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  • Day 187

    Große Vulkanbesteigung

    October 9, 2021 in Guatemala ⋅ ⛅ 22 °C

    Ich habe mich nun mental darauf vorbereitet und Kai hat's mir vorgemacht. Er war ja bereits mit Nola oben. Wir besteigen nun noch mal zusammen den 3976m hohen Vulkan Acatenango. Zwei Tage wird der Anstieg dauern und eigentlich ist alles voll gut von der Agency organisiert. Ich brauche nur noch hoch laufen, ohne irgendwas zu organisieren oder gar hoch zu schleppen (außer mehrere Liter Wasser, die ich auf dem Weg nach oben in vielen kleinen Schlücken trinken soll). Was soll ich sagen: ich bin aufgeregt! Der erste Tag wird ungefähr 6 Stunden sehr steil und stetig bergauf gehen, bis wir im sogenannten Basislager angekommen sind. In der Nacht (um 4.00 Uhr) geht es dann nochmals weiter auf den Gipfel um den Sonnenaufgang um ca. 5.30 Uhr zu sehen. So der Plan. Es geht los mit einer Einweisung von der Agency und Ausstattung mit Equipment unserer Wandergruppe. Wir sind ca. 20 Personen, die hauptsächlich aus Israel, USA und Deutschland kommen. Wir werden zum Vulkan Acatenango gekarrt und los geht's. Die ersten Schritte bergauf und ich bin bereits aus der Puste. Ohje... Ich versuche mich daran zu erinnern, was der Instructor gesagt hat: "Das wichtigste ist die Atmung. Nase ein- Mund aus." Ach nee, da ging es um das Verhindern der Höhenkrankheit. Ich gehe, und gehe und eigentlich kann ich (gefühlt) die ganze Zeit schon nicht mehr. Aber irgendwann habe ich das Gefühl, dass es keine Frage meiner physischen Kraft mehr ist- denn die ist schon lange verbraucht- sondern eher meine mentale Kraft gefordert wird. In meinem Kopf macht sich selbständig das Mantra breit: "Atmen, Fuß heben, Atmen, Fuß senken, Atmen, .... " Irgendwie so erreiche ich dann tatsächlich das Camp auf ca. 3500m Höhe. Einige aus der Gruppe sind von der Höhenkrankheit betroffen. Kai und ich sind aber zum Glück verschont geblieben. Wir haben von unserem wirklich schönen Camp aus einen Premium-Blick auf den Nachbar-Vulkan Fuego. Als dieser das erste Mal tagsüber eine riesige Geröll- und Aschewolke in die Luft schleudert, bin ich so überwältigt von dieser brachialen Urgewalt, dass ich feuchte Augen bekomme. Sicherlich spielt die Tatsache, dass ich mich selber an meine persönliche, physische Grenze gebracht habe, auch eine Rolle dabei, dass ich so emotional auf die erste Vulkaneruption in meinem Leben reagiere, aber nicht nur. Als es dann dunkel wird, sehen wir alle das erste Mal in unseren Leben wie der Vulkan Feuer speit und diese dann als Lavaflüsse den Berg hinab fliessen. Ich kann es kaum in Worte fassen was da in meinem Inneren passiert ist: vielleicht trifft es das Wort Ehrfurcht ganz gut. Ich sitze Stunden am Abhang vom Camp und beobachte die häufigen Eruptionen des Vulkan Fuego, die jedesmal mit einer Wucht mehrere hundert Meter hochgeschleuderten glühenden Gesteinsbrocken erzeugen eine Feuerfontäne und eine Aschewolke, die bei Tag den Himmel darüber verdunkelt und bei Nacht den Himmel erleuchtet. Es ist auch jedes Mal eine leichte Druckwelle zu spüren, wenn er wieder ausbricht. Zudem hört man das Gurgeln und Malmen aus den tiefen der Erde. Es ist ein einmaliges Erlebnis und ich könnte den Vulkan noch ewig bestaunen, aber es ist auch arschkalt da oben. Trotz eigentlich guter Ausrüstung, die von der Agency gestellt wurde, muss ich mich ans rauchige Feuer zurück ziehen, wenigstens ein bisschen Wärme erhaschen und dann schnell ins Zelt bzw. in den Schlafsack. Nola und ich frieren um die Wette. Kai ist tatsächlich am späten Abend noch losmaschiert um noch ein Stück näher an den Vulkan Fuego zu gelangen. Er ist schon ein wenig verrückt! Um 4.00 Uhr morgens geht's dann schon wieder los auf den 1,5 Stunden entfernten Gipfel um den Sonnenaufgang zu begrüßen. Weder Kai, noch ich schaffen es, aufzustehen. Wir sind zu fertig, zu durchgefroren, zu wenig geschlafen um diese Option ernsthaft in Betracht zu ziehen. Wir bleiben einfach liegen und schlafen noch ein bisschen, bis der Teil der Gruppe, der sich das antun will, wieder zurück im Basiscamp ist. Für mich ist es nicht schlimm, dass ich nicht ganz oben auf dem Gipfel war, um von dort den Sonnenaufgang zu sehen. Ich habe ihn vom Camp aus gesehen und das war schon spektakulär genug. Aber das wichtigste war für mich sowieso der feuerspuckende Fuego. Der Abstieg war richtig Knie-feindlich, aber das war irgendwie dann auch egal, denn dieses Naturspektakel hat alles jemals von mir gesehene übertroffen!Read more