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  • Day 10

    Albergue Redondela Avoa Regina | 39 km

    May 11, 2023 in Spain ⋅ 🌙 13 °C

    Unter den Pilgern gibt es immer mal wieder Menschen, die sich und ihre Grenzen austesten wollen. Vielleicht haben die auch einfach einen kleinen Schaden, aber ja, ich gehöre dazu. Ich wollte von vornherein auf jeden Fall einen Tag mal richtig Strecke machen und gucken was möglich ist. Heute war dieser Tag. Ich habe 2 Etappen zusammengelegt - natürlich genau die mit den meisten Höhenmetern - und habe mir ein Hostel in Redondela gebucht, bei dem ich bis spätestens 19 Uhr einchecken kann. So habe ich ein zeitliches Ziel und etwas Druck bis dahin zu gehen, da das Bett nicht mehr stornierbar ist.

    Tja, was soll ich sagen, verrückte Idee aber am Ende ist es alles Kopfsache. Es gab 1, 2 Downer, die mich nervten, wie Vigo als Stadt, mit dem vielen Beton, den fehlenden Ausschilderungen für den Camino und dem unfreundlichen Restaurantbesitzer, der nicht um 12:10 Uhr anfangen wollte zu kochen, da ich der einzige Gast war und mich wieder weggeschickt hat - aber abgesehen davon, hatte ich einen tollen Trip, alleine nur mit mir.

    Es ging um 6:40 Uhr im Dunkeln los und ich wanderte mit dem Sonnenaufgang durch die erste kleine Stadt, die mich hoch auf den Berg führte und in tolle Wälder. Wie schon erwähnt, gab es eine Menge Anstiege und damit Höhenmeter. Aber immer kleine Kaffeebohnen-Schritte (würde Lukas sagen). Ich bin relativ entspannt und stetig unterwegs gewesen. Die Wälder sind einfach so schön hier, es riecht herrlich, die Vögel zwitschern und man kommt immer mal an einem kleinen Fluss vorbei oder mit Glück auch mal an einem kleinen Wasserfall (siehe Foto). Das Wetter war prima, teilweise etwas warm, aber dann versuchte ich im Schatten zu laufen.

    Vigo hat mir, wie gesagt, nicht gefallen und wie ich im Nachgang herausgefunden habe, war der vorherige Bürgermeister kein Fan von Pilgern und hat die Markierungen entfernen lassen und sogar teilweise Pfeile in falsche Richtungen anbringen lassen. Der kann mir mal auf ein ernstes Wort vorbei kommen. Naja, Karma wird’s richten. Ich habe mich selbst aus der Stadt rausmanövriert und die Erlebnisse damit hinter mir gelassen. Mit relativ leerem Magen war ich dann wieder in kleinen Dörfern und auf den Bergen unterwegs. Da die Restaurants zwischen 15 und 19 Uhr zu hatten, musste mein Magen auf ein „richtiges“ Mahl noch etwas warten. Bis dahin taten es eine Birne, Mandeln und Oreos.

    Ich schaute extra nur selten auf die Karte bei Google und habe von einer Ecke zur nächsten geplant. Zwischendurch mal auf eine Bank und Füße hoch. Währenddessen wusste ich schon, dass ich heute Abend fertig sein würde. Habe ich jemals schon mal so viele Schritte an einem Tag gemacht? Nein. Es waren am Ende des Tages inklusive des Besuches vom Restaurant (wo es Tintenfisch und Scampis gab) und des Beiwohnen des Stadtfestes mit riesiger Bühne und tollen Auftritten insgesamt 65.620 Schritte. Das sind etwas über 44 Kilometer. Auf dem Jakobsweg selbst 39 Kilometer. Das habe ich wirklich noch nie gehabt. Nun weiß ich wie es ist und wie weit man beispielsweise zu Fuß in Spanien an einem Tag voran kommen kann. Übrigens, ich war 17:07 Uhr in der Unterkunft, hätte also noch knapp 2 weitere Stunden Zeit gehabt.

    In der Unterkunft habe ich unteranderem Oliver, 50, aus Hannover kennen gelernt. Der ist im Dezember fast an Corona verstorben und will seitdem sein Leben komplett umdrehen. Er hat seinen Job gekündigt und sich von seiner Frau getrennt. Will nur noch Sachen machen, die ihm gut tun. Er kommt aus dem technischen Planungsbereich für Konzerte und Messen und ist nebenbei Gitarrist in einer Punk Rock Band. Er kannte jedoch weder Davids Band und David auch nicht Olivers. Also die Welt ist doch nicht immer ein Dorf.

    Oliver und ich waren gemeinsam Abendessen und bei dem Stadtfest, das richtig rausgehauen hat. Wahnsinn was die da aufgefahren haben. Oliver sagte die Bühne mit der Technik kostet gut eine Viertelmillion. Die Show von den Sängern und Tänzern war der Hammer. Echte Profis und ganz schön was fürs Auge mit den jungen Spanierinnen und Spaniern, die knappe Kleidung anhatten. Wir tanzten bis halb eins mit, nahmen dann noch einen Absacker im Hostel und dann ging es glücklich mit müden Füßen ins Bett.
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