Im Königreich der Lamas

February - August 2023
Mit Rucksack und Zelt auf dem Weg ans Ende der Welt. Read more
  • 164footprints
  • 9countries
  • 182days
  • 1.5kphotos
  • 38videos
  • 31.6kkilometers
  • 1.6kkilometers
  • Day 1

    Bittersweet Abschied

    February 8, 2023 in Chile ⋅ ☀️ 29 °C

    Der letze Tag auf Arbeit. Es ist verblüffend, denn der Zufall will es dass meine letzten zwei Patienten noch eine Reise und Impfstoffberatung brauchen. Zum Abschluss wünschen wir uns jeweils gute Reise. Und das war es. Die Zelte sind abgebrochen, alles ist verstaut. Das Ziel liegt einmal mehr weit weg und dennoch zum greifen nah. Immerhin sind die 13000km bis Chile weniger als ich bei der letzten großen Reise mit dem Fahrrad unterwegs war. Das ist alles relativ heutzutage.
    Ein letzter Guter Rat vom Chef. „Geh nie mit Frust sondern stets mit einem Lächeln im Gesicht“ Dann bin ich wieder mein eigener Chef. Für den Moment bin ich echt glücklich darüber und ich warte was da kommt.

    Die Reise verging denn auch wie im Flug. Ruhig - gespenstig ruhig, wenn ich bedenke dass von Berlin über Zürich, Sao Paulo, Buenos Aires bis nach Santiago gerade einmal Buenos Aires mit seiner Miniaturausführung eines neuen großen Hauptstadtflughafens einigermaßen lebendig erschien. Auf allen anderen standen gefühlt wirklich nur 2-3 Flugzeuge herum und der Rest war einfach mal überdimensioniert. Ja, die Zeit nach Corona kann gespenstig sein. Sie sollte uns jedoch nicht daran hindern unseren Wurzeln zu folgen und dort weiter zu machen wo vor ziemlich genau drei Jahren ohne die örtliche Panikmache aufgehört wurde.
    Ich möchte weniger verharmlosen als vielmehr wieder den Focus auf das Miteinander anstatt Gegeneinander zu richten. Nur dort entstehen nämlich die Geschichten an die wir uns gegenseitig gern erinnern.

    Fangen wir also mal bei Null an. Willkommen in Chile!
    Read more

  • Day 2

    Ground Zero

    February 9, 2023 in Chile ⋅ ☀️ 28 °C

    Zum üblichen Jetlag kommt dieses mal wieder der Wechsel zwischen Nord- und Südhemisphäre. Weg von -9 Grad hin zu +36 in gerade mal 27 Stunden. Ich merke das spätestens als ich den Jetlag nicht einmal ordentlich ausschlafen kann. Um sieben wieder wach und um neun aus dem Haus. Dennoch herrscht auf der Straße nicht einmal der Ansatz von Rush Hour. Gerade so finde ich den ersten Bäcker der bereits offen hat.

    Auf der groben Tagesplanung steht zuerst ein Berg. Sorry ich kann nicht anders. :) Ich will mir zunächst einen Überblick verschaffen wo ich denn hier eigentlich bin. Der Cerro Santa Lucia scheint mir dafür wie geeignet. Hier stand einst schon Darwin und meinte „es ist unmöglich einen schöneren Blick über dieses Kleinod zu bekommen bekommen als hier.“ Heutzutage wird hier jeder Eintritt mit Ausweis kontrolliert und fälschlicherweise mache ich mir nicht einmal Gedanken. Als Besucher tut man mit Respekt was einem gesagt wird, nicht wahr? Später schlendere ich die Gassen durch die Stadt. Langsam erwacht um halb elf denn auch das Leben. Für unsere Verhältnisse eben hinter dem Ende der Welt.

    Natürlich gibt der Reiseführer hier einiges her und ich kann bei weitem nicht alles an einem Tag erfassen. Der Plaza de Armas ist so etwas wie der Kilometer 0 in Chile. Hier ist Tag und Nacht Leben. Gruselig wird es erst da wo ich erfahre dass die Priester in der großen Kathedrale nebenan stets auf den Gebeinen ihrer Vorgänger lehren. Oder genauer auf ihren Herzen. Denn während die Herzen eines jeden Priesters hier in der Krypta liegen kann es sein dass die Gebeine irgendwo sonst in Santiago verscharrt sind. Deutlich mehr Leben gibt es da noch am großen Fischmarkt bei dem der Fisch auch bei 36 Grad im Schatten noch eine glänzende Figur macht… und in der Fußgängerzone. Nachdem Corona so langsam seinen Schrecken verliert. - Chile ist noch das einzige Land in Lateinamerika in dem es überhaupt noch Corona Regeln gibt - stehen die ersten Gruppen an Studenten in den Straßen und bieten ihre Musik als Straßenkünstler dar.

    Am Abend treffe ich mich mit einem Local dessen Kontakt ich erst vor einigen Wochen herstellen konnte zum Rundgang und Abendessen. Er ist Historiker und will mich gern in die Geschichte Chiles einführen. Gleich zu Beginn jedoch nimmt er auch kein Blatt vor den Mund. Chile ist nicht mehr dass was es einmal war. Vor drei oder vier Jahren gab es Bürgerkriegsähnliche Aufstände. Massenhaft wurden Statuen vom Sockel gezogen und zerstört. Die Venezuelanische Mafia hielt im Zentrum von Santiago Einzug und die Menschen werden mehr und mehr ihrer kulturellen Wurzeln beraubt. Immer offensichtlicher steht an jeder Straßenecke Polizei, suggeriert Sicherheit und verbietet doch zugleich was im Artikel eins der Verfassung noch als unantastbar gilt.

    Da wundert es nicht dass heute teils ganze Straßenzüge noch nicht wieder zurück ins Leben gefunden haben. Nur zögerlich öffnen nach vier Jahren wieder Hotels. Außerdem gleichen sie vielmehr einem Bunker. Andere Geschäfte bleiben irgendwo im Hintergrund. In den Hinterhöfen. Die eigentliche Hauptstraße hingegen erhielt den gespenstigen Beinamen ‘ground zero’ wo die Straßenkämpfe am meisten zerstört haben.
    Read more

  • Day 3

    Sagenhafte Zeiten

    February 10, 2023 in Chile ⋅ ☀️ 28 °C

    Über Nacht hat der Himmel aufgeklart. Wir haben immer noch Smog. Doch anstatt 3 kann man heute bereits wieder 8 km weit schauen. Auch diese Stadt hat wie denn jede andere in Lateinamerika ihren Christo dem ich am frühen Morgen einen Besuch abstatte. Erst noch vom Pförtner freundlich weggeschickt weil der kürzeste Weg bergauf doch nicht der Fußweg sondern die Seilbahn wäre geht es über Umwege nicht etwa den eigentlichen Weg hinauf sondern die Mountainbike Downhill Piste. In Sandalen besonders sportlich, jedoch bin ich hier ja nicht nur zum Urlaub und Kondition kommt nicht von ungefähr. Am Horizont erblicke ich heute erstmals auch die Silhouette der Anden. Also, naja - eben die zwei Vorgipfel in 8km Entfernung…

    Der Nachmittag ist zu heiß um draußen etwas zu unternehmen. Ich habe mich daher drinnen verabredet. Das Museum für Präkolumbianische Kunst eignet sich hervorragend um im dunklen, schattigen Verborgenen bis zu 40.000! Jahre alte Figuren, Stoffe, Silberschmuck, Keramik und vieles mehr zu bestaunen. Ohne einen Historiker an der Hand hätte ich jedoch sicher nach einer halben Stunde das Handtuch vor all den spanischen Beschreibungen geworfen und es wäre für mich eine archäologische Ausstellung wie jede andere.
    Es fasziniert mich mit welchem Detailreichtum bereits gearbeitet und welche Techniken bereits angewendet wurden als die Ägypter noch nicht ein mal das mumifizieren praktiziert haben. Wer es erfunden und wer es zur Vollendung gebracht hat sind heute nur zwei Streitpunkte in der Archäologie. Ein andere könnte lauten warum die Inca ihrerseits Spielzeug auf Rädern hinterließen. Das Rad selbst jedoch niemals in der industriellen Anwendung gebrauchten? Definitiv sind die Indigenen der Anden die Meister der Stoffe. Sowohl in Farbe, Qualität, Wärmehaushalt als auch Langlebigkeit kenne ich keinen Stoff der es dem Poncho gleich tut. Natürlich nur aus feinster Alpaca Wolle. Archäologen haben indes herausgefunden dass die bemalten Keramiken keineswegs nur der der Kunst dienten. Kunst kommt von können. Und was die Stämme denn viel besser konnten als wir heute war in die Sterne gucken. Nach Vergleich hunderter Keramiken, Vasen, Amphoren etc. ist kein Muster wie das andere gehalten und vieles deutet heute darauf hin, dass die vermeintlichen Verzierungen auf die Berechnung von Sonnen- und Mondzyklen, bestimmten Tagen im Jahreskreislauf etc. hindeuten.
    Mindestens genau so faszinierend ist jedoch das immaterielle Erbe dieser Völker. Wie können Kulturen vorhersagen wann genau ihr Kalender enden muss um in eine neue Era einzutreten? Wie kann heute der Dalai Lama qua Amt wissen dass er der letzte seines Amtes ist. Und was hat der Dalai Lama überhaupt in dieser Auflistung zu suchen? Die Kalender geben solche Dinge vor! Die Menschen haben sich das nicht ausgedacht sondern berechnet. Bis wir das in unserer Zeit der allwissenden Wissenschaft umfänglich beschreiben können werden noch viele Sagenhafte Momente wie dieser neugierig auf mehr machen.
    Read more

  • Day 4

    Cerro Manquehue

    February 11, 2023 in Chile ⋅ ☀️ 24 °C

    Den einen ist ihr Hausberg heilig. Mir selbst ist vielmehr der Schlaf heilig bevor es auf einen Ausflug geht. Doch die Nacht war unruhig. Es ist Wochenende. Das heißt Verkehr bin spät in die Nacht, Feuerwehr und Krankenwagen von nebenan müssen öfter einmal ausrücken und ich selbst bin voller Vorfreude weil ich eigentlich gar nicht weiß wo es hingeht. Wenig Schlaf sind vorprogrammiert.

    Ich bin verabredet auf einen Ausflug zum Manquehue, dem heiligen Berg vor den Toren Santiagos. Auf meine Frage wie das denn mit den heiligen Stätten in Chile gehandhabt wird und wieweit Nichtindigene heute überhaupt noch toleriert werden heißt es jeder Chilene trägt in seinem Blut mindestens zur Hälfte noch indigene Wurzeln und sobald ich von jemandem ebendieser Kultur eingeladen bin ist es mir ebenso gestattet den heiligen Ort zu betreten. Finde ich gut. Hab‘ also immer einen Chilenen zum Freund!

    Genauer sind wir vier Freunde heute morgen. Um sieben Uhr dreißig treffen wir uns an einer U Bahn Station. Neuerdings ist das verdammt zeitig! Dann geht es über gähnend leere Straßen irgendwo in den Norden der Stadt. Von weitem sieht der Berg ziemlich mächtig aus und ich bin früh über drei Liter zu trinken dabei zu haben. Mit irgendwas muss ich ja Marschgewicht erreichen die anderen haben nicht einmal einen halbvollen daypack dabei. Der weg ist staubig und verläuft genau entlang der Südflanke steil bergauf. Ich habe bei dieser Aktion vielmehr den Eindruck wir sind eher zu spät anstatt zu früh dran. Aber ich will mich ja auch noch ein wenig eingewöhnen. Am Ende des Tages habe ich immerhin erstaunlich wenig Sonnenbrand.
    Der Weg hat viele Gesichter. Wie ein Fluss mäandert er den Berg hinauf. Ständig zweigen Wege ab und vereinen sich vielleicht auch wieder. Der Eukalyptuswald am Fuß des Berges ist regelmäßig Opfer von Brandstiftung und wächst dann wieder wie Phönix aus der Asche. Später wird er abgelöst von Kakteenwald der auch gerade noch in seiner Blüte steht und oben irgendwann geht die Klettertour mit Hand und Fuß los - ohne Seil versteht sich bei der Ehre eines heiligen Berges. Wie ich hier wieder runter komme? Zum Glück habe ich heute keine Sandalen an.

    Ersteinmal belohnt mich der grandiose Ausblick über Santiago. Auch mit Smog. So gut war die Sicht in den letzten Tagen noch nie! Erstmals sehe ich nun auch das Santiago in einem weiten Kessel zwischen kilometerhohen Bergen liegt. Ich habe in der Stadt z.B auch schon einige lokale Radfahrer getroffen. Und plötzlich erscheinen die mir alle Lebensmüde wenn die da irgendwo am Berg wohnen.

    Zur Mittagszeit sind wir wieder zurück. Höchste Zeit bevor die Sonne doch noch erste Opfer fordert. Und ich bin äußerst dankbar dass mir diese Einladung zuteil wurde.
    Read more

  • Day 5

    Valparaiso - die Geburtsstunde von Chile

    February 12, 2023 in Chile ⋅ 🌙 14 °C

    Die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz ist ja immer so eine Sache. Mal bekomme ich eine Empfehlung, mal halte ich mich an Reiseführer. Oder ich gehe selbst auf die Suche. In Valparaiso ist Wochenende, es war klar dass die Strände überfüllt sein würden. Es war jedoch nicht klar dass an diesem Wochenende das größte Spektakel der Stadt steigt. Ich irre von Zimmer zu Zimmer und nirgendwo gibt es auch noch ein freies Bett. Selbst im größten Hotel vor Ort die sagen man habe die Leute aus der Nachbarstadt bereits hier her geschickt weil auch dort kein Platz mehr frei ist. Keine Chance. Und das wegen ein paar Mountainbikern. (genaueres bitte auf Youtube unter „Valparaiso Redbull Mountainbike“ /„Cerro Abajo“ nachschlagen). Einer meinte schlussendlich „Viel Glück bei der Suche, hoffentlich findest du noch einen Platz unter einer sauberen Brücke“ - seine Idee war gar nicht mal schlecht und erspart mir an diesem Abend jedes ungute Gefühl. Ich nehme die nächste Metro raus aus der Stadt und finde alsbald besagte saubere Brücke und daneben ein Plätzchen für mein Zelt.

    Am morgen bin ich gleich der erste auf den Beinen. Zurück in die Metro und ab an den Strand :) Der Pazifik hat mich wieder. Und nein, der Humboldt-Strom hält von Klimaerwärmung noch nicht all zu viel.

    Viña del Mar kann es eigentlich mit jeder Bettenhochburg am Mittelmeer aufnehmen. Das einzige was sie in Lateinamerika besser können sind die Stets viereckigen Straßenviertel. Es ist der Ort in dem die High Society von Santiago ihr Wochenendappartement hat. Im Amphibtheater des Parks geben sich Größen aller Musikrichtungen der Welt das who is who Stelldichein. Elton John, Roling Stones, Shakira,… Wegen Umbauarbeiten zwischen den Gigs ist der Park nur leider ständig geschlossen.

    Ich bin hier ja aber wegen ganz etwas anderem. Den Chile-Marathon in Viña nehme ich nur am Rande mit. Im Zieleinlauf treffe ich noch ein paar Leute die Medaillen abgeräumt haben, ein paar verschwitze Radfahrer und ein paar Kinder die als nächstes laufen. Gerade sind jedoch noch die Frauen auf der Strecke.

    Die wichtigste Errungenschaft für die Region kann ich nur schwer in Worte fassen. Eroberungen, Intrigen, Geschichte die lebt und die Kunst sich immer wieder neu zu erfinden und so heute zu einem nicht enden wollenden Kunstwerk selbst zu werden. Game of Thrones bleibt immer ein Buch aber diese Seiten hier könnten als lebendige Vorlage gedient haben.

    Valparaiso gibt es nicht nur einmal auf der Welt. Dieses hier ist wohl das bedeutendste von allen. Der Hafen war jener Ort an dem die Spanier zuerst in Chile an Land gingen und bis der PanamaKanal eröffnete war diese Stadt der wichtigste Zwischenstopp auf dem Weg von/ zur Magellanstraße. Mit den Spaniern setzten hier auch die ersten Geschäftsleute ihren Fuß an Land. So gleich mal die erste Lateinamerikanische Bank, die erste Post und das erste Bier hier entstanden. Wenig später kamen die Glaubenskämpfe auf und so durfte im hier im Erzkatholischen Lateinamerika in Valpo die erste Protestantische Kirche bauen und nebenan die Lutheraner gleich mit.

    Durch den Panama Kanal geriet Valpo in Vergessenheit. Die Stadt lebte Jahrzehnte von der chilenischen Marine (heute immer noch Hauptquartier und Flottenstützpunkt in Zentralchile) und wegen dummer Zufälle wurde der Tourismus der Wirtschtsmotor schlechthin. Doch dafür braucht es nicht nur einen sondern zwei Stadtrundgänge.

    Note: folgender Link gibt einen tollen Überblick was hier an diesem Tag normal abgeht. Nicht nachmachen! - https://m.youtube.com/watch?v=DFphM29JJq4
    Read more

  • Day 6

    Valparaiso - das Guernica des Südens

    February 13, 2023 in Chile

    Leider hat Valparaiso nicht nur schöne Seiten sondern auch eine dunkle Vergangenheit. Was als Militärübung getarnt war nahm als Militärputsch 1973 seinen Lauf. Ehrlicherweise muss ich jedoch sagen - hätte es den nicht gegeben wäre die Künstlerszene in Valpo nie groß geworden. Die Stadt liegt ohnehin direkt auf dem Erdbebengürtel entlang der Pazifikküste. Kunst müsste sich alle paar Jahrzehnte ohnehin neu erfinden.

    In Deutschland ist es ja auch üblich. Je näher man an Berlins Zentrum gerät desto mehr nehmen Graffiti und Schmierereien zu. Vandalismus ist die Folge. Graffiti ist in Chile illegal aber zugleich der leichteste Weg sich politisch auszudrücken. Als Hausherr macht es jedoch keinen Spaß alle zwei Tage seine Hauswand neu zu streichen. Was man sich also im großen Stil noch bis heute einfallen lässt ist die Künstler zu engagieren und ein Wandbild ans Haus zu malen. Aus gegenseitigem Respekt untereinander wird dieses in der Regel nicht angetastet. Aus Hauswänden wurden ganze Straßenzüge, ganze Straßenviertel (Valparaiso hat nur 500.000Einwohner aber 46 Stadtteile!) bis letztlich die ganze Stadt heute davon profitiert.

    Steht noch der Vergleich zu Guernica aus. Dass die Chilenische Luftwaffe aktiv wurde gab es nur zwei Mal in der Geschichte. Einmal um in den 1930er Jahren einen Aufstand der Minenarbeiter im Norden zu unterdrücken und einmal um 1973 ihren eigenen Präsidentenpalast in Schutt und Asche zu legen. In Valparaiso hat dazu alles begonnen. 5 Uhr morgens Kam die Marine von einer vorgetäuschten Übung wieder und und putschte zuerst ihr eigens Hauptquartier, Zeitung, Radio, Gouvernement in Valparaiso ohne dass der Präsident Allende davon überhaupt Kenntnis nehmen konnte. An diesem Tag hielt Allende seine letzte Rede vor dem Volk. Pinochet war sein Freund und hat ihn doch hintergangen. Seit dem Beginn des wohl schwärzesten Kapitels in Chile haben auch die Graffitti in Valpo ihr besondere Bedeutung gegen die Macht des einzelnen und den Frieden der Gemeinschaft.
    Read more

  • Day 7

    Die Jungfrau Maria hat eine Standleitung

    February 14, 2023 in Chile

    Mit dem Nachtbus fahre ich nach La Serena. Die nächsten Tage sind gespickt voller Highlights jedoch müßig. Der Bus spuckt mich früh halb sechs wieder aus. Das ist zu früh für Sightseeing in der Stadt! Ab an den Strand und ein Nickerchen nachholen auch wenn das 4km Fußmarsch extra sind.
    Mein Rucksack ist eindeutig zu schwer und zurück in Santiago werde ich wohl ein Päckchen gen Heimat packen oder es hört endlich auf mit diesen unerträglichen 42 Grad und mehr!

    Irgendwann nach um zehn öffnet das örtliche Museum für Frühgeschichte. Aus Santiago bin ich jetzt ja bestens gebildet. Was es hier jedoch extra gibt ist eine von den vier bekannten Moais außerhalb Rapa Nui. Das wird von Chile verwaltet selbst wenn es näher an Australien liegt. Und noch sind das hier Originale ebenso wie in London oder Paris worauf man besonders stolz ist - Nur ohne die ganzen Besucher. Und es ist gefühlt das einzige Haus an diesem Morgen mit Klimaanlage und öffentlicher Toilette!

    Noch schnell über den Markt und dann hinein ins Hinterland. In Vicuña habe ich eine überaus freundliche Gastmutter. Mein Versuch von Spanisch leidet doch sehr unter dem stetigem Wechsel zwischen Deutsch, Englisch und eben diesen Spanischen Dörfern. Aber ich mache Fortschritte. Ich kann noch ein bisschen Siesta machen und dann wird der Abend erträglich. Der Cerro de la virgin ist sowas wie der Hausberg mit einem Kreuzweg, einer kleinen Marienkapelle und einer riesigen Antenne inmitten der staubigen Halbwüste im Norden Chiles.

    Von hier an verläuft die ‚Ruta de las Estrellas‘ bis hinauf in die immer noch ferne Atacamawüste. Doch diesen Abstecher hebe ich mir für später auf.
    Heute muss ich eigentlich nur einen Schritt vor die Stadt gehen - Ok, zwei Kilometer aber das ist ein Katzensprung wenn ich bedenke wie unendlich groß Chile gen Norden noch ist. - Quasi vor der Haustür wartet Huan. Er ist Hobby-Astrologe. Heute Abend hat er zwei Veranstaltungen zum Sterne gucken angesetzt. Bei der zweiten sind wir gerade einmal 5 Leute.

    In einer Kuppel lauschen wir dem selbstgebauten Radioteleskop von nebenan und lernen die Unterschiede zwischen den Tönen für bestimmte Elemente, Sterne, Planeten und ferne Galaxien. Voll gespickt mit wissen geht es nachher in eine Art Freilichttheater mit einem 14Zoll-Teleskop. Nach wenigen Minuten hat sich das Auge bereits ideal an angepasst und die Sterne wirken zum greifen nah. Es ist komisch. Die Sterne wirken sogar viel näher mit bloßem Auge als im Teleskop. Dafür sind sie um Welten schärfer abgebildet. Und ja, es sind unzählig viele, viele, Millionen!

    Sofort schwelge ich wieder in den guten alten Zeiten als ich mir unterm Sternenzelt eine Sandbank mit den Krokodilen geteilt habe. Das ist aber eine andere Geschichte. Von den Planeten gehen wir über zu den Sternen, zu den Meteoriten bis hin zu fernen Galaxien.

    Wer kann schon mit bloßem Auge behaupten die drei Sterne von Alpha Centauri auseinander zu halten, mit bloßem Auge die Magellansche Wolke zu sehen und selbst lichtschwache Galaxien in 30 Millionen Lichtjahren Entfernung können wir heute Abend nachspüren. Da wir so wenige sind können wir so viele Punkte ansteuern und Huan ist voller Eifer in seinem Element dass die Nacht denn auch bis früh um drei andauert.
    Morgen wird es glaube ich wieder eine ausgiebige Siesta geben.
    Read more

  • Day 8

    Mit Weinbrand bis zum Nobelpreis

    February 15, 2023 in Chile ⋅ ☀️ 20 °C

    Der Zufall der Geschichte will es so dass die Ruta de las Estrellas aus Sicht der Wissenschaft keine Sternstunden hervorgebracht hat, jedoch Südamerikas ersten Nobelpreisträger.

    Ein kleines Dorf, kaum mehr als 100 Einwohner beherbergte einst die Dorfschule für die Umgebung. Ihre Lehrerin Gabriela Mistral wird heute stets streng wiedergegeben. Sie unterrichtete die Kinder und verbrachte einen Großteil ihres Lebens mit Briefe schreiben.

    Dieses Dorf, Montegrande, liegt abgeschieden zwischen hohen Bergen. Ein jeder der hier groß wird hat später irgendwie mit der Landwirtschaft zu tun. Die Astronomie kam erst viel später. Ich weiß gar nicht wo sie hier das ganze Wasser aus dem Berg holen doch es ist genug für den Weinanbau. Und weil an irgendeinem Ende dann doch Wasser gespart werden muss wird der Wein vor dem Transport zum Weinbrand veredelt. Wegen dem ‚Pisco’ haben die Verantwortlichen gleich ein ganzes Dorf umbenannt. Hier entstehen z.B auch so edle Tropfen wie der Mistral.

    Und zwischen all dem Weinbrand und den Schriften von Gabriela kam eines Tages ein Anruf aus Stockholm. Gabriela Mistral war keineswegs nur eine strenge Lehrerin. Sie war viel unterwegs, sie hinterfragte ihre Umwelt tiefgründig. Sie unterstütze es vielseitig zu sein auch wenn ihr eigenes Leben vielleicht oft eintönig erschien. Mit dem Nobelpreis wurde sie 1945 über Nacht zur Nationalheldin. 12 Jahre später starb sie bei irgend einem Aufstand in Peru. Ihr Mausoleum zieren bis heute unzählige Festakte in stolzer Erinnerung an ihr Wirken.

    Was bleibt ist einmal mehr nach den Sternen zu greifen. „Denn das gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da.“ Ich wette Goethe hätte seinerzeit auch einen Nobelpreis für Literatur erhalten. Genug Wein(brand) stand ihm jedenfalls genau so zur Verfügung.
    Read more

  • Day 10

    Los Heroes de Chile

    February 17, 2023 in Chile ⋅ ☀️ 20 °C

    Verrückt, jetzt bin ich schon wieder zehn Tage unterwegs. *Gähn* - und zuletzt war ich ziemlich schlaflos unterwegs. Mittags gab es immer mal 1-2 Stunden Siesta, die Nächte waren hingegen kurz. Lange Gespräche mit anderen Reisenden, feierwütige Mitmenschen die völlig trunken nachts ins Zimmer kommen und schnarchen wie ein Weltmeister. Kurz, das Leben im Hostel wird nie langweilig. Man tauscht sich aus, man schmiedet Pläne für die nächsten ein oder zwei Wochen.In diesem Kauderwelsch der Sprachen lernt man ohnehin nie aus.

    Recht regelmäßig kommt noch hinzu dass die Feuerwehr ausrückt. Die haben gleich nebenan ihr Depot. Allgemein spielt die Feuerwehr hier eine sehr bedeutende Rolle in Chile. Nicht erst seit den verheerenden Waldbränden vor zwei Wochen die es sogar bos in die deutschen Nachrichten geschafft haben. Die Feuerwehrleute sind die Helden der Stunde in Chile. Seit jeher ist das in Chile jedoch kein Beruf sondern ein freiwilliges Ehrenamt. Geld vom Staat gibt es keines. Für Material und die Fahrzeuge betreibt jedes Depot eine Art Crowdfunding mit den umliegenden Betrieben. Die Ausbildung, die Zeit das alles bekommt hier kein Feuerwehrmann bezahlt. Das finanzieren die alles aus Spenden oder dem Erlös wenn sie auf der Straße Lotterielose verkaufen. Wann immer ihr also einen Feuerwehrmann hier rumsitzen seht der Lose verkauft - kauft eins! Es geht nicht ums gewinnen, sondern um deren großartige Unterstützung. Ich habe es selbst schon erlebt wie dringend nötig sie die haben. Ich habe gerade Siesta gemacht bis das alte Schulhaus von Gabriela Mistral wieder öffnete. Ru d um den Plaza und auf dem Spielplatz gab es mächtig Trubel um die Mittagszeit. Als plötzlich hinter mor ein Feuerwehr auto hielt und zwei Leute in aller Seelenruhe eine Leiter vom Dach holten. Hier durfte es heute nicht um Leben und Tod gehen. Es dauerte nicht lang dass sich herum eine Menschentraube bildete. Die zwei versuchten in einen Baum hoch zu klettern. Von unten sah man nicht was sie eigentlich wollten. Ich merkte schnell dass sie nicht wirklich weiter kamen. So schleppten sie erst noch ein Seil an und noch eine Wasserspritze wie sie gut und gerne vor hundert Jahren eingesetzt wurde. Es half nichts also wurde telefoniert und es kam noch ein Wagen. Das war sowas wie die Einsatzleitung die entschied, es brauche noch einen dritten wagen. Mit dem kam dann ein Maschinist der die große Wasserpumpe bedienen konnte. Sie spritzten wild in den Baum hinein und waren einfach nicht zufrieden. Dann rollten sie noch mehr Schläuche aus und spritzen noch mehr Wasser. Bis jetzt wusste ich immer noch nicht was eigentlich der Grund war dass hier mittlerweile 3 Fahrzeuge und 6 Leute im Einsatz waren. Nirgends hatte es gebrannt.

    Plötzlich waren sie zufrieden und die Leute klatschen wie nach einem Konzert. Sie zeigten auf das naheliegende Dach von dem nun unverhofft, Pitsch nass und fluchtartig eine Katze das weite suchte. So ein Aufwand weil eine Katze nicht freiwillig wieder vom Baum kommen will. Ich glaube ich hätte einen Hund hoch geschickt. Das Problem wäre schneller gelöst aber auch ohne das Schauspiel gewesen.

    Darauf gibt es ein Ständchen!
    Read more

  • Day 13

    Pichilemu - der Weg bis zur perfekten We

    February 20, 2023 in Chile ⋅ ☀️ 19 °C

    Wenn ich früh aufstehe denke och immer, warum eigentlich so hektisch in vier Wochen das ganze Land sehen wollen. Bis jetzt drängelt mich nichts der Erste in Patagonian zu sein. Ja, es geht in den Süden aber 5 Std. Busfahrt am Tag müssen reichen. Und es geht erstmals durch chilenische Anbaugebiete für Wein, Äpfel, Gemüse. Das Agrarland südlich von Santiagos ist die Export-Kornkammer Chiles. Und die ersten dichten Kiefernwälder grüßen mich. Endlich wieder grün! Am Ende dieser fünf Stunden lande ich erneut an der Pazifikküste. Vom Wasser bläst ein kalter Wind herüber und der Sonnenuntergang verhüllt sich im Dunst des Meeres.
    Natürlich habe ich wieder mal nichts organisiert und werde inmitten einer geselligen Kleinstadt ausgespuckt. Hier sind nur die Hauptstraßen asphaltiert. Der Rest ist schwarzer Sand. Es herrscht ein wunderbare Landidylle! Die Menschen sind viel auf der Straße und am Strand. Zu Hause wäre es schließlich nicht halb so schön.
    Unweit vom Busbahnhof finde ich meine Unterkunft. Wenn andere vom Haus am See träumen - hier steht das Pendant, das Haus am Meer! Lagerfeuer wegen allabendlichem Stromausfall, Swimmingpool, Hängematte und beim Essen unweigerlich der Blick hinaus aufs Meer - alles inklusive. Zudem leben in dem Hostel gerade mehr Angestellte und Putzhilfen als Gäste. Und schnell stellt sich heraus dass über die hälfte davon deutsch spricht. Wir sind eben die Abenteuernation Nummer 1.

    Pichilemu ist eigentlich bekannt für seine Wellen. Viele Strandabschnitte sind so groß dass man sie lieber mit dem Pferd abreitet anstatt zu Fuß zu gehen. Mal im Trab, mal im Galopp, besonders im morgendlichen Dunst ist das ein schönes Schauspiel. Derweil sagen sich Stelzenläufer, Möwe und das ganze andere Vogelparadies in der naheliegenden Lagune einen fröhlichen Guten Morgen. Ich merke gar nicht wie die Zeit vergeht und schwups, habe ich mir gegen Mittag wieder mal trotz Nebel einen steifen Sonnenbrand eingefangen.

    Trotzdem soll es heute noch hinaus zur Surfschule gehen. Nachdem ich am Vorabend schon einmal „Eisbaden“ bei immerhin nur noch 14 Grad Wasser ausprobiert habe und zwei Stunden brauchte bis ich wieder warm wurde ist es jetzt eine Frage der Abhärtung gleich wieder in die Fluten zu springen. Erstmals habe ich mich vorab zu einem Termin verabredet und es kam natürlich irgend was dazwischen. Und wenn ich die Surfschule einfach nicht wieder finde. Rein ins Unterzeug, rein in den Neoprenanzug - haha: doppelt hält wärmer - und ab in die Fluten. Zwei Kanadier aus Lunenburg habe ich am morgen in ein Gespräch übers Surfen verwickelt. Sie treffe ich jetzt auch wieder. Doch sie können mir noch so viele gute Tipps geben. Erstmal muss och auf dem wackeligen Ding stehen und stehen bleiben. Nach ein paar Versuchen schubst mich der Surflehrer nur noch an, der Rest klappt schon ganz gut so lange ich denn auf dem Brett nur knien bleibe. Aber es macht einen großen Spaß. Ihr glaubt gar nicht mit welcher Kraft selbst eine kleine welle von 50cm von hinten drückt und mit welcher Geschwindigkeit sie das Surfbrett nach vorne schiebt. Mit der perfekten Welle komme ich so schon gut auf meine 50-80m weit auf dem Surfbrett. Würde ich jetzt noch eine Woche weiter üben könnte ich gut mit den Kanadiern mithalten. Sie erzählten mit von ihrem ersten Mal in Venezuela. Irgendjemandem ein Brett abgekauft, ohne Schule in die Wellen und gleich beim ersten Versuch erstmal zerlegt…Lehrgeld eben.

    Der zweite Abend verheißt dagegen einen traumhaften Sonnenuntergang mit karibischem Flair. Also laufe ich am Strand bis zum Punta de Lobos. Das ist ein Pelikanfelsen am Ende einer Landzunge dahinter öffnet sich der Pazifik bis rüber nach Neuseeland. Auf dem Weg angelt sich ein Fischer am Strand gerade sein Abendbrot. Es gibt Krabben. Was sie außerdem gut können ist der Congrio (Aal) und Lachs zubereiten, je nach Region.

    Ich lasse den Blick in die Ferne schweifen und versacke regelrecht. Der Tag war anstrengend doch den Abstecher ist es wert.
    Read more