Mit jedem Schritt wächst die Liebe Read more
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  • Lautes Rufen

    July 1, 2017 in Italy ⋅ ⛅ 16 °C

    Lautes Rufen. Die Abruzzen rufen schon lange, aber irgendwie nie laut genug. Nun ist es soweit, mich zieht es mit aller Macht in die Heimat meines Vaters. Als Kind war ich jedes Jahr in den Sommerferien dort. Nicht in den Bergen, sondern am Meer. Die Berge habe ich oft aus der Ferne bewundert. Natürlich haben wir auch immer wieder Ausflüge dort hin gemacht. Aber es waren oft sehr lange Autofahrten mit kleineren Spaziergängen. Die Lieblingsziele meines Vaters waren Prati di Tivo und das Campo Imperatore. Dort sind wir regelmäßig die Berge ein Stück weit hinauf gewandert. Über die Jahre hinweg haben wir das eine oder andere Ziel in der Region angesteuert. Dennoch kann ich nicht behaupten, dass ich die Abruzzen wie meine Westentasche kenne. Als Kind war ich deswegen auch nicht wirklich böse. Schliesslich war es am Meer nie langweilig und dort hatten wir immer Kontakt zu anderen Kindern. Erst in der späten Jugend entdeckte ich für mich die Abruzzen und unternahm einige Ausflüge zu Orten und Landschaften, die ich näher kennen lernen und erkunden wollte. Ich lernte die Berge sowie die Hochebene zu lieben und sie als etwas Einzigartiges anzusehen. Immer wenn ich Urlaub in Italien machte, gehörte mindestens ein Ausflug in das Hinterland dazu. Meinem Vater war mein Treiben unverständlich. Er tat mich als eine „Spinnerin“ ab. Dazu gibt es die eine oder andere Anekdote:

    In einem Jahr besuchte ich mit drei Freundinnen Italien. Natürlich wollte ich ihnen auch die tolle Berglandschaft der Abruzzen zeigen. Also unternahmen meine Eltern netterweise mit uns einen Ausflug zum Gran Sasso. Auf dem Weg dorthin hatten wir allerdings mit den Folgen eines schweren Erdbebens zu kämpfen. Viele Straßen waren unpassierbar, sodass sich unsere Tour zu einer der schon so oft erlebten endlosen Autofahrten zu entwickeln drohte. Kurz vor Prati di Tivo kamen wir an einen meiner liebsten Ausgangspunkte für Wanderungen vorbei. Dieser Ort heißt Pietracamela, um den sich viele Wolfs-Geschichten ranken. Dazu vielleicht später mehr. Auf jeden Fall wollte ich dort mit meinen Freundinnen aussteigen und zu Fuß nach Prati di Tivo hoch wandern. Ich machte den Vorschlag, dass meine Eltern in der Zwischenzeit in dem Städtchen Kaffee trinken und etwas spazieren gehen. Mein Vater war jedoch nicht dazu zu bewegen, uns aus dem Auto aussteigen zu lassen. Nach seiner Ansicht sei dies zu gefährlich. Auf meine Nachfrage hin erläuterte er uns, dass es dort immer noch Wölfe gebe. Verzweifelt versuchte ich ihm zu erklären, dass Wölfe keine wirkliche Gefahr darstellen und sie zudem regelmäßig nur weiter südlich auf der anderen Seite des Berges anzutreffen seien. Ich bettelte ihn fast an, anzuhalten und uns aussteigen zu lassen. Er fuhr jedoch verbissen weiter und klärte uns über die wahren Gefahren dieser Gegend auf: „Es ist der Berg, der gefährlich ist. Weißt Du, der Berg ist schließlich schon sehr alt“. Aha, der Berg ist also gefährlich, weil er schon so alt ist. Ich musste schmunzeln, aber diese Antwort machte mich sprachlos. Wir fuhren also ohne anzuhalten unmittelbar zu dem Ort meiner Kinderausflüge, zum Prati di Tivo.
    Wer mich kennt, der weiß, dass da noch nicht das letzte Wort gesprochen war. Auf der Hochebene angekommen, stiegen meine Freundinnen und ich aus, begrüßten die dort lebenden Hirtenhunde, verabschiedeten uns von meinen verblüfften Eltern und machten uns an den Abstieg. Meinem Vater sagte ich: „Unten in Pietracamela ist eine Bar, da kannst Du Kaffee trinken und Mama den besten Ziegenkäse der Abruzzen kaufen. Wir sehen uns dort. Wir brauchen für den Abstieg ca. eine Stunde. Und mache Dir keine Gedanken, runter kommt man immer. Außerdem mag mich der alte Berg“.
    Diese kleine Anekdote spiegelt letztlich den Respekt der Einheimischen vor den gewaltigen Naturkräften wider. Hinzu kommt, dass manche Orte in den Abruzzen den Eindruck erwecken, dass hier immer noch Feen, Hexen und Kobolde zu Hause sind.
    Endlich mache ich jetzt dort einen Wanderurlaub, wo Italien noch wild und still ist, dorthin wo Italien noch ursprünglich ist. Der Gran Sasso kratzt ganz knapp an die 3000-Metermarke. Der schneebedeckte Corno Grande, die weiten Hochebenen, die tief eingeschnittenen Schluchten, die vielen Wasserfälle und stillen Seen, die kahlen Gipfel und die im Dunst verschleierten Täler. All dieses machen die Region zu einer Symphonie für das Auge. Der Charakter der Abruzzen ist unverfälscht geblieben. Man findet heute noch Gegenden, wo die Zeit stehen geblieben scheint. Zeitlos und unberührt. Es gab aber auch eine Zeit,in der gnadenlos alle Tiere gejagt, jeder Baum gefällt und die Natur rücksichtslos ausgebeutet wurde. Viele Menschen verließen ihre Dörfer, dort gab es kein auskommen mehr. Nur Hirten mit ihren Schafen zogen weiter durch das Land und wenige alte Menschen blieben mit ihren Geschichten und liebe zu ihrer Heimat. Dadurch aber erholte sich die Natur und eroberte die Landschaft zurück. In den Abruzzen leben heute wieder um die 100 Braunbären und ca. 200 Wölfe. Manchmal - wenn auch selten - bekommt man einen Luchs zu Gesicht. Keine Seltenheit sind demgegenüber Begegnungen mit Gämsen, Hirschen, Rehen, Füchsen oder Wildschweinen. Auch kann man mit etwas Glück Adler entdecken, insbesondere in der Schlucht von Celano oder Santo Spirito. Von der Orfento-Schlucht wird berichtet, dass sich dort wieder Otter angesiedelt haben. Bei Wanderungen durch die Abruzzen stellen aber weder die Braunbären noch die Wölfe die größte Gefahren dar, sondern die wild lebenden Hunde und das Wetter. Es kann dort selbst im August schneien. Im Sommer liegt oft dichter Nebel auf den Höhen. Die Unwetter mit Starkregen und heftigen Winden treten ohne große Vorwarnung ganz plötzlich auf. Gerade in einsamen Gegenden, wo es keine Markierungen gibt, kann man schnell die Orientierung verlieren oder in Bergnot geraten. Aber all das macht die Abruzzen zu dem was sie sind, zu der wilden Seele Italiens
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  • Santo Stefano

    July 2, 2017 in Italy ⋅ 🌧 15 °C

    Sonntag Abend kamen wir nach 14 Stunden Autofahrt in Santo Stefano di Sessiano. Unsere Wohnung liegt sehr ruhig und verfügt über eine große Terasse, die an einen wilden Hang angrenzt, sehr naturbelassen. Vögelgezwitscher und bunte Schmetterlinge zeugen davon, dass hier die Welt noch in Ordnung ist. Heute sind wir zu müde, um den Ort zu erkunden. Wir schaffen es nur noch in einen nah gelegenen "Kuhstall" zum typischen abruzzesischem Abendessen. Morgen ist auch noch ein Tag. So hofften wir jedenfalls.

    Montag war noch ein Tag. Wir sind dieses Jahr in ein Erdbebengebiet gefahren. Die Abruzzen sind von je her immer wieder von Erdbeben betroffen. Aber was sich hier in den letzten Jahren abspielt, steht in keiner Relation zu dem, was hier sonst so los war.
    2009 war wohl eines der Erdbeben, dass das meiste Aufsehen erregte. Danach kam die Erde aber nicht mehr zur Ruhe. Fast wöchentlich wackelt es hier mal stärker, mal schwächer. 2016 kam es dann zur nächsten Katastrophe. Neben erheblichen Erdstößen fiel unendlich viel Schnee. Die Abruzzeser wussten gar nicht mehr wohin mit dem Schnee. Viele Dörfer lagen eingeschneit und mussten wochenlang ohne Strom und Wasser auskommen. Manche Häuser lagen bis zu drei Meter unter dem Schnee. Durch das Beben lösten sich Lawinen, die alles unter sich begruben und zum Teil alles mit sich ins Tal rissen. Der Schnee hielt sich lange in den Bergen und so verpassten viele Fruchtbäume ihre Blütezeit. Besonders waren mal wieder die Oliven betroffen.
    Man fragt sich vielleicht, wieso macht man dort Urlaub? Nun, trotz alledem ist es ein sehr schönes Land. Eine interessante Gegend in Italien und es ist ein Stück Heimat, welche ich nie so ganz begriffen habe. Soviel Gegensätze und so voller Menschen, die noch gastfreunlich, geschäftstüchtig und auch schlitzohrig sind. Überlebenskünstler, die bleiben und sich nicht vertreiben lassen. Die einfach leben und stolz auf ihre Abruzzen sind. Am Montag Morgen starteten wir mit der Erkundung von Santo Stefano. Was sofort ins Auge fiel, waren die vielen eingerüsteten Gebäude, die Kräne und die Menschen, die an ihren Häusern arbeiteten. Der Ort liegt sehr schön auf einem Hügel und ist schon mindestens 1000 Jahre alt. Aber es sind auch Spuren aus Römischer Zeit zu finden. Urkundlich benannt wird Santo Stefano erstmals im 13. Jahrhundert. 2009 fiel der Turm, das Wahrzeichen der Stadt, einem Erdbeben zum Opfer. Er ist, wie vieles hier in den Abruzzen, noch nicht wieder aufgebaut. Ein Metallgerüst steht dort in Originalgröße des ehemaligen Turms. Lange Zeit war nicht klar, ob er wieder aufgebaut werden sollte. Zu viele Häuser wurden zerstört. Zuvieles musste wieder rekonstruiert und repariert werden. Zuviele Menschen verloren ihr Dach über den Kopf, da war wohl ein Turm zu unwichtig. Außerdem nahmen andere Städte viel mehr Aufmerksamkeit in Anspruch. Da ist L’Aquila und Onna. Dort war das Epizentrum. Dorthin flossen viele Spenden und viel Geld. Sie standen in der Öffentlichkeit. Ich bin in den letzten Jahren oft durch das Erdbebengebiet gefahren. Ich sah, wieviele alte Dörfer betroffen waren, wie groß die Schäden sind. Viele Bauerndörfer und viele Kirchen und Klöster waren betroffen, aber nie hörten wir irgendwas. Ich weiß nicht, wer entschädigt wurde und wem geholfen wurde, aber es ist schon sehr befremdlich, wenn ich heute durch Dörfer fahre, in denen es immer noch rote Zonen gibt. Andererseits wurde der Aufbau der Kirche in Onna finanziert und den Ort gibt es gar nicht mehr. Wir waren gestern noch da, da steht eine frisch renovierte und neu aufgebaute Kirche in einem Dorf, das nur noch aus Schutt und Asche besteht. Diese Kirche sieht sehr gut aus, es gibt nur keine Menschen, die dort zu Messe gehen, weil diese Menschen heute an einem anderem Ort, zwar sehr nahe, aber eben sehr neuem Dorf leben mit einer neuen Kirche. Onna war ein sehr altes und armes Dorf. Die einfachen Häuser, in denen die früheren Einwohner von Onna heute leben, sind besser als die alten, in denen sie vorher lebten. Zwar bedauern einige alte Menschen, dass es ihr altes Dorf nicht mehr gibt, aber sie bauen es nicht mehr auf. Warum auch?

    Zurück nach Santo Stefano. Für mich hat diese Stadt einen sehr eigenen Flair. Als wir so durch die alten Gassen spazierten, sahen wir auch viele Gerüste und vieles was noch sehr baufällig aussah. Andere Gebäude erstrahlten in alter Pracht. Der Charme der Vergangenheit war wieder spürbar. Die Menschen waren freundlich und sehr gastfreundlich. Wir nahmen Platz zwischen den engen Gängen auf wacklige Stühlen, die zu einer Eisdiele gehörten. Ein Italiener kam heraus und fragte, womit er uns eine Freude machen könne. Wir bestellten einen Espresso und ein Cappuccino. Wir staunten nicht schlecht, als wir sahen, was er uns brachte. Ich kann es kaum beschreiben: Eine Kaffeekanne aus Aluminium mit einem Aluminiumbecher darauf. Die Kombination sah sehr alt und sehr traditionell aus. Ich habe schon einige alte Kaffeekannen gesehen, aber sowas noch nie. Dazu ein großer Keramiktopf mit heißer Milch. Die Espressotasse war ebenfalls aus Keramik und wirkte so, als hätte man sie nach dem Erdbeben wieder zusammengeklebt. Mich wunderte, dass sie dicht war. Mein Cappuccinobecher sah nur etwas besser aus. Dazu gab es hausgebackenen Kuchen und eine Schale frisch geschlagene Sahne. Wir ließen es uns gut schmecken, beobachteten das Dorfleben und lauschten den Gesprächen. Die Menschen waren gut gelaunt und sehr gelassen. Nichts von Unzufriedenheit war zu spüren. So erging es uns dort noch an vielen Stellen. Diese Menschen strahlten und lebten.
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  • Santo Stefano

    July 3, 2017 in Italy ⋅ ☀️ 18 °C

    Bilder sagen mehr als 1000 Worte.
    Der höchstgelegene Ort Italiens wurde in Form einer Spirale erbaut, die zum mittelalterlichen Turm, dem Wahrzeichen der Stadt, führt. Dieser ist leider während des Erdbebens im April 2009 eingestürzt. Bei einem Rundgang durch die Stadt können wir sehen, wie viel Energie verwendet wurde, um die Denkmäler zu bewahren.

    Santo Stefano di Sessanio befindet sich 1.250 m über dem Meeresspiegel. In der Blütezeit hatte es über 4.000 Einwohner. Durch Auswanderung hat sich diese Zahl auf nun nur noch 400 reduziert.
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  • Erste Wanderung

    July 3, 2017 in Italy ⋅ ☀️ 21 °C

    Nachdem wir einen ersten Eindruck von Santo Stefano gewonnen haben, machten wir uns auf dem Weg zu einer nah gelegenen Burg. Nur ein kurzes Stück die Straße entlang aus Santo Stefano herraus und dann einfach über sanfte Hügel hinauf, immer der rot-weißen Markierung nach. Ich fragte mich wieder einmal, wieso Markieren die Italiener ihre Wanderwege immer alle mit rot-weißen Balken? Woran erkennt der Wanderer, dass er immer noch auf dem richtigen Weg ist, wenn sich mehrere Wege kreuzen? Es bleibt für mich ein Rätsel. Wir wanderten bergauf über Schafsweiden, Geröllstrecken und baumlose Hügel. Von der Burg war lange nichts zu sehen, aber dafür wurde die Aussicht auf die umliegende Berge immer besser. Auch konnten wir das eine oder andere Dorf an den Felshängen ausmachen. Das ist also das Land, das wir versuchen mit unseren Füßen zu erkunden und mit allen Sinnen kennen zu lernen. Endlich kam die Kirche und die Burgruine in Sicht. Aber Sichtweite heißt noch lange nicht schon da zu sein, aber zumindest die Orientierung wurde einfacher. Es ist für den ersten Urlaubstag eine anstrengende Wanderung, die lange Autofahrt steckt uns noch in den Knochen. Aber es lohnt sich, die wundervoll klare Luft, die Stille und dann der Anblick der Burg. Sie heißt: Rocca Calascio und sie erhebt sich im Inneren der Abruzzen und ist die mit 1.460 m höchstgelegene, ungefähr 1000 Jahre alte Burganlage. Später wurde die Anlage zu einer kleinen, aber starken Festung ausgebaut, die allerdings nie belagert worden ist. Bereits im 10. Jahrhundert soll hier ein Wachturm errichtet worden sein. Wie vieles in Italien wurde sie in den Jahren 1461 und 1703 bei sehr schweren Erdbeben stark beschädigt. Während der Ort Calascio, der unterhalb der Festung liegt, wieder aufgebaut wurde, geschah dies bei der Festung nicht. Rocca Calascio war der Drehort für die letzte Szene des Films "Der Tag des Falken“. Neben der Burg errichtete man eine Kirche, deren Bedeutung ich nicht kenne. Ihre Lage macht sie jedoch zu etwas Besonderem. Man gewinnt den Eindruck, als könne man mit ihr als Ziel ein Stück Paradies erwandern. Fest steht, dass diese Kirche auf den Resten eines Tempels erbaut wurde, aber wen wundert dieses? Für uns hat sich die Wanderung gelohnt. Wir sind in unserem Urlaubsort angekommen, es war ein genialer Einstieg.Read more

  • Gran Sasso und der Monte Aquila

    July 4, 2017 in Italy ⋅ ☀️ 16 °C

    Gran Sasso und Monte Aquila
    Unsere zweite Wanderung führt uns wieder zum Campo Imperatore. Schon allein der Weg dahin ist so atemberaubend schön, dass man sich an dieser unendlichen Weite, den wilden Pferden und den bunten Blumenwiesen nicht satt sehen kann. Aber auch die etwas höher beginnende Kargheit hat ihre eigene Schönheit. Hier wandern Hirten mit ihren Hunden und Schafen das ganze Jahr umher, Wind und Wetter ausgesetzt. Diese Hirtenhunde mit ihren wachsamen Augen haben es mir besonders angetan. Sie gelten als äußerst mutig und werden deshalb auch Bärenhunde genannt. Sie sind fast so schneeweiß wie Schafe. Es fällt schwer, die Anzahl der Hunde inmitten der Schafsherde zu bestimmen. Sie verfügen über die Kraft und den Mut eines Bären. Für das Leben der Schafe und auch des Hirten kämpfen sie notfalls bis zum Tode. Sogar Wölfe haben schlechte Chancen, wenn ein Rudel abruzzesischer Hirtenhunde die Herde bewacht. Unter Menschen ist dieser Hund sehr treu und gutmütig. Die Kinder einer Familie hält er wie Schafe zusammen. Wehe dem der versucht, das Rudel zu verlassen oder sich dem Rudel unbefugt zu nähern. Der Hund kennt seine Aufgabe genau. Dies ist offenbar genetisch bedingt. Ein fantastischer Hund, der einfach hierher gehört. Ohne diesen weißen Riesen würde etwas in den Abruzzen fehlen.
    Langsam nähern wir uns auf unserer Wanderung dem Gran Sasso, dem Hausberg meiner Sehnsucht. Wie meistens pfeift hier ein ungemütlicher kalter Wind, so als wolle der Berg möglichst viele Besucher davon abhalten, ihn zu besteigen. Bei mir hat er jedoch schlechte Karten. Ich kenne seine harte Schale und ich weiß, dass mich ein Stück weiter oben die Sonne erwartet und der Wind deutlich nachlässt. Dennoch ist der Weg anstrengend und alles andere als einfach. Viele, die am Campo Imperatore ihre Wanderung beginnen, gehen die ausgetretenen und serpentinenartig angelegten Pfade hoch bis zur ersten Hütte, dem Rifugio Duca degli Abruzzi. Wie eine Perlenkette schlängeln sich die Touristenschwärme zu diesem Etappenziel hoch. Man sollte sich hiervon nicht entmutigen lassen, nur dieser Teil ist so überlaufen.
    Auf dem Pfad oberhalb der Hütte ebbt der Besucherstrom merklich ab. Links und rechts werden die Hänge steiler. So manches Mal ist es ratsam, sich gut festzuhalten. Das wandern geht nach und nach ins Klettern über. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind für den weiteren Weg Voraussetzungen.
    Ein besonderes Erlebnis ist der Sonnenaufgang am Refugium. Alleine deshalb sollte man dort eine Nacht verbringen. Dies machen allerdings die wenigsten Besucher. Nur echte Bergfans und Kletterer gönnen sich ein solches Abenteuer.
    Die Hütte habe ich bereits sehr oft besucht. Heute lasse ich sie auf halber Höhe links liegen. Schon bald verliere ich die Menschenkette aus den Augen. Ich folge einem anfangs gut begehbaren Pfad. Dieser windet sich um den Berg herum. Wenn man diesen Weg wählt, vergisst man sehr schnell die vielen Menschen, mit denen man vor wenigen Augenblicken noch gemeinsam unterwegs war. Hier trifft man eher Kenner der Region. Stille tritt ein, die so laut ist, dass man sich daran erstmal gewöhnen muss. Und dann, wenn man Glück hat, hört man die Schreie eines jungen Adlers. Mit den Schreien signalisieren sie entweder, dass sie Hunger haben oder sie geben sich damit als Jungvögel zu erkennen. Dies ist funktionierender „Welpenschutz“ bei Adlern. Neben den Adlern fliegen in diesem Gebiet auch Geier ihre Runden. Es lohnt sich stehen zu bleiben und dankbar alles in sich aufzunehmen. Der Weg führt nun leicht abwärts den Nordhang des Kamms hinab zum Abzweig Stelle di Monte Aquila. Aquila heißt Adler, wie passend. Hier halten wir uns nochmal rechts. Über mehrere Anstiege erreichen wir wieder den Kamm, der zum Monte Aquila hinauf führt. Oben sehen wir Gämsen die mit Leichtigkeit im Berg herumspringen. Einer hat uns auch bemerkt. Während die anderen flüchten, bleib dieser stehen und beobachtet uns neugierig. Hm, wie war das noch? Wollten wir ihn nicht beobachten? Nun, hier ist es tatsächlich umgekehrt. Beim näher kommen glaube ich, seine Amüsiertheit über uns in seinen Augen zu sehen. Wieso machen das Menschen so? Er war selbstsicher genug, um uns lange zuzuschauen, bevor er schließlich mit wenigen Sätzen das Weite suchte.
    Der Monte Aquila ist 2498m hoch und bietet einen spektakulären Ausblick zum Corno Grande. Es gibt keinen Punkt im Gran Sasso Gebiet, wo Wanderer näher an den eindrucksvollen felsigen Südabruch des Corno Grande gelangen können. Hier am Gipfel haben wir auch einen tollen Blick in das Valle dell Inferno. Wie der Name sagt, ist hier wirklich Vorsicht geboten. Der Abstieg ist nicht einfach, aber lohnend.

    Für heute reicht es. Ich freue mich nun auf ein gutes italienisches Abendessen. Morgen wartet die nächste Tour auf uns.
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  • Dort wo die Otter schwimmen

    July 5, 2017 in Italy ⋅ ☀️ 24 °C

    Dort, wo die Otter schwimmen – die Orfentoschlucht
    Unsere nächste Wanderung führt uns durch die wahrscheinlich wildeste Schlucht der Abruzzen. Ich habe jedenfalls noch keine wildere gesehen. Hier lohnt es sich auch über Nacht zu bleiben. Ausgangspunkt ist der kleine Thermalort Caramanico. Er ist wohl der bekannteste Thermalort in den Abruzzen und liegt an der Westflanke der Majella. Er ist mit rund 2000 Einwohnern ein eher kleines Örtchen, das trotz seiner vielen Besucher Ruhe ausstrahlt. Eine Stippvisite in dieses autofreie Kurbad ist - auch mit Kindern - empfehlenswert.
    Wir parken am Ortsrand und wandern zum Besucherzentrum stets bergauf, aber immer unter schattenspendenden Bäumen. Um die Orfentoschlucht zu erkunden, benötigt man eine Zugangserlaubnis, die uns für kleines Geld im Besucherzentrum ausgestellt wird. Die in die Schlucht führenden Wege sind sehr ursprünglich und naturbelassen. Die in regelmäßigen Abständen vorhandenen Aussichtsplattformen sind - aus gutem Grund - gesichert. Wir entschließen uns, die Schlucht zuerst von oben zu betrachten und später erst in die Schlucht abzutauchen. Es ist sehr heiß heute und sehr still. Wir hören kaum Vögel und sehen auch nur wenige Tiere. Naja, bis auf Spinnen, Spinnen, Spinnen. Brrrr, überall Spinnennetze, die an einem kleben bleiben. Jetzt beim Schreiben bekomme ich immer noch eine Gänsehaut.
    Aber es sollte noch schlimmer kommen. Schon bald hatten wir mit Taranteln, also mit haarigen Riesenspinnen, zu „kämpfen“. Der bloße Gedanke daran löst bei mir schon dasAufstellen der Nackenhaare aus. Taranteln gehören zur Familie der Wolfsspinnen und sind in Italien besonders gerne in trockenen Wiesen und an steinigen Ödhängen unterwegs. Man sollte ihnen aus dem Weg gehen, schließlich sind sie giftig.
    Langsam gewöhnen sich meine Ohren an die Ruhe, die hier herrscht. Ich beginne, die leisen Geräusche von Grillen, Heimchen und weiteren - mir unbekannten – Kleintieren wahrzunehmen. Überall raschelt etwas, es sind viele Eidechsen und ein paar Schlangen unterwegs. Um sie zu vertreiben, treten wir bewusst immer sehr fest auf. Ein Hauch von Wildnis ist tatsächlich zu spüren.
    Oft haben wir eine grandiose Aussicht in die Schlucht. Eine Weile kann ich an den gegenüber liegenden Felshängen einen Adler beobachten. Man hatte mir vorher schon erzählt, dass man in diesem Jahr ein Horst mit Jungvögeln entdeckt hat. Meine Versuche, die anmutigen Flugkünste des Adlers photographisch festzuhalten, bleiben angesichts der beschränkten Leistungsfähigkeit meiner Handy-Kamera ohne Erfolg.
    Als wir genug von oben gesehen hatten, machten wir uns an den Abstieg in die Schlucht. Es wurde wieder grüner und unheimlicher. An einer Stelle konnte man über eine Holzbrücke den Fluss überqueren. Dort war es sehr idyllisch. Wir zogen unsere Schuhe aus, setzten uns auf eine Felsplatte und ließen unsere Füße im Wasser baumeln. Eine sehr erfrischende und entspannende Pause. Einfach nur dem Wasser und den Vögeln lauschen.
    Otter sahen wir entgegen den Beschreibungen im Reiseführer keine. Wir entscheiden uns, umzukehren und wandern den Fiume Orta entlang zum Ausgangspunkt zurück. Dort gibt es eine Otter Aufzucht-Station. Deren Arbeit zielt darauf ab, die Tiere mittelfristig wieder im Flusslauf der Schlucht anzusiedeln.
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  • Höhlen und Wasserfälle

    July 6, 2017 in Italy ⋅ ☀️ 31 °C

    Die Höhlen von Stiffe. Die Höhlen von Stiffe sind ein Naturschauspiel, das man gesehen haben sollte. Sie liegen etwas oberhalb des Örtchen Stiffe. Ich hörte von Einheimischen, dass es sich auch auf jeden Fall lohnt, durch den kleinen Ort zum Wasserfall zu wandern. Dem Rat entsprechend, folgten wir dem kleinen Bachlauf, der sich hinter dem Dorf an einer Felswand und einer alten Mühle vorbei schlängelt. Dieser Bach speist sich aus einem kleinen Wasserbecken unterhalb des Wasserfalls. Dieser Wasserfall kommt aus der Höhle, die wir zuvor besichtigt hatten. Es ist ein magischer Ort. Dort könnten auch Kobolde und andere kleine Märchenwesen leben. Tausende Schmetterlinge flatterten dort von Blüte zu Blüte. Moose und Farne bedeckten die Steine und Sonnenlicht fiel durch das grüne Blätterdach. Das Singen der Vögel, das Rauschen des Wassers und der Wind in den Blättern ergab eine Symphonie aus Naturklängen, die wunderschön beruhigend wirkten. Wir sind dort eine Weile geblieben, ganz alleine, ohne andere Touristen. Ein kleiner Geheimtipp, abseits der Touristenpfade. Im Sommer ist bei den eigentlichen Höhlen der Teufel los. Es gibt mehrere riesige Parkplätze unterhalb der Höhlen. Dort im Restaurant müssen auch die Eintrittskarten gekauft werden. Ein Shuttlebus bringt die Besucher zum Höhleneingang. Oben bei den Höhlen gibt es nur eine Handvoll Parkplätze. Die Höhlen sind eigentlich ein unterirdischer Flusslauf mit vielen Grotten und Sälen. Das ist auch das Besondere an dieser Tropfsteinhöhle. Es ist ein beeindruckendes Schauspiel, wenn ein Wasserfall aus 20 Metern und ein weiterer Wasserfall aus einer Höhe von 25 Metern in ein kleines Wasserbecken herabstürzten. In dieser Höhle war ein Getöse, wie ich es noch nicht gehört habe. Wir mussten uns anschreien, um uns zu verständigen. Ganz seltsam war es dann in der nur wenige Meter entfernten „Höhle der Stille“. Dort war - warum auch immer – von den Wasserfällen nichts mehr zu hören. Es war eine Stille, die so plötzlich eintrat, dass sie mir zunächst einmal einen Schrecken einjagte. So eine beeindruckende Stille habe ich zuvor noch nie gehört. Seltsam, denn einige Meter weiter dominierte wieder dieses laute Rauschen des unterirdischen Flusses unsere Sinne. Wie kann es sein, dass an dieser einen Stelle die Geräuschkulisse vollkommen fehlt? Es war fast unheimlich. Dieser Wasserlauf innerhalb der Höhle ist wirklich ein unterirdischer Fluss in einer unterirdischen Schlucht. Manche glauben, es sind unterirdische Quellen, aber so ist es nicht. Wandert man oberhalb der Höhlen ein gutes Stück weiter, so entdeckt man Bäche, die einfach aufhören zu fließen. Sie verschwinden im Erdreich. Die Erde ist dort so porös, dass alles Wasser versickert und sich einen unterirdischen Weg sucht. Mit Farbstoffen hat man erfolgreich diesen Weg nachgezeichnet. Das Wasser selbst ist kalt und klar, hat aber keine Trinkwasserqualität. Es ist vielmehr durchsetzt mit Bakterien und Mikroorganismen. Also besser keine Trinkprobe nehmen. Euer Magen wird es Euch danken.
    Unser „Höhlen-Erlebnis“ ließen wir in einem nahe gelegenen Restaurant bei einem Glas Wein und einem typischen italienischen Essen nachwirken. Wieder in unserer Ferienwohnung angekommen, saßen wir noch lange auf unserer Terrasse, genossen den sternenklaren Himmel und die nur durch das Zirpen der Grillen unterbrochene Stille einer lauen Sommernacht im Herzen der Abruzzen.
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  • Arrosticcini bei den Schafshirten

    July 6, 2017 in Italy ⋅ ☀️ 23 °C

    Es war ein schöner Sommertag mit einer anstrengenden Wanderung zum Monte Prena (2.561m). Im Anschluss an diese Tour gönnten wir uns mitten auf dem Hochplateau eine lange und genüssliche Pause im Ristoro Mucciante, einer in einer rustikalen Holzhütte untergebrachten Metzgerei mit einem angeschlossenen Grillplatz. Aus meiner Kindheit sind mir die an dieser Stelle früher durchgeführten Schafsauktionen in Erinnerung geblieben. Hier wechselten innerhalb von wenigen Tagen Tausende von Schafen ihre Besitzer. Dies war immer ein imposantes Schauspiel - insbesondere für die Erwachsenen. Wir Kinder machten in dieser Zeit Jagd auf die hier zu findenden riesigen Heuschrecken.

    Ein Ausflug in dieser Gegend ist für uns traditionell verbunden mit einem Metzgereibesuch und dem Kauf der dort angebotenen Fleischspieße, die hier Arrosticcenis genannt werden. Auch andere abruzzesische Spezialitäten wie Wein, Käse oder frisch gebackenes Brot können hier erworben werden. Das Besondere ist, dass die Fleischspieße direkt vor Ort auf dem Grillplatz zubereitet und verzehrt werden können. Man sitzt auf einfachen Bierzeltgarnituren im Freien. Dabei bleibt man selten alleine. Man kommt vielmehr schnell mit anderen ins Gespräch und bildet schon bald eine große „Grillfamilie“. Der Duft von gebratenem Fleisch liegt in der Luft. Gerade in den frühen Abendstunden stellt sich eine fast schon idyllische Atmosphäre ein. Man ist einfach entspannt und glücklich.

    Wer in einer solch stimmungsvollen Situation die Wirkung des Weines unterschätzt haben sollte, dem rate ich, vor Ort im Auto, Zelt oder Wohnmobil zu übernachten. Dies ist zwar offiziell nicht erlaubt, wird aber geduldet. Zu bedenken ist, dass der Weg zum nächsten Dorf weit und die Straßen eng sowie sehr kurvenreich sind. Es versteht sich von selbst, dass an dieser Übernachtungsvariante auf Dauer nur festgehalten werden kann, sofern die „Camper“ sich entsprechend den Anforderungen in einem Naturschutzgebiet verhalten.

    Jetzt stellt sich die berechtigte Frage: Wo liegt das „Grillparadies“ genau? Ich kann es nur grob beschreiben. Wer den Aufstieg zum Campo Imperatore am Gran Sasso plant, fährt in Richtung Castel del Monte! Man folgt der Straße und trifft nach einigen Kilometern unweigerlich auf die Holzhütte mit Metzgerei und dem Grillplatz. Auch wenn die Straße gegen Ende schlechter wird, nicht umkehren, es ist der richtige Weg. Schon bald lassen am Horizont stehende Wohnmobile erkennen, dass man sich dem Ziel nähert. Also fertig machen zum Grillen und Genießen: Dolche Vita pur.
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  • Erdbeben und sehr schöne Natur

    July 7, 2017 in Italy ⋅ ☀️ 31 °C

    Am heutigen Tag wollten wir die Abruzzen nicht per pedes, sondern mit dem Fahrrad erkunden. So der Plan.
    Der Monte Mezzo ist 2.153 m hoch liegt am Lago de Campotosto. Als ich Infos zu dieser Bergregion einholte, erfuhr ich, dass man im Dorf Campotosto einen Fahrradverleih vorfindet. Dieses warb im Internet mit einer zwar anspruchsvollen, aber auch sehr reizvollen Tour um den kompletten See.
    Also setzten wir uns ins Auto und machten uns auf den Weg. Schon die Anfahrt zu unserem Zielort war ein Erlebnis. Sanfte Hügel, dichte Wälder und enge Schluchten wechselten sich in kurzen Takten ab. Eine bequeme Art, alles vom Auto aus zu bestaunen.
    Dann endlich, der erste Blick auf dem See. Wenn man den grandiosen Anblick des blauen, glitzernden Lago in sich aufnimmt, glaubt man kaum, dass hier einmal im großen Stil Torf abgebaut wurde. So um 1930 wurde dann dieses Becken geflutet und ein weitläufiger Stausee angelegt, der auch zur Stromerzeugung genutzt wird. Der See steht unter Naturschutz und ist Teil des Nationalparks Gran Sasso e Monti della Laga. An manchen Stellen erheben sich steile und bewaldete Hänge aus dem See, an anderen Stellen befindet sich ein sanfter Strand. Wer die Zeit hat, sollte auf jeden Fall den Monte di Mezzo mit ins Besuchsprogramm aufnehmen. Dort gibt es eine geniale Aussicht über den See und zum Grand Sasso und dessen Corno Grande. Aber Vorsicht, man sollte sich vorher genau erkundigen. Zum Gipfel führt sowohl ein relativ leichter als auch ein deutlich anspruchsvollerer Weg. Letzterer setzt Schwindelfreiheit, Trittsicherheit, Orientierungsvermögen und Klettererfahrung voraus. Der Einstieg ist etwas unterhalb des Dorfes in einer Linkskurve. Wir entschieden uns diesmal gegen eine „Gipfelerstürmung“, schließlich stand für heute eine Radtour auf unserem Plan.

    So fuhren wir immer noch mit dem Auto den See entlang und amüsierten uns über die Italiener, die hier wild campten und das Wochenende einläuteten. Da der See zum Naturschutzgebiet gehört, gibt es keine Parkplätze direkt am Seeufer. Die Haltebuchten befinden sich vielmehr unmittelbar an der gut befahrenden Landstraße. Dort sitzen die Camper vor ihrem Wohnwagen auf ihrem Camping-Equipment und beobachten den Verkehr. Einige haben sich ihren Grill aufgebaut, manche noch ein Zelt. Ich finde es etwas befremdlich, denn es gibt wirklich viele sehr schöne, abgeschiedene Campingplätze in den Abruzzen. Warum campt man wild direkt an der Straße? Mir erschließt sich das nicht.

    Je weiter wir an dem See entlang fuhren, wuchsen in mir die Zweifel, ob wir an unserer Radtour-Idee festhalten sollten. Die viel befahrende Straße, der Fahrstil der Italiener sowie offensichtlich fehlende Radwege trugen zumindest nicht zur Motivation für ein solches Vorhaben bei. Ob das wirklich ein so guter Tipp war?

    Wir fuhren weiter die Uferstraße entlang und bogen dann rechts ab, den Berg hinauf zu dem kleinen Ort Compotosto. Der Ort liegt sehr idyllisch am Berghang mit einem weiten Blick über den See. Wir passierten mehrere Campingplätze und kleinere Hotels. Sie wirkten überwiegend menschenleer und verlassen. Keine Touristen waren zu sehen. Was war passiert? Dieses Dorf liegt doch so schön und bietet einen so tollen Ausblick.

    Und dann nach der nächsten Kurve stockte uns der Atem. Auch hier hatte ein Erdbeben gewaltige Zerstörungen hinterlassen. Es waren keine Anzeichen für einen Wiederaufbau zu erkennen. Lediglich an einigen Stellen hatte man versucht, den Schutt nach den verschiedenen Materialien zu sortieren. Es schien ein vergessenes Dorf zu sein. Der zerstörte Ortskern samt Schule hinterließ einen deprimierenden Eindruck. Nirgendwo waren Kinder zu entdecken. Lediglich einige alte Menschen waren offenbar nicht bereit gewesen, ihre Häuser vollständig aufzugeben. Sie wurden versorgt durch einen kleinen Verkaufscontäiner mit einer sehr überschaubaren Auswahl von Dingen des täglichen Bedarfs. Wir blieben eine Weile, um die Eindrücke zumindest ansatzweise zu verarbeiten. Ich dachte noch, wow, was für eine heile Welt, und dann dieser Schlag in die Magengrube. Sprachlosigkeit machte sich breit. Die von Depressionen und Hoffnungslosigkeit geprägten Gefühle der Menschen in diesem Ort waren unübersehbar. Viele Straßen waren abgesperrt und zu „roten Zonen“ erklärt worden. Eine vorbeifahrende Polizeistreife beobachtete uns kurz. Zählte es zu ihren Aufgaben, Plünderungen zu verhindern? Was sollte man hier noch an Wertsachen finden, ohne sich in Lebensgefahr zu bringen?

    Abgesehen davon, dass es den Fahrradverleih nicht mehr gab, war uns die Lust auf eine Fahrradtour vergangen. Ziemlich nachdenklich traten wir unseren Heimweg an. An einem kleinen Restaurant machten wir einen Zwischenstopp. Es wurde als Familienbetrieb geführt. Eine Speisekarte existierte nicht. Die Tochter des Hauses erzählte uns, was es Nettes aus der Küche gab. Hierzu zählten diverse Köstlichkeiten aus der Region und natürlich frisch gefangenen Fisch aus dem See. Alles sehr ursprünglich und typisch abruzzesisch. Wir genossen die kulinarischen Leckerbissen sowie den Ausblick auf die untergehende Sonne über dem Lago di Compotosto. Dann führte uns der Weg wieder zurück nach Sankt Steffano.
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  • Mit Regenschirm einen Berg ersteigen

    July 8, 2017 in Italy ⋅ ⛅ 25 °C

    Regenschirm und Sonnenschein. M

    Nach unserem gestrigen Ausflug wollten wir heute das Hochplateau des Campo Imperatore weiter erkunden. Der sehr sonnige Tag versprach eine tolle Fernsicht vom Monte Camicia (2.564 m) aus.

    Wir fuhren wieder von Santo Stefano hinauf durch das „kleine Tibet“ der Abruzzen. Der Campo Imperatore ist ein großartiges, 25 KM langes Hochtal. Wenn man von Santo Steffano hoch kommt, liegt links das Gran Sasso Massiv mit seinem Corno Grande, einer majestätischen Schönheit. Von dort aus reiht sich ein zerklüfteter Felsgipfel an den anderen. Der Campo ist von diesem Gebirgszug eingefasst. Die höchste Erhebung in dieser Gebirgskette ist der Monte Camicia Ihn wollen wir auch heute besteigen. Wir parkten am Refugio Fonte Vatica. Auch hier wird wild gezeltet und gecampt.

    Der Anstieg ist wirklich sehr steil und kräfteraubend, dennoch aber recht gut zu gehen. Manchmal musste ich die Hände zu Hilfe nehmen, um einzelne Felsen zu überwinden. Nicht immer ist der Weg eindeutig markiert. Ich schaute oft zurück und staunte darüber, wie viel wir schon an Höhe gewonnen hatten. Wir kamen ganz schön ins Schnauben und machten die eine oder andere kleine Pause. Die Sonne brannte mittlerweile erbarmungslos auf uns herab. Mit uns waren viele Italiener unterwegs. Endlich kamen wir an einer schönen Stelle an, die zu einer größeren Pause einlud. Flach und grün sowie mit ein paar passenden Felsen zum Setzen. Hier hat die Natur an den Menschen gedacht und mal eben einen natürlichen Picknickplatz eingerichtet. An diesem Punkt gab es auch etwas zum Schmunzeln. Die Italiener, die hier Pause machten, waren mit bunten Regenschirmen unterwegs. Sie saßen zusammen, teilten sich ihre Köstlichkeiten und genossen - geschützt vor der Sonne durch ihre Regenschirme - die Landschaft. Schon eine besonderer Eigenart, mit dem Regenschirm in der Hand einen Berg zu ersteigen. Wie ich später erfuhr, wollten sie aber nicht alle zum Gipfel, sondern einfach nur etwas Bergwandern. Wir atmeten durch, tranken Wasser und stiegen weiter bergauf. Immer den Blick zum Gipfel gerichtet. Oben angekommen, hatten wir wie erhofft eine sehr gute Fernsicht. Wir konnten nicht nur tief ins Tal blicken, sondern auch in der Ferne die Adria erkennen. Mir verschlug es die Sprache.

    Es reicht, wenn man bis zum Kamm wandert, also auf eine Höhe von etwa 2.470 m. Will man höher hinaus, sollten die dort lauernden Gefahren nicht unterschätzt werden. Diese zeigen sich insbesondere beim Abstieg. Hier sollte man sich exakt an die Markierung halten und den einigermaßen fest getretenen Weg nicht verlassen. Ansonsten kann man auf den losen Geröllflächen schnell den Halt verlieren. Wir mussten mehrmals die Luft anhalten, weil Wanderer auf dem Geröll ins Rutschen kamen. Abschürfungen und Prellungen waren die Folge. Die in solchen Situationen immer wieder zu beobachtende große Hilfsbereitschaft unter Bergfreunden trug dazu bei, dass die entstandenen Blessuren gleich vor Ort behandelt werden konnten. Eine beruhigende Erfahrung. .

    Wir haben für den gesamten Abstieg sehr, sehr lange gebraucht. Denn auch dieser hatte es in sich. Dort, wo ich vorher die Hände zur Hilfe genommen hatte, musste ich mich mehrmals auf den Hosenboden setzen und mich cm für cm nach unten vorarbeiten. So kamen wir viel später als geplant am Fuße des Berges an. Wir hatten einen Mordshunger und machten uns gleich zur Grillhütte auf den Weg. Dort warteten schließlich Arrosticcinis auf uns.

    Der Monte Camicia ist mit dem Monte Tremoggia durch einen Höhenkamm verbunden. Es lohnt sich sicherlich, den Monte Tremoggia zu besteigen und dann über den Höhenzug den Monte Camicia zu erwandern. Die Aussicht dort stelle ich mir bei günstigen Wetterverhältnissen phantastisch vor. Rechts den Blick zur Adria und links die Kulisse des Campo Imperatore. Fazit: Ich muss noch einmal dort hin.
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