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  • Day 29

    Ancud und so

    November 1, 2018 in Chile ⋅ ☁️ 12 °C

    So, mit flauem Magen gehts weiter in unserer Luxuskarre: etwas mehr aufgepackt mit unseren drei riesigen Rucksäcken und allerlei Kleinkram schlängeln wir uns die Straßen rauf von Castro entlang der Küste bis nach Ancud.
    Am Weg geben wir uns allerlei Touristenattraktionen hin (wo wir entweder umgeben von chilenischen Seniorengruppen oder einzelnen anderen verwegenen Off-Season-Reisenden oder Familien, ebenfalls häufig chilenischen Ursprungs, sind.) Warum so viele Chilenos? Achja, wie bei uns ist der 1. November der „Dia de los muertes“, der Tag der Toten, ein Feiertag und das Wochenende mit dem Zwickeltag perfekt für verlängerte Wochenendtrips! Und genau wie bei uns finden sich auch hier die Leute an den letztem Ruhestätten ihrer Liebsten ein, schmücken die Gräber mit bunten (Plastik-)Blumen oder sitzen am Straßenrand bei den Gedächtnismälern an Unfallstätten.

    Kleine Nebenbemerkung: Später auf der Reise erfahre ich, dass man hier in Chile glaubt, die Seele der Verstorbenen leben an dem Ort weiter, wo der Körper begraben ist, weshalb man häufig persönliche Gegenstände oder gelegentlich auch Essen (wie Geburtstagstorte zum Geburtstag) an Gräbern sehen kann. An diesem Ort kann man auch mit den Verstorbenen kommunizieren und die Beziehung quasi weiterführen. Unschuldig verstorbene, wie etwa Kinder, die in einem Unfall ums Leben kamen, bekommen einen Platz besonders nah bei Gott, was von Vorteil sein kann, wenn man letzteren um einen Gefallen bitten möchte. Diese Verstorbenen kann man also als „Abkürzung“ direkt zu Gott sehen, erfüllen sich die Wünsche, ist es selbstverständlich, seine Dankbarkeit zu zeigen - mit Plüschtieren, Blumen, oder auch einer kleinen Messingplackette, die mit Datum und Namen am Grab angebracht wird. Die sehr gefälligen unschuldig Verstorbenen, die wohl besonders gut darin sind, die Bitten an Gott weiterzureichen (und die nach ihrem Tod offensichtlich schon vielen Menschen geholfen haben), werden fast als kleine „Heilige“ verehrt, und ihre Gräber kann man an Friedhöfen meist leicht am üppigen Schmuck erkennen.

    Der starke christliche Glaube auf Chiloé, wo eine Kirche sich an die nächste reiht, großteils gut erhalten oder schön restauriert in strahlend bunten Farben, bietet einen lustigen Gegensatz zum ursprünglichen Glauben an ganz und gar schauerliche Kreaturen, Hexen und Gnome, den Gott des Wassers und den der Erde, jeweils in Schlangenform... Die Kreaturen, die den Grundstock dieser Mythologie bilden finden sich an unterschiedlichen Orten der Insel wieder, häufig als Statuen, manchmal auch in Form verkleideter Menschen (mit denen man natürlich Fotos machen kann). In den Fotos sieht man einige davon.

    Wir schauen uns also mehr Wasserfälle, Kirchen und Friedhöfe an und schaffen es schliesslich am Abend bis nach Ancud, der Ort von dem aus man in kurzer Zeit die Pinguinbucht erreichen kann. Jaaa, Pinguine - ich warte schon seit Wochen drauf!
    Aber zuerst noch ein kleiner Exkurs zu unserer Hostelsuche in Ancud: Aufgrund des erwähnten Feiertagswochenendes in Kombination mit vorsaisonal reduzierter Verfügbarkeit an Unterkünften generell, scheint es erst schwierig, ein günstiges Zimmer ohne Vorreservierung zu erwischen. Im Hostel, das wir ansteuern, sind sie zwar voll belegt, aber hilfsbereit und verweisen uns freundlich weiter zum Hostal Austral, bloß die Straße runter.
    Was dann folgt, wird uns noch lange in Erinnerung bleiben.

    Eine ältere Lady, Señora Dita, empfängt uns und erklärt uns ausfüüüüüüüüüüüüüüührlichst alles was wir wissen müssen. Und noch mehr. Nett ist, dass sie für uns sehr langsam Spanisch spricht, um sicher zu gehen, dass wir auch alles verstehen - anstrengend, dass wir eine Stunde und fünfzehn Minuten später immer noch mit ihr am Tisch in einem kalten Raum sitzen und sie totlabert, was wir nach fünf Minuten eigentlich auch schon gewusst hätten. Señora meint es gut mit uns und versucht uns unzählige Tipps für tolle Ausflugsziele mit „TRAUMHAFTER“ Aussicht und günstige Restaurants zu geben- die Informationen sind hilfreich, aber einfach etwas zu viel im Ganzen, und es fühlt sich mit ihr ein bisschen wie mit einer überprotektiven Oma an, die etwas kompliziert erklärt, gern alles bis ins kleinste Detail kontrolliert und etwas zu viel verbietet. Im Zimmer sind die Hausregeln aufgehängt, doch sie versäumt es nicht, noch dreimal zu wiederholen, dass die Lichter, wenn nicht benützt, ausgeschaltet werden müssen, dass die Rucksäcke nicht aufs Bett gelegt werden dürfen, dass das Frühstück zwischen 8 und 10 ist und und und. „Achja, aber morgen ist Feiertag (2.11.) - also Frühstück erst um 10! Weil davor der Bäcker nicht auf hat.“ Für uns kein Problem, aber als wir um fünf nach 10 noch nicht unten sitzen, klopft es auch schon an unserer Zimmertüre.... Ehrlich????
    So geht das zwei Tage dahin, das Zimmer ist sehr sauber aber saukalt, jedoch sehr günstig und immer noch besser, als draußen im Regen zu campen. Wir versuchten Señora Dita mit ihrer überschwänglichen Fürsorglichkeit zu meiden, so viel es möglich ist - also verlassen wir am nächsten Tag das Haus und treiben uns rum, bis es späte Schlafenszeit ist. Als wir zurückkehren, fühlen wir uns fast schon wie Teenager, die zu spät nach Hause gekommen sind - denn an unserer Tür hängt ein Post-it: „Breakfast tomorrow at 09.30!“ Äh... ja. Okay, wir wären ja sowieso da.
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