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  • Day 237

    Strände, Schildkröten und Einheimische

    November 28, 2021 in Nicaragua ⋅ ☀️ 29 °C

    Wir sind also wieder zurück in dem entspannten San Juan del Sur, was ziemlich genau in der Mitte zwischen den zahlreichen nördlichen und südlichen Pazifikstränden liegt. Jeder dieser Strände hat seinen ganz eigenen Charakter. Von coolen Surferspots mit Partystimmung, bis hin zu menschenleeren, abgeschiedenen Buchten mit weltverlorener Stimmung, ist alles dabei. Einige eignen sich zum Baden, andere haben laut Aussagen der Surfer, beach-breaks mit Weltklasse anzubieten, wieder andere stehen unter Naturschutz, da diese Strände Nistplätze für die bedrohten Oliv-Bastardschildkröten und Lederschildkröten sind. Kai und ich suchen jeden Tag einen neuen Sandstreifen auf, ohne dass es wirklich langweilig wird. An einem Tag haben wir sogar richtig Glück und wir sehen an einem der abgelegenen, freien Strände, Baby-Meeresschildkröten aus ihren unterirdischen Eiern schlüpfen und geradezu ins Meer tapsen. Dieses Ereignis finden wir so bezaubernd, dass wir kurzerhand beschließen, hier direkt wieder wild zu campen, in der Hoffnung, solche schlüpfenden Meeresschildkröten nochmals beobachten zu können. Eigentlich wollte ich ja nicht mehr wild campen, aber die Schildkröten-Babys haben mich zu sehr verzückt. Und tatsächlich, passiert es wieder, wenn auch diesmal an einem Strand, welcher als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist und somit eine Schutzgebühr zu entrichten ist. Hier campen wir auch noch einmal, dieses Mal nicht wild, sondern direkt im Tierschutzgebiet und zwischen Rangern, die sowohl auf uns, als auch auf die Baby-Meeresschildkröten aufpassen. Diese sammeln die tagsüber geschlüpften Baby-Meeresschildkröten am Strand ein und bewahren sie bis in der Dunkelheit auf, um sie dann erst in die Freiheit zu entlassen. Grund dafür ist, dass sie dann weniger Räubern ausgesetzt sind, als am Tage. Nichtsdestotrotz liegt die Wahrscheinlichkeit, dass eine dieser Baby-Meeresschildkröten das Erwachsenenalter erreicht, bei gerade mal 1%.
    Bei so einer Baby-Meeresschildkröten-Situation lerne ich Yader kennen. Es entwickelt sich auf Anhieb eine kleine Freundschaft zwischen uns. Er lebt dort am Strand und spricht kein Wort Englisch. Funktioniert aber trotzdem irgendwie zwischen uns. Die nächsten Tage gehen wir an abgelegenen Buchten angeln, dir er mir zeigt. Kai mag nicht gerne angeln, und entdeckt lieber auf eigene Faust die wilden, unerschlossenen Strände ringsum. So verbringe ich alleine Zeit mit Yader. Er angelt auf die traditionelle Art ohne eine Angelrute und ist mit meiner Rute auch völlig überfordert. Ehrlicherweise fangen wir bis auf einen giftigen Kugelfisch und einem mittelkleinen Fisch auch zwei Tage lang nix. Es war aber trotzdem interessant für mich, eigentlich auch mehr wegen ihm und den Einblick, den ich dadurch in ein sehr abgeschiedenes, naturnahes und wahrscheinlich sehr mittelloses Leben bekommen habe, was er hier mit seiner Mutter und seinen Schwestern führt. Ich mochte ihn schon richtig gerne, aber irgendwie war die kulturelle Kluft und die entsprechenden Erwartungen an mich dann nach einigen Tagen doch etwas zu überfordernd für mich, so dass ich ihm dann nicht noch mehr (finanzielle) Zuwendungen schenken wollte. Irgendwann macht sich in so einem sozialen Kontakt die große Differenz zwischen seiner offensichtlichen Armut und meinem deutschen Reichtum immer bemerkbar und es wird zunehmend eine Gratwanderung, von dem wieviel Geld man bereit ist zu schenken, ohne dass man sich ausgenutzt vorkommt und trotzdem auch seine von ressourcenarmut geplagte Lebenslage anerkennt. Wieviel ist fair abzugeben? Wie fühle ich mich damit, wenn er mich nach Geld fragt? Ist es gerecht, dass er mich danach fragt? Welche weiteren Hoffnungen/ Erwartungen erzeuge ich? Was will ich von dieser Freundschaft? Ich kann euch sagen.... es ist schwierig eine Klarheit in diese Fragen zu bekommen. Und trotzdem würde ich sagen, dass wir uns angefreundet haben, da es trotz der Aufführungen eben nicht nur um Geld ging. Das würde er sicherlich auch so sehen.
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