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  • Tag 15

    Vuelta Huemul - Trekking delight, Teil 1

    18. Oktober 2018 in Argentinien ⋅ ☀️ 5 °C

    Puh - wir sind zurück! Zum Glück! Huemul-Trek erfolgreich beendet, dass es so „zach“ werden würde, hatten wir allerdings nicht erwartet...

    Für die Schnell-Leser die Zusammenfassung: El Chaltén - Camp Laguna Toro - Paso del Viento - Refugio Paso del Viento - Paso Huemul - Camp Vetrebra (selbst erfundener Name im freien Feld) - El Chaltén.
    Viel viel Schnee, lange Gehzeiten, gefrorene Zelte, kalte Füsse, im Schnee verschollene Wege, steile Aufstiege im Trittschnee, atemberaubende Ausblicke, Zelten vor Eisbergen, Sonnenbrand, Blasen an den Füßen. :)

    Und nun die ausführliche Version (und mein „Tagebuch“, zum Verarbeiten dieses einzigartigen Erlebnisses):
    Nach drei Tagen des Wartens auf besseres Wetter hatten wir schließlich die Schnauze voll, und (obwohl wir wussten, dass es vielleicht besser wäre, noch einen Tag zu warten) starteten am Dienstag durch - Alice, eine Engländerin, hatte sich uns angeschlossen (aufgrund der Abgeschiedenheit und des Anspruchs der Tour ist allein trekken hier absolut nicht empfehlenswert). Über Nacht hatte es einige cm geschneit. Toll.... hoffentlich würde sich das Wetter bald bessern und der Schnee schnell schmelzen, der steile Aufstieg zum Paso del Viento könnte ansonsten wohl unangenehm und rutschig sein....
    Nach Start in trotz trübem Wetter und leichtem Schneefall bester Laune fanden wir uns schon bald durch knietiefen Schnee watend im tiefsten Wald wieder. Wegmarker? Naja, bloß nicht übertreiben damit, das würde ja dem Abenteuercharakter schaden... etwa alle halbe Stunde bis Stunde fanden wir eine kleine gelbe Markierung irgendwo an einem Baum, Pfahl oder Ast, wir waren allerdings überrascht ob unseres guten Riechers für die richtige Richtung.
    Nach etwa 7 Stunden Stapfen durch Schnee, Sumpfgebiete und überqueren kleinerer Flüsse erreichten wir unser erstes Camp - im Schneefall! Gottseidank gabs einen winzigen Unterschlupf, eine kleine, ziemlich dreckige Holzhütte die gerade mal genug Platz für uns drei und unseren Gaskocher bot schützte uns vor Wind und Wetter, und nach Genuss unserer ersten Mahlzeit zogen wir uns schon ziemlich früh zurück ins Zelt, wo die Daunenschlafsäcke mit Wärme und Komfort lockten - um das Sauwetter auszustehen, mit der Hoffnung auf Besserung bis zum nächsten Morgen.
    Besserung? Ähhhh... Als wir aufstanden, fielen (immer noch) dicke weiße Flocken vom Himmel, Bergspitzen waren weitum keine zu erkennen, alles grau in grau im Nebel gefangen.
    Nach längerer Diskussion, ob wir bei diesen Verhältnissen eine Chance hatten, über den Pass zu kommen, entschieden wir uns nach reichlichem Frühstück und reiflicher Überlegung, doch einen Versuch zu starten. Alles lief, trotz der kalten Temperaturen, recht smooth: die erste „Tirolesa“ (Seilrutsche zur Flussüberquerung) meisterten wir überraschend schnell, auch der weitere Weg über steiniges Geröll und die Gletscherquerung waren trotz spärlicher Markierung kein größeres Problem. Der Paso del Viento („Windpass“, Nomen est Omen) liegt auf 1415m), je höher wir aufstiegen, desto mehr Schnee bedeckte allerdings den Weg und irgendwann war letzterer äußerst schlecht auszumachen, abgesehen von der etwas rutschigen Unterlage, welche ein unangenehmes Trittfeld bot. Wir entschieden, dass die Rutschgefahr höher als die Lawinengefahr war, und hielten uns an eine Steilflanke, in der wir senkrecht im Trittschnee aufstiegen (Franz meist als Spurmacher voraus). Für mich hieß das: bloß nicht zu viel nach unten schauen, Angst war hier fehl am Platz. Im Gänsemarsch arbeiteten wir uns hoch, wegen brennender Waden schon bald in „Wechselführung“, der Schnee war zum Glück fest und es war größtenteils windstill, der leichte Schneefall beeindruckte uns wenig (allerdings brannte in meinem Kopf in einer Tour der Gedanke: wie kommen wir bloß auf der anderen Seite wieder runter??) Nach etwa 6 Stunden beschwerlichen Aufstiegs erreichten wir mit brennenden Waden schließlich den Pass und erhaschten zum ersten Mal den Blick auf das Südpatagonische Eisfeld - den eigentlichen Hintergrund für all die Mühen, die wir in Kauf nahmen. (Es ist nämlich absolut nicht leicht, eine Aussicht dorthin zu bekommen, ein Weg ist beschwerlicher als der andere, unserer war noch der einfachste). Der Blick, der sich uns bot, war trotz Teilbewölkung einfach: WOW! Endlose Weiten ewiges Eis!!
    Der Abstieg gestaltete sich dank der Schneemengen als deutlich einfacher als gedacht: hinunterlaufen im Tiefschnee, ging fast von allein (mein Herz blutete, weil ich keine Schi dabei hatte - die Hänge wären traumhaft gewesen!).
    Unten begann von neuem die mühsame Wegfindung, die Richtung wussten wir nur ungefähr, die Karte, die wir mit hatten, war in einem ungeeigneten Maßstab für Details (besseres gibts leider nicht), und im Tiefschnee im unwegsamen Gelände konnte man nie wissen, ob man beim nächsten Schritt 10cm tiefer auf einen Stein treten würde, oder 50cm tiefer ins Loch dahinter. Dementsprechend mühselig gings voran, aber nach einer gefühlten Ewigkeit erblickten wir endlich unser Tagesziel: das kleine Refugio Paso del Viento. Mehr einer Biwakschachtel als einer Hütte entsprechend bot dieses Refugio nicht mehr als einen Schutz vor Wind, einen Kochplatz und einen wackeligen Tisch mit Bank - für uns war es wie ein Hotel :). Direkt vor der Hütte verlief der Bach, weshalb es keine große Müh war, Wasser zu holen (schönerweise ist jeder Bach hier von Trinkwasserqualität, auf die Reinhaltung wird seitens der Parkranger auch sehr geachtet). Nach ausgiebigem Essen und Teetrinken stellten wir (auf Empfehlung der Parkranger) unsere zwei Zelte IN der Hütte auf, das es auf dem Boden ohne Zelt doch deutlich zu kalt gewesen wäre. (Und draußen logisch noch kälter)).
    Eine eisige Nacht stand uns bevor, und am nächsten Morgen war es mäßig angenehm, in unsere (in der Hüte) gefrorenen Schuhe zu schlüpfen und uns wieder auf den Weg durch den Schnee zu begeben.
    Doch natürlich wollten wir weiter - also überwanden wir den inneren Schweinehund und starteten mit wenig Moral in die neuerliche mühsame Stackserei durch den tiefen Schnee, stets auf der Suche nach irgendwelchen Markierungen, vor und zurücklaufend im Labyrinth aus schneebedeckten Steinen. Es schien erst kein Ende nehmen zu wollen, doch plötzlich bemerkten wir, dass der Schnee weniger wurde, der Weg wurde wieder erkenntlicher und wir freuten uns wie ein Kind zu Weihnachten, als wir endlich wieder „auf Kurs“ waren. Und dann, irgendwann sahen wir es: Ein Loch in der Wolkendecke, ein Stück blauer Himmel - und schließlich auch Sonne!! Wie das die Stimmung hebt! Zudem waren wir wieder im schneefreien Gelände und konnten den Weg zum nächsten Pass, Paso Huemul, nun richtig genießen! Der Anstieg war begleitet von traumhaften Aussichten auf das sich nun immer mehr zu Erkennen gebende Eisfeld, erst flach, dann immer steiler werdend bis wir schließlich von oben richtig gute Ausblicke weit nach hinten auf die chilenische Seite mit hohen Bergen mitten im Gletschermeer erhaschen konnten! Nochmal WOW, wir konnten uns kaum satt sehen!
    Die Müh der Vortage war fast vergessen, und beschwingt machten wir uns, mit den Schuhen auf dem Schnee rutschend, auf den Weg hinab. Der Weg war in der Tourenbeschreibung als „extrem steil und mühsam“ beschrieben - wir dachten uns noch: naja, so schlimm war das doch gar nicht! - Bis wir uns plötzlich mitten im Gestrüpp vor einem steilen Abhang wiederfanden. Was vorher noch wie ein kleiner Pfad gewirkt hatte, war plötzlich nicht mehr da, dafür vor uns eine Klippe (wie weit genau es hinunterging, kann ich nicht sagen, ich habe aus Angstgründen ab da nur noch nach oben geschaut :)
    Was folgte, war eine einstündige Aktion, wieder auf den Weg zurückzufinden, steil durch hüfttiefen Schnee zwischen Bäumen nach oben - und zum ersten Mal bemerkte ich auch etwas Angst in der sonst stets positiven Alice. Mit ihren 1.50m konnte sie Franz‘s Spuren kaum folgen, die Tritte waren weitaus zu lang für sie, die Schneebrücken zwischen jeder Spur zu hoch, um überhaupt die Beine darüberzukriegen. In meinem Kopf hörte ich nur „einfach gehen“ in der Endlosschleife, und irgendwann sah ich Franz vorne abrupt stoppen. Ich dachte noch: Oh nein, wir müssen schon wieder den Kurs ändern und zurück! - Da rief er: „Endlich!!! Der Weg!“ Was für eine Erleichterung!!!
    Schneefrei konnten wir nun die 700m hinunter (über knapp über 1km Länge) ohne größere Probleme bewältigen - ein bisschen von-Baum-zu-Baum-hangeln und Stockeinsatz war nötig.. aber das war ja vorbekannt!
    Unten angekommen boten sich uns traumhafte Ausblicke auf den Gletscherabbruch des Viedma-Gletschers in den Lago Viedma, mit zahlreichen Eisbergen in Bucht! Nochmal- WOW! Außerdem war es wieder richtig warm, und wir freuten uns, unser Camp heute ohne Schnee und Regen noch im Sonnenschein aufschlagen zu können!
    Wir fanden den besten Zeltplatz - windstill, auf der Wiese vor einem kleinen Hügel, von dem aus wir am nächsten Morgen einen traumhaften Sonnenaufgang beobachten konnten! Franz fand einige Tierknochen von einem verendetem Rindvieh unweit unseres Lagerplatzes, darunter einige Wirbelknochen - der Camp-Platz wurde „Camp Vertebra“ getauft :)
    Die erste Nacht ohne frieren (wenngleich die Schuhe am nächsten Morgen trotzdem wieder eingefroren waren) - und der erste traumhaft schöne Sonnenaufgang in einer spektakulären Lage!
    Der letzte Tag war in fast sommerlichem Wetter zu bewältigen - insgesamt 23km in der prallen Sonne bescherten uns trotz regelmäßigem Nachschmieren mit 50+ LSF-Sonnencreme Waschbär-ähnliche Gesichtszeichnungen in grellem pink. Ups. Der Weg war angenehm, kein Schnee, relativ gut markiert und ausgetreten, mit leichtem Auf und Ab - doch lang wars trotzdem. Wir wanderten ewig die Küste entlang, überwanden nochmals einen Fluss mit Seilrutsche, durchquerten Kuhweiden (und fanden nicht nur ein vollständiges Kuhskelett, gut abgefressen von den über uns kreisenden Geiern) und schafften es schließlich mit wolkenlosen letzten Ausblicken auf Cerro Torre und Fitz Roy noch vor Sperrstunde zurück ins Rangerbüro am Parkeingang, um unsere Registrierungskärtchen wieder abzugeben. (Bei Treks in abgeschiedene Gebiete muss man sich vorher jeweils mit voraussichtlicher Abwesenheitsdauer registrieren - damit ein Nicht-Zurückkommen auffällt)
    Noch ein letztes Foto in traumhafter Kulisse und dann mit schweren Füßen ab ins Hostel: die Dusche war traumhaft!! Ebenso das Steak, das nachher folgte....

    Fazit: ein im Nachhinein wirklich supertolles Erlebnis, obwohl Wintertrekking sicher nicht zu meinen Favoriten zählt! Leidensfähigkeit und Ausdauer brauchts - aber man wird mit atemberaubenden Ausblicken und einmaligen Momenten belohnt, und 4 Tage fernab jeder Zivilisation zu sein, keinen anderen Menschen zu treffen, das ist schon auch eine irgendwie sehr coole Sache!
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