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  • Day 6

    Platzangst

    April 8, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 18 °C

    Granada muss warten. Die Anfahrt zu unserer neuen Unterkunft gestaltete sich abenteuerlich und reichte dann auch bis kurz vor Mitternacht. Die Adresse gab ich so genau wie möglich in die Navigation ein. Für Spanien ist das aber eben nicht genau genug. Zuerst einmal kurz nach zehn am Abend quer durch das Dorfzentrum. Es ist gerade dunkel geworden. Die Spiegel einklappen, dann fährt es sich leichter. Plötzlich tauchen vor uns zwei Gauchos auf und treiben ihre Pferde durch die enge Gasse. Nachher einmal das Auto im rechten Winkel um die Ecke 'tragen' dann sind wir gleich da. Denkste. Die Unterkunft heißt so ähnlich, aber diese hier hat noch nicht mal geöffnet. Der zweite Versuch ist natürlich am anderen Ende des Dorfes mit den engen Gassen. Die Zufahrtsstraße ist noch mal ein ganzes Stück schmaler und führt steil durch den Weinberg. Volle Konzentration und dann sagt mir doch ein Gast dieser Unterkunft - nein die heißt zwar so ähnlich, aber eure ist da oben auf dem Berg! *juhu* Also wieder zurück durch den Weinberg. Zwölf Serpentinen und einen weiteren Gaucho später ist es Stockfinster. Die Beleuchtung der Zufahrt zur Unterkunft wirkt wie die Landebahn am Flughafen die es zu treffen gilt. Doch nach der Landung ist die Puste sichtlich raus. Der nächste Tag soll ein Ruhetag werden. Ein, zwei Spaziergänge. Mehr nicht.

    Die Region Los Cahorros bietet sich dafür bestens an. Es liegt unweit von Granada in Monachil. Fantastische Wege führen durch eine dramatische Felsschlucht. Der Weg war ursprünglich wieder einmal nur zur Wasserversorgung angelegt. Los Cahorros ist außerdem ein beliebtes Klettergebiet. Da verwundert es auch nicht dass die große Schlucht auf mehreren Hängebrücken vorbei an überhängenden Felsen überwunden wird. Zum Teil kommen wir nur mit Kriechen vorwärts. Und dann gibt es ja immer auch Wanderer die so eine Schlucht in der entgegengesetzten Richtung begehen. Irgendwann muss definitiv heute irgendeiner in den Fluss und schwimmen. Für die Strapazen belohnt später die weite Macchia. Auf freien Wiesenflächen kann man dösen und die Seele baumeln lassen. Und auch der Rückweg ist ebenso spektakulär. Leider brennt jetzt gnadenlos die Sonne. Verbrennungen sind nach so viel schlechtem Wetter in den letzten Tagen eigentlich nur eine Frage der Zeit. Während wir nun direkt oberhalb der Schlucht laufen bieten sich nun auch noch einmal grandiose Aussichten auf die Kletterer. Und wem das nicht reicht, der dreht sich um und schaut zum Abschied nochmal auf die verschneiten Gipfel.

    Damit man die Höhe aber nicht immer so dramatisch wahr nimmt habe ich für den Nachmittag die Idee für einen Spaziergang auf dem Altiplano von Guadix. Der Ort ist heute eine lebendige Provinzstadt und ein Museum zugleich. Über Andalusien hinaus ist die Region berühmt für seine Höhlenwohnungen, von denen viele noch von Einheimischen bewohnt werden. Durch den Bergbau hat man in dieser Kargen Ödnis eine Tugend gemacht. Wenn man sich über Tage sonst nicht schützen kann baut man den Schutz eben unter Tage aus. In kleinen Gewölben kam so oft eine stattliche Wohnung mit Aufenthaltsräumen, Arbeitszimmer, Küche, Schlafzimmer, Vorratskammer und Stall zusammen. Höhlenbergmann war zu dieser Zeit ein angesehener Meisterberuf. noch in den 70er Jahren lebten mehr als 45.000 Menschen in der Provinz in Höhlen. Es ist ihnen auch nicht zu verachten. Wer will hat eine schöne Terrasse oder einen Garten um den er sich neben der Arbeit kümmert. Und sonst hat so eine Höhle mehr Lichteinfall als man auf den Moment denken möchte und ist stets gut klimatisiert. Die Temperaturen schwanken so gut wie gar nicht über das Jahr. Gerade in den heutigen Zeiten eines Ölembargos ist so eine Energieeffiziens von unschätzbarem Wert. Ich bin erstaunt, dass die Höhlen erst seit diesem Jahr unter Denkmalschutz stehen. Vorher durfte jeder graben wie er wollte und einige Höhlen kostete das auch den Rest.

    Vor dem Höhlenviertel treffe ich auf eine sehr schöne intakte barocke Altstadt ganz im Zeichen des Sandsteins. Der Tourismus ist fast vollständig hier vorübergegangen. Wem das heute gelingt, der hat ein hohes Gut. In Spanien bereitet man sich derweil auf das Osterfest vor und wetteifert die Pasos, die Tragen mit den Stationen Christi fulminant zu schmücken. Je aufwändiger desto besser. Zumal ich so viele Anzugträger ebenso wenig je in einer Kirche erlebt habe.

    Nach so viel Platzangst wie heute geht es zum Abschluss nach Calahorra. Das Dorf bildet den Zugang zur weitläufigen nördlichen Sierra Nevada und wird jäh bewacht von einer schmucklosen wenngleich wuchtig-majestätischen Burg. Das Ziel war es den Sonnenuntergang in all seinen Farben zu sehen. Für eine Besichtigung sind wir einfach wieder zu spät. So bleibt uns ein eleganter Innenhof oder auch eine großartige Marmortreppe verborgen. Doch die Abendstimmung, diese schier ewige Weite über die nächsten Berge hinaus und ein tiefes Rot später in den Wolken können nicht lügen dass dieser Ort einen magischen Ausblick bietet.

    Unterdessen steuert der Weg auf seinen nächsten Höhepunkt zu.
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