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  • Day 18

    Cusco I

    November 19, 2016 in Peru ⋅ ⛅ 14 °C

    Am Morgen nahmen wir einen der regionalen Busse nach Cusco. Erst etwas später sollten wir erfahren, dass die Busgesellschaft vom deutschen Konsulat in Cusco wegen der unfallgefahr nicht mehr empfohlen wird. Wobei das auch dramatischer klingt, als es in der Realität ist. Solche Warnungen werden verhältnismäßig früh herausgegeben und wir haben uns im Vorfeld erkundigt und die beste unter den nicht-touristen Linien ausgewählt. Uns war wichtig, dass wir am Tag fahren konnten und so blieb uns keine andere Möglichkeit. Wir hatten uns Plätze in der ersten Reihe ausgesucht, nur um im Bus festzustellen, dass direkt vor uns ein Vorhang und neben uns nur ein kleiner Lichtspalt war. Ich versuchte also mit meinem diletantischen Spanisch irgendwas zu organisieren und entweder mein Spanisch war doch nicht so schlecht oder aber sie hatten einfach Mitleid mit uns. Wir bekamen andere Plätze. Kurz nachdem wir losgefahren waren stand ein Mann im Anzug auf und begann zu predigen. Kurz darauf ging er durch die Reihen und verkaufte alternativmedizinische Tinkturen und Salben. Wenn der Bus anhielt, stiegen Händler ein und boten Getränke, Obst oder Essen an. Kurz vor Cusco warf mir eine ältere Fraue einen Plastikeutel mit Fleisch auf den Schoß, den ich dankend ablehnte.
    Mit uns zusammen reisten ausschließlich Einheimische, darunter auch einige Kinder, die die 10-stündige Fahrt bemerkenswert gut durchhielten. Die Filmauswahl war an diesen Umstand nicht angepasst. Neben einem ziemlich blutigen Kampfsportfilm lief auch noch eine Zusammenstellung von Corrida-Unfällen, bei denen die Torreros teilweise ziemlich ernsthaft auf die Hörner genommen wurden. Nicht, dass ich da überschwengliches Mitleid hätte, aber vermutlich hätte das bei uns die „Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft“ kassiert.
    Die Landschaft wurde, wie es wir uns erhofft hatten, tätschlich immer grüner und irgendwann war das Wüstenambiente durch eine Landschaft ersetzt, die ein wenig an nordische Landschaften, nur mit weniger Bäumen erinnerte.
    Als wir nachts in unserem Hostel ankamen, stellten wir fest, dass die komplette zuführende Straße aufgerissen war unser erster Eindruck war also zunächst etwas düster. Dafür war unsere Hauswirtin sehr nett und aufgeschlossen und das Hostelzimmer etwas ramschig, aber wohnlich. Wir hatten mehr Platz als erwartet, dafür kein Fenster nach draußen, weil das Zimmer im Gebäude selbst liegt. Es verfügt aber über eine Milchglastür und lässt so Tageslicht herein. Das Fenster im Bad zeigt auf den Frühstücksraum.

    Als wir am nächsten Morgen wach wurden, waren die Dächern um uns herum, das erste was uns sahen, als wir aus dem Fenster im Flur vor unserer Tür schauten. In Cusco hat fast jedes Gebäude ein Dach aus Adobeziegeln (luftgetrockneter Lehm). Das erste, was wir hörten war eine Ziege, die in einem der Höfe der Nachbarhäuser lebte. Nach dem Frühstück gingen wir zu der Sprachschule, die wir in den nächsten Wochen besuchen sollten. Sie liegt nur 3 Gehminuten von unserem Hostel entfernt. Da die Bauarbeiten wieder in vollem Gange waren, mussten wir dazu über einen Sandhaufen klettern, den die Bauarbeiter so aufgeschüttet hatten, dass er einen Damm zwischen den beiden umgebenden Mauern bildet. Mindestens eine davon soll eine alte Incamauer sein. Das besondere an diesen Mauern ist die genaue Passform der Steine, fugenlose Verblockung soll das heißen. In einer Festung über Cusco wurden so bis zu 9 Meter hohe und 300 Kilogramm schwere Steine nahtlos aneinander gesetzt. Dies übrigens ohne den Einsatz von Metallwerkzeugen oder Rädern. Beides war bei den Incas nicht vorhanden. Das Schleifen der Steine erfolgte wohl mit Sand und anderen Steinen, die als Schleifklotz verwendet wurden.

    Unsere Sprachschule bietet sowohl Deutsch als Fremdsprache für Peruaner, Spanisch für Reisende und „Volunteers“, als auch Quechua-Kurse an. Quechua ist eine von 3 Landessprachen in Peru und war die Hauptsprache des Inca-Imperiums, das die gesamten Anden durchzog und somit größer war, als das von Napoleon eroberte Reich. Die Inca haben hierfür eine Mischung aus diplomatischer Härte und Kriegszügen verwendet. Ihr Reich endete mit der Landnahme durch die Conquestadoren, allen voran Franciso Pizarro, der in Lima begraben liegt. Quechua selbst hatte nie eine eigene Schrift und so wird heute das lateinische Alphabet, bzw. das castillianische Alphabet verwendet.
    Nachdem wir in der Schule alles für unseren ersten Schultag am Mittwoch geklärt hatten, gingen wir, wie immer, wenn wir irgendwo neu sind, zum Plaza de Armas. Hier ließ ich mich von einem Schuhputzer ausnehmen, dessen Freund die ganze Zeit fragte, ob ich ihm nicht meine Uhr schenken würde. Da der Schuhputzer aber ganze Arbeit bei der Reparatur meiner kaputten Schuhsohle leistete, zahlte ich den veranschlagten, eindeutig zu hohen, Preis ohne weitere diskussion. Meine Uhr behielt ich allerdings. Den Nachmittag verbrachten wir damit, uns nach guten Entdeckungstouren und einem neuen Hostel umzusehen. Dabei kamen wir auch in das Künstlerviertel San Blas, in dem es Unmengen alternativer Cafés und ein paar verkrachte Hippies gibt. Dort schienen wir in dem Hostel „Mama Cusco“ zunächst gefunden zu haben, was wir gesucht hatten. „Papa Cusco“, so nannte sich der Hostelinhaber, zeigte uns bereitwillig die Räume, war eine Seele von einem Menschen, gewährte uns einen Rabatt, wenn wir uns bereit erklärten, die nächsten zwei Wochen zu bleiben und stellte uns am Ende auch noch seiner Frau, der echten „Mama Cusco“ vor, die genauso herzlich war, wie ihr Mann.
    Als wir aber Zuhause die Reviews des Hostels lasen, erfuhren wir, dass sie offenbar für alles Extragebühren verlangten: Toilettenpapier, Küchennutzung, Heizung…
    Wir haderten eine Weile, ob wir das Thema nicht einfach ansprechen sollten, hatten dann aber keine Lust mehr darauf und entschlossen uns auch den Rest der Zeit in Cusco bei uns im Hostel zu verbringen.

    Die ersten Unterrichtstage waren ungemein mühevoll. Vier Stunden Konzentration auf ein unbekanntes Schulfach sind tatsächlich enorm viel. Das habe ich auch gleich mal Luna geschrieben, die sich gefreut hat, dass ihr Vater sich jetzt auch mal durch eine der ihr so verhassten Fremdsprachen quälen darf. Das Schlimmste war eigentlich die erste Stunde. Die Schule unterrichtet nach dem Immersionsprinzip, also: Alles auf Spanisch.
    Silke und ich brachen uns dann ganz schön einen ab, als wir schon zu beginn erklären sollten, wie ein typischer Tag bei uns so aussieht. Heute, 3 Tage später, fühlen wir uns allerdings schon ziemlich gut mit unserem Spanisch. Das Tempo der Schule ist zwar enorm (Mittwoch das Präsenz und reflexive Verben, Donnerstag das Perfekt und am Freitag die erste Futurform), aber wir haben ja schließlich auch nur 40 Unterrichtsstunden gebucht. Unsere Gruppe besteht aktuell nur aus 3 Leuten, neben uns nur noch ein spätpubertierender, aber netter Kerl, der immer zu spät kommt und nie Hausaufgaben hat. Er hält uns vermutlich für Streber, hat uns aber auch schon offenbart, dass er dankbar ist, dass wir jetzt dazugekommen sind, da er die erste Woche wohl komplette alleine im Unterricht saß.

    In Cusco haben wir auch Michael aus Nasca wiedergetroffen und gleich eine Minitrekkingtour mit ihm, den Berg herauf zum Jesusdenkmal und zur alten Incafestung gemacht. Cusco liegt in 3300 Metern höhe und so mussten wir alle naslang stehen bleiben und eine Pause machen, während wir von fröhlich hüpfenden Schulkindern überholt wurden.
    Das Jesusdenkmal ist eine weißen, nachts angestrahlte, Statue auf dem Berg über San Blas. Er ist deutlich kleiner als das in Rio, wir schätzen es auf etwa 4 oder 5 Meter, aber vom Prinzip her genau das selbe.

    Unsere Schule bietet noch eine Reihe von „Kennenlern-“ und „Sprachvertiefungsprogrammen“ an. So werden wir in der nächsten Woche einen peruanischen Tandempartner erhalten, der seinerseits grade Deutsch lernt. Silke und ich hoffen inständig, dass unsere beiden Partner älter sind als 20. Das haben wir dummerweise vergessen auf unseren „Berwerbungsbogen“ zu schreiben.

    Sind wir nicht in der Schule vertreiben wir uns die Zeit mit Lernen oder mit Sightseeing. In Cusco gibt es sowohl ein Schokoladen- als auch ein Kaffeemuseum, die wir beide schon besucht haben. Eine der Legenden, die sich um die Entdeckung des Kaffes ranken, ist die eines äthiopischen Hirten, dessen Ziegen die roten Früchte eines Baumes gegessen haben und in Folge dessen total aufgedreht waren. Dabei viel uns auf, dass der Ziegenhirte auf Spanisch auch mit dem Wort „Pastor“ übersetzt wird, was ein deutlich uncharmanteres Bild als das des „Scharfshirten“ abgibt.

    Auch ein kleines Kloster haben wir schon besichtigt. Vor der Zeit der Kolonialisierung (Präkolumbianisch) diente es den Incas als Ort, an dem auserwählte Frauen „mit der Sonne verheiratet“ wurden. Besonders schöne Frauen wurden aus dem gesamten Reich geholt und an diesem Ort eingesperrt, bis sie alt waren und verstarben. Der Gedanke war auch hier der eines Opfers an den Sonnengott, ihm wurden die begehrenswertesten Gemahlinnen geschenkt.
    Zudem hängt das Kloster voll mit relativ brutaler sakraler Kunst. Auf einem Bild steigt der Erzengel Michael mit seinem Flammenschwert zur Erde hinab, während Jesus in der rechten Ecke am Kreuze über der Menge schwebt und sein Blut auf sie herabspritzt, während Maria in der linken Bildhälfte einen Milchstrahl aus ihrer Brust abschießt. Auch viele andere Bilder sind ungemein verstörend. Daneben hängen in den früheren Novizinnengemächern überall Geißeln und im Zimmer ihrer Mentorin ein „Cilicium“, ein metallenes Dornenband, dass zur Selbstkasteiung um den Oberschenkel getragen wird.

    Die Spuren, die die katholische Kirche in Südamerika hinterlassen hat, sind tief. Ein überwältigender Teil der Bevölkerung ist gläubig und praktizierend. Dabei wurde aber stets vielmehr der Passionsfaktor berücksichtigt. Historiker vermuten, dass die ständige Darstellung von den Leiden Jesu, zur Bekehrung der opferliebenden Inca betragen sollte.
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