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  • Day 179

    Ishinca Traverse

    August 5, 2023 in Peru ⋅ ☁️ 5 °C

    Das Problem egal wo du in den Anden bist ist der tagelange Zustieg. Hier mal 20 km dort mal 33. Und das alles zu Fuß. Wer in der Gruppe reist hat vielleicht glück dass ein Maulesel einem sein Gepäck trägt. Wer aber die Strapazen auf sich nimmt wird reich belohnt. Egal wo und eigentlich auch egal womit. Berge, Gletscher, Lagunen, Sonnenuntergänge. Quasi „such dir jeden Tag das Beste aus!“.

    Heute Morgen steht nun die Entscheidung an ob ich links herum laufe wie mir am Vorabend alle empfohlen haben oder rechts herum wie das Wetter besser scheint. Seit Patagonien stehen hier die ersten Berggipfel in Wolken gehüllt. Oben auf 6.000m kann es schon einmal ungemütlich windig werden. Ich entscheide mich dass ich gar nicht so hoch hinaus will. Der Ishinca-Pass auf 5.350m reicht aus. Da muss ich auch schon über den Gletscher und ich habe Solo auch nicht die nötige Ausrüstung für mehr.

    An der Ishinca-Lagune steht bereits die nächste Schutzhütte auf meinem Weg zum Pass. Allerdings ist das Refugio komplett mit Vorhängeschloss verriegelt. Wohl dem der unten im Ersten nach den Schlüsseln gefragt hat. Das hindert mich aber nicht daran genüsslich Müsli zum Mittag zu schnorpsen und dann den Gletscher 400 m über mir anzugehen. Ziemlich fit kommen zwei Tschechinnen hinter mir den Berg herauf. Sie fragen mich ob ich ihre Männer und den Hund gesehen hätte? Sie wollten sich am Refugio treffen. Vielleicht? Zugegeben habe ich über 5.000m mitunter einen ziemlichen Tunnelblick und konzentrier mich aufs wesentliche. Reden bringt mich hier oben aber definitiv außer Atem. Also lass ich es bei den mir entgegen kommenden Seilschaften vom Gipfelsturm aus der vergangenen Nacht bei einem milden Gruß zum Teil ohne weiteren Blick.

    Beim weiterlaufen treffe ich den Rest der Bande. Wie sich herausstellt ist das die Gruppe die gestern angeblich aus Polen betitelt wurde. Bunt zusammengewürfelt aus Pilsen, Prag und Reschenberg. Wir sind also quasi Nachbarn. Wie gehts dem Hund? „Der hat sich gefreut dass er endlich mal wieder Schnee sieht“ Auf dem Gipfel sei er aber wohl hundemüde gewesen und anstatt im Schnee zu dösen wollte er sich dann lieber an sein Herrchen kuscheln. Der Berg scheint seinen Tribut zu fordern - trotz der teuren Ausrüstung haben nur zwei von fünf Leuten aus der Seilschaft den Gipfel erreicht. Und der Hund.

    An einer Wegkreuzung nehme ich den Weg nach oben, muss ja schließlich über den Pass. Blöde Idee, da es der falsche war. Immerhin leiten Spuren mich bergan auf einen Aussichtspunkt mit Panoramablick. Den eigentlichen Pass gehe ich jetzt am Nachmittag nicht mehr an. Dazu fehlt mir die Kraft und das Gletschereis ist gerade jetzt am Nachmittag auch nicht die beste Wahl. Aber die Aussicht hier oben auf 5.250m lohnt sich! Dadurch fühlt sich der Tag gleich nicht mehr wie scheitern an. Es ist gut dass ich bei meinen Leisten bleibe und lieber wandern gehe anstatt Eisklettern. Der Rückweg gibt den Blick frei auf den Tocllaraju. Ein Traum von Berg für alle Bergsteiger und der wohl meist bestiegene Gipfel der Cordillera Blanca.

    Zurück im Basislager gilt es wieder Zelt aufbauen, zeitig Abend essen und dann in die warme Hütte. Dort treffe ich nicht nur die Tschechen wieder. Auch den Eselführer von gestern. Er hat morgen früh einen Rücktransport deshalb ist er heute Abend hier. Allerdings hat er schlecht geplant. Sein Proviantbeutel ist schon alle. Erstmal lade ich ihn auf einen Tee ein und frage was er an solchen langen Abenden noch macht? „Warten ob ein Bett frei bleibt. Ansonsten geht er rüber in eine Höhle und schläft dort.“ Ohne Schlafsack oder Decke versteht sich. Als ich am Abend diese Höhle bereits gesehen hatte lagen ein paar Kartonpappen umher… Gemeinsam schauen wir die Bilder von heute an. Währenddessen machen die Peruaner am Nachbartisch mich zur Legende. Wahrscheinlich war mein Spanisch gestern nicht ganz perfekt. Und so verstehe ich heute zumindest aus der Stillen Post dass ich seit sechs Monaten zu Fuß durch Südamerika laufe. Sprich von Feuerland bis hier her. Die Achtung habe ich ganz auf meiner Seite und eine Richtigstellung schlägt fehl. Egal - es soll ja so legendäre Menschen wirklich geben. Zum Ende geht es heute echt zeitig in die Koje damit ich morgen diese legendäre Traverse weiterlaufen kann.
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