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  • Jour 4

    Villafranca del Bierzo | 24 km

    4 mai, Espagne ⋅ ☁️ 14 °C

    Schlechte Nachricht? Die letzte Nacht war die schlimmste Nacht. Gute Nachricht? Die letzte Nacht war die schlimmste Nacht - es kann also nur noch besser werden! Ich habe die Geschehnisse heute beim Wandern bereits verarbeitet und bin wieder gut drauf, daher nur in Kürze: In meinem Zimmer, im Bett neben mir, lag ein Mann, der Geräusche gemacht hat, die ich so noch nicht gehört habe. Er war eine Mischung aus Schnarchen, Grunzen, Stöhnen, Rasseln und Atemaussetzern. Zwischenzeitlich dachte ich, er sei verstorben, dann, dass er einen Anfall hat. Seine Frau lag neben ihm und hat nicht eingegriffen oder sich ungewöhnlich verhalten. Erst am nächsten Morgen erfuhr ich, dass er eine Krankheit hat und in Behandlung ist. Die Geräusche waren schlimmer als ein wellenartiges Schnarchen, es hat mich echt nicht zur Ruhe kommen lassen. Trotz Ohropax und Finger drauf pressen. Entsprechend habe ich kaum geschlafen. Die dritte Nacht in Folge. Was mich dazu gebracht hat, dass ich heute ein Einzelzimmer genommen habe, um einfach mal schlafen zu können.

    Der erste Wandertag war gut, es lief rund, erster Anstieg kam ziemlich zeitig und brachte den Kreislauf in Schwung. Es ging durch viel Grün, an einigen Feldern, Weinanbaugebieten und kleinen Orten vorbei. Durch den Regen der letzten Tage (und auch heute) war es teilweise ganz schön matschig und es ging dann nur mit kleinen Schritten voran. Die Schuhe sahen aus wie Sau.

    Relativ früh am Tag, so gegen 11 Uhr lernte ich Kilian kennen bzw. habe ihn wieder erkannt, denn ich hatte ihn bereits am Vorabend bei dem Kebab Laden gesehen, wo er sich 2 Dürum reingefahren hatte. Laut seiner Apple Watch verbraucht er einfach mal 5000 Kalorien am Tag, die müssen ja ansatzweise auch wieder rein.

    Vom Aussehen her hatte ich bei ihm auf England oder Irland getippt, aber nein, er kommt aus Potsdam. Wir entschieden uns zusammen weiter zu gehen und plauderten über Gott und die Welt. Kilian ist 22 und ist bereits 600 Kilometer auf dem Weg gegangen, da er am Ursprung des Camino Francés in Saint-Jean-Pied-de-Port (Frankreich) losgegangen ist. Ein starkes Stück. An seinem ersten Tag ging es einfach nur 25 Kilometer bergauf, da es durch die Pyrenäen ging. Also das Schlimmste ist für ihn schon überstanden, würde ich sagen.

    Wir kamen an einer Menge Obst- und Nussbäume entlang und ich war mal wieder voll begeistert davon wie weit teilweise die Früchte schon waren. Er sagte er kenne sich nicht so gut mit solchen Sachen aus. Da sah ich am Wegesrand büschelweise Minze und riss ein Blatt ab, gab es ihm und meinte: Reib mal dran und riech, das kennst du.
    Er: “Petersilie?”
    Ich schaute ihn an und dachte es sei ein Scherz, aber sein Blick blieb gleich. Also verriet ich ihm, dass es sich um Minze handelt. “Ah ok, ja ich kenne mich mit sowas nicht so gut aus.”
    Jeder der mich kennt, kann sich vorstellen was dann in mir abging. Naja, jeder was er kann. Also bekam er an dem Tag die volle Schulung von mir und ich erklärte ihm was was ist.

    Während der Mittagspause sagte er, dass er mittlerweile die Unterkünfte immer 1-2 Tage im Voraus bucht, da es voller wird auf den Wegen und mehr Leute hier unterwegs sind. Klar, es machen nicht alle die ganzen 800 km sondern vielleicht die Hälfte oder wie ich das letzte Viertel. Also buchte ich ebenfalls die nächsten Unterkünfte vor. Sicher ist sicher. Es ist ja auch der beliebteste Weg, entsprechend sind hier mehr Menschen als auf allen anderen Caminos unterwegs, was sich jedoch aktuell noch ganz gut verläuft. Ich denke auf den letzten 100 km wird’s dann voller. Heute gab es mal eine Traube von Pilgern und dann auch lange mal niemanden. Das war sehr angenehm. Wir hatte ein angenehmes Tempo drauf und waren vor 3 mit 24 km und einer ausgiebigen Mittagspause auf dem Tacho in der Gemeinde Villafranca del Bierzo. Ein schöner kleiner Ort, mit viel zu engen Straßen und tollen alten Gemäuern.

    Erst einmal Füße hoch und dann um 18 Uhr zum Abendessen getroffen. Wir fanden ein Restaurant, das bereits offen hatte und in dem nur Pilger saßen zum Essen. Die Spanier essen ja immer erst später. Bei mir gab es eine Galizische Suppe (mit Grünkohl, weißen Bohnen und Kartoffeln) und Scampis in Knoblauch und Öl. Es war gut. Danach dann noch einen Verdauungsspaziergang durch den Ort, an der Kirche vorbei und am Fluss “Río Burbia” entlang. Ab 21 Uhr ab aufs Zimmer.

    Heute dann mal ganz alleine in einem Zimmer mit eigenem Bad! Das ist nach so wenigen Tagen schon echter Luxus für mich. Ich freue mich schon aufs Schlummern!
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