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  • Day 3

    Cetinje

    May 27, 2022 in Montenegro ⋅ ☀️ 25 °C

    Die überschaubare Stadt auf einer Hoch­ebene zu Füßen des Lovćen war bis zur­ Gründung der Republik Montenegro als Teil des sozialistischen Nach­kriegs­ju­gos­lawien das administrative und in­tel­lektuelle Zentrum des Lan­des.­ Die Haupt­stadtwürde ist einige Kilometer ins Landesinnere nach Pod­go­rica wei­ter­gereist, aber von seinen großen Zei­ten zehrt Cetinje noch im­mer.

    Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jh. kam Cetinje richtig zu sich: Jahr­hun­der­te­lang hat­ten verschiedene Ag­gres­so­ren die Stadt ein ums andere Mal hef­tig gebeutelt, und erst unter den re­la­tiv stabilen Bedingungen nach dem Ber­liner Kongress er­leb­te die Stadt in den Bergen ihre Hochblüte. Alle Groß­mächte Europas und die auf­stre­benden Ver­einigten Staaten unterhielten im da­mals nur ca. 2500 Einwohner zäh­len­den Ort eine Gesandtschaft. Zusam­men mit den Repräsentationsbauten des auf­strebenden Hauses Petrović, dessen Mitglieder dem Land erst als Fürst­bi­schö­fe und­ später auch als Könige vor­standen, entwickelte sich um den Kern des alten Klos­ters ein kompaktes En­semb­le des Spätklassizismus. In den zahl­reichen zum Teil­ ziemlich aufwen­di­gen Botschaften, den Palästen und Re­gierungsgebäuden be­fin­den sich heu­te Museen und die künstlerischen Fa­kultäten der Universität Mon­te­neg­ros, sodass Cetinje in Kulturdingen im­mer noch die Führungsrolle vor dem eher nüchternen Podgorica behaupten kann. Im Verständnis der Stadtväter spielt Ce­tinje gar mit im Reigen der gro­ßen Museumsstädte der Welt - ein über­di­men­sio­naler Wegweiser zu den be­deutendsten Sammlungen des Pla­ne­ten lässt da we­nig Zweifel. Auch wenn das etwas hoch gegriffen ist, lohnt ein Tag Unterbre­chung des Strand­urlaubs nicht nur für Hardcore-Kultur­beflis­se­ne.

    Die Perle des balkanischen Klas­si­zis­mus, die Cetinje mit seiner wunder­ba­ren Sub­stanz zweifelsohne ist, könnte aber wieder einmal eine neue Politur vertra­gen. Die Stadt macht nicht nur in den Wohnvierteln außerhalb des Stadt­kerns einen etwas vernachlässigten Ein­druck. Aber Podgorica hält die Stadt­finanzen Cetinjes an der ganz kur­zen Leine, Grund dafür sind nicht et­wa historische Ressen­timents, son­dern schlichtes Parteiengezänk: Cetinje wird als einzige Stadt Monte­negros von der oppositionellen SNP (Sozialistische Volkspartei) regiert, und das sieht der Mus­ter­de­mokrat Đukanović nun gar nicht gerne. Außerdem ist es um die in­dus­trielle Struk­tur Cetinjes alles andere als gut bestellt. Die größten Arb­eit­ge­ber, das Elek­tro­ge­rätewerk Obod und das Fisch­konserven­werk im nahe ge­le­ge­nen Rijeka Crno­je­vića, haben ihren Be­trieb eingestellt.

    Der König und seine Töchter....

    Nikola I. und seine Frau Milena setzten nicht weniger als zwölf Kin­der in die Welt,­ neun davon waren Mädchen. Mit diesem Nach­wuchssegen begann Ni­ko­la, ein geschickter und wendiger Staats­mann im Inneren wie im Äußeren, ei­ne sehr aktive Hei­rats­politik, die ihm später den inoffiziellen Ehrentitel „Schwiegervater Eu­ropas“ eintrug. Der designierte Thronfolger Danilo si­cher­te den An­liegen Montenegros am deutschen Kaiserhof durch seine Hoch­zeit mit Prinzessin Jutta von Mecklenburg-Strelitz ein offenes Ohr. Vier­ der Mädchen wurden in weitere europäische Königshäuser ver­ehelicht: Mi­lica hei­ratete den russischen Großfürsten Petar Ni­ko­lajević Romanov; ein An­ge­hö­riger einer Sei­tenlinie dieser Dy­nas­tie, Georg Maximilianović von Leuch­ten­berg nahm Anastasia zur Frau. Die beiden trennten sich aber wie­der, und Anas­tasia griff er­neut in den Romanow-Topf und zog sich den Prin­zen Ni­ko­lai Ni­kolajević. Prinzessin Jelena gab Kronprinz Vittorio Ema­nue­le von Ita­lien das Jawort, und ihre Schwester Ana stärkte die Bande mit Eng­land­ durch ihre Ehe mit Franz Joseph von Battenburg (im Ersten Welt­krieg ang­lisiert zu Mount­bat­ten). Überflüssig zu sa­gen, dass eine der Töch­ter schö­ner als die andere gewesen sein soll - haben das Königstöchter nicht so an sich?
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