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  • Day 107

    Von Familienzuwachs und Spülmaschinen

    May 3, 2018 in Colombia ⋅ ⛅ 40 °C

    Nachdem unser Lieblingsmensch Lea sich nach zwei Tagen wieder auf den Heimweg gemacht hat - zumindest hat sie das gesagt - machen wir uns auf den Weg nach Mendihuaca - was wie sich herausstellt ein Fluss und gar kein Dorf ist - und lernen dort endlich die überaus entzückende und energiegeladene Monica kennen, ihres Zeichens aktuelle Freundin meines kleinen Bruders Tobi und somit Familie in Spe. Moni betreibt ein Hostel samt Surf-Schule am Ende des Tayrona Nationalparks. Auch wenn ich mit Kahlkopf und Wampe wenig mit einem stereotypischen Surfer-Boy gemein habe, lassen wir uns unter Ausschluss der Öffentlichkeit - wer geht schon um 08:00 zum Strand? - von Moni in die Basics des Surfens einführen. Kurze Materialkunde, das Meer und die Natur lesen, eindehnen, schnelles Paddeln im seichten Wasser ohne vom Brett zu fallen und last but not least blitzschnelles Aufstehen. So weit so gut, das scheint machbar. Wobei, aufstehen ohne Kaffee oder Coca-Tee war noch nie meine Stärke und auf dem Surfboard haben kompaktere Menschen eindeutig einen Vorteil. Dieser entpuppt sich beim „Einwassern“ allerdings als rigoroses Handycap. Hat man aufgrund der vorherrschenden Wellenbrechungslinien und Impact-Zone die richtige Stelle seitlich des White-Waters lokalisiert, wird mit dem Board über Kopf ins Meer und durch die einfallenden Wellen gestampft. Kurz bevor man den Boden unter den Füssen verliert, schwingt man sich aufs Board und paddelt mit aller Kraft und bis zur totalen Erschöpfung. Also etwa zwölf Sekunden. Im besten Fall hat man zu diesem Zeitpunkt die Spülmaschinen-Todeszone bereits hinter sich. Bei Sue war das nicht immer so. Arme Sue. Wobei ich fand, sie sah auch mit sandig-zerzausten Haaren noch zum Anbeissen aus.

    Dem aufmerksamen Leser - und Kurt - ist sicherlich bereits bildlich klar geworden, dass einem teutonischen Brocken wie mir diese erste Phase weit weniger Mühe bereitet, als den kürzeren Menschen unter uns. So bewirkt mein erstes beherztes und äusserst selbstbewusstes Einwassern denn auch eine Mischung aus Gelächter und Staunen. Mein zügiges und zielgerichtetes Marschieren und Wellenbrechen zeichnete eine eindrückliche Schneise ins Meer, wie man dies sonst nur von modernen und unkaputtbaren Containerschiffen kennt. Ich werte die Reaktionen trotz einer gewissen Verunsicherung aufgrund des Lachens - die ich mir natürlich nicht anmerken lasse - schlussendlich als Sieg. Keiner ist schneller im Wasser als ich. Yay! Es sollte aber der letzte Punkt bleiben, den ich an diesem Tag erzielen werde. Zwar erwischt man ab und zu eine der deutlich grösser als erwarteten Wellen und in einem Fall könnte man mit ein wenig Fantasie sogar von „Stehen“ sprechen, aber in den meisten Fällen wird man nach einigen Versuchen dank Strömung und Wellen samt Brett wieder an den Strand gespült. Das Lycra nicht selten bis über die Nippel hochgekrempelt und die zerkratzte und sandige Wampe wenig vorteilhaft entblösst. Trotz einigen spassigen Body- und Knee-Boarding Sequenzen, die allerdings gleich eindrucksvoll wie eben erwähnt enden, packt uns das oft gehörte Surf-Fieber noch nicht so richtig. Nachdem sich Sue dann auch noch schmerzhaft das Knie verdreht und eine neue Art des „Rückwärts-Surfens“ erfindet und ich mir den Fuss an ein paar schroffen Steinen aufschlage, legen wir die Pro-Surfer Karriere nach insgesamt vier kräftezehrenden Stunden vorerst auf Eis. Vorerst. Wir (und mein Ego) sind ja noch ein paar Tage hier.

    In jedem Fall steht uns Moni und ihr Team ja auch noch zur Seite. Sowohl die Tage wie auch die Abende haben einen hohen Unterhaltungsfaktor in diesem ziemlich einfachen aber sehr gemütlichen Hostel. Da hat der Tobi ein wirklich cooles Girl gefunden, die in Wirklichkeit noch viel hübscher und aufgestellter ist, als dies Fotos bereits vermuten liessen. Sue ergänzt, dass Moni der Typ Frau ist, der zwar mega hübsch ist, aber mit dem man (bzw. Frau) auch mega gerne zusammen ist. Keine Ahnung was sie damit meint, ist wohl so ein Mädchen-Ding. Erfreut ob dieser gross-brüderlichen sowie unverständlich-weiblichen Zustimmung, wusste sich dann auch der liebe Tobi nicht mehr mit Komplimenten per WhatsApp zurückzuhalten. Sue sähe einfach fantastisch aus und sei ja wirklich parat, auch mit Kniebinde. Äh, absolut. Finde ich natürlich auch! Und ich wäre ja fit wie noch nie und hätte fast ein Sixpack. Hm, ok, „fast“ lässt natürlich einigen Spielraum und kann durchaus Ausdruck für diese über Facetime scheinbar visuell ansprechend wirkende Anordnung von Fettröllchen sein. Aufgestellt hat uns das Feedback nach der immer noch sicht- und spürbaren Galapagos-Völlerei natürlich schon. Und so gab es zum Lunch neben den geplanten Früchten prompt noch Grilliertes mit Frittiertem am Strand. Danke Tobi. Wir verbringen also einen ganzen Lazaret-Tag am Strand und tun nichts. Gar nichts. Nicht so die mit Moskitos identisch überflüssigen Sand-Fliegen. Die können gar nicht aufhören mit ihrem verdammten Getue. Gut möglich, dass Hämorrhoiden bald auf Platz drei zurückfallen. Aber noch ist das letzte Fläschli Anti-Brumm nicht leer und der Krieg somit noch nicht verloren. Noch.

    Nach einem heissen Hiking- und Beach-Day im Nationalpark - dessen Strände übrigens ganz ohne die primitiven Sand-Fliegen auskommen, was den hohen Eintrittspreis zumindest teilweise rechtfertigt - bleiben uns noch anderthalb Tage in Moni‘s Surf-House. Und natürlich mussten wir nochmal aufs Board. Dieses wie ein Wal an den Strand gespült werden kann es ja nicht gewesen sein. Nach ein paar weiteren lächerlichen Versuchen und etwa zwei Liter Meerwasser in den Lungen war es dann so weit. Wir stehen tatsächlich auf dem Board, im Wasser, getrieben von einer Welle. Was wie surfen aussieht (schau Fotos), fühlt sich auch wie surfen an. Irgendwie schon geil. Jeweils nur für ein paar Sekunden, aber das Gefühl macht durchaus Lust auf mehr. Surf-Mama und Schwägerin in Spe Moni gefiel es auch. Hat sie uns ja auch schön beigebracht. Aber auch mit diesem kleinen Achtungserfolg sind sich die schöne und oft sandig-zerzauste Sue und ich ziemlich sicher, dass wir keine Pro-Surfer werden. Wie damals beim Eisklettern in Adelboden. Irgendwie schon cool aber ein Fieber bricht nicht aus. Bezüglich der äusserst schwachen Aufwand/Ertrags-Bilanz, wurde ich denn auch ständig an „Powder-Gögi“ aus unserer Jugend erinnert. Schon damals konnte ich nicht wirklich nachvollziehen, wie man mit Snowboard im Tiefschnee neunzig Minuten den Berg hinauf oder einen Grat entlang laufen kann, nur um vier Sekunden und zwei gefahrene Bogen später, wieder auf der Piste neben mir zu stehen. Das „Powder-Feeling“ sei einfach „unbeschreiblich und jeden Aufwand wert“. Die Kaugummi-Buebe aus Medellin würden dem ziemlich sicher zustimmen. Ich für meinen Teil habs früher schon nicht verstanden und ordne Surfen irgendwie an ähnlicher Stelle ein. Trotzdem, eines der Poser-Pics hänge ich mir ziemlich sicher ins neue Büro. Irgendwann.
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