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  • Day 44

    Seen, soweit das Auge reicht

    October 27, 2023 in Canada ⋅ ☁️ -11 °C

    Noch völlig beseelt von den Eindrücken im Jasper Nationalpark brechen wir auf nach Banff. 2,5 Millionen Menschen reisen jedes Jahr durch Jasper. Wir sind jetzt drei davon, beziehungsweise zweieinhalb. Und wir haben beide etwas Respekt vor der Fahrt. Dies wird mit dreieinhalb Stunden unsere längste Strecke auf der Reise. Und es gibt keine andere Option. Denn in der off-Season haben alle Campingplätze bis auf zwei Stück geschlossen: auf einem waren wir in Jasper, der andere erwartet uns erst hinter der Stadt Banff. Und wir wissen auch: auf der Strecke gibt es unfassbar viel zu sehen und das ein oder andere wollen wir durchaus mitnehmen. Einfach irgendwo einen Platz suchen geht auch nicht, denn die Nächte in den Rockies werden sehr sehr kalt und wir brauchen daher über Nacht Strom, damit alle Systeme versorgt werden.
    Schade, dass uns nicht mehr Zeit bleibt.

    Unser erster Stopp sind die 23 Meter hohen Athabasca Falls, die wir uns noch gemeinsam mit einer wachen Ella anschauen. Wunderschön und eindrucksvoll fallen die Wassermassen hier über den zweigeteilten Fall in die Tiefe. Es war wie immer kalt draußen (wir haben tagsüber -8, nachts -16 Grad), sodass es gut tut nach diesem kurzen Stopp wieder im Camper anzukommen. Der Kälte-Wärme-Wechsel scheint Ella nicht zum ersten Mal völlig umzuhauen, sie schläft kurze Zeit später ein.

    Wenn ihr euch übrigens fragt, was man einem Kleinkind bei solchen Temperaturen anzieht, lautet die Antwort: viel! Sie trägt einen Langarmbody, eine Strumpfhose, eine Thermohose und Thermooberteil, eine normale Hose und oben entweder einen dicken Pulli oder zwei dünnere Oberteile. Zudem schlüpft sie ganz oben noch in ihren Walkanzug und eine Mütze. Das führt natürlich dazu, dass Ella das An- und Ausziehen noch mehr hasst als sonst.

    Wir fahren jetzt wohl auf einer der schönsten Panoramastrecken auf der ganzen Welt: den Icefield Parkway, ein 232 km langer Abschnitt, der Jasper mit Lake Louise im Banff Nationalpark verbindet und über zwei der höchsten für Autofahrer zugänglichen Pässe führt: den Bow Pass (2.067 Meter) und den Sunwapta Pass (2.030 Meter).
    Er schlängelt sich durch hoch aufragende felsige Berggipfel, beeindruckende Gletscher, türkisfarbene Seen, Flüsse und weitläufige Täler. Einfach atemberaubend! Wir staunen bei jeder Kurve und sind völlig fasziniert von der Landschaft. Gleichzeitig fahren wir konzentriert, denn die Straße ist mit Schnee und etwas Eis bedeckt. Geräumt wurde zwar teilweise, aber nicht flächendeckend. Wir halten zwischendurch an und betrachten den Columbia Icefield Gletscher und die
    „Ice Explorers“, 3,86 Meter hohe Fahrzeuge, in denen Touristen den Gletscher Trail entlang fahren können.

    Wir kommen gut voran und schaffen es bis zum Peyto Lake, bevor Ella wieder aufwacht. Allein der Weg dorthin wirkt surreal: ein kleiner Weg führt bergauf durch einen Wald voller schneebedeckter Tannen - wie in einem Wintermärchen. Und der Blick auf den See übertrifft das sogar noch: der Peyto See liegt inmitten von Bergen mit türkisfarbenem Wasser von Gletschern gespeist - man kann seinen Blick fast gar nicht abwenden. Müssen wir dann aber leider schneller als erhofft, denn Ella wird nach einer Weile spielen im Schnee quengelig und will zurück. Wir fahren das letzte Stück, vorbei an dem auch schönen Bow Lake nach Banff. Geschafft! Nach einem kurzen Einkauf in der Stadt geht es dann auf den Campingplatz. Was für ein Tag! Wir hätten nicht erwartet, dass es nach Jasper noch so viel schöner werden könnte.

    Am nächsten Tag brechen wir auf nach Lake Louise, zum wohl bekanntesten See im Nationalpark. Wir nehmen dafür aber nicht den vielbefahrenen Highway, sondern den Bow Valley Parkway, eine Nebenstraße, auf der man nicht schneller als 60 km/h fahren darf und der, bei viel Glück, Tiersichtungen aller Art verspricht. Ich hab jetzt richtig Bock einen Bären in sicherer Entfernung aus dem Auto heraus über die Straße laufen zu sehen. Auch aus diesem Grund fahren wir später den gleichen Weg wieder zurück, auch wenn es länger dauert. Aber ohne Erfolg. Bis auf Rentiere halten sich alle anderen Tiere fern. Am See angekommen, begeistert uns auch dort die türkisblaue Farbe des Sees, verursacht durch feine Gesteinspartikel, die mit dem Schmelzwasser in den See gelangen. Malerisch!

    Am See liegt auch das Château Lake Louise, ein Fünf-Sterne-Hotel, dem wir kurzer Hand einen Besuch abstatten, um uns aufzuwärmen und werden überrascht. Es gibt ein paar nette Shops im Hotel, wir dürfen uns dort frei bewegen und Ella bekommt sogar kleine Boote für die Badewanne geschenkt. Und nicht nur das, sondern auch Ella selbst überrascht uns: sie will im Hotel nur noch an der Hand umherlaufen und legt dabei ein Tempo vor, das wir nur staunen können. Wo kommt das denn plötzlich her? Wir verweilen eine Weile dort und erfreuen uns an ihrem riesigen Fortschritt. Danach geht es noch eine Runde bummeln in der Stadt Banff, da der eigentliche Plan noch zum Lake Moraine zu fahren aufgrund einer gesperrten Straße nicht zustande kommt.

    Unseren letzten vollen Tag in Banff verbringen wir, wie könnte es anders sein, wieder mal an Seen. Es gibt einfach zu viele schöne hier! Zuerst machen wir einen Abstecher zu den zugefrorenen Vermilion Lakes, auf denen ein paar Sportbegeisterte bereits Eishockey spielen. Danach geht es zum Lake Minnewanka (nicht zugefroren) und Ella genießt es wieder Steine ins Wasser zu werfen.

    Nach so vielen Eindrücken werde ich emotional und bin zutiefst dankbar, dass wir drei das Glück haben, diese Reise gemeinsam zu unternehmen, so viele spannende Orte zu sehen und gemeinsam Abenteuer zu erleben. Die ersten, und da bin ich sicher, von noch so vielen.
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