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  • Day 269

    Showdown am Schicksalsberg

    October 12, 2018 in New Zealand ⋅ 🌧 10 °C

    Neuseeland ist schön. Sehr sehr schön. Also wirklich schön. Es erinnert irgendwie an die Schweiz. Einfach ein wenig wilder. Und grösser. Und die haben hier ja auch mehr. Mehr Meer. Und die haben hier die Glow Worm Cave - eine einzigartige und faszinierende Höhle bei Waitomo. Darin zu finden, eine ausschliesslich hier lebende Art von Glühwürmchen. Also Würmchen, von denen eines irgendwann aufgrund einer Laune der Natur einen leuchtenden Arsch bekommen hat, was sich als hilfreich erwiesen hat, um im Dunkeln allerlei verzehrbares Gefleuch anzuziehen und mit seinem klebrigen Faden zu fangen. Heute bilden hunderttausende dieser leuchtenden Dinger einen atemberaubenden Sternenhimmel in diesem weit verzweigten Höhlensystem. Und die Kiwis haben ausserdem allerlei geothermische Attraktionen, deren penetranter Schwefelgeruch an die Feuerwerk-Sessions mit Fönz und Robin anlässlich der legendären The Pool Party zum 1. August erinnert. Das waren noch Zeiten. Lange her. Noch etwas länger her, soll das Leben ja bei solch ungemütlichen geothermischen Konditionen seinen Anfang gefunden haben. Als aus Anorganischem Organisches wurde. Und schwups gab es Würmchen mit leuchtendem Arsch und dann uns. Lustige Natur.

    Neben der Natur sind auch Kiwis ganz lustig. Gegessen haben wir auch schon welche, wobei der aufgedrehte Neuseeländer bei unserem ersten Wein- und Schnaps-Tasting meint, dass man wenn überhaupt „kiwi fruits“ essen würde und keine Kiwis wie ihn. Obwohl weder geistreich noch wirklich lustig, lache ich. Gibt hier schliesslich Gratis-Schnaps.

    Da Neuseeland wie wir Alpen hat, will ich da natürlich auch hoch. Wenn ich schon über ein Jahr keine Cervelats zu futtern kriege, dann will ich wenigstens Schnee. Da bietet sich das Tongariro Alpine Crossing bei Taupo natürlich an. Ein zwanzig Kilometer langer Hike über einen Pass mit viel Schnee und bei gutem Wetter Sicht auf den „Schicksalsberg“ aka Mount Doom. Der Vulkan markiert bei Herr der Ringe das grosse Ziel Frodos, wo der verdammte Ring zu guter Letzt zerstört werden kann. Im echten Leben parkiert man im Ziel und organisiert sich eine Mitfahrgelegenheit zum Start auf der anderen Seite des Berges oder bezahlt wahnwitzige fünfunddreissig Dollar pro Person für eines der offiziellen Shuttles. Vor einer Woche ist allerdings ein Mann auf dem Pass erfroren, da eine Vierergruppe los ist, obwohl die geführten Touren und sämtliche Shuttles aufgrund der Witterung dicht gemacht hatten. Sue is not amused. Unsere Wettervorhersage für den Folgetag ist nicht schlecht. Aber auch nicht eitel Sonnenschein. Auf der Spitze minus zehn Grad - arschkalt eben - und ordentlich Wind. Morgends auf dem Parkplatz dann viele ratlose Gesichter. Der eine Shuttle-Anbieter fährt, der andere nicht. Nicht perfekt aber gut genug. Finde ich. Sue nicht. Während ich mich ins „Let’s fucking go!“-Lager stelle, schleicht Sue zur „Ich will nicht sterben“-Fraktion. Nach einigen Minuten offerieren uns Andrew und Sarah aus Kanada - deren gebuchtes Shuttle eben nicht fährt -, uns zum Start mitzunehmen, da Sarah entschieden hat, den Berg heute nicht zu erklimmen. Klasse! Die gesparten siebzig Dollar überzeugen dann auch Sue. Irgendwie. So oder so, es geht endlich los.

    Ob es kalt war? Definitiv. Gemütlich? Sicher nicht. Hatten wir Spass? Natürlich! Unterwegs freunden wir uns noch mit den alemannischen Schnellwanderern Iris und Tilo an und entgegen Sue‘s innerer Vorahnung, haben alle den Hike nach einigen Stunden überraschend unbeschadet überstanden. Aus lauter Erleichterung und um das Gute, das wir am Morgen selber erfahren durften, weiterzugeben, fahren wir unsere neuen Freunde im Anschluss zurück zum Start, wo sie ihr Auto hatten stehen lassen. Total lieb und harmonisch eben. Der Blick auf den Schicksalsberg blieb uns aber trotz der ganzen Nächstenliebe verwehrt - scheiss Wetter - und der Ring wurde somit nicht zerstört. Wohl sehr zur Freude von Gollum aka Sue. Die Jagd geht also weiter.

    Nach einem weiteren Rafting-Abenteuer war es das schon wieder mit der wunderschönen Nordinsel und wir befahren in Wellington die Fähre zur vom Hörensagen her mindestens so schönen Südinsel. Sue ist zum Glück auch wieder total schön. Bin selbst erstaunt über das Selbstverständnis meines zu ihr Haltens, trotz der durch und durch unvorteilhaften äusserlichen Veränderung. Das muss Liebe sein. Oder Verzweiflung. Mal schauen ...
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