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  • Day 11

    Boente | 21 km

    May 11 in Spain ⋅ ☀️ 23 °C

    Eigentlich dachte ich, dass ich nachts nun wirklich alles erlebt habe auf diesem Weg. Aber da habe ich die Rechnung nicht mit dem verrückten Italiener gemacht. Der kam erst relativ spät, führte aber ab da an sehr aufgeregte Selbstgespräche. Also stellt euch vor, dass ein Eichhörnchen sprechen könnte. So ungefähr. Er war wild am packen, suchte ständig etwas, sprang immer wieder aus seinem Hochbett, um dann kurz danach wieder raufzuklettern. Er wurde irgendwann von einigen Personen beobachtet, aber das merkte er nicht mal. Ganz spannend. Aber auf Dauer auch echt nervig. Irgendwann gab auch er Ruhe, fing aber morgens relativ früh wieder damit an. In der Nacht dann die Klassiker: lautes Furzen, Schnarchen, Badtüren auf und zu, schlurfende Schritte, man kennt es. Darüber hinweg konnte ich in der Nacht gut einschlafen. Also der Schlaf war besser als gedacht. Es waren dieses Mal auch eher kleine Kojen mit Vorhängen, dadurch etwas mehr Privatsphäre und auch nicht so hellhörig.

    Es ging um 7:10 Uhr los. Daniela und ich legten wieder gut vor und es ging natürlich direkt bergauf. Gefühlt ist dies immer so am Morgen. Wer auch immer sich das ausgedacht hat. Vermutlich die bergige spanische Landschaft. Ein Auf und Ab.

    Nach 2 Stunden gab es Frühstück an einem netten kleinen Ort mit Aussicht ins Grüne, einem frischgepressten Orangensaft und Tortilla. Das ist zu meinem Klassiker zur Vormittagszeit geworden. Ist lecker, macht auf gesunde Art satt und ich bin nicht völlig im Fresskoma.

    Gemeinsam ging es durch nette kleine Dörfer und angenehm frische Wälder. In einer Kleinstadt hatte die Idylle dann kurz eine Unterbrechung. Die Häuser waren nicht sonderlich schön, es war viel betoniert und ganz schön wuselig. Stadt können wir nicht mehr so gut, wie wir merkten. Wir kamen an einem Café vorbei, was mit Eis warb und wir schauten was sie haben. Daniela zeigte oben auf die Preise und wir gingen rückwärts wieder raus: 3,80 Euro für eine Kugel Eis in der Waffel. Was ist denn nun los? Leider sind die Preise sprunghaft gestiegen auf den letzten 100 km des Jakobweges. Sowas ist aktuell keine Seltenheit. Sehr schade, dass es so läuft, aber klar, die Läden machen die Preise und wissen, dass die Pilger auf Essen, Trinken und Schlafen angewiesen sind. Für uns gab es in dem Fall kein Eis und wir gingen zügigen Schrittes aus dem
    Ort - zumindest so zügig es uns denn möglich war, denn teilweise wurden wir mit den Pfeilen im Kreis geführt, damit wir nochmal an kleinen Läden mit Mitbringseln und Nippes vorbei kamen. Damit kriegt man uns nicht. Ich habe aber schon auf dem Weg eine Frau gesehen, die eine Tasche in der Hand hatte, worin sich nur Mitbringsel befanden mit den typischen Erkennungszeichen des Weges. Das bekommt man natürlich auch alles in Santiago und muss es nicht die ganze Zeit mitschleppen - aber sicher ist sicher.

    Übrigens trafen wir heute Johannes wieder. Er war in der selben Unterkunft letzte Nacht wie wir und war entsprechend heute auch mit uns auf dem Weg. Johannes ist Deutscher und sitzt im Rollstuhl. Er kommt super voran. Bergauf ist er natürlich nicht so schnell, aber bergab lässt er uns alle stehen, da er die Fortbewegung mit seinem Unterbau echt gut raus hat, wie er damit sicher voran kommt, lenken kann und so lange wie möglich rollt ohne mit den Armen aktiv zu werden. Wir fragten ihn, ob wir ihn eine Runde schieben sollen, aber er wollte gerne etwas alleine fahren und so gingen wir ohne ihn weiter.

    Weil wir mal wieder so zackig unterwegs waren, kamen wir bereits 12:39 Uhr an meiner Unterkunft in Boente an. Ich habe den Weg ja bereits durchgebucht, Daniela
    lässt es sich die Tage offen und schaut, wie weit sie gehen kann und fragt dann in der nächstgelegenen Unterkunft nach einem Bett. So auch heute. Nachdem wir in meiner Unterkunft einen Salat gegessen hatten, verabschiedeten wir uns und sie ging weiter. Übrigens: Daniela traf Johannes auf ihrem letzten Abschnitt wieder und da war er schon ziemlich fertig und hat sich dankend von ihr einen Anstieg hoch schieben lassen. So konnte eine von uns also doch nochmal helfen. Auf jeden Fall großen Respekt von uns, dass er diesen Weg mit seinem Handicap auf sich nimmt und so positiv ist.

    Ich hatte nun sehr viel Zeit, ging erst einmal duschen und zog mir dann meine Regenjacke und meine kurze Hose an, damit ich einmal alles andere waschen konnte. Waschmaschine und Trockner hat 2 Stunden gedauert, dann konnte ich wieder aus der Regenjacke bei der Wärme raus. Ging aber echt klar, war nicht zu warm, hatte ja nichts darunter.

    Ich legte mich in den Garten in den Schatten, etwas abseits der Anderen die laut am Pool schnatterten. Der Pool war arschkalt, aber Füße reinhalten geht natürlich immer. Ich machte mir einen Podcast an und dazu aktivierte ich mein noise cancelling auf den Kopfhörern. So lag ich eine Weile dort und vertrieb mir die Zeit bis zum Abendessen um 18 Uhr. Es gab eine Gemüsesuppe, dazu Käse und Serrano-Schinken und etwas Brot. Sehr lecker.

    Danach saß ich einfach eine Weile vor dem Hostel auf einem Stuhl auf dem Bürgersteig, hielt das Gesicht in die Sonne und grüßte vorbeigehende Menschen, die alle ein Lächeln auf dem Gesicht hatten.
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