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  • Das soll kesseln

    January 28 in Germany ⋅ ☀️ 7 °C

    Das soll Kesseln!

    Ich bin zurück auf winterlichen Pfaden durch die Ammergauer Alpen. An diesem Ort war ich schon einmal. Das letzte Mal hat das dazu geführt mit einem guten Freund mit den öffentlichen Bussen auf Odyssee durch Bayern zurück zu unserem Ausgangspunkt zu kommen weil keiner von uns eine Taschenlampe dabei hatte. Der ursprüngliche Rückweg war dadurch sehr riskant und leichtsinnig. Es gibt doch tatsächlich auch hier in den Alpen noch Regionen in denen ich "viele" Leute getroffen habe wenn ich mehr als drei Finger zum Zählen brauche.
    Das war im Sommer. Heute konnte ich ihn nicht erneut dazu bewegen mitzukommen. Die Kenzenhütte hat Winterruhe, es gibt also weder Bier noch warmes Essen. Ein Bus fährt auch nicht. Viel eher würde der vor Blitzeis den Berg wieder runterrutschen. Dann sicher doch lieber zu Fuß auf einen Spaziergang. Und gerade weil die Region etwas abgelegen ist finde ich ein paar interessante Geschichten am Wegesrand die mir im Sommer womöglich gar nicht aufgefallen wären.
    Es dauert gar nicht lang da windet sich der Fluss Halblech durch eine tiefe Schlucht. Bis in die sechziger Jahre standen hier Steinmühlen. Durch die archäologische Besonderheit von bestimmtem bodennahen Gestein etablierte sich über Jahrhunderte die Europaweite Produktion für Wetzsteine hier im Ammergau. Und als wäre es selbstverständlich sagten sich noch bis vor kurzem Rothirsch und Braunbär Gute Nacht in dieser Schlucht. Davon zeugt heute der Bärengraben. Leider kommt der Name nicht von ungefähr als der königliche Jäger Ludwigs hier das letzte Mal einen Bären erlegte. Seitdem sind bald zweihundert Jahre vergangen. Geblieben ist aber nicht nur die Superlative von Schloss Neuschwanstein gleich nebenan sondern die Silhouette grandioser Bergsteiger- und Kletterfelsen rings um das zentrale Bergmassiv der Hochplatte.
    So ganz ohne fremde Hilfsmittel nehme ich mir vor dass heute ein Spaziergang viel mehr anstatt einer anstrengenden Bergtour ansteht. Ich kann ja die Ziele auch einmal niedrig halten - hoch hinaus geht es von ganz allein. Bald schon kann ich mich entscheiden weiter in der Schlucht zu wandern doch die aufgehende Morgensonne lockt auf einen Weg etwa zweihundert Meter oberhalb. Im Sonnenschein und schön gemütlich geht es noch einige Zeit dahin bis ich auf eine Hochalpe stoße. Der Wald aus dichtem Fichtenspargel öffnet sich und gibt vereinzelten knorrigen alten Laubbäumen auf der Alm Platz. Der Boden ist weiß überzuckert. Im Sonnenschein funkeln die Eiskristalle die sich auf den Ästen gebildet haben. Darüber thront die Hochplatte. Er hat eigentlich nur 2.000m und steht hier über dem Tal doch wie ein 5.000er in Peru. Ein bisschen Funkeln springt nun auch in meine Augen über. Ich weiß einmal mehr warum es sich lohnt Orte wie diese auch zu besuchen wenn andere schon längst das Handtuch geworfen hätten. Doch plötzlich ergibt sich ein ganz anderes Problem. Da hoch? - Mit der wenigen Minimalausrüstung die ich mir heute mitgenommen habe? Auch wieder zu riskant!
    Kurz unterhalb der Kenzenhütte beginnt der Schnee. Obwohl weit und breit kein Mensch hat die Bergwacht heute vorsichtshalber jemanden entsandt der hier Wache schiebt. Ein wenig beruhigt mich das. Aber soll ich da wirklich hoch? Mit ganz so stark vereisten Bedingungen hatte ich noch vor einer Woche nicht gerechnet. Ich laufe erstmal weiter und dann schauen wir mal. Im Schnee finde ich frische Tierspuren. Wo jetzt kein allzu strenger Frost ist beginnt eindeutig das Leben bereits nach dem Winter wieder aufzuwachen. Und am Ende der Sackgasse belohnt mich ein wunderschöner Wasserfall. Wieder ergeben sich Zweifel wenn ich so nach oben schaue. Soll ich nun wirklich noch weiter hoch hinaus, oder doch lieber nur links auf den Vorgipfel, oder rechts auf den? Ich will wenigsten hoch auf den Jochtalsattel. Von da kann man bis in das nächste Tal hinein sehen. Derweil steht die Sonne hoch am Winterhimmel. Es war einfach nur die richtige Entscheidung weiter zu gehen. Erst nach und nach schaue ich immer wieder auf die Karte wo ich in dieser Gegend denn alles noch nicht war? Weil der Schnee durch die Sonne sehr stark zu sulzen beginnt entschließe ich mich einer einsamen Skitouren-Spur zu folgen. Ringsum ist alles unberührt. So dauert es gar schon seine Zeit bis ich freudestrahlend auf dem Sattel stehe. Geht da vielleicht doch noch mehr? Ich meine, wenn ich schon mal hier bin! Hinter dem Bergkamm links von mir erstreckt sich laut Karte ein tiefer Gesteinskessel. So etwas ist von oben immer schön anzuschauen. Zu Beginn wäge ich noch ein wenig ab. Auf der freien Südseite am Hang sind bereits ein paar kleinere Lawinen abgegangen. Ob der Schnee mich trägt? Mit Schneeschuhen kann ich in dem steilen Gelände jedenfalls nichts ausrichten. Stattdessen kann ich wie in der vergangenen Woche auch einmal mehr üben wie es ist im Alter auf allen Vieren einen Berg hinauf zu krauchen. Und das alles nur für eine schöne Aussicht! Von der Sonne mittlerweile ordentlich ins Schwitzen geraten kämpfe ich mich steil den Berg hinauf. Ich bin so weit gekommen. Jetzt will ich auch wissen wie der Kessel ausschaut!
    Oben entdecke ich frische Gamsspuren. Die haben mich sicher die ganze Tour beobachtet! Dabei habe ich die Zeit ein wenig aus dem Auge verloren. Zum Glück habe ich heute aber eine Taschenlampe dabei. Am Ende bin ich zufrieden dass ich doch nicht den eigentlichen Gipfel erklommen habe. Von der Seite sieht er viel schöner aus. Und eigentlich wollte ich heute ja auch nur ein bisschen spazieren gehen. Ein bisschen...denn am Ende waren es glatt 30km.
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