• 03 Felsnasen und eine Halbmondstadt

    April 2 in Italy ⋅ ☀️ 16 °C

    Als wir aufstehen: Es ist ein tiefbewölkter Himmel und feiner Nieselregen macht alles wieder nass.

    Wir wollen heute die nordwestliche Küste Siziliens entlang zu den noch urigen Fischerdörfern fahren. Egal, vielleicht kommt die Sonne noch. Und sie kam. Direkt nach dem Losfahren. Superschöne Wolken schmücken den tiefblauen Himmel. Die fotografierten Bilder in Andrea’s Kamera sehen so unnatürlich knallig aus, dass sie erstmal die Einstellungen gecheckt hat. Aber alles war okay. Ein wunderschöner warmer Tag liegt vor uns.

    Die Parkplätze kosten noch kein Geld und sind leer, aber so langsam bereitet sich Sizilien auf den Tourismus vor. Stühle werden weiß gestrichen, der Schmutz des Winters von Sonnenschirmen gewischt. Ein Riesenrad wird abgetrocknet.

    Auf dem Programm stehen Porticello, Sant’Elia, Aspra und Cefalu. Die Felsnasen gibts in den ersten beiden Dörfern. Damit sind schmale Felsvorsprünge gemeint, auf denen bunte Häuser stehen und einfach nur schön aussehen - auch wenn sie schon sehr alt sind.

    Am schönsten finden wir am Ende des Tages Sant'Elia. Es ist der faszinierendste Ortsteil von Santa Flavia, liegt direkt am Meer und alleine das ist natürlich schon einen Blick wert. Aber man sollte etwas genauer hinschauen, denn eines der Geheimnisse ist ein wenig verborgen, öffnet sich dann aber dem staunenden Betrachter in voller Schönheit - eine felsige Bucht mitten im Ort, umgeben von alten Häusern und Balkonen, die über dem Meer schweben.

    An einem kleinen Strand liegen orange-blau gestrichene Fischerboote und in der Mitte der Bucht kann man über eine Treppe ins Wasser steigen. Ein Kreuz auf dem Felsen am Ende des Meeresarmes ist ein bei den Sizilianern beliebter Platz, um Heiratsanträge zu machen.

    Ein weiteres Geheimnis liegt hinter den Wänden eines alten Hauses verborgen, das fast mitten im Meer steht - das "Casa Bianca" (Weißes Haus) am Ende des Dorfstrandes. Ein Sehnsuchtsort, der sicherlich viele Male am Tag erzählt bekommt, wie gerne man dort leben würde - mit den Füßen im Meer und dem Kopf in den Wolken. Aber das Haus birgt dunkle Familiengeheimnisse, zumindest wenn man der Autorin Stefanie Gerstenberger glauben möchte. In ihrem Roman "Das Limonenhaus" weht der Duft von Zitronen durch die Räume, aber es lastet auch ein Geheimnis darauf, das auf einer alten sizilianischen Tradition beruht, die hier natürlich nicht weiter verraten wird...

    Das schöne Porticello ist ein Ortsteil von Santa Flavia. So jedenfalls sieht es organisatorisch aus. Die Bürger von Porticello sehen das allerdings anders. Schließlich gab es Porticello lange vor den Filangeri. Damals kamen Bewohner des heissen Landesinneren zum Fischen hierher. Hier gab es einen natürlichen Hafen und Tuffstein-Höhlen, in denen man wohnen konnte. Der Name Porticello stammt aus dieser Zeit: Er bedeutet "kleiner Hafen".

    Nach und nach entschieden sich mehr und mehr Fischer zu bleiben. Die Höhlen wurden zu Häusern und aus dem kleinen Naturhafen ist der zweitgrößte Fischereihafen Siziliens geworden. Es wundert also nicht, daß er heute der Lebensmittelpunkt Porticellos ist.

    Zur Mittagszeit gehts dann in Richtung Osten an der Küste entlang nach Cefalu, in die hübsche Altstadt, die sich zwischen dem Rocca di Cefalù, der fast an die 300 Meter hoch ist, und dem Meer hineinschmiegt. Vor der Stadt eine lange gebogene Bucht mit Sandstränden, dahinter die Berge der Madonie. Alles zusammen bildet übrigens einen perfekten Halbmondkreis ab.

    Cefalù, das leitet sich aus dem Griechischen ab: Kephaloidion (von Kephalos – der Kopf) nannten die Griechen die antike Siedlung, die sich damals noch hoch oben auf dem Felsen befand.

    Normannenkönig Roger II., der hier mit seinen Mannen landete, verlegte die Stadt dann hinunter an den Fuß des Berges. Nach seiner Krönung 1131 stiftete er der Stadt die heute noch mächtig daliegende Kathedrale. Damals, im 12. Jahrhundert, erlebte die kleine Stadt im Norden Siziliens auch ihre Blütezeit.

    Trotz ihrer heutigen beachtlichen Tourismuskarriere ist die Stadt irgendwie sie selbst geblieben – und wenn man durch die Gässchen schlendert, sieht man auch, dass hier nach wie vor Alltag gelebt wird. Da fährt ein kleines Auto, vollgeladen mit Obst und Gemüse durch die Gassen, hält vor den Häusern und schon werden da und dort kleine Körbe aus den Fenstern herabgeseilt und vom fahrenden Händler befüllt. Aber auch auf der Straße wird mit ihm gehandelt und gefeilscht. Bis er den Motor wieder anwirft und um`s Eck in die nächste Gasse verschwindet.

    Ein schöner Tag endet am Abend in einer familiären Trattoria in Bargheria. Wir genießen den frischen Fisch. Und einen beerenroten sizilianischen Rotwein.
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