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  • Day 501

    Das Fazit. Dann ist Schluss.

    June 1, 2019 in Switzerland ⋅ ☀️ 20 °C

    Sooo, einen hab ich noch. Also wir. Bevor sämtliche Erinnerungen der vergangenen sechzehn Monate dem sommerlichen Alkoholkonsum zum Opfer fallen, wollen die schöne Sue und ich doch noch ein letztes Mal retrospektieren. Ein Fazit ziehen. Quasi das Schlussbouquet nach drei Wochen Schweiz. Und wie es sich für total wichtige Influencer wie uns gehört, einfach alle nochmals wissen lassen, was für eine unfassbar geile Zeit wir hatten. Meistens zumindest. Das dürften auch die lustigen Portrait-Timeshutter beweisen. Oder auch nicht. Egal. Was waren also die spirituellsten High- und die schlimmsten Lowlights, die grössten Learnings und die hellsten Erleuchtungen, die scheusslichsten Speisen oder die irrelevantesten Statistiken? Letzteres sind definitiv die 396 Weine, die wir auf einer Strecke von 0,4x zum Mond degustiert und wovon wir nur die Maulbeer-Pisse in Vietnam nicht ausgetrunken haben. Aber schön der Reihe nach …

    Die einfachste Erkenntnis - und wohl die grösste Überraschung für alle initialen Zweifler meiner Reise- und Anpassungsfähigkeit - ist schnell formuliert: Eine Auszeit nehmen und die Welt bereisen ist viel einfacher, als man und Frau denkt! Selbst mit Nachwuchs ist solch ein Abenteuer problemlos machbar, wie uns unzählige Familien mit teils übertrieben kleinen Kindern während der Reise bewiesen haben. Das vorübergehende Ausscheren aus der Komfortzone und das gefühlte “Verlieren” von so unendlich wichtigen Dingen wie einem Einkommen, einer Wohnung oder einem Auto sind unfassbar kurz. Die Komfortzone stellt sich bei Gewohnheitstieren wie uns Menschen innert kürzester Zeit wieder ein und anders als bei der Rauchentwöhnung, ist nicht nur der effektive Entzug nach wenigen Tagen überstanden, sondern man gewöhnt sich auch genauso schnell an den neu gewonnenen Minimalismus. Nichts ausser einem Rucksack zu haben, ist absolut befreiend! Vor allem wenn eine furchtbar dicke Kreditkarte drinsteckt. 

    Natürlich ist die gewonnene Freiheit nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist noch viel geiler. Es sind all die Dinge, für die man sich nun Zeit nimmt und die man erlebt. Alleine, zu zweit oder als Gruppe. Länder, Kulturen und Menschen die man entdeckt. Also keine unentdeckten Urvölker mit Pfeil und Bogen, die noch nie Kontakt zu Menschen hatten. Die sind gefährlich. Aber sonst so Menschen, die erfrischend anders sind und denen man in der Schweiz oder in den Ferien wohl nie begegnen würde. Und man tut auch all die Dinge, die man eigentlich nie tun wollte. Ich meine jetzt nicht den in diversen Posts verarbeiteten Pärchen-Scheiss oder all die anderen perversen Dinge, die dem abgelenkten Leser nun durch den Kopf schiessen. Nein, ich rede vom Tauchen mit Haien und in Höhlen, auf dem Arsch einen aktiven Vulkan hinunterrutschen, mit Kerze und Badehose bewaffnet durch überflutete Höhlen hetzen oder im Stehen in ein Loch kacken. Grässliche Dinge eben, die dann entweder doch nicht so grässlich sind oder einen unerwartet stark faszinieren und total Spass machen. Genau, wie das mit dem Loch.

    Leider kommen auch wir neben der Brechreiz-Geschichte mit dem Loch nicht um diesen einen Brechreiz verursachenden Quacksalber-Satz herum. Aber “es gibt einfach viel zu viele Highlights, als dass wir sie alle in nützlicher Frist oder noch in diesem Leben aufzählen könnten”. *Kotz*. Aber es stimmt. Leider. Oder auch nicht. Wir können ganz einfach keines der 20’000 geschossenen Fotos oder der 2’000 gedrehten Videos anschauen, ohne uns an eines dieser Highlights zu erinnern. Und damit sich dies auch in den nächsten fünfzig Jahren und mit fortschreitender Verblödung nicht ändert, umfasst unser nun abgeschlossenes Tagebuch neben einer hart umkämpften Auswahl von Fotos und Videos auch stolze 100’000 Wörter. Aber genug vom blumigen Brechreiz. Wenn wir als unerwünschte Inspiration trotzdem einzelne Orte oder Länder zuoberst oder zuunterst auf eine imaginäre und völlig sinnlose Liste setzen müssten, sähe das wie folgt aus: Die Destination mit der grössten Wow-Dichte? Die Galapagos-Inseln. Die Länder mit dem grössten Überraschungspotenzial? Pablo’s Kolumbien und der islamische Iran im positiven Sinne, shity Aserbaidschan im negativen. Das schlimmste Erlebnis? Für mich der erste von zwei und den gesamten Mundbereich ausfüllende Zahnersatz in Panama, für Sue die eingesperrten oder bereits ausgenommenen Hunde und Katzen auf dem Fleischmarkt in Yangshuo, China. Aber beim Vergessen der Lowlights hilft zum Glück das selektive Gedächtnis, das wir den liebenswerten Kolumbianern abgeschaut haben. Ausser das mit dem Loch. Da scheint ein Vergessen eher schwierig.

    Genossen … ähh, gegessen haben wir die Hunde und Katzen sowieso nicht. Zumindest nicht bewusst. Auf dem Teller landete meistens das, was uns schon mehr oder minder bekannt war und davon nicht selten reichlich. Ab und zu wurden wir von einem stinkenden Schafbock überrascht, doch wie so vieles, haben wir auch das überlebt. Verdammtes Aserbaidschan. Die durchschnittlichen 2,5 Tage im selben Bett und somit 184 Mal Packen haben uns in erster Linie Offenheit und die Freude am Minimalismus gelehrt. Und das sind auch die Dinge, die wir um jeden Preis in unser altes, neues Leben mitnehmen wollen. Uns, unserem Umfeld und unserem Planeten zu liebe. Natürlich gehört auch das bereits mehrfach erwähnte Geburtsglück zu den erleuchtenden Erkenntnissen. Diesbezüglicher Stolz in irgendeiner Form sind aber gänzlich unangebracht. Stolz kann man auf Dinge sein, die man erreicht hat. Für die man gearbeitet und gekämpft hat und die einen nachweislich positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft haben. Nackt, hilflos und ausgesprochen hässlich an einem bestimmten Ort geboren worden zu sein, gehört definitiv nicht in diese Kategorie. Aber genug geschwafelt, schliesslich zählen weder Gedanken noch Worte wirklich. Das tun einzig Taten. Auf die darf man stolz sein. Und das gilt auch fürs Loch.

    Auf was wir uns aber auch nach stundenlanger Überlegung keinen Reim machen können, ist die äusserst mysteriöse “55er”-Korrelation. Also nicht die 55-Stunden-Bar der Heuröpfler, die macht total Sinn. Aber während den 150’000 zurückgelegten Kilometern in 56 Flug- und 127 Landfahrzeugen - vom alten, amerikanischen und mit 20 Marktverkäufern und 30 Hühnern geteilten Schulbus in El Salvador, über die für 12 Personen zugelassenen und mit 25 Personen gefüllten Minibusse in … hm, fast überall auf der Welt, zu umgebauten, indischen und frontscheibenlosen Offroad-Lastwagen in Afrika, bis hin zu Luxus-Reisecars mit Schlafsitzen und Porno-Beleuchtung in Argentinien - haben wir im Schnitt alle 55 Tage Pinguine gesehen, alle 55 Tage gestritten und alle 55 Tage etwas verloren. Da muss es einen Zusammenhang geben! Klauende Pinguine, die von der geflügelfreundlichen Sue unterschwellig, aber kategorisch und gegen mein Bauchgefühl in Schutz genommen wurden und so unbemerkt einen Keil zwischen uns trieben? Oder ein Universum, das uns nach dem unnötig schludrigen verhühnern meist wertloser Gegenstände und dem daraus entstandenen gegenseitigen Unmut übertrieben süsse Frackträger zur Versöhnung schickte? Ich hab keine Ahnung. Sue auch nicht. Drum lassen wir das jetzt. Wie das mit dem Loch.

    Doch was ist nun unser Fazit? Oder was wäre die Antwort auf die Frage, ob wir so eine Reise nochmals unternehmen und jedem empfehlen würden? Sue? Logo. Pasci? Hm, jup.

    Es grüssen zum letzten Mal von dieser Reise,
    die schöne Sue & … Pasci

    *** WICHTIGER “freiwilliger” Nachtrag ***

    Zu allerletzt im allerletzten Post möchte ich dem allerersten Marc noch sagen, dass ich mich - entgegen der in einem Fall offensichtlich falsch verstandenen Darstellung in meinem Brief an Greta - unendlich über den Besuch in Melbourne gefreut habe. Und das bisschen CO2 für den kurzen Flug nach Australien und zurück habe ich heute früh via South Pole sauber erledigt. Die verursachten 6 Tonnen CO2 werden nun von einem Projekt in Thailand kompensiert, welches Methan aus dem Abwasser einer Stärkefabrik sammelt und so nachhaltige Energie erzeugt. Soo wichtig ist mir der Marc. Und die Umwelt.

    *** Mein Dad hätte mich sonst enterbt ***
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