „Guten Tag“ und frage, ob wir ein Stück gemeinsam gehen wollen. Sie stimmt freudig zu. So erfahre ich bald, dass sie Fußpflegerin ist und gerade ihr Leben in andere Bahnen lenken will. Sie erzählt von ihrem Plan, Wanderern, die auf dem Westweg unterwegs sind, ihre Fußpflegedienste anzubieten und so das notwendige Geld für ihre eigene Wanderung zu verdienen.
    „Aber der Westweg ist nur ein Test,“ meint sie, „im nächsten Jahr will ich den berühmten Jakobsweg wandern. Ganz bis nach Santiago de Compostela. Willst du den auch laufen?“
    „Nein“, erwidere ich, „das bin ich schon häufig gefragt worden. Aber seit Hape Kerkeling sein tolles Buch über den Weg geschrieben hat, scheint es mir dort zu voll zu sein. Ich suche mir lieber ruhigere Wege.“
    Unser Gespräch über den Camino Francés, den berühmtesten aller Pilgerwege, endet abrupt, als der Weg plötzlich steil bergab führt. Hier kann sie den Rucksack nicht mehr ziehen, sondern muss ihn tragen. Und das Fahrgestell muss sie ebenfalls schultern. Das sieht mühsam aus und um ihr den Weg etwas zu erleichtern, reiche ich ihr einen meiner Wanderstöcke, damit sie sich besser stützen kann. Sie nimmt ihn dankbar. Am Ende des mühsamen Abstiegs wartet die Latschighütte auf uns. Es ist mehr ein Aussichtspunkt und den Ausblick ins Tal genießen bereits zwei Wanderer. Es gibt ein lautes „Hallo“, denn die zwei kennen die Wanderin bereits. Die beiden jungen Männer heißen Joseppe und Timo, auch sie sind auf dem Westweg unterwegs. Und so erfahre ich endlich auch, dass meine Begleitung Martina heißt. Lange sitzen wir in der Hütte zusammen, genießen den Ausblick, während wir uns angeregt unterhalten. Ich höre gespannt zu, wie die zwei Burschen erzählen, dass sie auf ihrem Weg auf dem Westweg in Schutzhütten übernachten. Drei Nächte haben sie bereits draußen hinter sich.
    „Es war ein bisschen kühl“, meint Joseppe.
    Aber es ging“, ergänzt Timo.
    „Ich hätte ein Zelt mitnehmen sollen“, meint Martina, die die letzte Nacht nur im Schlafsack unter freiem Himmel verbracht hat.
    „Ich traue mich noch nicht, in einer Schutzhütte zu übernachten“, gebe ich zu. „Vielleicht mache ich das auf meiner nächsten Wanderung. Doch dieses Mal wollte ich mit leichtem Gepäck unterwegs sein. Deshalb übernachte ich in Pensionen, die ich bereits im Voraus gebucht habe. Dadurch ist mein Rucksack sehr leicht, nur 8kg habe ich dabei.“
    „Der schwere Rucksack nervt schon ein bisschen. Und geplant haben wir gar nichts“, meint Timo.
    „Meiner nervt auch“, wirft Martina ein. „Vor allem, wenn ich ihn tragen muss.“
    Das glaube ich gerne und innerlich schüttle ich ein wenig den Kopf über die Unbedarftheit der Drei. Gleichzeitig bewundere ich sie für ihre Unbekümmertheit. Nach einer sehr, sehr langen Pause geht es weiter und da wir alle den gleichen Weg haben, gehen wir zusammen. Langsam und stetig geht es Richtung Forbach hinab.
    „Wir wollen hier mal ins Internet schauen, was Forbach für Übernachtungsmöglichkeiten bietet“, meint Joseppe, als wir den Ort fast erreicht haben.
    „Denn vom draußen übernachten haben wir erst mal genug“, ergänzt Timo.
    So lassen Martina und ich die Burschen am Hexenbrunnen zurück, wo sie ihre Wasservorräte ergänzen, während die kleine Hexe, die dem Brunnen den Namen gab, ihre Füße im Brunnen kühlt.
    Martina sucht eine Bleibe unter freiem Himmel für die Nacht. Kurz vor Forbach ergibt sich eine gute Möglichkeit für sie. Die kleine Schutzhütte ist zwar verschlossen, aber der Vorraum hat ein großes Dach, der vor Regen schützt, der Balkon ist sogar mit Geranien geschmückt. Hier kann sie sich ein bequemes Nachtlager machen, ein Brunnen ist nah und so hat sie in der Früh frisches Wasser.
    Ich gehe alleine weiter und als ich mich noch einmal umdrehe, winkt Martina mir fröhlich zu. Ob ich sie noch einmal wieder sehen werde? Den Weg nach Forbach gehe ich voller Gedanken. Warum mache ich es nicht wie sie? Sorglos und einfach drauf los, so macht es Martina, während ich immer planend meine Schritte vorbereiten muss.
    „Was ist besser? Planen oder spontan sein?“, frage ich mich, während ich das dritte Westwegportal „Murgtaltor“ durchschreite, welches das Ende meiner heutigen Tour bedeutet. Als ich über die alte Holzbrücke schreite, grüble ich immer noch. Doch eine Antwort finde ich heute nicht auf diese Frage.
    Ich bin froh, in dem reservierten Hotel einzuchecken, wo ein weiches und warmes Bett auf mich wartet. Aber bevor ich darin versinken kann, muss ich mich sputen, um noch ein Abendessen zu bekommen, denn um zwanzig Uhr werden in Forbach die Bürgersteige hoch geklappt. Im nahe gelegenen Hotel Adler bin ich der einzige Gast. Auf der Terrasse genieße ich den lauen Abend und eine Schinkenplatte Schwarzwälder Art, während die Sonne hinter den gegenüber liegenden Bergen versinkt und sich die Nacht über Forbach senkt.
    Was wohl Martina jetzt macht?
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  • und wieder bergaufWiedersehn' in der WegscheidhütteMartina hat es nicht leicht bergan...Auf dem Seekopf sind die 1.000 Höhenmeter erreicht.Aussichtsturm Badener Hütteein Blick zurückUnd wieder: Westweg AutobahnSo mag ich den Westweg am LiebstenHornisgrinde vorausAuf der HornisgrindeAuf der HornisgrindeDämmerung auf der HornisgrindeDas Hotel Mummelsee am Abend"Äußerst angenehm!", meint Kumpel

    E1-56-D > Mummelsee (24km)

    16 September 2016, Jerman ⋅ ⛅ 13 °C

    Südwärts auf dem Westweg (4)

    Forbach liegt im Tal auf dreihundert Metern. Gestern bin ich von über neunhundert Höhenmetern in den Ort abgestiegen, nur um heute auf der anderen Seite wieder hinauf zu marschieren. So sehr ich die Berge herbei gesehnt hatte, so sehr verfluche ich sie jetzt. Der Weg ist steil, doch gut ausgebaut und so komme ich gut voran. Ich habe den Berg zur Hälfte geschafft, da treffe ich auf Martina. Schon von weitem sehe ich sie, wie sie langsam den Berg hochmarschiert und sich redlich mit dem Rucksack abmüht, den sie wieder im Rollwagen hinter sich her zieht. Sie muss also sehr früh aufgebrochen sein und sicher hat sie kein so schönes Frühstück gehabt wie ich. Aber sie klagt nicht und sieht sehr zufrieden aus. Heute werde ich sie ein Stück begleiten und sie quasi den Berg hoch ziehen und so ein wenig gutmachen, dass ich so viel komfortabler genächtigt hatte als sie.
    Wir biegen vom breiten Forstweg auf einen schmalen Pfad, der steil den Berg hinauf führt. Das Gehen wird beschwerlich, spitze Steine und knorrige Baumwurzeln lassen uns stolpern. Martina muss ihren Rucksack wieder auf den Rücken schultern. Wir kommen nur langsam voran, Martina geht vor mir und das gibt mir die Gelegenheit, ihren Rucksack zu betrachten. Ein grünes Monstrum. Wie kann sie nur so einen großen Rucksack tragen, wo sie doch gestern über Rückenprobleme klagte? Was sie wohl alles darin hat?
    „Dein Hüftgurt wird bald abreißen.“, meine ich, während sie vor mir mit ihrer schweren Last langsam Schritt für Schritt den Pfad aufsteigt.
    „Ja, ich weiß. Den Rucksack habe ich vor vielen Jahren in Taiwan gekauft, als ich mal dort war. Aber da war ich nicht wandern, sondern den brauchte ich nur zum herumreisen."
    Sie bleibt stehen und muss sich strecken. Tut ihr der Rücken weh? Sie klagt nicht.
    „Du brauchst einen anderen Rucksack“, meine ich, „der hier ist viel zu schwer für dich. Und der Hüftgurt ist kaputt, aber den brauchst du, damit deine Schultern nicht die ganze Last tragen. Und offenbar hast du viel zu viel dabei. Was ist bloß alles drin in deinem Rucksack?“
    „Ich will doch unterwegs Fußpflege anbieten. Da muss ich doch meine Ausrüstung dabei haben.“
    „Wie ist sie bloß auf die Idee gekommen?“, frage ich mich. Mit diesem Rucksack wird sie doch nie in Basel ankommen. Aber das sage ich ihr nicht. Schweigend quälen wir uns weiter bergauf.
    Irgendwann kommen wir oben an. Hier steht die Wegscheidhütte, die wie gerufen kommt für eine Pause. Von Forbach hier hoch sind es zwar nur drei Kilometer, aber die fünfhundert Höhenmeter haben es in sich gehabt. Nun ist geschafft und wir sind es auch.
    Aus der Hütte höre ich Stimmen. Wer mag das denn sein? Da lugt der Kopf von Joseppe durch die Tür, die Augen noch ganz klein und die Haare verwuselt. Ob er gerade aus dem Schlafsack gekrochen ist? Als hätte er unsere Gedanken erraten, meint er:
    „Wir haben gestern in Forbach nichts gefunden und sind einfach weiter gewandert. Das war nicht leicht im Dunkeln. Den ganzen Berg herauf! Aber dann haben wir diese Hütte gefunden. Die ist ganz toll. Man kann sogar oben schlafen.“
    Und wie um es zu bestätigen, kommt Timo gerade die Leiter herunter.
    „Das ist eine ganz tolle Hütte“, meint er. „Hier gibt es Feuerholz, Kerzen und sogar ein Feuerzeug haben wir gefunden. Gestern Abend haben wir noch Feuer gemacht. Nachts ist es schon ganz schön kalt. Aber da oben war es herrlich gemütlich.“
    Ich klettere die Leiter hoch und schaue mir die Dachkammer an. Ihre Schlafsäcke liegen noch auf dem nackten Boden.
    „Echt toll!“. Ich bin ganz begeistert und denke, dass ich es bei meiner nächsten Tour auch einmal ausprobieren werde, in einer Schutzhütte zu übernachten.
    „Hattet ihr schon einen Kaffee?“, frage ich.
    „Nein“, lautet die Antwort von allen gleichzeitig.
    So hole ich meinen kleinen Kocher heraus und setze Wasser auf. Während ich den Nescafé in das heiße Wasser schütte, muss ich an Danee denken. Heute wird mein Kaffee dankbar angenommen.
    Joseppe und Timo packen ihre Sachen zusammen und bald darauf gehen wir vier gemeinsam los. Bald kommen wir schon an der nächsten Schutzhütte vorbei. Die Jägerlochhütte ist oberhalb der Schwarzenbach - Talsperre schön gelegen und bietet einen prächtigen Ausblick. Der Stausee ist groß, das blaue Wasser erstreckt sich bis zur weit entfernt liegenden Talsperre. Die Hütte ist zwar verschlossen, bietet aber Schutz unter einem überdachten Vorraum. Auch hier hätte man übernachten können. Vor der Hütte ist ein Brunnen, frisches Wasser wäre also auch vorhanden. Wir gehen weiter, endlich mal wieder geht es bergab. Der Weg führt zum See. Es beginnt zu regnen. Joseppe, Timo und ich holen den Regenschutz für unsere Rucksäcke heraus und ziehen sie über. Da müssen wir lachen, denn wir haben alle dasselbe blaue Modell über unsere Säcke gestülpt. Martina holt derweil einen blauen Müllsack aus ihrem Rucksack und spannt sich einen roten Regenschirm auf. So sieht sie noch lustiger aus.
    Kaum haben wir den Stausee hinter uns gelassen, hört es schon wieder auf zu regnen. Dafür geht es wieder bergauf Richtung Seekopf und der liegt 300 Höhenmeter weiter oben. Martina wird immer langsamer und als wir vom breiten Forstweg abbiegen, um dem Seebach entlang zum Herrenwieser See zu folgen, muss Martina wieder ihren Rucksack nebst Rollwagen schultern. Nun geht es für Joseppe und Timo zu langsam, sie gehen vor und geraten allmählich außer Sicht. Ich bleibe bei Martina, als hätte ich es mir heute zur Aufgabe gemacht, sie mental den Berg hoch zu ziehen. Vorbei geht es am kleinen Herrenwieser See, den wir nur durch die Bäume zu sehen bekommen. Ganz still liegt er da und gerne hätte ich einen Abstecher zu ihm gemacht. Doch kein Weg führt zu ihm.
    Und jetzt wird es richtig schlimm, der schmale Pfad windet sich immer steiler werdend den Seekopf hinauf. Aber wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Bei uns ist es eine schmale Bank, die zum Ausruhen gemacht ist und dabei einen tollen Blick auf den Herrenwieser See bietet. Toll, dass jemand genau hier eine Bank gebaut hat.
    „Was machst du hier eigentlich?“, frage ich Martina.
    „Ich suche die Wahrheit“, meint sie.
    „DIE Wahrheit gibt es nicht“, erwidere ich spontan.
    „Doch! Und ich will sie finden“, meint sie.
    „Du kannst nur DEINE Wahrheit finden, aber niemals DIE Wahrheit. Es gibt keine ein-eindeutige Wahrheit. Sie kann es nicht geben, weil alle Menschen unterschiedliche Erfahrungen machen, auf denen sie ihr Weltmodell aufbauen. Der eine findet seine Wahrheit mit dem Herzen, während der andere sie mit dem Verstand definiert. Das führt zu unterschiedlichen Wahrheiten, die eine ist eher durch Gefühl bestimmt, die andere durch Fakten. Es gibt so viele Wahrheiten wie es Menschen auf der Welt gibt. Mit jeder Geburt kommt eine dazu, mit jedem Tod stirbt eine Welt mit ihrer ganzen Wahrheit. So sehe ich das.“
    „Dann suche ich meine Wahrheit“.
    „Komm, wir müssen weiter. Es ist schon spät und der Weg noch weit“, sage ich.
    „Es ist doch egal, wie weit wir kommen.“
    „Nein, das ist es nicht. Für mich jedenfalls nicht. Ich will heute noch zum Mummelsee. Ich habe dort ein Zimmer gebucht.“
    „Ich bleibe wieder irgendwo draußen. Und wann ich ankomme, ist nicht so wichtig wie, dass ich ankomme".
    Ich hätte hier noch stundenlang sitzen und über die Wahrheit nachdenken können, doch es treibt mich weiter und Martina treibe ich damit an, ob sie will oder nicht. Ich will es so und das ist meine Wahrheit. Was Martina will, weiß ich nicht, aber sie folgt mir.
    Endlich haben wir den Seekopf erklommen. Am Ende war der Anstieg sanft. Der erste Eintausender auf meiner Wanderung durch Deutschland! Der Moment ist bewegend und ich muss innehalten. Das Ehrenmal von Philipp Bussemer, einem der Pioniere des Schwarzwaldvereins, der den Westweg zusammen mit Julius Kaufmann im Jahre 1900 anlegen ließ, gibt Gelegenheit zum Besinnen. Und zum Fotos machen.
    Das erste Mal ist immer etwas Besonderes.
    Jetzt ist es nur noch ein kurzes Stück zur Badener Höhe Hütte. Von Weitem schon ist der Friedrichsturm zu sehen, der dem Hohlohturm zum Verwechseln ähnlich sieht. Ich eile Martina voraus, denn ich will geschwind auf den Turm steigen. Unten jedoch wartet eine Überraschung auf mich. Aus der Hütte vor dem Turm lugt der Kopf von Joseppe.
    „Hey, Joseppe! Seid ihr schon lange hier? Ich hätte nicht gedacht, dass ich euch noch mal wiedersehe.“
    „Wir sind gerade erst angekommen.“. Na, da sind Martina und ich ja gar nicht so langsam gewesen, wie ich dachte.
    Aber nun hält mich nichts mehr, ich will auf den Turm. 157 Stufen höher kann mein Blick ungehindert in alle Richtungen schweifen. Im Westen ist das erstaunlich nahe Rheinland auszumachen, in den drei anderen Himmelsrichtungen nur unberührter Schwarzwald. Schön einsam!
    Als ich wieder unten bin, ist auch Martina eingetroffen und die beiden Burschen sind am Kochen. Ich merke, dass ich Hunger habe. Bei ihnen gibt es Reis mit Mais und Champignons. Nahrhaft und wie sich herausstellt, auch schmackhaft. Sie kochen ihren Reis auf einem normalen Kochtopf, der echt schwer ist. Und sie verbrauchen viel Gas dabei, denn der Reis muss zehn Minuten kochen. Auch ich hole jetzt meine Kochutensilien heraus und mache mir eine Tütensuppe. Sie interessieren sich für mein kleines Kochgeschirr, dass um so Vieles leichter ist als ihr schweres Gerät.
    Nach dem Essen heißt es Abschied nehmen von Martina, Joseppe und Timo, denn ich will jetzt schneller vorwärts kommen. Schließlich sind es noch fünfzehn Kilometer, die ich zu laufen habe und es ist schon fünfzehn Uhr durch. Ein bisschen traurig bin ich schon, als ich die frisch gewonnenen Wanderfreunde schon wieder verlassen muss. Aber so ist es beim Wandern und so muss es auch sein. Jeder sollte in seinem Rhythmus voran schreiten. Das gilt ja auch für das Leben. So verabschieden wir uns herzlich. Wir werden uns wohl nie wieder sehen. Ich nehme die Wanderstöcke in die Hand und eile davon. Alleine zu wandern, ist effizienter, aber lustiger war es mit den Dreien.
    Breite Wege wechseln mit schmalen Steigen, in den Tälern kleine Skigebiete und auf den Höhen spektakuläre Blicke. Das wird wohl die spektakulärste Stelle dieser Tour sein, denke ich, als ich mich die Hornisgrinde hinauf plage. Es ist schon nach achtzehn Uhr. Ich versuche, das Hotel zu erreichen, doch mein Telefon erhält kein Signal. Bin ich denn im Tal der Ahnungslosen? Dabei ist doch ein großer Funkturm direkt vor mir. Warum nur kriege ich gerade jetzt kein Telefonsignal? Ist doch zum Mäusemelken! Ich bin besorgt um mein Zimmer, vielleicht ist es schon weiter gegeben worden, weil ich mich nicht melde, denn es ist schließlich Freitag und die Wochenendgäste fallen in den Schwarzwald ein. Ich mache mir echt Sorgen und kann den schönen Ausblick nicht recht genießen. Doch kaum habe ich das Plateau der Hornisgrinde erreicht, da klappt die Verbindung. Endlich! Meine Sorge ist unbegründet, man freut sich aber, dass ich mich gemeldet habe. Das Zimmer ist sicher, jetzt kann ich loslassen und die Aussicht hier oben genießen. Und wie grandios die ist! Wow! Wow! Und noch mal wow! Ich kann sehr weit nach Osten blicken. Von da bin ich gekommen.
    Aber viel spektakulärer ist der Blick nach Westen, denn dort geht gerade rot schimmernd die Sonne unter und färbt den weit entfernten Rhein zu einem rotgoldenen Band. Dahinter ist schon Frankreich. Diese Fernsicht ist unglaublich schön. Kein Mensch ist mehr hier oben auf dem Plateau, ich bin ganz alleine. Gerne würde ich verweilen, doch es dämmert und im Dunkeln möchte ich hier oben nicht mehr sein.
    Doch das Plateau der Hornesgrinde ist größer als gedacht. Ich komme noch an einem großen Windrad vorbei, das hier erst seit 2015 steht und drei kleinere Anlagen ersetzt. Wie ich im Zwielicht gerade noch auf einer Informationstafel entziffern kann, schafft die Anlage (Nabenhöhe: 84m, Gesamthöhe 120m) eine Nennleistung von 2,3MW. Im Jahr produziert das in Deutschland am höchsten gelegene Kraftwerk beachtliche 5,2 Mio. kWh. Doch lange kann ich über diese Leistungen nicht staunen, denn die Dämmerung schreitet fort. Ich muss runter von der Hornisgrinde, bevor es dunkel wird.
    Der Abstieg ist steil, doch zum Glück führt ein asphaltierter Weg nach unten zum
    Mummelsee. Es ist schon schwarze Nacht, als ich endlich Licht auf dem See spiegeln sehe. Das muss das Hotel sein!
    Was bin ich froh, als ich die warme Hotelhalle betrete, denn draußen ist es mittlerweile bitterkalt geworden. Für den Luxus, den das Hotel den Gästen bietet, ist es bereits zu spät, aber die Küche hat noch auf und ich bekomme eine leckere Grillplatte. Einige Biere gesellen sich dazu. Anschließend genieße ich die Annehmlichkeiten meines riesigen Zimmers, in das ich mich müde zurück ziehe. Direkt unter dem Fenster liegt der Mummelsee, Nebel kräuselt sich auf der Wasseroberfläche. Es ist Luxus pur, den ich hier nach einem langen, abwechslungsreichen und auch anstrengenden Wandertag genießen darf.
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  • Die Nixe vom Mummelsee. Was für eine Nase!das Portal am MummelseeBlick zum Geißkopf (1.090m)Kumpel und Maries Rucksack machen kurz Rast an der Darmstädter HütteHätte ich den Wildsee so vorher gesehen, wäre ich nicht runter marschiert. Ganz schön weit dorthin.Reger Betrieb in RuhesteinEin Einhorn mitten im WaldSprungschanze in Ruhestein. Nie im Leben würde ich hier runter springen!Baumsterben im Schwarzwald?Der Weg zum Schliffkopf hinauf (es geht immer nur bergauf 😅 )Pause auf dem SchliffkopfAbends wird er schwarz, der SchwarzwaldKumpel genießt das Panorama auf dem Panoramaweg nach ZufluchtEin einsamer Schuh am Sandkopf (954m). Wer nur hat den verloren?endlich in der Zuflucht

    E1-57-D > Zuflucht (19km)

    17 September 2016, Jerman ⋅ ⛅ 17 °C

    Südwärts auf dem Westweg (5)

    Am nächsten Morgen stehe ich am Fenster und beobachte, wie der Nebel von der Hornesgrinde ganz langsam zum See herunter wabert und sich kurz über der Wasseroberfläche auflöst. Der Sommer scheint sich zu verabschieden. Vor dem Frühstück mache ich einen Rundgang um den fast kreisrunden See, der sehr tief sein soll. Sagen ranken sich um den Mummelsee und der nebelige Morgen lässt sie lebendig werden. Auf der anderen Seeseite wartet eine Nixe auf mich. Um sie rankt sich eine der alten Sagen:
    << In der Gestalt einer Jungfrau traf einmal eine der Bewohnerinnen des Sees einen Hirtenknaben im Gebirge und gewann sein Herz durch die Reize ihrer Gestalt. An einer Quelle kamen sie täglich zusammen und kosten hier in traulichen Gesprächen, bis der Abendstern durch die Tannen flimmerte. Der Knabe spielte in ihren weichen langen Haaren und sie lehrte ihn wunderschöne Lieder. So oft sie sich aber trennten, so warnte sie ihn auch, ihr nie zum See zu folgen und sie nie dort aufzusuchen, wenn sie auch mehrere Tage ausbleiben sollte. Einmal harrte ihrer der junge Hirt vergebens zwei lange Tage hindurch. Beim Frührot des Dritten konnte er's nicht länger ausdauern. Die Sehnsucht nach der Geliebten zog ihn zu dem See hin. Alles um ihn her war still und öde. Er sah nichts. Traurig setzte er sich an's Ufer und rief laut ihren Namen. Da vernahm er ein Ächzen tief unten im Schoße des dunkelschwarzen Gewässers und plötzlich färbte sich dies blutrot. Den Knaben ergriff ein kalter Schauder - "sie ist tot!" - rief er aus, eilte weinend nach Hause, und - starb. >>
    Eine traurige Geschichte.
    Die Nixe gegenüber dem Mummelsee Hotel ist leider nur aus Bronze, dafür wird sie überdauern.
    Beim Frühstück denke ich über das Wesen des Wandern nach. Es war so schön gestern, mit Martina, Joseppe und Timo gemeinsam zu wandern, dass ich nun gar keine Lust habe, alleine weiter zu gehen. Und während ich in mein Nutellabrötchen beiße, frage ich mich, wo Martina wohl genächtet haben mag und wie weit sie gekommen ist. Ich glaube nicht, dass wir uns heute wieder sehen, denn ich wähne sie noch hinter mir, auch wenn sie früher gestartet sein sollte als ich.
    Die Luxusherberge hält mich lange, aber irgendwann muss es doch weiter gehen. Warum nicht jetzt? Es ist schon nach zehn.
    Nicht weit vom Hotel ist ein weiteres Portal des Westweges. Nahe am Ufer steht das Mummelseetor. Und wer steht davor? Es ist das junge Mädchen aus der Pension Heidi, zu der ich vor zwei Tagen sagte, jeder solle in seiner Geschwindigkeit wandern. Heute bin ich derjenige, der Lust hat, ein Stück mit ihr gemeinsam zu gehen und sie willigt gerne ein.
    Sie stellt sich als Marie vor, ist Medizinstudentin und unterwegs, um den Kopf vom Prüfungsstress, der hinter ihr liegt, frei zu bekommen. Die letzte Nacht hat sie nördlich der Hornisgrinde in einer kleinen Pension in Hochkopf-Untermatt verbracht. Dort wäre ich auch geblieben, wenn ich nicht am Mummelsee gebucht hätte. Das wäre ein lustiger Abend geworden, denn auch Joseppe und Timo haben es bis dorthin geschafft. Nur Martina hat wieder irgendwo draußen übernachtet.
    „Von der Hornisgrinde habe ich heute morgen nichts gesehen, sie lag komplett im Nebel.“
    „Nichts ist vollkommen“, meine ich dazu und denke an den Nebel, der morgens von der Hornisgrinde zum Mummelsee herunter waberte.
    Ich will noch bis zum Titisee laufen“, meint sie.
    Das sind drei Tagestouren mehr als ich laufen werde und ich frage mich, ob ich den Titisee dieses Jahr überhaupt noch zu sehen bekomme. Wir vereinbaren, so lange zusammen zu gehen, wie wir es für gut befinden. Bald kommen wir an der Darmstädter Hütte vorbei. Sie ist bewirtschaftet, man kann sogar übernachten. Für eine Pause ist es noch zu früh und wir gehen vorbei.
    Links des Weges zeigt meine Komoot Karte einen kleinen See, am Ufer soll eine Schutzhütte sein. Wildsee wird er genannt und der Name reizt mein Wanderherz. So frage ich Marie:
    „Wollen wir da runter gehen und an der Hütte eine Mittagsause machen? Es sind wohl nur fünfhundert Meter da hin.“
    Was ich nicht bedachte, ist, dass er auch hundert Höhenmeter tiefer liegt. Zu sehen ist der See von hier aus noch nicht. Sie willigt ein und wir machen uns an den Abstieg. Der Weg ist steil und holperig. Baumwurzeln queren den Pfad, große Steine liegen im Weg. Es ist so recht nach meinem Geschmack. Nicht so schön ist, dass uns jede Menge Menschen begegnen. So wild und einsam, wie ich dachte, kann der See also nicht sein. Doch wir steigen weiter ab, aber der See kommt und kommt nicht in Sicht. Wir haben gerade eine große, alte Fichte passiert, die hier sicher schon hundert Jahre steht, da endlich schimmert der See durch die Stämme hoher Fichten. Es ist immer noch ein ganzes Stück bis runter zum See. Marie wird jetzt ungeduldig.
    „Ich will heute Abend noch im Hotel in die Sauna“, meint sie. „Lass uns hier Pause machen, es wird mir sonst zu spät.“
    Ich wäre gerne bis zum See gegangen, sehe aber ein, dass es zu lange dauern würde. So packe ich meine Sachen aus und bereite mir eine Tütensuppe. Marie knabbert etwas lustlos an einem Energieriegel.
    „Du, ich will los“, meint sie nach einer Weile.
    „Ok, wir treffen uns sicher unterwegs“.
    So steige ich den schmalen, knorrigen Pfad vom Wildsee alleine wieder auf. Nur um gleich wieder neben dem Skilift Ruhestein abzusteigen. Der Lift ist auch im Sommer in Betrieb und stellt eine Versuchung dar. Für 2,50€ würde er mich gemütlich zu Tal fahren und vielleicht würde ich Marie einholen. Aber ich widerstehe und denke daran, dass ich durch Deutschland laufen, nicht fahren will. Weil heute Samstag ist, ist es in Ruhestein gar nicht so ruhig, wie der Name suggeriert. Zahlreiche Autos parken auf dem großen Parkplatz und die beiden Cafés dies- und jenseits der Straße sind gefüllt mit lärmenden Wochenendausflüglern.
    Schnell gehe ich weiter. Auf der anderen Talseite geht es natürlich gleich wieder bergauf. An einer Sprungschanze kann ich durch das Tor schlüpfen und mich dorthin setzen, wo die Skispringer im Winter sitzen, um sich die Schanze hinab zu stürzen. Nie im Leben würde ich das tun! Lang und steil ist der Anlauf für den todesmutigen Sprung in die Tiefe und niemals hätte ich den Mut dazu. Schon beim Hinunterblicken läuft mir ein Schauer den Rücken runter.
    Weiter geht`s. Bald bin ich auf dem Schliffkopf und der Blick ist grandios, aber lange bleibe ich nicht. Irgendwie macht es mir alleine heute keinen Spaß. Dann folgt der Panoramaweg, er kommt mir endlos vor und ich bewältige ihn schnellen Schrittes. Nur manchmal stoppe ich, um einen phantastischen Weitblick in mir aufzunehmen. Marie muss schnell unterwegs sein. Ich kann sie einfach nicht einholen.
    Drei lange Stunden sind es vom Wildsee noch bis zur Zuflucht – die heutige Unterkunft heißt tatsächlich so - und der Weg zieht sich wie Kaugummi. Es reicht mir schon lange, aber mein Ziel kommt und kommt einfach nicht in Sicht.
    Dann endlich! Ganz plötzlich ist der Wald zu Ende und macht einer Straße Platz. Rechts kann ich ein großes Gebäude sehen. Das muss sie sein, meine Zuflucht. Doch sie zeigt mir ihre hässliche Rückseite.
    „Wie eine Zuflucht sieht es nicht gerade aus“, denke ich, während ich näher komme. Doch auf der Vorderseite verändert sich das Bild ins Positive. Auf einem Schild steht „Zuflucht – Übernachten, Schlemmen, Genießen“. Vor allem nach Schlemmen ist mir jetzt nach der ganzen Rennerei.
    Der nette Wirt checkt mich schnell ein. Kurz darauf sitze ich im Restaurant und bestelle die Empfehlung des Hauses. Dabei erfahre ich, dass die Zuflucht früher eine Jugendherberge war und das erklärt die Schlichtheit des äußeren Gebäudes. Im Innern wurde Vieles liebevoll umgestaltet. Der Schmorbraten schmeckt vorzüglich. Als ich mein Besteck zur Seite lege und die Füße genüsslich unter dem Tisch ausstrecke, kommt Marie herein und setzt sich zu mir. Sie hat bis eben die Sauna genossen. Nun bestellt auch sie.
    „Hast du auch den einsamen Wanderschuh auf dem Weg gesehen?“ frage ich.
    Ja“, meint sie und so beginnt ein lustiger Abend, an dem wir das Erlebte austauschen. Es ist erstaunlich, dass zwei Menschen denselben Weg gehen und doch so viel Unterschiedliches wahrnehmen.
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  • E1-58-D-Harkhof (21km)

    18 September 2016, Jerman ⋅ ⛅ 13 °C

    Südwärts auf dem Westweg (6)

    Morgens mache ich gerne Gymnastik. Normalerweise spreize ich die Arme, beuge sie dann zu den Fußspitzen und dehne so die Beine, Trizeps, Schultern und die vom Wandern müde Rückenmuskeln. Dann strecke ich die Arme weit in die Höhe, bis es nicht mehr geht, dehne so den Rücken und er ist mir dankbar dafür. Dann biege ich den Oberkörper erst nach links, anschließend nach rechts. So wird die Hüftmuskulatur gedehnt. Ich mache es mit geschlossenen Augen, denn das ist wichtig für die Entspannung des Geistes. Der Körper ist mir dankbar dafür und ich mache es auf jeder Wanderung so. Ich denke, es hält mich fit.
    Doch heute klappt es nicht, denn das Zimmer ist einfach zu klein. Während die eine Hand an den Kleiderschrank stößt, berührt die andere Hand die Duschkabine, die im Zimmer steht, was meine Entspannungsübung empfindlich stört. Und beuge ich mich vor, berühren die Fingerspitzen die Bettkante. Meine Güte, ist das Zimmer klein! Entnervt beende ich meine Morgengymnastik.
    Dagegen war die Nacht sehr ruhig, hier störten keine Geräusche den friedlichen Schlaf. Nur der Regen tropfte die ganze Nacht ohne Unterlass ans Fenster. Und es regnet noch. Das schöne Sommerwetter scheint endgültig vorbei.
    Ich sitze zusammen mit Marie am Frühstückstisch. Das Buffet ist üppig und lecker. Hin und wieder wandern unsere Blicke besorgt Richtung Fenster. Draußen regnet es ununterbrochen. Drinnen ist der Regen das bestimmende Thema.
    „Ich habe meine Regenjacke vergessen“, meint Marie bekümmert.
    „Du kannst doch einen Regenschirm nehmen. Die Pension hat sicher einen für dich“, empfehle ich ihr.
    „Nein. Ich habe mir das schon überlegt. Ich schneide mir wohl einen Müllsack zurecht.“
    „Marie Müllsack!“ entfährt es mir spontan und ich muss laut lachen. Ich erzähle ihr vom Appalachian Trail. Dort erhält ein Wanderer einen Trailnamen, den er fortan statt seines eigenen Namens verwendet, solange er auf dem Trail wandert. Er deutet auf eine Eigenart hin und bildet sich meist wie von selbst. Irgendwann ist der Name da. Marie hätte dort bestimmt ihren Namen jetzt verpasst bekommen. Auf dem AT würde sie jetzt nur noch Marie Müllsack genannt werden.
    Ihr gefällt der Name.
    Neben uns sitzt ein Pärchen mittleren Alters. Auch sie sind auf dem Westweg unterwegs und weiter hinten sitzen zwei ältere Damen, die ich gestern überholt hatte. Auch sie sind auf dem Westweg unterwegs, wie uns das Pärchen verrät. Wir alle haben also denselben Weg und, wie sich herausstellt, auch dasselbe Ziel. Heute streben wir alle zum Harkhof. Das ist für den Westweg vielleicht normal, weil auf ihm viele Wanderer unterwegs sind und es nicht so viele Unterkünfte gibt, aber für mich als Weitwanderer ist es eine neue Erfahrung. Bisher war ich fast immer alleine unterwegs, habe auf den Touren oft keinen Menschen getroffen und wenig gesprochen. Meine Abende habe ich meistens alleine verbracht. Auf dem Westweg ist alles anders. Und das gefällt mir gerade richtig gut.
    Nun aber ist es Zeit, aufzubrechen. Jeder in seinem Rhythmus und zu seiner Zeit. Ich mache mich erst auf den Weg, als die anderen schon weg sind. Ich habe mich mal wieder mit dem Wirt verquatscht.
    Es regnet immer noch. Vor mir dampft der Wald. Hinter mir verschwindet die Zuflucht im Nebel. Die Regenjacke ist schon nass, aber nur von außen, nach innen lässt sie keinen Tropfen durch. Ein Hoch auf das gute Material! Wie ergeht es wohl Marie mit ihrem Müllsack? Und Martina mit ihrem Regenschirm, den sie ja heute wohl den ganzen Tag brauchen wird. In der einen Hand den Regenschirm und in der anderen den Rucksack, den sie hinter sich her zieht? Und ihre selbstgenähten Wollsachen werden heute sicherlich einer harten Bewährungsprobe ausgesetzt.
    „Ob sie heute aufgeben wird?“, frage ich mich. Hoffentlich nicht!
    Der Weg ist passend für das feuchte und nebelige Wetter: Wald links und Wald rechts. Weit schauen kann man nicht, aber es gibt wohl auf dieser Tour auch gar nicht viel zu sehen außer Wald. Mitunter kommt er sogar sehr nahe und der breite Forstweg wechselt für lange Zeit mit einem schmalen Pfad, der über die Höhen des Schwarzwalds führt.
    Eine kurze Rast in der Lettstedter Hütte gibt mir für eine halbe Stunde Unterschlupf vor dem Nieselregen. In der Hütte bin ich nicht alleine. Eine Frau hat mit ihrem zehnjährigen Sohn ebenfalls Schutz gefunden und erzählt, dass sie die letzte Nacht im Auto verbracht haben.
    Weiter geht es. Die Frau und ihr Sohn gehen in die eine Richtung, ich in die andere. Ich bin wieder alleine. Gräser und Farne streifen an meinen Hosenbeinen entlang, die Wassertropfen durchnässen Hose und Wanderstiefel. Die nahen Bäume recken ihre dunklen Stämme lang in die Höhe. Manchmal ist der Wald so dicht und dunkel, dass ich den Namen „Schwarzwald“ nun verstehe. Abgestorbene Bäume stehen am Weg, geisterhaft greifen ihre Äste wie Arme nach mir. Hin und wieder ist es unheimlich im Wald und gelegentlich fühle ich mich unwohl auf den
    schmalen Pfaden.
    „Was soll passieren?“, versuche ich mich dann zu beruhigen. Ich denke an den Kahlen Asten, auf dem ich hoch oben im letzten Jahr stand. Auch dort dichter Nebel, auch dort griffen Baumgeister nach mir. Da war ich noch im Rothaargebirge.
    Mitten im Wald steht plötzlich das nächste Portal vor mir. Die Freiersberger Hütte gab dem Portal ihren Namen. Oder war es umgekehrt? Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal. Bezeichnenderweise ist das Portal ganz aus Stein und wird die Nässe überdauern. Die Steine triefen genauso wie ich. Weiter, hier ist es zu nass für einen längeren Aufenthalt.
    Nur zwei Kilometer weiter liegt die Haaghütte und die trockene Bank auf dem Balkon lädt zur Rast ein. Die Hütte ist groß und hat einen angrenzenden Raum. Die Tür ist nicht versperrt. Neugierig betrete ich den dunklen Raum, kann einen Tisch, vier Stühle und vier Schlafstellen an der Wand ausmachen. In der Mitte des Raumes steht ein Ofen, daneben liegt Brennholz. Hier könnte man also bequem übernachten. Isomatte und Schlafsack auf der Schlafstelle ausgebreitet und fertig. Nur mit dem Ofen sollte man wohl vorsichtig sein, denn der ganze Raum ist rußgeschwärzt. Womöglich ist der Abzug verstopft. Einen Tag später soll ich einen Wanderer an der Kreuzsattelhütte treffen, der mir erzählt, dass er in der Haaghütte übernachtet habe. Er hätte versucht, Feuer zu machen und verqualmte die ganze Bude.
    „Und meine Nacht war kurz, denn ich hatte ein unheimliches Erlebnis. Irgendetwas schlich um die Hütte und machte ganz eigenartige Geräusche. Ich glaube, es war ein Luchs, der herein wollte. Aber zum Glück hat er es nicht geschafft.“
    Ich muss lachen und an die Schmiererei denken, die ich über dem Hütteneingang fand:
    "Heike + Martin auf dem Westweg. Kämpften hier nachts gegen Mäuse, groß wie Hunde. Ansonsten tolle Hütte! 3.9.2012 "
    Ob ich mich trauen würde, ganz alleine in einer solchen Schutzhütte zu übernachten? Noch bin ich mir nicht sicher. Aber ich werde es bald versuchen müssen.
    Mein Wasser kocht gerade, da kommen die beiden älteren Damen direkt aus dem Nebel auf mich zu. Ich lade sie auf einen Tee ein. Sie nehmen dankbar an und setzten sich zu mir auf die Bank. Der heiße Tee wärmt die Finger und auch den Bauch. Herrlich. Wie wenig es braucht, um zufrieden zu sein. Die Damen hält es nicht lange und sie sind schon fort, als ich meine Sachen wieder verstaue. Offenbar brauche ich mehr Pausen als andere. Nur Martina braucht noch mehr Pausen als ich.
    Der erste Wegweiser weist zum Harkhof, doch es sind noch ein paar Kilometer dorthin. Weitere Hinweisschilder sollen folgen. Es ist ja auch die einzige Herberge in dieser einsamen Gegend, man sollte sie also finden.
    Irgendwann teilt sich der Wald, ich trete auf eine Wiese. Hier sollte man weit schauen können, aber der Nebel verschluckt alles. Irgendwo tönt eine Kuhglocke, ansonsten herrscht friedliche Stille. Wo nur liegt der Hof? Da, wieder ein Wegweiser. Er weist nach rechts, wo es steil bergab geht. Und da endlich taucht wie der fliegende Holländer ein großes Gebäude aus dem Nebel auf. Zuerst sehe ich nur Kuhställe, dann endlich auch das Wirtshaus. Warmes Licht strömt aus den Fenstern. Oh, wie ich mich nach Wärme und Trockenheit sehne! Zaghaft öffne ich die Tür. Herzlich werde ich begrüßt und gleich bestelle ich Kaffee, dazu Apfelkuchen mit Schlagsahne. Der wird hier selbst gemacht und die Äpfel schmecken wie frisch gepflückt. Kumpel ruht neben mir und ist froh, endlich dem endlosen Regen entronnen zu sein. Marie gesellt sich hinzu, sie ist schon lange vor mir angekommen und ist in der Gemeinschaftsunterkunft am Kuhstall untergebracht. Sie legt ein Notizbuch auf den Tisch, beginnt, Notizen aus einem Heft in ein anderes zu übertragen. Sie hat eine wunderbare Handschrift und bewegt die Hand, in der sie den Stift hält, langsam und bedächtig über das Papier, während sie Buchstabe für Buchstabe kunstvoll aneinander reiht. Sie gibt sich wirklich
    Mühe.
    "Warum machst Du das?", frage ich.
    „Ich übertrage mein Reisetagebuch, damit meine Eltern es lesen können. Meine
    Aufzeichnungen sind auf mehrere Zetteln verteilt, so will ich es ihnen nicht geben."
    So erlebt sie also auf dieser Wanderung ihr Abenteuer ein weiteres Mal, so wie auch ich meine Wanderungen während des Schreibens auch immer noch ein drittes Mal erlebe. Allerdings erst nach der Tour.
    Die Eheleute treten herein und auch die beiden Damen finden sich ein. So wird es ein gemütlicher Abend in der Schwarzwälder Stube weitab aller Orte und Straßen.
    Genau so, wie der Schwarzwaldprospekt es beschrieb.
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  • am Kreuzsattelbrunnen
    ein Blick zurück zum Harkhofganz still ist es im Schwarzwaldkurz vor der Hohenlochen-Hütteeine nagelneue Holzhütte lädt zum Übernachten einDas Gipfelkreuz auf dem Spitzfelsen (570m)Die Spitzfelsenhütte auf dem SpitzfelsenSchlimm, dass das geschrieben werden mussBlick vom Spitzfelsen nach HausachBlick auf Hausach. Die Schnellstraße schickt schon Lärm heraufdiese Tour ist hier zu EndeMarie "Müllsack"Das EhepaarDie Damen

    E1-59-D- Hausach (16km)

    19 September 2016, Jerman ⋅ ⛅ 18 °C

    Südwärts auf dem Westweg (7)

    Es ist still, völlig still auf dem Harkhof. Ich schlafe herrlich durch, bis das Meckern einer Ziege mich weckt. Das hätte ich gerne jeden Tag so. Ich schaue aus dem Dachfenster, kann die Ziege im Nebel aber nicht entdecken. Ich drehe mich noch einmal um und warte auf bessere Zeiten. Irgendwann aber muss ich aufstehen, denn heute werde ich die letzte Etappe dieser Tour gehen. In Hausach wartet morgen der Zug auf mich. Also muss ich weiter. Muss ich wirklich? Nein, ich will auch!
    Ich steige die knarrende Treppe hinab, freue mich auf ein deftiges Frühstück auf dem Bauernhof. Wie sich herausstellt, sind wir Wanderer die einzigen Gäste. An einem Tisch ist für uns alle gedeckt. So, als wären wir eine richtige Wandergruppe. Irgendwie sind wir es auch geworden, jedenfalls für Momente.
    Alle sitzen gemeinsam am Tisch, nur eine fehlt noch. Da geht die Tür auf und eine strahlende Marie kommt herein.
    „Ich durfte beim Kühe melken zusehen“, sagt sie mit leuchtenden Augen. „Das war ein großer Wunsch von mir. Die Kühe haben mich heute Morgen sogar geweckt". Ihre Gemeinschaftsunterkunft liege direkt neben dem Kuhstall, erzählt sie freudestrahlend.
    Ich verlasse mal wieder als Letzter den Hof. Und ich gehe nicht gerne von diesem Ort, der so still und friedlich liegt voll der Ruhe, Wärme und Geborgenheit. Hier scheint die Zeit still zu stehen oder wenigstens langsamer zu vergehen.
    Auf der anderen Talseite schaue ich noch einmal zurück zum Harkhof. Der Nebel hat sich verzogen und der Sonne Platz gemacht. Jetzt kann ich auch die Kühe auf der Weide sehen, deren Existenz gestern nur Glocken ahnen ließen. Dann drehe ich mich um, lasse los, schaue nach vorne auf den Weg. Weiter geht’s, es gibt noch so viel Neues zu erleben.
    Was wird mich heute auf den letzten fünfzehn Kilometern dieser Tour überraschen? Fünfzehn Kilometer, das ist nicht weit und lässt genügend Zeit für mußevolles Wandern und ausgiebige Pausen.
    Drei Schutzhütten liegen am Weg.
    An der Kreuzsattelhütte treffe ich auf den Wanderer, der die Nacht in der Haaghütte mit dem Luchs gekämpft haben wollte. Er erzählt, dass er vor hat, den Westweg bis zum Ende nach Basel zu gehen. Er will nur in Schutzhütten übernachten. Dafür ist er gut gerüstet, meint er. Ich frage ihn ordentlich aus über seine gemachten Erfahrungen und es klingt ermutigend, was er erzählt. Während er redet, dampft sein Shirt in der Sonne. Schließlich geht er weiter. Ich werde ihn nicht wieder sehen. Ob er in Basel ankommen wird? Sicherlich.
    Die Kreuzsattelhütte ist verschlossen und eine Übernachtung scheint nicht möglich. Aber es gibt einen Brunnen mit frischem Wasser. Ich habe aus ihm getrunken, es ist mir gut bekommen.
    Der Weg ist breit, ich komme gut voran. In Windeseile bin ich an der Hohenlochenhütte. Auch diese Hütte ist verschlossen, aber das Vordach wohl groß genug, um für eine Nacht Schutz zu bieten. Benjamin Claussner hat hier einmal übernachtet, wie ich in einem seiner Schwarzwaldvideos entdeckt habe. Kumpel darf ruhen, während ich auf meinem Kocher die letzte Tütensuppe erwärme. Neben der heißen Suppe genieße ich auch die herrliche Aussicht und die Sonne, deren Strahlen schon fast zu warm sind. Bevor ich weiter gehe, untersuche ich noch eine brandneue, klitzekleine Holzhütte, die direkt neben der Haupthütte errichtet wurde. Zu meiner Überraschung ist sie nicht verschlossen und bietet Raum für vier Übernachtungsgäste. Wie toll ist das denn! Ein Brunnen liegt in der Nähe.
    Weiter geht es bergab, bald wieder bergauf. Als letztes Highlight wartet der Spitzfelsen auf mich. Aus 570m Höhe schaut man vor dort in das tief liegende, aber schon nahe Hausach. Von unten dringt Verkehrslärm herauf und mahnt so, dass diese Tour nun bald zu Ende sein wird.
    Doch noch ist es nicht so weit. Lange stehe ich am Gipfelkreuz, schaue in die Runde. Bevor ich mich an den Abstieg mache, werfe ich noch einen Blick in die Spitzfelsenhütte. Sie ist geschlossen, doch nicht verschlossen. Drinnen ein Tisch, zwei Bänke. Auf dem Tisch Blumen und eine Kerze. Auch hier könnte man wohl übernachten, zwei Personen finden
    vielleicht auf dem großen, breiten Tisch Platz. Doch frisches Wasser gibt es hier nicht.
    Schlimm ist, dass an der Stirnseite der Hütte ein Schild angebracht sein muss. Darauf geschrieben steht:
    << Liebe Wanderer, die wieder aufgebaute Spitzfelsenhütte möge Euch bei der Rast viel Freude bereiten. Dazu könnt ihr mithelfen. Haltet die Hütte sauber, verzichtet auf Einritzen oder Anschreiben Eures Namens, entfacht kein Feuer, denn schon einmal zerstörte ein Brand das lobenswerte Werk fleißiger Hände. Januar 2010 >>
    Sätze, die jedem Gast selbstverständlich sein sollten, es aber offenbar nicht jedem sind.
    Dann kommt der letzte Abstieg. Steil geht es nach Hausach hinab. Der Westweg gibt noch einmal alles, doch vom Tal tönt immer lauter der Verkehrslärm herauf. Da liegt ein Baumstamm quer, liegt da wie ein Schlagbaum und signalisiert mir, dass die Tour zu Ende sei. Doch es geht noch ein Stück weiter. Eine Brücke überquert die Kinzig und ich gehe nun den Kinzigdamm entlang, der mich in die Stadt führt. Am rechten Ufer tönt - für mich fast unerträglich - der Lärm einer Schnellstraße herüber. Man kann sich so schnell des Krachs und der Hektik entwöhnen, wenige Tage genügen da bereits.
    Und schließlich stehe ich vor dem letzten Portal dieser Tour, dem hölzernen Kinzigtaltor. Ich werde etwas wehmütig und merke, dass ich gerne noch weiter wandern würde. Aber von hier nach Hause zurück zu fahren, das sah mein Plan so vor, der Zug ist gebucht. Lange verweile ich - mich fragend, ob ich dieses Jahr noch weiter wandern werde. Ich weiß es in diesem Moment nicht.
    Nur wenige Schritte noch bis zum Hotel „Zur Eiche“. Es liegt zentral mitten im Ort. Auch hier hatte ich mir vor Monaten schon ein Zimmer reserviert. Es liegt zur Straße und es verspricht eine unruhige Nacht zu werden.
    „Eine gute Eingewöhnung an die Großstadt, in die ich morgen wieder zurück kehren werde“, denke ich, während ich das Zimmer betrete.
    Abends sind alle wieder da: Marie, das Ehepaar und die beiden älteren Damen. Unser Lachen und die gute Laune vergolden an diesem Abend die zu helle Gaststube. Für die beiden Damen ist heute mit dem Wandern ebenfalls Schluss, die anderen wollen weiter wandern.
    Am nächsten Morgen kommt der Abschied und die Wandergruppe zerfällt. So ist das beim Wandern: Menschen treffen sich, lernen sich kennen, gehen ein Stück gemeinsam und verabschieden sich nach einer Weile wieder voneinander, um sich dann vermutlich niemals wieder zu sehen.

    Gilt das nicht auch für das normale Alltagsleben? Ist darauf nicht alles aufgebaut?
    Und ist es nicht gut so?
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  • Dem Ziel entgegen

    10 Oktober 2016, Jerman ⋅ ⛅ 10 °C

    Auf Westweg, Mittelweg und Querweg durch den Schwarzwald von Hausach zum Bodensee | 256 km, 12 Tage | 11.-22.10.16 | Übernachtungen in Schutzhütte, wildes Campen, Campingplätzen, Naturfreundehaus, DJH und Gasthöfen.

    Auf der letzten Tour durch Deutschland geht über Berge und Täler des südlichen Schwarzwaldes. Auf dem Feldberg, der höchsten Erhebung der Wanderung durch Deutschland wechselt der E1 vom Westweg auf den Mittelweg. Für zwei Tage geht es durch die wilde und wunderschöne Wutachschlucht. Es folgt der weniger begangene Querweg durch die pittoreske Hegau mit ihren vielen Hügeln vulkanischen Ursprungs. Obendrauf Burgruinen und überall finden sich Spuren von Napoleons Streif- und Streitzügen.
    War das Wetter im Oktober auch vornehmlich herbstlich frisch mit meist bedecktem Himmel, gab es auch sonnige Tage. Die Nachtemperaturen lagen durchweg unter dem Gefrierpunkt und forderten Zelt, Schlafsack, Isomatte und insbesondere mich heraus. Wie gut, dass es auch einige Nächte in festen Unterkünften gab.

    Die Wegmarke des E1 bekam ich auf dieser letzten Etappe nicht mehr zu sehen. Der Verlauf wird durch die Wegmarken anderer Wanderwege gekennzeichnet.

    Und endlich liegt das Ziel in Sichtweite: Konstanz am Bodensee an der deutsch/schweizerischen Grenze.
    Die folgenden Footprints berichten von dieser Tour.
    Die Route auf Komoot: https://www.komoot.de/tour/13168720
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  • E1-61-D- Hasemannhütte (6km)

    11 Oktober 2016, Jerman ⋅ ⛅ 9 °C

    Dem Ziel entgegen (1)

    Vier Wochen später stehe ich wieder am Bahnhof von Hausach und wuchte Kumpel aus dem Zug. Der Rucksack hat im Vergleich zur letzten Tour ordentlich zugelegt, denn Zelt, Schlafsack, Isomatte, Lebensmittel für mehrere Tage und zusätzliche elektronische Geräte bringen vier Kilo zusätzlich auf die Waage.
    Eigentlich sollte für dieses Jahr Schluss sein mit dem Wandern. Doch das Wetter war im September noch so schön und stachelte meine Wanderleidenschaft ein weiteres Mal an. Schließlich sind es nur noch zweihundertfünfzig Kilometern bis zum Bodensee und ich hoffe, am Ende dieser Tour mein Wanderziel - den Bodensee - zu erreichen.
    Damit es geschafft ist und ich frei bin für neue Wege.
    Das heutige Ziel ist dagegen bescheiden. Ich will nur den Farrenkopf hinauf. Auf seinem Gipfel steht eine Hütte, in der ich für heute Nacht Schutz suchen möchte. Das allerdings stellt für mich eine besondere Herausforderung dar, denn es wird meine erste Übernachtung in einer Schutzhütte sein.
    Als ich noch einmal am Hotel Eiche vorbei schreite, flüstert mir mein fieser innerer Schweinehund zu:
    "Nimm dir doch ein Zimmer, denn da oben wird es bitterkalt sein."
    "Kommt nicht in Frage", erwidere ich entschlossen. "Es wird schon nicht so schlimm werden". Doch ganz sicher bin ich mir nicht.
    Die erste Wegmarke des Westweges weist nach Süden, den Berg hinauf. Bald komme ich an der Ruine Husen vorbei. Ein kurzer Blick zurück auf Hausach, dann richten sich meine Schritte weiter gen Gipfel. Ab hier wird es richtig steil.
    Auf halber Strecke liegt die Hasenecklehütte, doch sie bietet zu wenig Schutz für eine Übernachtung. Weiter geht es durch den Herbstwald, bunte Blätter rascheln lustig unter meinen Schritten. Ich mag dieses knisternde Geräusch und es lenkt von der Mühsal des beschwerlichen Aufstiegs ab.
    Ein kleiner Wegweiser führt zu dem Brunnen, der unterhalb der nächsten Schutzhütte liegt. Ich hatte schon ungeduldig Ausschau gehalten, denn Wasser brauche ich noch für die Abendmahlzeit, den Tee und meine Katzenwäsche. Er liegt wohl hundert Meter unterhalb des Weges und eigentlich ist der Brunnen lediglich ein Kunststoffrohr, das aus dem Hang ragt und sein Wasser nur tröpfelnd abgibt. Geduldig muss ich warten, bis die Wasserflasche gefüllt ist, gebe am Ende noch eine Tablette zur Aufbereitung hinzu, damit Chlor und Silberionen eventuelle Keime abtöten. Vermutlich ist diese Vorsicht hier oben gar nicht nötig. Aber Vorsicht ist besser als Magenkrämpfe.
    Es dämmert, als ich die Hasemann-Hütte auf dem Gipfel des Farrenkopf erreiche. Was mache ich, wenn die Hütte verschossen ist? Zaghaft drücke ich an der Tür. Sie ist offen und hinter ihr liegt ein großer Raum, dessen Ende wegen des kargen Lichts, das durch zwei sehr kleine Fenster dringt, kaum auszumachen ist. Ich trete ein und gewöhne meine Augen an die Dunkelheit. Nach einer Weile kann ich eine feste Treppe ausmachen, die nach oben führt. Dort werde ich wohl mein Nachtlager aufschlagen können.
    Hier werde ich es eine Nacht aushalten. Es scheint ein guter Zufluchtsort zu sein. Glück gehabt! Ich werfe Kumpel auf die lange Bank und bin froh, seine schwere Last los zu sein. Auf dem großen Tisch steht ein Kerzenstumpf, den andere Wanderer vermutlich zurück gelassen haben. Licht zu haben, wäre jetzt wichtig, denn bald wird es vollständig dunkel sein. Ich suche mein Feuerzeug in den Tiefen meines Rucksack, muss lange graben. Dann endlich verbreitet ein goldener Schein wärmenden Glanz in meine bescheidene Unterkunft.
    Von draußen dringt Gemurmel herein und plötzlich wird die Tür aufgestoßen. Ein Mann steht im Türrahmen, den er vollständig ausfüllt. Ich bekomme einen riesigen Schreck, aber auch er steht wie angewurzelt da und schaut mich aus großen Augen an.
    "Wollen Sie etwa hier übernachten?", fragt er schließlich. Neugier liegt in seiner Stimme.
    "Ja, ... sicher", erwidere ich zaghaft und merke in diesem Augenblick, dass ich mir gar nicht sicher bin. Weitere Gestalten drängen in die Hütte - meine Hütte. Auch ihre Augen sind groß, als sie mich sehen. Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf. Am deutlichsten erinnere ich diesen: Hoffentlich bleiben sie nicht. Ich hätte die Hütte jetzt lieber für mich alleine.
    "Na, da passen Sie mal gut auf sich auf. Wir müssen weiter, denn gleich wird's dunkel und wir wollen noch runter ins Tal nach Hausach."
    Ich bin erleichtert.
    Ich lehne an der Hüttentür, während die Leute ihre Mountain-Bikes besteigen und geschwind' den Berg hinab sausen. Schnell sind sie verschwunden und ich wieder alleine. Lange noch lehne ich im Türrahmen und lausche in die Stille hinein, die mich umgibt. Doch auch hier oben hört man die Geräusche der Stadt noch, die aus dem Tal herauf bis zum Gipfel tönen. Ich frage mich, ob es in Deutschland überhaupt Orte völliger Stille gibt, wenn es nicht einmal hier völlig ruhig ist.
    In der Zwischenzeit ist es vollständig dunkel geworden und überraschend überkommt mich ein schreckliches Gefühl des Alleinseins. Mir wird kalt und ich weiche zurück in die Hütte, suche dort Schutz, ziehe die Tür hinter mir zu, so fest es nur geht. Ich bin froh über das bisschen Kerzenschein, das drinnen etwas Licht und ein wenig Wärme spendet.
    Auspacken, unterm Dach den Schlafplatz richten, die Trockenmahlzeit zubereiten, Tee kochen. Das muss ich jetzt machen. Und etwas Warmes essen und trinken. Erst als die Geschäftigkeit nachlässt, spüre ich wieder die Kälte, die allmählich meine Beine hochkriecht. Und das Alleine sein.
    Es ist erst zwanzig Uhr. Was jetzt machen, was tun? Es gibt nichts. Außerdem ist es kalt. Ich beschließe, schlafen zu gehen, auch wenn ich noch nicht müde bin. Der Dachboden ist groß, leer und ungemütlich. In der Raummitte habe ich mein Lager ausgebreitet. Umhüllt von warmer Merinounterwäsche husche ich in den Daunenschlafsack, der auf der isolierenden Luftmatratze liegt, die auch mit Daunen gefüllt ist. Bald ist mir nicht mehr kalt. Aber kuschelig wird es nicht.
    Ich schließe die Augen und versuche an nichts zu denken, will einschlafen. Doch das gelingt mir nicht. Unbekanntes, das ich nicht einordnen kann, dringt an mein Ohr. Geräusche werden in meinem Gehirn zu unheimlichen Kobolden, die in meiner Fantasie draußen um die Hütte tanzen. Die Tür ist nur angelehnt, wird mir bewusst. Was wäre, wenn sie reinkommen? Ich versuche wieder und wieder, an nichts zu denken. Doch der Grusel bleibt.
    Bis ich irgendwann doch einschlafen sein muss.
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  • E1-62-D- ein Feld bei Schonach (22km)

    12 Oktober 2016, Jerman ⋅ ☁️ 9 °C

    Dem Ziel entgegen (2)

    Ein Sonnenstrahl, der durch das kleine Dachfenster der Hasemannhütte schimmert, lässt mich wach werden. Ich habe fest durch geschlafen und nun sind die Kobolde der Sonne gewichen. Ich fühle mich trotz des Gruselns ausgeschlafen und fit, habe gute Laune und bin bereit für neue Taten.
    Doch kaum habe ich mich aus dem warmen Schlafsack geschält, empfängt mich klirrend kalte Luft. Schnell schnappe ich mir Zahnbürste und Wasser und trete vor die Tür. Brrr, ist das kalt! Ein menschliches Bedürfnis treibt mich in die Büsche. Der Boden ist gefroren...
    Rasch packe ich meine Sachen zusammen, Frühstück wird es erst später geben.
    Es ist noch keine neun Uhr, als ich wieder unterwegs bin. Jetzt geht es den Farrenkopf auf seiner südlichen Seite wieder herunter und schon nach einer Stunde kommt die nächste Schutzhütte in Sicht. Vor der Büchereckhütte steht eine Bank in der wärmenden Morgensonne. Ich breite meine Habseligkeiten vor mir aus, ein ausgedehntes Frühstück macht mich richtig fit und am nahen Brunnen stocke ich meine Wasservorräte auf. Wieder kommt eine Chlortablette hinzu, auch hier ist es vermutlich nicht notwendig, weil die Quelle so nahe am Gipfel sauber sein wird.
    Gestärkt geht es weiter. Berg rauf und Berg runter, so geht es den ganzen Tag den Westweg entlang. Am Wegesrand liegen einige Windkraftanlagen, die bereits von Weitem auszumachen sind. Der Schwarzwaldromantik gibt das einen Dämpfer, aber jeder Mast erzeugt Strom für 2.000 Haushalte und dient dem sauberen Fortschritt. Was ist wichtiger?
    Das heutige Wanderhighlight ist der Karlstein, der unweit des Westwegs aufragt und leicht bezwingbar scheint. Oben gibt es einen herrlichen Rundumblick und die Gewissheit, wieder einmal auf über 1.000 Höhenmetern zu sein. Der Himmel ist blau, die Luft glasklar und die Sonne wärmt. Was braucht es mehr, um mein Wanderherz glücklich zu machen?
    Einen Kaffee!
    Da wandere ich an einem Schild vorbei wandere. Ich lese: "Irenes Kuchen musst du versuchen". Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen und schon sitze ich bei ihr auf der Terrasse, genieße bald sowohl Kaffee als auch Kuchen.
    "Das Schild hast du doch schon einmal gesehen". Ich rede beim Wandern manchmal mit mir selbst. Und es fällt mir gleich ein: es war in dem Schwarzwaldvideo von Harald Roller (Min. 12:55), der hier ebenfalls pausierte. Ich plaudere noch ein wenig mit der Wirtin (ist es Irene?) und erfahre, dass man in ihrer Pension für wenig Geld übernachten kann.
    "Nur Duschen kann' st net, wi' häbbe zu wenich Wasser. Es hat heuer zu wenich g'regnet."
    "Aha", meine ich und da habe ich die Erklärung, warum aus den beiden Quelle so wenig Wasser tröpfelte. "Ich gehe eh noch ein Stück. Zum Übernachten ist es mir noch zu früh."
    Bei Schonach komme ich beim nächsten Gasthaus vorbei. Nun wäre die Zeit recht für eine Übernachtung, aber ausgerechnet heute – an einem Mittwoch - hat die Wilhelmshöhe Ruhetag. Es soll nicht da letzte Mal sein.
    Weiter also.
    Auf der anderen Straßenseite stoße ich auf das nächste Westweg-Portal. Dieses hier wirkt durch aufgeschichtete große Felssteine sehr imposant.
    Ein paar Kilometer weiter, die Schatten werden bereits lang, balanciere ich auf schmalen Planken übers Moor. Sie führen zum Blindensee, hier könnte ich mein Zelt aufschlagen, denke ich mir. Doch ich finde an diesem idyllischen Ort keinen Platz, es ist einfach zu feucht hier. So muss ich weiter. "Es wird schon etwas kommen", rede ich mir ein. Eine Herberge liegt allerdings nicht mehr am Weg, so viel weiß ich.
    Eine Wiese, eingebettet zwischen zwei Wäldchen, bietet einen guten Platz zum Zelten. Der Platz, den ich aussuche, ist von der roten Abendsonne beschienen, die bald hinter den gegenüber liegenden Bergen verschwinden wird. Eile ist geboten! Das Zelt steht nach fünf Minuten, nach weiteren fünf Minuten ist die Isomatte aufgeblasen und der Schlafsack ausgerollt. Ich bringe meinen kleinen Kocher zum Sieden, übergieße das Trockenfutter mit dem kochenden Wasser. Nach neun endlos erscheinenden Minuten kann ich es endlich direkt aus der Tüte genießen. Es schmeckt tatsächlich gut, aber nach einem langen Wandertag schmeckt wohl alles. Danach gibt es einen Pfefferminztee und die Wärme tut gut. Derweil verschwindet die Sonne abrupt hinter dem Berg, so, als hätte jemand den Stecker gezogen. Schlagartig wird es kalt, richtig bitterkalt. Ich muss Schutz suchen im Zelt.
    Und wieder taucht die Frage nach einer Beschäftigung auf. Was soll ich anfangen mit dem noch jungen Abend? Ich finde eine Antwort: Musik hören auf dem IPhone. Den kostbaren Strom, den das jetzt verbraucht, werde ich morgen schon über das Solarpanel nachladen können, hoffe ich.
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