• KZ Rotes Kreuz - Serbien in der NS-Zeit

    August 6 in Serbia ⋅ ☀️ 32 °C

    Das KZ Rotes Kreuz (serbisch Crveni Krst) in Niš war unser erster Kontakt mit der Geschichte Serbiens während der NS-Zeit. Der Gebäudekomplex liegt im gleichnamigen Stadtteil und diente schon vor dem Krieg als Lagerhaus und Kaserne. Ab Oktober 1941 nutzte die deutsche Gestapo das Gelände als Internierungs- und Hinrichtungslager mit Mauern und Wachtürmen. Zwischen 1941 und 1944 waren hier rund 30 000 bis 35 000 Menschen inhaftiert.

    Im Frühjahr 1941 trat die jugoslawische Regierung unter starkem deutschen Druck dem Dreimächtepakt bei, in der Hoffnung, so den Frieden zu wahren. Zwei Tage später stürzte ein Militärputsch, begleitet von Massenprotesten in Belgrad, die Regierung. Für Hitler war das eine Provokation — er sah die Gefahr, dass Jugoslawien sich der Achse entziehe — und ließ das Land militärisch zerschlagen. Anfang April begann der deutsche Angriff, unterstützt von Italien, Ungarn und Bulgarien. Nach wenigen Tagen stand Jugoslawien unter deutscher Militärverwaltung.

    Die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung begann sofort. Bereits im Herbst 1941 wurden jüdische Männer verhaftet und erschossen. Frauen, Kinder und ältere Männer kamen ins Lager Sajmište bei Belgrad, wo sie Anfang 1942 mit Gaswagen ermordet wurden. Im Mai 1942 erklärten die Deutschen Serbien als „judenfrei“. Damit war hier die Vernichtung besonders schnell und vollständig — etwa 16 000 jüdische Bewohner Serbiens wurden ermordet, das entspricht über 90 % der jüdischen Community im besetzten Gebiet.

    Im Spätsommer 1941 kam es zu einem Aufstand der Partisanen (Widerstandsgruppen), bei dem deutsche Soldaten getötet und verwundet wurden. Die Besatzungsmacht reagierte mit einer besonders harten Vergeltungspolitik. Für jeden getöteten deutschen Soldaten sollten 100 serbische Zivilisten erschossen werden, für jeden Verwundeten 50. Diese Regel wurde in Serbien besonders konsequent umgesetzt. Viele Gefangene im KZ Rotes Kreuz waren Geiseln, die zur Erfüllung dieser Quoten dienten. Ein erheblicher Teil wurde später auf dem Bubanj-Hügel erschossen, wo insgesamt über 10 000 Menschen starben.

    Das Lager war eines der ersten seiner Art im besetzten Jugoslawien. Neben den deutschen Behörden beteiligten sich auch die kollaborierende Regierung unter Milan Nedić und lokale Polizeieinheiten an Festnahmen. Diese Zusammenarbeit führte dazu, dass Verhaftungen oft schnell und ohne gerichtliche Verfahren erfolgten, wodurch sich das KZ Rotes Kreuz in kurzer Zeit mit Gefangenen aus Niš und der umliegenden Region füllte.

    Am 12. Februar 1942 gelang eine der frühesten und erfolgreichsten Massenfluchten aus einem NS-Lager. Über Wochen hatten Gefangene Fluchtpläne geschmiedet, Werkzeuge versteckt und Wachen beobachtet. Schließlich versuchten 147 Häftlinge gleichzeitig zu entkommen – etwa ein Drittel der damals im Lager Inhaftierten. 105 von ihnen entkamen tatsächlich, was die Aktion zu einer der erfolgreichsten Fluchten der NS-Zeit macht. Die Vergeltung folgte sofort: Rund 1 100 Menschen – darunter auch Geiseln aus der Umgebung – wurden erschossen. Bis heute erinnert Niš jedes Jahr am 12. Februar mit einer offiziellen Veranstaltung im Memorialkomplex an die Flucht.

    Heute sind Mauern und Wachtürme des Lagers noch erhalten, die Innenräume jedoch leer, abgesehen von Tafeln, die die Geschichte dokumentieren. Der Besuch lässt sich mit dem Bubanj-Gedenkpark verbinden, wo das monumentale „Drei Fäuste“-Denkmal an die Ermordeten erinnert. Das KZ Rotes Kreuz ist eines der wenigen baulich weitgehend erhaltenen NS-Lager in Südosteuropa.

    Es ist ein nüchterner, stiller Ort, an dem sich ein zentrales Kapitel der NS-Besatzung in Serbien verdichtet. Er macht deutlich, dass die Gewalt nicht nur organisierten Widerstandskämpfern galt, sondern auch zufällig ausgewählten Menschen, die Teil einer Politik der kollektiven Bestrafung wurden.
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