Satellite
Show on map
  • Day 32

    Santiago

    November 4, 2018 in Chile ⋅ ☀️ 19 °C

    SANTIAGO- nach einer langen Übernachtungsbusfahrt trifft uns die Wärme beim Aussteigen wie eine Mauer. Hitze kann man noch nicht wirklich sagen, schließlich ists erst 8 am Morgen... aber die Temperaturen steigen, und die Sonnencreme wird gleich als erstes nach oben gepackt.

    Es folgt eine etwas umständliche Suche nach einer Gepäckverstauungsmöglichkeit bis wir um 2 in unser AirBnB-Apartment ziehen können, diese nach Möglichkeit zentral, sodass wir den weiten Weg zum Busbahnhof bei all dem Verkehr nicht zweimal machen müssen. Ein nettes Hostel erbarmt sich unserer Rucksäcke, und kurz darauf sind wir schon in der ersten Stadtführung - mal wieder eine Walking Tour für Trinkgeld, diesmal rund um die Highlights in Santiago wie La Moneda, der Präsidentenpalast, verschiedene Viertel und ihre Eigenheiten, wir lernen, dass das Bussystem seit der Verstaatlichung und fairen Bezahlung der Busfahrer um einiges sicherer und angenehmer geworden ist (davor sind alle fürs Einkassieren der meisten Passagiere gefahren wie die Irren, haben nach Belieben Haltestellen ausgelassen und Leute stehen gelassen- und Busfahrer zählten zu den meistgehassten Menschen der Stadt). Wir lernten über die chilenische Küche, und dass es ca. 2 richtige vegetarische Gerichte gibt (und sonst hauptsächlich Fleisch und Fisch), erfuhren, wer die Lady auf der 5000 Peso-Note ist und warum die Münzen mit einem winzigen „S“ geprägt sind. Santiago wurde uns als eine Stadt der Gegensätze gezeigt, einerseits sehr modern, „westlich“, sauber und die Leute wohlhabend- und kaum wechselt man zu weit nach „Plaza Italia down“ wird es dreckiger, die Leute haben mehr Mühe, ihre Miete zu bezahlen. Santiago hat über 50 Stadtbezirke und jeder hat seinen eigenen Bürgermeister seine eigenen Gesetze oder Statuten. Die grausame Diktatur unter Pinochet hat die Stadt sowie das ganze Land geprägt, Ausländer gab es wenige die es hierher zog, und erst den 2000er-Jahren ist die Migrationsrate auf fast 5% angestiegen.

    Wir haben drei Tage hier, und machen das Beste daraus:
    Den ersten Tag nützen wir nach der Tour erstmal, um uns einzurichten. Unser Apartment ist eine Maisonettewohnung mit gut ausgestatteter Küche, es gibt Waschmaschinen im selben Block, die man für eine relativ geringe Gebühr nutzen kann, und man kanns kaum glauben, aber wir freuen uns echt, mal wieder den „Haushalt selbst zu schmeißen“!
    Als erstes wird gekocht, dann genießen wir den Abend noch bei einem kleinen Stadtspaziergang. Im Dunkeln in der Gegend des Mercade Central herrscht reges Treiben, hier werden Schuhe und Kleider verkauft, nebenan spielen ein paar Halsabschneider ihre „Kugel unter einem der drei Becher - Trick´s“, während des Beobachtens kann man sich mit einer kühlen Cola aus der Kühlbox eines Verkäufers erfrischen. Hungrige Mäuler werden mit frittiertem Hähnchen und Pommes oder gegrillten Fleischspießen vom Grill im EInkaufswagen gefüllt. Das erste Mal auf meiner Reise erlebe ich dieses Treiben, das ich mir schon so viel früher erwartet hätte!
    Wir verzichten und lassen uns in einem hippen Restaurant (ja, auch hier ist hip voll in) nieder, um vermeintlich vegetarische Quesadillas zu bestellen. Es folgt der erste epic Vegi-Fail. Franz bestellt Quesadillas mit karamellisierten Zwiebeln und glasierten Tomaten - und sie kommen mit Fleisch! .. Welches blöderweise in der Überschrift stand, nur hatte er nicht daran gedacht, die Überschrift zu übersetzen, und „Mechada“ war uns nicht geläufig als eine Art von Fleisch.. ups. Also gibts Fleisch für mich - und mal wieder Pommes für Franz.
    Santiago ist im übrigen ganz schön teuer, das Bier kostet meist 4-5€ (wenn man nicht grad in der Happy Hour trinkt), und mit einem Durchscnittseinkommen von 500€ kann man sich vorstellen, dass auswärts essen gehen hier nicht unbedingt gang und gebe ist.
    Hier konzentriert man sich mehr aufs Mittagessen, dort wird gevöllert und es ist im Allgemeinen viel günstiger als abends. Und dann gibt es noch das Once, eine Art Jause.

    An Tag zwei (nach einmal Ausschlafen in unserem cozy Boxspringbett) waschen wir Wäsche. So selbst, mit selber einladen und ausräumen und aufhängen und so. Die kleinen Freuden des Lebens. Und wie sauber wir uns wieder fühlen!
    Nach Highlight des Tages bietet eine Weinverkostung in Cousiño Macul, einem Weingut in der Stadt. (Zugegeben, die Stadt ist auch sehr groß und man fährt eine Weile dorthin). Dort - volle Gönnung - leisten wir uns die Premium-Weintour und genießen nach einer wenig spannenden Führung durch die alten Weinkeller, die heute nicht mehr benutzt werden, eine Verkostung von sechs Weinen inclusive passendem Käse und ausgiebiger Erklärung von unserer Sommelière. Richtig gut! Und als Geschenk bekommen wir sogar noch je eine Flasche Sauvignon gris mit einem Glas dazu! Perfekt für einen stilvollen Sundowner auf dem Cerro San Cristobal, dem Aussichtsberg (-... äähh Hügel) den wir gleich im Anschluss beschwingt erklimmen.
    Der Heimweg führt uns durch Barrio Bellavista, ein Viertel voll mit Cafés, Bars und Restaurants - und weil Montag ist und montags den ganzen Abend Happy Hour herrscht, kehren wir noch auf einen Terremoto ein. Terremoto - übersetzt Erdbeben, ist ein typischer Drink für Santiago, eine Stadt die regelmäßig von mehr oder minder starken Erdbeben geschüttelt wird. Bestehen tut er aus Wein, einer Kugel Eis (meist Ananas oder Rahmapfel) und viel Alkohol (vergleichbar wohl mit Long Island Eistee, nur süßer). Hat man einen ganzen getrunken, kann man meist das Erdbeben schon spüren...

    Rahmapfel (englisch Custard Apple) ist eine ca 10-15 cm große, birnenförmige Frucht mit grüner dünner Schale, vielen großen schwarzen Kernen und weichem, fast geleeartigem Fruchtfleisch das nach einer Mischung aus Ananas, Birne und Lychee (oder so ähnlich) schmeckt. Für alle, dies noch nie probiert haben - super süß und supergut!

    Nach unserem kleinen „Erdbeben“ können wir uns grad so noch ins Bett retten :)
    An Tag drei schleppe ich Franz mal wieder zu einer Tour: Santiago Offbeat. Die Tour, die eben grade nicht die 0815 Sachen besucht. Mit unserem sehr engagierten, super informierten Guide Camillo schlendern wir durch die Märkte, von Fisch- büber Blumen bis Gemüse, er erklärt uns, wo und vor allem wie man in Santiago am Markt einkauft (man feilscht nicht, dafür gibts ein ungeschriebenes Gesetz der Loyalität zu seinem eigenen persönlichen Obst- oder Gemüseverkäufer, der einem dafür wiederum die besten Preise macht), wir kosten Sopaipillas (frittierte Mais-Kürbis-Kiachl mit scharfer Tomatensalsa drauf) und lernen am Friedhof viel über Aberglaube (siehe Beitrag „Ancud und so), Friedhofsnutzung (dass es eine „reiche und eine arme Seite“ am Friedhof gibt und jeder seinen eigenen Christus am Kreuz hat, dass man am Friedhof erste Dates hat und Partys feiern kann und dass ein prunkvolles Mausoleum seinerzeit als Statussymbol galt, das man schon vor dem Tod errichtete um damit angeben zu können) und schlussendlich noch vieles über die schreckliche chilenische Vergangenheit, die der argentinischen in Grausamkeit um nichts nachsteht und mit ihrer jungen Vergangenheit noch tief in den Knochen der Leute sitzt.
    So ganz haben wir die ganze Geschichte aber nich nicht verstanden, darum machen wir uns nach einem kleinen Mittagessen (juhuu mein Appetit ist endlich wieder richtig zurück und ich esse, frisch vom Markt, mit Parmesan überbackene Muscheln/Clams) auf ins Museum of Memorial und Human Rights. Eine Gedächtnisstätte einer furchtbaren Zeit, in der die Geschichte äußerst gut aufgearbeitet wurde, die aufzeigen soll, was viele zu vertuschen versuchten oder sich nicht zu sagen trauten und die ermahnen soll, das Passierte nicht zu vergessen!

    Drei anstrengende, aufschlussreiche, erschütternde Stunden später schleppen wir uns entkräftet für einen Snack in ein süßes vegetarischen Lokal (mmmhh frisch gebackenes Brot, das fast an Vollkornbrot erinnert!) und marschieren schließlich durch die bunten, wandbemalten Viertel Barrio Yungay und Barrio Brasil zur Metro, die uns nach Hause bringt. Mit Stop bei einer Gelateria. Eis kriegt eindeutig in Buenos Aires mehr Punkte als hier- ist aber dennoch Eis, und somit gut. :)

    Danach werden noch Koffer gepackt, denn morgen gehts weiter nach Viña del Mar und Valparaiso! Santiago, es war uns ein Volksfest!
    Read more