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  • Day 3

    An Bord der M/v Plancius

    March 22, 2023, South Atlantic Ocean ⋅ 🌬 3 °C

    Zweiter Seetag auf dem Weg gen Süden. Schon die zweite Nacht an Bord und immer noch schlaflos. Das fühlt sich an wie ein 48h Notdienst auf Arbeit. Immer wenn das Boot kränkt wache ich auf und versuche mich an der Matratze festzukrallen um nicht aus der Koje zu rollen. So, die Nacht ist vorbei. Auf ins Bad und Katzenwäsche. Da ist es gerade einmal halb drei. Der Seegang in dieser Nacht lässt das Wasser bis auf das vierte Deck ansteigen. Erstaunlich viele Leute fragen mich derweil wie och es schaffe ganz ohne Medizin nicht Seekrank zu werden. So richtig weiß ich das mittlerweile selbst nicht mehr. Es ist ja schon der dritte Tag an Bord. Ab heute startet für die meisten die ‚Erholungsphase‘.

    Dazu haben sie auch allen Grund. Heute ist der Erste Tag mit einem herrlichen Sonnenaufgang. Am Nachmittag dürften wir das Schlimmste und in der Nacht dann gänzlich die Drakepassage hinter uns gelassen haben. Zeit also für die Erkundung des Schiffes.

    Die M/v Plancius hat bereits zwei Taufen hinter sich. Seit 1976 stand sie als Hr. Ms. Tydemann im dienst der holländischen Marine als Polarschiff und mindestens ein drittel des Jahres wurde es von Wissenschaftlern als reines Forschungsschiff in Arktis und Antarktis gechartert. (Im übrigen ist es bemerkenswert wie viele Leute am Festland immer noch nicht Süd-vom Nordpol unterscheiden können. Jeder erzählt hier Geschichten von zu Hause wonach die Antarktisreise freudestrahlend angekündigt wird und die Bekannten dann meinen ob das nicht gefährlich sei wegen der Eisbären.) 2006 erneuerte die Marine ihre Flotte und eine Reederei kaufte das Schiff auf. Zwei Jahre intensiver Umbau führten dann zur zweiten Taufe auf den Namen des Astronomen, Kartographen und Geologen Petrus Plancius. Er wurde 1590 mit seiner Weltkarte berühmt die in der Neuzeit erstmals eine amerikanische Nordpassage nach Asien postulierte und für theoretisch möglich hielt.

    Die Welt offenbart sich unterdessen ohnehin mit anderen Augen. Erstmals bin ich mehr wie 14.000 km von zu Hause weit weg. Und egal wo ich als nächstes hingehen wöllte ist es ungefähr gleich weit. 9.000km sowohl in die Karibik, nach Madagascar oder auch in den Osten Australiens. Die Welt ist riesig und doch irgendwie fassbar klein geworden. Wenn ich nicht die Kamera ständig zücke sondern das ganze Bild vor Augen halte begreife ich einmal mehr viel leichter wie stark denn der Flügelschlag eines Schmetterlings in Ushuaia das Klima in Deutschland beeinflussen kann.

    Am Nachmittag schließt sich ein Vortrag über Wetter Routing auf See an. Das heißt warum beeinflusst das Wetter die Seerouten der Schiffe und wie/ in welchem Umfang für welchen Schiffstyp. Dabei halten digitale See und Wetterkarten erst seit 2011 Einzug in der Schifffahrt und immer mehr Schiffe werden nachgerüstet. Ökonomisch macht es soviel aus zu wissen wie das Schiff bei welchem Wellengang reagiert um kein Kargo oder keine Zeit zu verlieren. Ob es Sinn macht einen Sturm zu umfahren oder ihn abzuwettern. Oder, in unserem Fall für Passagiere den bestmöglichen Nenner zwischen Komfort und Zeitverlust zu segeln. Die Entscheidungen des Kapitäns können vielseitig sein. Aber er allein ist für die Sicherheit an Bord verantwortlich. Ich bin mir ziemlich sicher dass wir ein zwei Anlaufpunkte weniger auf der Reise haben werden weil der Herbst in der Drakepassage seinen Tribut fordert. Schön ist es dennoch. Und schließlich ist die Reise dorthin Teil des ganzen. Albatrosse und Delphine sieht man auch nicht aus dem Flugzeug. Und wie viele der Antarktisreisenden können schließlich behaupten dass sie innerhalb des Antarktischen Winters gen Süden gereist sind. Genau der hat nämlich gestern mit dem Frühlingsanfang in Deutschland bereits begonnen.

    Der Abend wartet noch mit einem ganz besonderem Schmankerl auf. Ein Mitfahrer aus Dresden hat an meinem Abendbrottisch heute Geburtstag.
    Die Kellner sind allesamt fleißig beschäftigt. Kaum hat man aufgegessen ist der Teller schon vom Tisch verschwunden. Plötzlich kommt eine Durchsage da beschaffe ich mir gerade zwei Stück Karottentorte zum Nachtisch. Ein herzliches Einstimmen mit ‚Happy Birthday to you‘ und dann bringt doch der Küchenchef extra für unseren Tisch eine Sahnetorte mit Schokoladenverzierung. Ich bin ebenso happy und drei Stück Nachtisch schaden schließlich auch nicht.
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