• La Familia Boliviana

    November 17, 2024 in Bolivia ⋅ ☁️ 24 °C

    Sucre ist nicht nur die Hauptstadt, sondern auch das Sprachschul-Mekka Boliviens. Obwohl unser Spanisch mittlerweile ganz flott läuft, hapert es beim Geschichten erzählen in der Vergangenheitsform noch ordentlich. Also entscheiden wir uns, eine Weile in Sucre zu bleiben und tiefer ins Pasado einzutauchen.

    Carla ist nicht nur Teilzeit-Anwältin, sondern gleichzeitig auch unsere Lehrerin. In anwaltlicher Manier trichtert sie uns die vier Vergangenheitsformen und den Unterschied zwischen hablé, he hablado, hablaba und había hablado ein 🤯. Nach einer Woche rauchen uns die Köpfe und wir sind froh, dass Vini, der Chef der Sprachschule, übernimmt. Zwar weitaus chaotischer, aber etwas unterhaltsamer führt er uns durchs Futuro, Condicional und lehrt uns ein paar Fluchwörter – ja, weil wichtig!

    Vini mag uns so sehr, dass er kurzerhand eine Parrillada und eine vorgezogene Geburtstagsparty für Simi organisiert. Und was für eine! Es gibt saftiges Fleisch, frische Salate, Chnoblibrot und jede Menge Cervezas. Zum Abschluss tischt er noch einen Krug Fernet-Cola auf, dessen Geschmack auch als Mundspülung durchgehen könnte. Der Abend erinnert uns an einen lauen Sommerabend mit Freunden - und wir wünschten, er würde nie enden.

    Die zwei Wochen Sucre haben noch viel mehr zu bieten. Wir wohnen bei Silvia, einer warmherzigen Frau, die mit ihrem Sohn und zwei Hunden im Herzen der Stadt lebt. Ihre Herzlichkeit ist ansteckend und sie nimmt uns sofort in ihre Familie auf. Auch unsere kanadische Klassenkameradin Gaëlle ist Teil unserer Patchwork-Familie. Wir lernen sie am ersten Tag in der Schule kennen und sind von da an unzertrennlich. In der zweiten Woche zieht sie kurzerhand ebenfalls bei Silvia ein – ab diesem Moment wird sie offiziell zu unserer Hermana Boliviana.

    Die Zeit vergeht wie im Flug. Wir führen lange Gespräche am Küchentisch, trinken zusammen Singani (Boliviens Nationalgetränk) und Silvias Haushälterin Elli verwöhnt uns tagtäglich mit den grossartigsten Gerichten.

    Zum Abschied laden uns Silvia und ihr Freund Marcello zu einem Ausflug aufs Land ein. Dort zeigt uns Marcello voller Stolz sein 200 Jahre altes Haus. Er führt uns über das riesiges Grundstück und stellt uns jeden Baum, jede Pflanze und jedes Feld einzeln vor. Irgendwo zwischen Kartoffeln und Obstbäumen denken wir: Was für ein einfaches, aber reiches Leben, in dem uralte Bäume und deren Früchte der ganze Stolz sind.

    Es fällt uns schwer, von Sucre Abschied zu nehmen. Immerhin können wir jetzt im Condicional sagen, dass wir am liebsten nie gehen würden… Und sollte irgendjemand widersprechen, sagen wir ab sofort einfach: „Callate, perra“ 🤫.
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