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  • Day 171

    Inselhopping: Samos

    February 14 in Greece ⋅ ☀️ 16 °C

    Samos hatten wir eigentlich nicht als Ziel vorgesehen. Von Kalymnos sollte es über Samos nach Ikaria gehen. Wir wussten, dass weniger (Inseln) mehr (intensivere Eindrücke) wäre. Doch oberste Reiseregel ist: immer schön flexibel bleiben. Unsere Abreise aus Kalymnos war für 6 Uhr morgens geplant. Wir also Wecker auf 4:55 gestellt, gefreut, dass das Gewitter gerade eine Pause eingelegt hat, schnell in Klamotten geschlüpft. Als wir zur Tür raus wollen, bekommt Denise eine SMS der Fährgesellschaft: Abfahrt auf Grund des Wetters erst um 13.30h nach Samos.

    Um 5 Uhr war schon klar, dass wir dadurch die Fähre am gleichen Tag nach Ikaria nicht bekommen würden...also erst mal wieder hingelegt, dann alles wieder neu durchdacht. So sind wir zwei Nächte auf Samos gelandet, da die Schiffe hier nicht täglich fahren im Winter.

    Wir kommen im netten Hafenort Pythagorio an und radeln entlang der Ostküste in die Hauptstadt mit dem kreativen Namen Samos. Es sind nicht viele Kilometer, aber es gibt einiges zu entdecken: schöne Strände, ein Naturschutzgebiet mit Flamingos und gut getarnten Chamäleons, wilde Orchideen wie daheim im Bliesgau - und viel Militär.

    Das hat seinen Grund, denn die Türkei ist hier zum Schwimmen nah. An der engsten Stelle der Meerenge von Mykale sind es nur 1,7 Kilometer. Sowohl die griechische als auch die türkische Küstenwache patrouilliert in den Gewässern. Als wir im Hafen ein Boot der EU Agentur Frontex sehen, realisieren wir DAS ist die gut bewachte EU Außengrenze.

    Wir campen an einem Strand und in einer unruhigen, weil auch stürmischen Nacht, gehen mir Gedanken durch den Kopf: Hat hier schon mal ein Boot voll mit Geflüchteten an diesem Strand angelegt? Wie gefährlich ist die Überfahrt in einem Schlauchboot? In Samos Stadt sind sehr viele Flüchtlinge unterwegs: Kinder toben auf dem Spielplatz, die Erwachsenen schleppen die Einkäufe in Plastiktüten zur Haltestelle. Von hier werden sie mit Bussen zum vollen Camp (über 3000 Einwohner, obwohl nur für 2000 ausgelegt) in den Bergen, fern von Ortschaften und ohne fließendes Wasser gebracht - so wird es uns erzählt.

    Wasser erhielten sie in Plastikbehältern - täglich eine gewisse Menge, so ein Helfer von Samos Volunteers, der in seiner Rente jedes Jahr mit seiner Frau ein halbes Jahr aus den USA herreist, um zu helfen. 80% der Bewohner:innen dürfen das Camp verlassen, während der Rest unter haftähnlichen Bedingungen lebt. Die Erzählungen sind bedrückend - jede der Fluchtgeschichten hätte ein eigenes Buch verdient, sagt der Freiwillige. Er kenne mittlerweile viele der Geschichten, da er seit 2019 jährlich hier sei. Als wir dann noch erfahren, dass die Menschen pro Person und Monat 90 Euro erhalten, davon ihre Lebensmittel kaufen müssen, wird mir noch klarer: die Not muss sehr groß sein, wenn man eine gefährliche und ungewisse Flucht über das Mittelmeer auf sich nimmt, um sein Land, seine Arbeit (sofern es welche gibt), Freunde, Familie und seinen Kulturkreis zu verlassen.
    Dass die griechische Küstenwache auch Push-Backs (d.h. die Boote werden zur türkischen Küste zurückgebracht) durchführt, bei denen Menschen ums Leben kommen, hören wir auch...obwohl sie verpflichtet sind, schiffbrüchige Menschen zu retten. Verifizieren können wir das natürlich nicht...

    Auch mit einem Kapitän von Frontex reden wir, da er am Nachbartisch sitzt und uns auf die bepacken Räder anspricht. Sie unterstützen die Griechen und patrouillieren. Push-Backs von Seiten Frontex werden verneint - es könnte sein, dass die griechische Küstenwache welche durchführe.

    Da sind wir also an der EU Außengrenze...und könnten ganz einfach per Fähre hinüber in die Türkei...

    Gut, dass das Schiff von Kalymnos Verspätung hatte, sonst wären uns einige interessante Begegnungen entgangen.
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