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- Saturday, June 3, 2006
- 🌙 19 °C
- Altitude: 190 m
FranceSaint-Jean-de-Losne47°6’8” N 5°15’53” E
Vorarbeiten ...

Am Samstag, 03. Juni 2006, war es endlich soweit, das Wetter verheißungsvoll, die große Kälte hatte nachgelassen, die Sonne schien und dem Aufbruch zum zweiten Teil unserer langen Reise stand nichts mehr im Wege. Die Tage vorher hatten wir verbracht mit Säubern, Reparaturen, Streichen, Räumen, aber auch mit durch den Ort bummeln, leckere Sachen einkaufen, kochen, Essen gehen im »Admiral« und Café trinken im Hafencafé.
Mittlerweile hatten wir einige der Bewohner der Nachbarboote kennengelernt: Da sind die zwei hochbetagten englischen Ehepaare: Sie können kaum noch über die Reling klettern. Sie verbringen eine ganze Woche auf ihrem Katamaran hier in der Marina. Jeden Morgen sieht man sie mühsam über die Reling klettern und in Richtung St. Jean verschwinden. Bei der Rückkehr schleppen sie Taschen und Tüten voller Bierdosen und haben noch mehr Mühe, wieder an Bord ihres Schiffes zu gelangen. Einmal täglich schein-werkelt der Eigner des Katamaran in irgendeiner Luke, holt etwas heraus, legt es wieder hinein. Nie ist einer der anderen draußen zu sehen, außer zum Einkaufen, alle im Gänsemarsch, mit den leeren Taschen bewaffnet.
Ist es ein Ritual, das einmal im Jahr vollzogen wird, eine geheime Zusammenkunft? Treiben sie gar Gruppensex – dann würde man doch das Schiff wackeln sehen …
Ein weiterer Engländer sägt und hämmert in jeder freien und trockenen Minute. Er erneuert offenbar die gesamte Inneneinrichtung.
Auf dem alten Hausboot, das offenbar leck ist und in regelmäßigen Abständen selbsttätig pumpt, wohnt ein Schweizer Pärchen: er mit flotter Dreiviertelhose, sie sieht sehr viel jünger aus. Sie verbringen ein verlängertes Wochenende auf dem Boot, mit Kerzenschein am Abend. Ist es vielleicht ein geheimes Liebespaar?
Unserer Katze gefiel am besten das holländische Boot mit den Blumen- und Küchenkräuterkästen rundherum. Holländer sind freundliche Menschen und das Boot war auch größer als unseres, außerdem boten die vielfältigen Kästen Abwechslung beim Scharren. Daher vollzog die Katze einen von den Eignern nicht gern gesehenen Umzug, und das ist noch das Beste, was man annehmen kann nach ihrem Verschwinden.
Der Hafenmeister parliert perfekt Französisch und englisch und kramt jedwedes Ersatzteil aus irgendeiner Schublade hervor, mit oder ohne Kommentar.
In der ersten Etage hinter einem beeindruckenden Schreibtisch thront der Chef des Ganzen, mit Blick über den Hafen. Verspielt sucht er jeden Fleck der Erde auf Google Earth und begeistert sich über die Bilder und die Selbstbau-Story unseres Schiffes. Als wir im Jahr darauf wiederkommen, hat er allerdings alles vergessen und kennt uns nicht mehr.
Frühmorgens gleiten Fischer mit ihren Kähnen durch den Hafen und locken mit gelben »Plastikwürmern« Barsche an. Ob sie sich wohl noch über das vielfältige Leben der »Reichen« auf den Yachten und umgebauten Frachtern wundern?
Außerdem sind da die »Dreckpumper«: Heimlich im Regen, wenn keiner kuckt, entleeren sie ihren Fäkaltank ins Hafenbecken. Es sind dieselben, die auch über die Reling pinkeln, wenn sie sich unbeobachtet glauben. Ölende Motoren laufen lassen dagegen gehört schon fast zum guten Ton in diesem Hafen.
Bemerkenswert ist das Hafencafé mit Chantal, die jeden Tag in anderem verführerischen Outfit glänzt: Mal in Hosen, so eng, dass jede Arschbacke sich deutlich abzeichnet; ein anderes Mal in einem Rock mit Schlitz bis hoch hinauf zum Oberschenkel, oder aber mit einem Rock, so kurz, dass man nicht viel Fantasie braucht. Dann wieder ist der Rock zwar ausreichend lang, dafür halb durchsichtig … Ihre Haare sind pechschwarz und die Stimme rau, wenn sie mit den Männern spricht.
Last not least ist der »Admiral« zu erwähnen: DAS Restaurant am Ort, wo der Chef uns mit Handschlag begrüßt, als wir zum vierten Mal zum Essen erscheinen, sich aber auch nicht scheut, einen des Platzes zu verweisen, wenn man nicht speisen möchte. Dieser Chef, der zwar lispelt, dennoch ein verständliches Englisch spricht und aus dem Hinterhalt seiner Untergebenen – einer sehr hübschen sehr jungen Frau, die täglich in interessantem modernen Outfit mit fantasievollen Frisuren aufwartet – Verbesserungen souffliert, die jene mit kecker Handbewegung abtut. DAS Restaurant, wo man zu angemessenem Preis sehr zufriedenstellend speisen kann, wo man ausgezeichnete Steaks serviert bekommt, mit fast nichts dabei; Steaks die gut und gerne 300 Gramm wiegen und dazu einen hervorragenden Tischwein aus Cognac-Schwenkern.
Und über allem der gleichmachende Regen der Bourgogne: mal eher zart tröpfelnd, mal zäh und ausdauernd, immer nass und kalt.
Einschub: Ein Trauerfall
Wir hatten unsere Katze Margeaux mitgebracht. Sie war eine sehr intelligente, reisefreudige Katze mit Vorlieben. Wir hatten sie in Portugal halb verhungert gefunden und aufgezogen. Sie hatte sich an Bord eingewöhnt und pflegte nach ihrer Gewohnheit nachts auf Streife zu gehen.
Eines Morgens kam sie nicht zurück. Sie hatte sich wohl verspätet, dann kamen fremde Menschen und verursachten mit ihren Schritten Lärm auf dem klapprigen Steg, und Margeaux flüchtete auf das nächstliegende Boot (nehmen wir an). Wir suchten sie überall mit Locken und Rufen. Später hat uns ein Skipper erzählt, andere Bootsmenschen hätten eine Katze gefunden … Da waren wir schon weggefahren. Unsere liebenswerte kleine Katze hat sicher neue Chefs gefunden, die sie lieb haben.
Am Abend vor unserer Abreise kam die Schweizerin von dem großen Holzboot »Hadwig« gegenüber (genannt der Selbstlenzer) und klopfte an unser Boot. Ganz zerknirscht gestand sie, dass ihr die Anschluss-Verschraubung von unserem Wasserschlauch ins Wasser gefallen sei, und sie würde gleich am nächsten Morgen eine neue besorgen. Tatsächlich kam sie am Samstag mit einem neuen Anschluss-Stück, sogar mit einem Reduzier-Gewinde. Daraufhin schlug ich ihr vor, doch noch etwas ins Wasser zu werfen …Read more
TravelerInteressante Einblicke in das zwischenmenschliche Miteinander - Agatha Christie hätte es auch gefallen.
Traveler👍🏽😊