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  • Day 53

    Im Westen nichts Neues

    September 15, 2017 in Canada ⋅ ⛅ 7 °C

    Dieser alte Buch-/Filmtitel trifft dieses Jahr so gar nicht auf Kanada zu. Natürlich häufen sich in einem so grossen Land die positiven und negativen Ereignisse, sodass man von Ozean zu Ozean vieles sicher gar nicht mitbekommt. Zudem erblasst heuer in Kanada sowieso alles ein bisschen unter dem Glanz des 150-jährigen Jubiläums. Trotzdem kann man wohl behaupten, dass im Sommer die erschütterndsten Neuigkeiten aus British Columbia kamen. Vor allem im Cariboo District kämpft die Feuerwehr zusammen mit vielen Freiwilligen nämlich seit Wochen gegen die schlimmsten in dieser Provinz je gemessenen Waldbrände. Auch als wir vor einer Woche bei meiner Mutter Silvia und ihrem Lebenspartner Ueli in Lac La Hache ankamen, hing über grosse Distanzen hin Rauch wie Hochnebel erdrückend über den Wäldern. Die meisten Brände sind mittlerweile unter Kontrolle, doch das eine gigantische Feuer will sich einfach nicht bändigen lassen. Ganze Ortschaften mussten zeitweise evakuiert werden und viele Einwohner sind nach wie vor in Bereitschaft, ihr Zuhause erneut zu verlassen um vor den Flammen und dem Rauch zu flüchten.

    Doch fangen wir weiter vorne an. Seit dem letzten Bericht sind über drei Wochen vergangen, drei Städte und viele Berge, Seen und Flüsse haben wir in der Zwischenzeit erkundschaftet und gesehen.

    Kanadas Hauptstadt Ottawa ist etwa so gross wie Bern und verglichen mit Toronto genau so ruhig und gesittet. Sie überraschte uns dennoch mit ein paar eher ungewöhnlichen Veranstaltungen wie etwa einer öffentlichen Yoga-Stunde auf dem Rasen des Parliament Hills oder einer freakigen Lichtshow in einer Subway-Station, die kurz vor der Eröffnung stand. In guter Erinnerung halten werden wir sicher auch unseren warmherzigen Gastgeber im Airbnb, einen gebürtigen Venezolaner, der uns zum Frühstück mit Kaffee und einer Spezialität aus seinem Land überraschte. Alles in allem hätten wir gerne mehr Zeit in Ottawa verbracht, schon nach zwei Nächten sassen wir aber wieder im Greyhound Richtung Montreal.

    Wenn man durch Montréal schlendert merkt man sofort, dass dies eine der älteren Städte Kanadas ist. Immerhin feiert sie dieses Jahr ihren 375. Geburtstag. Das 150-jährige Bestehen Kanadas scheint da eher Nebensache zu sein.
    Die vielen alten Gebäude in Vieux Montréal konkurrieren auf imposante Weise mit den modernen Wolkenkratzern in Downtown. Auch kulturell bietet die Stadt viel Abwechslung. So kamen wir zum Beispiel in den Genuss eines Improtheaters und hätten am gleichen Abend auch ein Westernfestival oder eine poppige Modenschau besuchen können.
    Verbracht haben wir unsere Zeit in Montréal zuerst bei Bekannten von Anne-Claire. Nicole und Gilles leben in Laval, einer an die Metro angeschlossene Ortschaft gleich neben Montréal. Nicole und Gilles haben uns ein paar Tage lang kulinarisch verwöhnt und haben uns zusammen mit ihrer Tochter Cathrine die Stadt Montréal und ihre Geschichte etwas näher gebracht. Mit Gilles konnten wir auf dem Rivière des Mille Îles Kanu fahren und Cathrine war es schliesslich, von der wir einen Auftritt im Improtheater anschauen gingen. Es waren übrigens Schweizer (wohl französischsprachige) die das Improtheater vor ein paar Jahren nach Montréal gebracht haben, mittlerweile ist es dort aber viel grösser geworden als bei uns in der Schweiz.
    Nach vier Übernachtungen in Laval zog es uns schliesslich doch noch in Montréals Herz, wo wir drei weitere Nächte in einem Hostel wohnten. Unter anderem statteten wir der hiesigen Notre Dame einen Besuch ab, schlenderten wir durch interessante Museen oder den Botanischen Garten, bestiegen wir den mitten in der Stadt liegenden Mont-Royal oder liessen einfach die Stadt auf uns wirken. Ausserdem teilten wir in Montréal ein paar schöne und lustige Stunden mit Noe und Daniel, guten Freunden aus der Schweiz.

    Bekanntlich wimmelt es überall auf der Welt von Schweizern. Zwei Freundinnen von Anne-Claire trafen wir nämlich auch in Calgary, wo wir am 31. August mit dem Flugzeug ankamen. Das Hostel in Montréal mussten wir bereits um halb fünf Uhr morgens verlassen, um unseren Flug in die grösste Stadt der Provinz Alberta zu erwischen. So ruhig hatten wir Montréal vorher nie erlebt.
    Ziemlich müde und erschöpft von der Reise kamen wir gegen Mittag bei unserem Airbnb an, richteten uns kurz ein und machten uns dann zu Fuss auf den Weg nach Downtown. Unser Airbnb lag etwas ausserhalb des Stadtzentrums, war aber trotzdem in der Nähe von ein paar guten Restaurants. Und auch Downtown erreichten wir bei zügigem Marschtempo in etwa einer halben Stunde.
    Nach einem Abendessen und vielem Lachen mit Say und Natalie gingen wir an diesem Abend ziemlich früh zu Bett. Immerhin waren wir nach lokaler Zeit gerechnet schon seit ein Uhr morgens auf den Beinen.
    Calgary hat zwar über eine Million Einwohner, ist aber, zumindest verglichen mit Toronto und Montreal, eine gemächliche und überblickbare Stadt. Eine Stadt mitten in der Prärie halt, wo man den wilden Westen irgendwie noch ein bisschen spürt. Anne-Claire nannte sie deshalb kurzerhand "Bauernstadt".
    Das Nachtleben spielt sich vor allem an der 8th Avenue ab, ansonsten sind die Strassen eher leer. Calgary kann aber trotzdem mit ein paar schönen Parks, guten (und teilweise teuren) Restaurants und attraktiven Wohnquartieren auftrumpfen. Ganz gut gefallen hat uns auch ein Besuch im Fort Calgary, wo wir viel über die Geschichte der Stadt, der weltbekannten Mounties und über Kanada im allgemeinen lernen konnten. Für uns Europäer ist natürlich schon auch immer interessant, was man in Kanada unter Geschichte versteht; Fort Calgary wurde 1875 erbaut und bildete den Grundpfeiler für die Stadt. Vorher hatte es hier nichts gegeben, ausser vielen Bisons natürlich und hie und da einem Indianer (First Nation).

    Am 3. September holte uns meine Mutter Silvia in Calgary ab. Für die, die es noch nicht wissen: Meine Mutter lebt mit ihrem Lebenspartner Ueli seit zweieinhalb Jahren in Lac La Hache, einem kleinen Ort in British Columbia.
    Mit Silvia durchquerten wir vier Tage lang die Rocky Mountains, zusammen mit einer gefühlten Million anderer Touristen. Es war immer noch Hochsaison und die Kanadier hatten zudem ein "Long Weekend" und immer noch Ferien. Die Rockies sind zum Glück aber sehr weitläufig, sodass sich die ganze Menschenmenge doch einigermassen verteilte. Und die atemberaubenden Panoramen, die vielen Berge, die klaren Seen und die tobenden Wasserfälle machten sowieso alles wieder Wett. Nach vier Tagen in den Rockies hat man einen guten ersten Eindruck gewonnen, aushalten würde man es hier aber locker vier Wochen. Dann aber doch lieber etwas ausserhalb der Hochsaison.

    Nach den Rockies haben wir fast eine Woche bei Silvia und Ueli in Lac La Hache verbracht, wo mittlerweile auch wieder die Sonne scheint. Während unseres Aufenthalts im Hotel Mama hat es ein paar Mal geregnet. Der Rauch ist weggewaschen, schöne weisse Wolken zieren wieder den blauen Himmel und der wunderbare Ausblick auf den See kann wieder genossen werden.
    Auch Silvia und Ueli mussten im Juli für zweieinhalb Wochen ihr Zuhause verlassen und bei Freunden Zuflucht suchen, stets in Bange um ihr Hab und Gut. Umso mehr freuen sie sich jetzt darüber, dass die Welt wieder in Ordnung zu sein scheint.

    Vor zwei Tagen fuhren wir mit dem Greyhound von Lac La Hache nach Prince George. Dort nahmen wir gestern ein Mietauto entgegen für die Weiterreise. Prince George ist überhaupt keine Perle, dank des gemütlichen und etwas hippen Restaurants Nancy O's lohnt sich ein kurzer Besuch aber allemal.
    Seit gestern Abend sind wir nun in Smithers, einem kleinen, sehr beschaulichen Ort zwischen Prince George und Prince Rupert. Vor allem Smithers' Umgebung mit den vielen Wanderrouten gefällt uns sehr.

    Unser eigentliches Ziel ist die vergleichsweise noch ziemlich unberührte Insel Haida Gwaii. Eine Fähre wird uns am Sonntag dorthin und eine Woche später wieder zurück bringen.

    Mehr Bilder von unserer Reise: https://adobe.ly/2gZ7phH
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