• "Rock and Roll" der Bergziegen im Van Zy

    February 13, 2015 in Namibia ⋅ ☁️ 25 °C

    "Rock and Roll" der Bergziegen im Van Zyl's Pass.

    Wir sind noch nicht lange unterwegs, bis die ersten Steigungen aus losem Geröll vor uns liegen. Immer dann, wenn es schwierig wird, fahren wir in groesserem Abstand von einander. So das wenn der Vordermann im Hang hängen bleibt, der nachfolgende Zeit hat sicher vorbei zu fahren oder zu Stoppen.
    Oft geht es nur im ersten Gang den Berg hinauf. Die Yamaha's sind so kurz übersetzt, das man im ersten Gang einfach mit beiden Fuessen auf dem Boden mitlaufen kann. Nach jeder Passage kommen wieder einfache Abschnitte die sich durch dichtes Dornengebüsch und sandigen Flussbetten ziehen.
    Die Sandabschnitte sind am härtesten für uns und die Bikes. Nur mit Vollgas geht es dadurch. Es riecht nach schleifender Kupplung und verbranntem Gummi. Auf den flachen Anschnitten haben wir Zeit etwas im Fahrtwind abzukühlen und wieder Luft zu holen. Aber die nächste harte Passage ist nicht weit.
    Steile abwärts Passagen, mit treppenstufenartigen Felsen, geht es nur im Schritttempo herunter. Gegenseitig helfen wir uns auf der richtigen Spur zu bleiben. Oft geht es wenige Meter neben uns steil in eine Schlucht hinunter. Das sicher Ende, hier von dem Motorrad zu fallen.
    Wir erreichen die höchste Stelle der Passstraße und haben von dort aus einen wunderschönen Blick über das weite Flachland des Marienfluss. Nun heißt es nur noch bergab und der Stress ist hinter uns. Wir sind schon 3 Stunden unterwegs und nur 3/4 der Strecke ist bewältigt.
    Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf das ein geplatzter Reifen, ein abgebrochener Schalthebel oder was auch immer, ein Riesen Problem sein kann, stresst mich ein wenig. Dazu die Hitze, das ständige Auf und Ab auf dem Motorrad macht die Sache nicht leichter. Die Hälfte unserer Wasservorraete aber wir schon aus geschwitzt. Bis zum nächsten Wasserloch sind es noch über 100km.
    Wir machen uns wieder auf den Weg "down hill" und rutschen Teilweise mit blockierten Hinterrad auf losem Schiefer einfach nur so die Hänge hinunter. Es geht durch enge Schneisen. Rechts mit Dornenbusch bewachsen und links 30m in die Tiefe, entlang bis wir an einem Steilhang enden.
    Vor uns geht es so Steil ab, das uns fast schwindlig wird. Die sogenannte "Straße" ist zu einer schmalen Treppe geschrumpft. Einem Meter hohen Stufen aus Granitfels auf der einen Seite und einer ausgewaschenen Rinne die so tief ist wie ein Schützengraben, auf der anderen Seite.
    Mal wieder Parken wir die Yamaha's und legen Jacke und Helm ab. Erst einmal die Strecke zu Fuß ablaufen. Abenteurer, die mit einem Geländewagen diese Strecke wohl irgendwann vor uns abgefahren haben, versuchten mit losen Felsbrocken die Stufen in den Felsen auszugleichen. Kaum Vorstellbar das es Leute gibt, die hier mit einem Auto hinunter fahren.
    Wir überlegen, ob wir das Gepäck abladen und unsere Mopeds einzeln den Hang hinunter tragen sollten. Dann sehen wir jedoch einen Eselspfad, der etwas tiefer am Hang neben der Strecke verläuft. Der Trampelpfad ist zwar nur 30cm breit aber relative eben. Es geht steil hinunter und dann wieder steil hinauf, ziemlich nahe am Rande zur Schlucht aber machbar. Die Esel sind ja nicht dumm und denen war wohl die Felsentreppe auch zu steil.
    Ich versuche es als erster, rutsche mehr als das ich rolle, von der Straße den Hang hinunter um auf dem Eselspfad zu kommen. Nun gilt es den richtigen Anfahrtswinkel in den Pfad zu finden und dann ohne zu zögern hinunter und herauf zu fahren. Blos nicht den Block auf dem Hang abwürgen.
    Im ersten Gang und mit Motorbremse den Hang hinunter, dann volle Kanne, 2ter Gang, wieder hoch. Der 180 Reifen wühlt sich durch das lose Gestein. Ich denke nur, Gewicht nach vorne und GO..GO..GO. Der Einzylinder heult auf, das es mir in der Seele weh tut aber ich komme oben an. Voll in die Bremse, weil es dann schon gleich mit einer neue Hürde weiter geht.
    Kurz Luft holen und orientieren, dann geht es weiter über Stock und Stein bis ich 30m tiefer endlich den Block zum Stillstand bringen kann. Ich stelle die Maschine auf den Seitenständer und steige ab. Isabelle kommt völlig außer Atem den Hang hinunter gelaufen ich ich merke das mit die Knie noch etwas wackeln.
    Isabelle hat die ganze Zeit versucht hinter mir her zu laufen um mich im Falle eines Falles auf zu fangen. Wir krabbeln den Hang wieder hinauf und sie macht sich für ihre "Schlittenfahrt" fertig.
    Isabelle fährt in einem anderem Winkel in den Hang hinein und ihr Vorderrad rutsch auf dem losen Gestein seitlich weg. Sie springt zur Hangseite hin ab und die Yamaha fährt noch 2m weiter bis sie zum liegen kommt. Nichts passiert. Pilot und Maschine ok, stellen wir schnell fest aber Isabelle hat nun Muffen die schmale Passage zu meistern. Ich muss sie etwas überreden, nun nicht die "Flinte ins Korn" zu schmissen.
    Sie steigt auf, trampelt in der Kickstarter und ist schon auf dem Weg. Ich renne mit ausgestreckten Armen hinterher um helfen zu können aber da ist sie schon durch den Pfad und oben angekommen. Ich schleppe mich auf allen vierten hinter ihr den Hang hoch und bin einem Schlaganfall nahe.
    Das letzte Stück den Hang hinunter meistert sie auch wieder suverren. Als ich bei ihr unten ankomme sitzt sie lässig auf ihrer Yamaha und nugelt an der Wasserflasche. "wir sind ganz schön verrückt..." sagt sie zu mir und reicht mir das Wasser.
    Es geht weiter Steil den Berg hinunter und wir lassen die Mopeds unter Motorbremse rollen. Immer mal wieder Zick Zack um die groessten Steine herum, bis wir auf einer offenen Lichtung landen. Ganz überrascht, können es gar nicht glauben, stellen wir fest das wir den Pass hinter uns haben.
    Eine gelbe Öltonne und ein Haufen Steine liegt vor uns. In einem Baum hängt der Schädel eines toten Tieres und erst jetzt sehen wir auch das all diese Steine beschriftet sind.
    Jeder, der es bis hier hin geschafft hat, hat seinen Namen und Datum auf einen Stein geschrieben. Ein beeindruckendes Bild und es wird uns nun nochmal bewusst das dieser Pass etwas besonderes ist. Wir sind nun sehr erleichtert.
    Auf den Steinen steht geschrieben mit welchem Auto man hier lang gefahren ist. Einen Eintrage von anderen Motorradfahrern können wir nicht finden. Später hören wir von Einheimischen, das es bis heute vielleicht 30 Motorräder waren, die sich hier hinunter getraut haben.
    Marienfluss, kein Wasser und Freitag der 13.
    Rechts und links türmt sich das Gebirge, vor uns liegt flaches Land. Wir sind im Flachland des Marienfuss. Nun kann es nicht mehr weit sein. Heute Abend werden wir auf einem gemütlichen Campingplatz sein und eine Stunde lang warm duschen. Mit diesen Gedanken im Kopf machen wir uns auf den Weg.
    Zur Abwechslung führt nur ein Track in die Richtung, die das GPS vorgibt. Es geht wiedermal durch weite ausgetrocknete Flussbetten. Der Sand ist weich und tief aber wir sind ja nun geübt und wühlen uns da durch. Immer wieder halten wir an und fotografieren. Das Panorama ist einfach atemberaubend.
    Der nächste Wegpunkt liegt 20km im Norden. Von dort aus sind es ca 60km nach Süden zur Marbel Campside. Wir fahren auf einem schmalen und tief ausgefahrenem sandigem Track. Mit 40-50km/h kommen wir voran. Wieder aus alte Spiel. Nicht zu schnell und nicht zu langsam. Immer wieder einen Gang herunter schalten, um mit Vollgas um durch tieferen Abschnitte zu kommen.
    Die Sonne steht hoch am Himmel und brennt auf uns nieder. Konstantes ausbalancieren des Motorrades und hohe Konzentration kostet uns viel Energie. Die Vorfreude auf einen leichten Trip und die baldige Dusche sind schnell vorbei. Die sandige Piste wird zum Problem. Das ständige Fahren in unteren Gängen und die hohen Drehzahlen kosten uns eine Menge Benzin und sind hart für die Motoren.
    Immer wenn es möglich ist, verlassen wir die Fahrbahn und fahren auf festerem Boden parallel dazu. Dadurch sind wir zwar langsamer aber kommen flüssiger vorran. Nach einigen Stunden Fahrt hängen unser Arme nur noch gefühllos am Lenker. Wir parken die Mopeds unter einem vertrocknetem kleinen Baum und lassen uns einfach daneben in den Staub fallen.
    Die letzte 2 Liter Wasserflasche wird angebrochen und ein Stück Trockenfleisch die staubige Kehle runter gewürgt. Isabelle sitzt neben mir an dem Baumstumpf gelehnt.
    Weit weg, dahinten liegt eine Gebirgskette im Süden. Dort müssen wir hin. Das Flimmern der Hitze über dem Boden lässt die Berg nur als Schleier erscheinen. Der alte Clint Eastwood Western "the Good, Bad and Ugly" kommt mir ins Gedächtnis und ich pfeile den Soundtrack dahin. Wir brechen in Gelächter aus aber haben im Hinterkopf das mit dieser Wüste eigentlich nicht zu spaßen ist. Wir sind weit weit weg von jeder Hilfe und haben nur noch 2 Liter Wasser. Ein Sturz, Verletzung oder technische Probleme wären ein Desaster.
    Nach einer Stunde haben sich unsere eisernen Pferd abgekühlt und wir etwas Energie zurückgewonnen. Wir verpacken uns wieder in unsere Schutzkleidung und starten die Motoren, fahren in großem Abstand um nicht in der langen Staubwolke des Vordermanns zu ersticken. Immer wieder den Blick in den Rückspiegel um zu sehen das ob das Scheinwerferlicht des Hintermanns noch zu sehen ist.
    Die sandige Piste wird langsam steiniger. Ab und zu liegen ausgebrannte und zerschossene Autowracks entlang des Weges. Die Himbadoerfer die wir durchfahren sind alle verlassen und das Wasserloch, das auf der Karte eingetragen ist, finden wir aber ist außer Funktion. Die Solaranlage, die für den Strom der Pumpe sorgt ist zerbrochen. Ich drehe an den Wasserhähnen aber alles ist trocken. Nun gibt es nur noch die Hoffnung das das 30km entfernte Marbelcamp oder der Ort Orupembe Wasser haben.
    Wir halten uns nicht lange auf und machen uns auf den Weg, die nächste Landmarke "the red drum" zu finden. Der Weg ist recht eindeutig und das GPS zeigt auch immer in die richtige Richtung.
    Kurz bevor wir das Marbelcamp erreichen geht es nochmal steil lose Schotterpisten hoch. Isabelle ist hinter mir und im Rückspiegel sehe ich wie sie die Ideallinie der Piste verpasst, ihre Yamaha, wie ein wild gewordenes Pferd über große Felsen stampft und sich dann aufstellt. Isabelle fällt vom wild gewordener Block, der selber noch einige Meter alleine auf dem Hinterrad weiter fährt bis er im Graben landet. Der Schreck ist groß aber Pilot und Maschine haben nochmal Glück gehabt.
    Die Sonne fängt an Namibia in rot zu tauchen als wir durch das Tor des Camps fahren. Der sehr freundliche Besitzer zeigt uns die Anlage und wir können unser Zelt, wo immer wir wollen, aufbauen. Es ist auch so nett, für uns aus einem naheliegendem Dorf, 2 Flaschen Bier und 2 Flaschen Coca Cola zu holen. "...Ich kann euch sagen, ein warmes Bier hat mir noch nie so gut geschmeckt." 
    Es ist Freitag der 13te. Die Nacht war ruhig und wir sind gut erholt. Wir halten uns nicht lange auf, schlagen das Camp ab und beladen die Motorräder. Wie es an so einem Tag nur sein kann, stellen wir fest das in der Nacht eine Wildkatze unser ganzes Biltong gefressen hat und ich eine platten Hinterreifen habe. Das bedeutet Wasser und Brot für den Rest der Reise und 3 Stunden Verspätung um den Reifen zu flicken. Aber alles kein Problem. Die Reparatur war recht einfach und in dem nächsten Dorf, 30km weiter, gibt es kalte Bohnen in Tomatensoße aus der Dose zum Fuehstueck.
    Der Ort Orupembe besteht aus einem Wasserloch (mit Wasser), einer Polizei Station und 2 Häusern. Der kleine Shop in einem von den Häusern hat kalte Getränke und Konserven. Wir kaufen hier Verpflegung für diese letzte Etappe nach Opuwo ein. Von nun an ist der Weg recht einfach. Immer nur der Straße folgen. Die Straßenbedingungen sind nun auch etwas besser und es geht gut voran.
    Auf der Hälfte der Strecke durchqueren wir ein breites Flussbett das auch ein wenig Wasser hat und unter Palmen an einer Art Sandstrand bauen wir unser Nachtlager auf. Eine Himbafrau kommt mit ihrem Esel vorbei und begruesst uns freundlich, zieht dann weiter um am Fluss ihren Wasserkanister zufüllen.
    Am Mittag des nächste Tages fahren wir in die Tankstelle in Opuwo ein. Wir reisen die Arme hoch und fühlen uns wie Sieger. Der Staub liegt wie Puderzucker auf Motorrad und Kleidung. Die 451km haben wir in 4 Tagen hinter uns gebracht und noch 3 Liter Sprit im Tank.
    Die Rechnung ging auf und der schwierigste Bergpass Afrikas ist bezwungen. Unsere TW Yamaha's haben sich bestens bewährt.
    Den Nachmittag verbringen wir wieder am Swimmingpool der Contry Lodge. Mit einem kalten Bier in der Hand stehen wir bis zum Hals im Wasser, schauen auf das Panoramabild des Kaokolands nieder und lassen das Erlebte Revue passieren.
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