Satellite
Show on map
  • Day 246

    Der lange Weg zum Karibiktraum

    December 7, 2021, Caribbean Sea ⋅ ☀️ 28 °C

    Ich hole also Kai von der Insel Ometepe alias Utopia ab. Wir wollen an die Karibikküste bzw. auf eine winzige vorgelagerte Inselgruppe im karibischen Meer, die nicht nur bei Backpackern und Auswanderern als Geheimtipp des Karibiktraums gehandelt wird. Die Anreise dorthin wird insgesamt 3 mühsame Tage dauern, aber auf jeden Fall soll es sich voll lohnen. Also geht's los:
    Tag 1: Wir sitzen 6 Stunden im Auto. Fürchterliche Straßen, unausgelasteter, frisch operierter Hund auf dem Rücksitz, und ein von sich selbst genervter und mittelloser Kai (weil Kreditkarte wieder weg) auf dem Beifahrersitz, und ich, als nicht orientierte Fahrerin, ohne Google Maps, da kein Empfang, fahre erstmal 100 km in die falsche Richtung, um dann festzustellen, dass es dort wohl doch keine Brücke über den Fluss gibt. Also wieder 100 km zurück auf der Fels-Lehm-Straße. Trümmertours ist wieder on the road.... Langsam wird es Dunkel. Es gibt keine Unterkunft weit und breit. Es gibt in dieser Gegend sowieso kaum Infrastruktur, aber wenigstens ein Restaurant, wo wir was zu Essen bekommen. Die Wirtin weiß auch nicht, wo es ein Hotel gibt, aber netterweise dürfen wir auf ihrem eingezäunten Grundstück campen. Puh! Erster Tag rum.
    Tag 2: Wir sitzen 5 Stunden im Auto und erreichen am Nachmittag die vollkommen verarmte Hafenstadt Bluefields. Von hier aus wird am nächsten Tag die Fähre zu unserem karibischen Traumziel Corn Island gehen. Trotz Karibikküste ist davon hier nämlich noch nichts Schönes zu erblicken. Bluefields ist ein ethnischer Schmelztiegel, hauptsächlich von ehemals entflohenen afrikanischen Sklaven bewohnt. Sie sprechen die indigene Sprache Miskito und ein sehr eigensinniges kreolisches Englisch, was nur bei ganz genauem Hinhören als Englisch zu entziffern ist. Ich muss immer mindestens 2-3 mal nachfragen, ehe ich den Inhalt verstehe und eigentlich kann ich Englisch. Die schmuddelige Stadt ist von festgetretenen Pfaden aus roter Erde und breiten Ziegelstraßen voller Musik durchzogen, in denen es von Menschen wimmelt, die einem breit zulächeln und einem Kokain verkaufen wollen– oder verstohlene Seitenblicke zuwerfen. Beides ist suspekt genug, so dass man alleine hier sicherlich nicht spazieren gehen will. Die abgewrackten Hütten sind von rostigen Blechzäunen, bellenden Hunden und von Kokospalmen und Mangobäumen umgeben. Ohne Frage, Bluefields hat unübersehbare Probleme (Armut, Verfall, Kriminalität etc.) und seine heruntergekommene Infrastruktur kann mit der im restlichen Land nicht mithalten. Wir suchen einen geeigneten Parkplatz, wo wir unser Auto für einen Zeitraum X diebstahlsicher unterstellen können und werden beim Roten Kreuz und seinem mit Strom und Stacheldraht umzäunten Gelände fündig. Sie rufen Wucherpreise auf, aber in Abwägung der Lage, ist das die einzige sinnvolle Option. Vielleicht muss man Bluefields einfach wie einen etwas dubiosen neuen Freund betrachten, der irgendwie auch interessant ist… und leckerer Fisch und Meeresfrüchte, preiswerte historische Unterkünfte und indigene Gemeinden in nächster Nähe haben doch durchaus ihren Reiz, oder? Bin trotzdem froh, dass es sozusagen bei einem one-night-stand bleibt. Wohlauf können wir am nächsten Morgen aufs Schiff steigen.
    Tag 3: Die Überfahrt mit der in die Jahre gekommenen und nicht gerade sicher wirkenden Schiffsfähre, dauert insgesamt 6 übel schaukelnde Stunden. Es ist gerade Sturmsaison und die Wellen 3 Meter hoch. Ich lasse mir, zusammen mit vielen weiteren Passagieren die Schiffsfahrt, an der Reling noch mal gründlich durch den Kopf gehen. Die gegen Reisekrankheit eingenommene Tablette hilft eben nur die ersten 4 Stunden. Da ist es fast tröstlich, dass ich einen festen Platz an der Reling habe und nicht, wie manch anderer Passagier, einfach auf das Bootsdeck vor mir göbel. Corn Island muss wirklich verdammt schön sein, wenn man diese Strapazen auf sich nimmt, denke ich mir, bevor ich doch noch flach auf dem Bootsdeck ausgestreckt und völlig ausgelaugt, ein bisschen rettenden Schlaf bekomme. Zu guter Letzt, müssen wir auf Big Corn Island, noch einmal auf ein sehr kleines und völlig überfülltes Motorboot, um auf unser heiß begehrtes Little Corn Island zu kommen. Genauso stelle ich mir eine Fahrt auf einem Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer bei schlechtem Wetter vor. Teilweise überrollen uns die hohen Wellen auf dem kleinen Boot richtig. Das man patschnass wird, ist wirklich das geringste Problem dabei. Ende gut, alles gut! Wir sind auf unserem winzigen Stück Karibikparadies angekommen und der erste Eindruck hält was versprochen wurde. Eine Karibiktrauminsel wie aus dem Bilderbuch!
    Read more