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  • Gran Sasso und der Monte Aquila

    July 4, 2017 in Italy ⋅ ☀️ 16 °C

    Gran Sasso und Monte Aquila
    Unsere zweite Wanderung führt uns wieder zum Campo Imperatore. Schon allein der Weg dahin ist so atemberaubend schön, dass man sich an dieser unendlichen Weite, den wilden Pferden und den bunten Blumenwiesen nicht satt sehen kann. Aber auch die etwas höher beginnende Kargheit hat ihre eigene Schönheit. Hier wandern Hirten mit ihren Hunden und Schafen das ganze Jahr umher, Wind und Wetter ausgesetzt. Diese Hirtenhunde mit ihren wachsamen Augen haben es mir besonders angetan. Sie gelten als äußerst mutig und werden deshalb auch Bärenhunde genannt. Sie sind fast so schneeweiß wie Schafe. Es fällt schwer, die Anzahl der Hunde inmitten der Schafsherde zu bestimmen. Sie verfügen über die Kraft und den Mut eines Bären. Für das Leben der Schafe und auch des Hirten kämpfen sie notfalls bis zum Tode. Sogar Wölfe haben schlechte Chancen, wenn ein Rudel abruzzesischer Hirtenhunde die Herde bewacht. Unter Menschen ist dieser Hund sehr treu und gutmütig. Die Kinder einer Familie hält er wie Schafe zusammen. Wehe dem der versucht, das Rudel zu verlassen oder sich dem Rudel unbefugt zu nähern. Der Hund kennt seine Aufgabe genau. Dies ist offenbar genetisch bedingt. Ein fantastischer Hund, der einfach hierher gehört. Ohne diesen weißen Riesen würde etwas in den Abruzzen fehlen.
    Langsam nähern wir uns auf unserer Wanderung dem Gran Sasso, dem Hausberg meiner Sehnsucht. Wie meistens pfeift hier ein ungemütlicher kalter Wind, so als wolle der Berg möglichst viele Besucher davon abhalten, ihn zu besteigen. Bei mir hat er jedoch schlechte Karten. Ich kenne seine harte Schale und ich weiß, dass mich ein Stück weiter oben die Sonne erwartet und der Wind deutlich nachlässt. Dennoch ist der Weg anstrengend und alles andere als einfach. Viele, die am Campo Imperatore ihre Wanderung beginnen, gehen die ausgetretenen und serpentinenartig angelegten Pfade hoch bis zur ersten Hütte, dem Rifugio Duca degli Abruzzi. Wie eine Perlenkette schlängeln sich die Touristenschwärme zu diesem Etappenziel hoch. Man sollte sich hiervon nicht entmutigen lassen, nur dieser Teil ist so überlaufen.
    Auf dem Pfad oberhalb der Hütte ebbt der Besucherstrom merklich ab. Links und rechts werden die Hänge steiler. So manches Mal ist es ratsam, sich gut festzuhalten. Das wandern geht nach und nach ins Klettern über. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind für den weiteren Weg Voraussetzungen.
    Ein besonderes Erlebnis ist der Sonnenaufgang am Refugium. Alleine deshalb sollte man dort eine Nacht verbringen. Dies machen allerdings die wenigsten Besucher. Nur echte Bergfans und Kletterer gönnen sich ein solches Abenteuer.
    Die Hütte habe ich bereits sehr oft besucht. Heute lasse ich sie auf halber Höhe links liegen. Schon bald verliere ich die Menschenkette aus den Augen. Ich folge einem anfangs gut begehbaren Pfad. Dieser windet sich um den Berg herum. Wenn man diesen Weg wählt, vergisst man sehr schnell die vielen Menschen, mit denen man vor wenigen Augenblicken noch gemeinsam unterwegs war. Hier trifft man eher Kenner der Region. Stille tritt ein, die so laut ist, dass man sich daran erstmal gewöhnen muss. Und dann, wenn man Glück hat, hört man die Schreie eines jungen Adlers. Mit den Schreien signalisieren sie entweder, dass sie Hunger haben oder sie geben sich damit als Jungvögel zu erkennen. Dies ist funktionierender „Welpenschutz“ bei Adlern. Neben den Adlern fliegen in diesem Gebiet auch Geier ihre Runden. Es lohnt sich stehen zu bleiben und dankbar alles in sich aufzunehmen. Der Weg führt nun leicht abwärts den Nordhang des Kamms hinab zum Abzweig Stelle di Monte Aquila. Aquila heißt Adler, wie passend. Hier halten wir uns nochmal rechts. Über mehrere Anstiege erreichen wir wieder den Kamm, der zum Monte Aquila hinauf führt. Oben sehen wir Gämsen die mit Leichtigkeit im Berg herumspringen. Einer hat uns auch bemerkt. Während die anderen flüchten, bleib dieser stehen und beobachtet uns neugierig. Hm, wie war das noch? Wollten wir ihn nicht beobachten? Nun, hier ist es tatsächlich umgekehrt. Beim näher kommen glaube ich, seine Amüsiertheit über uns in seinen Augen zu sehen. Wieso machen das Menschen so? Er war selbstsicher genug, um uns lange zuzuschauen, bevor er schließlich mit wenigen Sätzen das Weite suchte.
    Der Monte Aquila ist 2498m hoch und bietet einen spektakulären Ausblick zum Corno Grande. Es gibt keinen Punkt im Gran Sasso Gebiet, wo Wanderer näher an den eindrucksvollen felsigen Südabruch des Corno Grande gelangen können. Hier am Gipfel haben wir auch einen tollen Blick in das Valle dell Inferno. Wie der Name sagt, ist hier wirklich Vorsicht geboten. Der Abstieg ist nicht einfach, aber lohnend.

    Für heute reicht es. Ich freue mich nun auf ein gutes italienisches Abendessen. Morgen wartet die nächste Tour auf uns.
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