• Robert Fichtner
Sep 2020 – Sep 2025

Alpe-Solo

Die Alpen sind das am Besten erschlossene Gebirge der Welt! Grund genug auf Berge zu steigen, wandern zu gehen, Geschichten zu sammeln...
Lasst uns gemeinsam neue Ziele erklimmen. Und die Alpen entdecken.
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  • Trip start
    September 7, 2020

    Was zum illern

    September 14, 2020 in Germany ⋅ ⛅ 22 °C

    Grüne Wiesen, glasklares türkisblaues Wasser und die Sonne brennt. Es braucht nicht immer die Karibik und das Ende der Welt um harte Abenteuer zu bestehen. Es kommt darauf an, dass man losfährt. Dann findet sich das auch 'quer durchs Land'.
    Mit dem Sonnenaufgang geht es hinaus in den Süden des Landes. Auf meiner 'Quer durchs Land-Tour' fehlt dieser mir noch vollständig.
    Bei einer Freundin stoppe ich im wunderschönen Allgäu. Dieser Landstrich ist wahrhaft eine Perle von Natur. Eigentlich ist es überall grün, außer es liegt Schnee. Am Horizont die Alpen. Egal wo man hinfährt lässt es sich mehrere Tage aushalten. Der örtliche Musikverein hat zu seiner ersten Zusammenkunft unter Auflagen nach sehr langer Sommerpause geladen. Als zusätzlicher Gast bin ich dennoch willkommen. Neben zünftiger Musik gibt es erstmal ein großes Mittagessen um alle wieder einzustimmen. Und für Tiramisu zum Nachtisch ist auch gesorgt. Natürlich schwingt auch bei den Menschen hier immer ein bisschen Unbehagen mit. Wie soll es dieser Zeit vor allem in den Schulen weiter gehen? Nebenan gackern die Hühner und der Traktor vom Bauern wird aus seinem hundertjährigen Schlaf geholt um die Kinder mit auf Spazierfahrt zu nehmen. Da ist das Leben doch noch in Ordnung.
    Gut gestärkt fahre ich am nächsten Tag entlang der Iller. Mehr wie einen Kaffee und ein Croisant bekomme selbst ich an diesem folgenden Morgen noch nicht hinunter. Die Sonne strahlt, die Zeit verfliegt. Viele alte Höfe laden zum Verweilen ein, doch da möchte schon die kleine Carolin aus dem Kindergarten abgeholt werden. Nunmehr machen wir nun zu viert auf dem Weg zum nächsten Eisladen die Radwege unsicher. Am Himmel fliegt ein Ballon. Von Oben will ich mir die Welt in den nächsten Tagen auch einmal anschauen. Stattdessen fühl ich mich heute wie im Paradies. Denn nirgends zu Hause sind die Flüsse so klar und schimmern in der Sonne so schön smaragd und türkis. Und schon wieder ist es Abend. Die Sonne geht im September viel zu zeitig unter! Zum Abend entscheide ich weiter zu fahren. Für die nächsten Taqge braucht es noch einiger Vorbereitung. Damit möchte ich gleich morgen früh beginnen.
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  • Der Fürst und der Zaunkönig

    September 15, 2020 in Liechtenstein ⋅ ☀️ 20 °C

    Gestern Abend habe ich einen Zwischenstop in Lindau gemacht. Erstmal die Hände in den Bodensee stecken und den Sonnenuntergang genießen. Mein erster Eindruck, während die Altstadt auch bei Nacht zum bummeln einlädt sind ringsum alle Läden schon ab 20 Uhr geschlossen. Willkommen im Nirgendwo. Keine Supermärkte, keine Tankstellen, nicht einmal mehr der Dönerladen um die Ecke. Auch wenn ich mich nicht wie gewollt für die nächsten Tage nocheinmal bevorraten kann gibt es erstmal gute Hausmannskost aus dem Camping-kocher. Nebenbei erwähnt riecht man in jeder Gasse dass Cannabis und andere Grassorten gerade stark in Mode sind. Gedanken an die Gute Zeit in Kanada kommen auf. Auch wenn ich selbst nicht rauche assozieiert dieser Geruch Fernweh in mir. Also ab über die Grenze zu den Nachbarn in die Schweiz und nach Liechtenstein.
    Während ich in Österreich immer meine liebe Not habe die Schilder zu Ende zu lesen bevor ich in der Sackgasse lande (oder ungewollt in einer Fußgängerzone mit mehr Blitzern wie Anwohnern) werde ich in Liechtenstein fürstlich begrüßt. Um Mitternacht ähneln all die Serpentinen einer voll ausgeleuchteten Rennbahn ganz für mich allein. :) Nur geht es eher sehr schleppend anstatt sportlich bergauf und zugegeben will man hier auch keinen Gegenverkehr haben denn FastSchweizer bauen ihre Straßen nicht breiter nur weil sie noch mehr ProKopf-Einkommen haben als die wirklichen Schweizer.

    In Gaflei endet der Weg. Das letzte Trinkwasser vor dem Gipfel. Von hier an beginnt früh am Morgen der Fürstensteig. Aus dem Einwandern wird ziemlich schnell 'steigen'. Das kleine Fürstentum bietet von allem reichlich. Während untem im Tal der Rhein fließt und mit ihm Wein, Kunst und bei Nacht ein Lichtermeer bis an den Bodensee, genießt man hier oben die Ruhe. Noch haben die ersten Busse keine Wanderer ausgekippt die zum zehn Minuten entfernten Aussichtsturm laufen. In den Morgenstunden spendet der Klettersteig reichlich Schatten und all die Anstrengung ist nur halb so strapaziös. Als Mensch wirkt man in dieser Wand wie eine Ameise. Rechts geht es fünfhundert Meter senkrecht hoch und links gut eintausend senkrecht hinunter. Immer wieder führt der Steig über schmale Brücken, an Seilen die man lieber auch benutzen sollte und über Geröllhalden. Der Blick schweift immer wieder grandios ins Tal. Von hier oben überblicke ich das gesamte Fürstentum. Oben auf der Gafleispitz erreiche ich den höchsten Punkt von Liechtenstein und fühle mich wie der König persönlich als ich mich ins Gipfelbuch eintrage. Ein Herr aus Baden-Würtemberg meinte dieser Steig war noch vor 30 Jahren gelinde halsbrecherisch und unpassierbar. Heute geht es aber es gibt eben kaum Sicherungen und er ist steil.
    Der Weg führt weiter entlang dem Gipfelgrat zu den Drei Schwestern nach Österreich. Dort bessert man gerade nach. Für die Bauarbeiter bei strahlendem Sonnenschein sicher kein schlechter Arbeitsplatz. Schweißgebadet hocken sie nahe dem Gipfel mit Bohrmaschine und Komponentenkleber. Doch bei so viel Steigeisen, Betontreppen und Seilen will ich gleich zurück in die Schweiz. Es zeigt mir wie schnell die Alpen ihre Natürlichkeit verlieren können. Beim Abstieg treffe ich Mario. Er ist Journalist und waschechter Liechtensteiner. Wir Reden über alles und jeden, über die Welt und ihre Ungerechtigkeit. Er hält viel auf die Europäische Union und ihre Friedensfunktion. Dennoch ist er froh selbst nicht Teil der EU zu sein. Ich fühle mich wie in einem Dejavue mit den Luxemburgern. Die Friedliebenden befürworten das Grundkonzept der EU, was sich daraus entwickelt hat möchte heute jedoch keiner kommentieren. Politik eben. Er ist überascht und zugleich hoch erfreut dass jemand der sein Erstes Mal in Liechtenstein ist nicht allein wegen der Kunst oder dem Geld hierher kommt. Es ist einfach auch ein schöner Flecken Erde. Besonders von oben.
    Mit dem Abend vergoldet mir die Sonne den Tag im Fürstentum dann aber auch noch. Die Berge für einen kurzen Moment in Flammen und der Himmel überzogen von gestrickten Teppich goldgelber Wolken. Liechtenstein lohnt sich!
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  • Leuchttürme der Alpen

    September 16, 2020 in Switzerland ⋅ ☁️ 11 °C

    Am nächsten Morgen wache ich auf und die Berge stehen scheinbar immer noch in Flammen. Dabei kann man sich ganz schnell vergessen, ehrlich! Doch ich darf heute nicht trödeln. Habe später noch einen Termin. Und der Tag hat nun einmal auch immer nur 24 Stunden. Auf meinem Weg hoch in die Berge sagen sich das auch einige Andere. Natürlich darf das Radfahren nicht zu kurz kommen. Aber ich bin noch nie auf die Idee gekommen noch vor dem Frühstück 30km bergan zu fahren und oben nach über tausend Höhenmetern umzukehren weil ich dann doch mal ins Büro muss. So geschehen bei jenem Radfahrer den ich hier getroffen habe. Er meint jetzt im September hat er wieder Luft zum Atmen. Die paar Kilometer fährt er locker in 1:15h. Und die Abfahrt verhindere dass er vollkommen durchgeschwitzt im Büro ankommt. Im Sommer sei so ein Hobby vor der Arbeit unmöglich. hunderte Caravans und Autos die nicht wüssten wie breit die Straße wirklich ist versperrten durch und durch die Straßen. Die Abgaswerte seien schlimmer als in der Stadt. Da fährt er nicht gern. Jetzt habe er die Straße früh ganz für sich allein bis die Motoradfahrer ausgeschlafen haben.
    Zwei Minuten durchatmen, ein Schluck aus der Pulle und weg ist er wieder. Jedenfalls glaube ich ihm dass er das nicht zum ersten Mal macht. So besessen sah er gar nicht aus. Vor mir steht indes schon der nächste Leuchtturm an diesem Tag. Kein Spitzensportler, ein echter Leuchtturm. Mittlerweile ist das Mittelmeer näher als die Nordsee. Und zweihundert Meter entfernt liegt auch ein kleiner Gletschersee. Aber ein Leuchtturm? Hier oben? Der Leuchtturm Rheinquelle ist auf über 2000m der höchstgelegene Leuchtturm der Welt der ebenso noch funktionstüchtig ist, auch wenn er hier nie zu diesem Zweck aufgestellt wurde. Wie ich später noch erfahren sollte gibt es tatsächlich Kajakfahrer die sich hier hoch verirren. Für viele Touristen markiert er die Rheinquelle. Ein paar wenige laufen die zwei Stunden bis hinein ins tatsächliche Quellgebiet. Jeder der wenigstens hundert Franken spendet erhält sogar seinen eigenen Leuchtturmschlüssel für die schöne Aussicht und trägt zu seiner Erhaltung bei um die sich hier ein Verein gebildet hat. Ein sehr schöner Zwischenstopp wie ich finde aber auch nicht mehr. Der Tag ist noch zu jung und ringsum niemand anderes zum Verweilen.
    Durch das Gotthart-Massiv geht es in Richtung Furka. In früher Zeit gab es keine Tunnel quer von Nord- nach Südeuropa. Weder Autobahn noch Zug. Die römischen Armee, die Reisenden und erst recht die Anwohner vor Ort mussten sich ihren unwegsamen Weg über die Berge bahnen. Heute ist er nicht minder unwegsam. An wichtigen Etappenzielen stehen alte Hotels und Rasthäuser mit langer Geschichte. Heute schläft hier keiner mehr, außer vielleicht im Camper nebenan. Die Schweizer lieben das! Kleiner VW-Bus, oben mit Dach Zelt zum Schlafen, unten mit Sitzecke und Küchenzeile. Was braucht es mehr? Ach ja, Hightech-Kletter- und Fotoausrüstung. Damit ist das Auto meist ganz von allein voll. Bei so einem grandiosen Panorama braucht es aber auch nicht mehr! Dazwischen haben sich zwei Radfahrer mit Zelt verirrt. Noch ein Sturmzelt drüber damit der Kaffeekocher vor lauter Sturm auf dem Pass oben nicht ausgeht, so wie es mir erging. Sämtlicher Windschutz hilft nichts. das zweite Frühstück bleibt heute kalt. Als ich komme sind die beiden noch mit Ihrem Frühmorgen-Yoga beschäftigt. (Der Moment in dem ich mich früh auch immer vergesse und bevor die Beine sagen dass man heute vielleicht doch nicht so kraftvoll ist wie man sich fühlt.)
    Gemeinsam mit einem Motorradfahrer entschließe ich mich auf einen kleinen Fußmarsch. Wo auf der einen Seite des Felsmassivs der Rhein entspringt. Fließt auf der anderen die Rhone von einem Gletscher ab. Es ist nicht der Größte aber ein sehr guter Vorgeschmack was mich an diesem Tag noch erwartet. Natürlich tut es weh zu sehen wie die Gletscher schmelzen und immer, immer kleiner werden. Aber hier und jetzt im Sonnenschein strahlt diese Majestät aus Eis erhaben über alle Gipfel.
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  • Gogwärgi und 27 milliarden Tonnen Eis

    September 16, 2020 in Switzerland ⋅ ☁️ 23 °C

    Zu Mittag erreiche ich mein Ziel. Vor mir liegt das Wallis. Links und rechts türmen sich die Berge tausende Meter in luftige Höhen. Kaum zu glauben aber wahr, das lässt sich alles mit dem Fahhrad entdecken! Ist auch gar nicht so weit. 127km Rundkurs auf zwei Tage verteilt. Das macht vier oder fünf Stunden Radfahren am Tag unter normalen Bedingungen. Das Problem sollte hier auch nicht der Gegenwind sein sondern schlappe 4700 Höhenmeter. *Ähh*, Erleben kannst du eben nur was wenn du losfährst.

    Erster Kilometer - erster Sturz. Man soll halt auf den Weg gucken, besonders wenn alles neu und interessant ist. Das was ich vom Falltraining mitbekommen habe hätte jedenfalls schlimmer enden müssen als es tatsächlich war. Ein ziepen dass mich den ganzen Tag nicht wieder loslies, doch sonst keine Blessuren, Schürfwunden oder andere erkennbare Verletzungen. Ich glaube fest das ich in dem Moment Hilfe in der Not hatte. Die Gogwärgi tun Gutes wenn Menschen die Hilfe dringend gebrauchen können. Doch wer nicht an sie glaubt, der nimmt sie auch nicht wahr. Zwerge, Kobolde und gute Geister zugleich, verlangen eigentlich nicht viel als Gegenleistung für manch harte Arbeit als Schutzengel. Auf dem Zwergen-Weg habe ich jedoch auch gelernt dass auf den Gogwärgi ein Fluch lastet. Wenn sie einem Menschen in der Not geholfen haben müssen Sie weiterziehen um wieder helfen zu können.

    Danach bin ich meine Radtour gewiss auch viel langsamer angegangen. Auf dem Programm standen zehn Kilometer mit zehn Prozent Steigung. Die Sonne kennt kein Erbarmen. So viel wasser kann man gar nicht den Berg hier herauf schleppen wie es dabei braucht. Ein Tunnel auf dem Weg zum Ziel sorgt jedoch für die nötige Abkühlung. Hierin den Bergen ist alles relativ. Oben ist das neue Unten. Über mir türmen sich in Zweitausend Metern Höhe mächtige Viertausender auf, die man von unten gar nicht wahrgenommen hat. Gut dass ich da mit dem Rad nicht hinauf will, aber ein paar Meter gehn noch. Auf 2364m eine Hütte und erst durch eine kleine Randnotiz kann ich mein Glück kaum fassen. Zehn Minuten später stehe ich am größten Gletscher Europas. 23km lang, 900m dick, pures Eis! Und ich bin hier oben mit dem Fahrrad. Das müsste man daheim mal Väterchen Frost erzählen. Der ärgert sich schwarz.

    An diesem Abend will ich noch zu einer zweiten Stempelstelle. Doch die Zeit drängt. Es wird bereits gleich dunkel. Im Handumdrehen überrede ich zwei Kellnerinen mir bitte Wasser aufzufüllen. Und dann ist es wie der Sturm auf die Basie hin zum Aussichtspunkt. Der wiederum denkt gar nicht daran es mir leicht zu machen. Auf den letzen Hundert Höhenmetern trage ich mein liebes Fahrrad mehr als ich es schieben könnte. Was das im Zweifel mit einer Mountainbike-Strecke zu tun hat ist mir ein Rätsel. So mancher Hindernissparcour in der Vergangenheit war einfacher zu bewältigen. Als ich oben ankomme ist die Sonne gerade untergegangen. Nicht gut, aber überwältigend! Bis zur Finsternis nehme ich mein Rad in die Hand und trage es lieber wieder bergab bis ins nächste Dorf. Hat das schon mal jemand ausprobiert, dass es selbst mit dem Fahrrad genau so lang bergab dauert wie bergauf? Nein? Dann habe ich hier den idealen Trainingsplatz für euch gefunden. Mit Fahrradlampe und sonst nix geht es über Stock, Stein und Kühe noch 1200m fast senkrecht bergab bevor ich sehr spät bei meiner Unterkunft bin. Ein riesiges Dankeschön an die Gogwärgini die mich den ganzen Tag vor Dummheiten beschützt haben. Morgen geht das Abenteuer weiter.
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  • Schätze zum Frühstück

    September 17, 2020 in Switzerland ⋅ ☀️ 10 °C

    Nach dem Frühstück komme ich durch ein Dorf. Wer genauer hinschaut, nicht irgendein Dorf sondern eine Schatzkammer. Der Ort Mühlebach hat mit mehr als 500 Jahren den ältesten weitgehend komplett erhaltenen Dorfkern der Schweiz in Holzbauweise. Die sogenannten Heidenhäuser sind allesamt aus Lerche gebaut und auf charakteristische Steinstelen aufgestellt. Die Steinplatten schützten die Häuser vor aufsteigender Nässe auch wenn im Winter hier schnell mal mehrere Meter Schnee zusammen kommen. Wenn der taut bleiben die Häuser von unten dennoch trocken. Oft kann ein Haus somit gleichzeitig als Wohnhaus und Scheune bzw. Stall genutzt werden. Die verbaute Lerche wird über die Jahre immer Wetterbeständiger und fester wenn sie trocknen kann. Daher ist sie hier nicht selten ebenso bereits 500 Jahre und älter.
    Das nahegelegene Ernen ist heute der größte Ort in der Umgebung. Schon vor 500 Jahren erhielt dieser Ort seine eigene Hochgerichtsbarkeit! Heute steht davon jedoch nur noch die Grundfeste vom Galgen. Ernen ist zugleich das Tor ins Binntal. Über 200 seltene Mineralienarten hat man hier gefunden. davon 13 nur hier! Die Schätze der Welt sind manchmal so unscheinbar! Selbst jetzt im September kann man sagen Schätze findet man in jedem Vorgarten. Überall pflegt man die Gärten. Man achtet auf jedes Detail. Akkurat gesäter Lauch und Kohl. Sonnenblumen, so hoch wie das Erdgeschoss der Häuser. Malven blühen oft an jedem Haus. Und dazwischen gucken die Köpfe von Schneewittchen und den sieben Zwergen heraus. Wenn auch als Gartenzwerg verkleidet spielen die Gogwärgi wohl auch heute wieder eine bedeutende Rolle.
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  • Gegen die Zeit

    September 17, 2020 in Switzerland ⋅ ☀️ 11 °C

    Eins vorab - ich werde älter. Ich merke es nur noch nicht. Nur die Uhr sagt mir dann immer wieder wieviel später es ist anstatt ich angenommen habe. Egal - frei nach dem Motto "höre niemals auf von einer besseren Welt zu reden" muss ich mir dessen Wahrheitsgehalt noch erarbeiten. Reden kann ja so ziemlich jeder. Ich arbeite also stetig an meiner Kondition. Zweiter Tag, wieder 1400 Höhenmeter gleich nach dem Frühstück. Ich weiß bis jetzt nicht warum ich mir diesen Floh in den Kopf gesetzt habe. Wegen so einer blöden Stempelstelle. Eine "schöne, heile Welt" hat eben auch etwas Magisches. Und die Magie der Berge kann nur erahnen wer oben steht!
    Das Breithorn ist nicht der einzige Berg den ich mir heute vorgenommen habe. Entsprechend zeitig bin ich unterwegs und lobe mir noch dass die Morgensonne noch nicht so heiß brennt. Passend zur Abkühlung werde ich immer wieder von Wasserfällen durch eine tiefe Schlucht begleitet. Die ersten dreihundert Höhenmeter verlaufen ja noch im Wald. Die restlichen 1100 nur noch über Almwiesen und Hochlandgras. Kein Baum, kein Schutz vor Wind und Sonne. Ich schleiche langsam den Berg herauf. Hinter mir kommt ein hämischer Geländewagen mit seiner Ausnahmegenehmigung. Später muss jedoch selbst der feststellen dass der erste Gang das Schnellste der Gefühle ist. In einer der Almhütten gibt es ein freies Bettenlager. Für Pause und Schokolade bin ich dieser Stunden immer zu haben. Schnell noch Wasser aufgefüllt. kurz vor dem Gipfel steht ein Kapelle. Nach dem Anstieg zittern noch leicht die Knie. Seelischen Beistand kann ich vor der bevorstehenden Abfahrt ganz sicher gebrauchen. Endlich erreiche ich die Stempelstelle. Und wahrlich ist es nicht untertrieben hier oben am Rande von nirgendwo von einem magischen Ort zu sprechen. Die Aussicht ist grandios! Hier oben treffe ich auch das Auto von vorhin wieder. Vier Senioren auf sehr, sehr wackeligen Beinen, einer von Ihnen fast blind. Bekommen von ihrem einheimischen Führer einen echten Geheimtipp gezeigt. Ich finde es gut, Menschen die etwas erreichen wollen, selbst wenn sie es allein nie könnten, dieses zu ermöglichen. Gemeinsam schauen wir Murmeltieren hinterher. Wenn man so will stehen wir hier oben unter ständiger Beobachtung. :)
    Für über zwei Stunden fahre ich anschließend bergab. Ich hätte nie geglaubt, dass der Weg bergab selbst mit dem Rad genauso lang dauern kann wie bergauf. Dennoch kann ich mich glücklich schätzen. Mittlerweile ist es fast Mittag und ein gutes Dutzend Radfahrer quält sich jetzt die Serpentinen herauf. Egal wie weit ich heute eigentlich schon sein wollte. Irgendwie fühle ich mich schon jetzt als Sieger. #Stoneman_rockt!
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  • Der Steinsammler

    September 18, 2020 in Switzerland ⋅ ☀️ 12 °C

    "Der Weg ist das Ziel" habe ich eigentlich auf allen meinen Reisen verinnerlicht. Heute habe ich jedoch nur noch ein Ziel. Stempel sammeln - und Steine. Doch dafür bin ich spät dran. Mein Weg führt über viele Kilometer durch die alten Dorfkerne nach Reckingen. In Niederwald ist ein guter Ort für die nächste Pause. Ein Rundweg lädt auf den Spuren von Cesar Ritz ein. Vom Niederwäldler zum Hotelmillionär in einem Leben. Seinem Dorf ist er stets ein bisschen treu geblieben. Und so führt auch die Radstrecke nicht durch den Fußweg des Dorfes, nein man wird seit jeher Verkehrstechnisch umgeleitet. Hinter dem Dorf muss man das Rad vom Feldweg querfeldein durch die Kuhweide bergauf schleppen um auf dem Radweg weiter zu kommen. So viel Macht eines Hoteliers auf Ruhe muss schon sein... Endlose zehn Kilometer steil bergauf. Oben Bellwald, der letzte Stempel, der letzte grandiose Ausblick über das Wallis auf meiner Radrunde. Mittlerweile ist es schon Abends halb sieben Uhr. Eigentlich wollte ich zum Kaffeetrinken eine heiße Schokolade zu Ehren meiner Steinsammlung trinken. Meine Steinsammlung, das sind mittlerweile drei. Das sind jedes Mal 4000-5000 Höhenmeter an zwei Tagen, das sind Zähne die knirschen, das sind Momente in denen ich mich Frage warum ich das eigentlich schon wieder tue. Und das ist dieses überwältigende Glücksgefühl etwas zu Ende gebracht zu haben und dabei jede Menge Eindrücke für die Ewigkeit mitzunehmen. Eigentlich falle ich nur noch auf meine Matratze und schlafe ein...
    Mit dem Sonnenaufgang verlasse ich das Wallis am nächsten Morgen wieder in Richtung Furkapass. Ich muss den Heimweg antreten. Auf dem Pass treffe ich Adrian Spannagel. "Auf welchen Gipfel möchtest du heute?" Lächelnd meint er nur - Ich will nicht hoch, ich will runter! Ich werde stutzig. Warum fährt jemand hoch auf den Pass, lässt sein Auto da stehen und läuft dann runter ins Tal? Gleich entwickelt sich ein wunderbares Gespräch über Motive in die Berge zu Reisen, über Kameras und über seine Bucket-List als Fotograf. Das ist so etwas wie eine Liste der Orte die man selbst im Leben einmal besucht haben will, oder der Motive die man einmal im Leben fotografiert haben will. Er zeigt mir ein Foto von vorgestern im Gotthartmassiv. Über den Gipfeln thront die Milchstraße. Ein Bild, wie ich es in Europa nie erwartet hätte. Der Sternenhimmel ist alles andere als leer. Heute möchte er zum Bahngleis der Furkabahn. Eine Dampflock will er fotografieren. Die Furkabahn fährt noch heute als Zahnradbahn durch den Pass und bringt sechs Mal am Tag einen Autozug über den Berg. Die bequeme Art des Reisens. Doch Bequemlichkeit ist bekanntlich purer Hohn wenn man etwas erleben möchte.
    Wenn ich schon auf dem Rad gerade keine Lust mehr zu strampeln habe kann ich wenigsten ein paar Stündchen wandern gehen. Auf der Karte liegt gleich nebenan das kleine und das große Furkahorn. So ein Spaziergang zum Auswandern quasi - und zum Gletscher gucken. Ein Tag ohne Auslauf ist wie ein Tag ohne Lächeln! Eigentlich hätte ich es aus den letzten zwei Tagen besser wissen müssen. Das Profil trügt in den Alpen. Meist sind sie steiler und steiniger als sie von unten aussehen. Stein um Stein beiße ich mich durch. Bis ich oben ankomme treffe ich noch einige Wanderer. Manche haben in dieser Woche trotz des schönen Wetters schon den zweiten Anlauf auf den Gipfel. Andere raten mir umzukehren. Runter sei viel leichter wie rauf. Ha-ha! Nach gut zwei Stunden bin ich die gut sechshundert Höhenmeter vom Pass oben auf 3046m. Für Europa ist das schon zeimlich weit oben! Der Blick schweift, der Gletscher liegt weit unter mir. Hautnah kann ich miterleben wie das Glück unfassbar groß wird. Schön dass ich das noch erleben darf. Als ob mir die Mutter Natur herzlichen Glückwunsch sagen will zeigt sich zum Abschluss ein majestätischer Steinbock. Genussvoll und kein bisschen hektisch klettert er 15m neben mir auf den Berg. Seine Hörner zeigen mir, dass er nicht mehr der Jüngste ist und geprägt von vielen Strapazen. Doch er wird nie aufhören umherzustreifen so lange es etwas zu erkunden gibt. Ebenso wie ich. Auf meiner persönlichen Bucket-list kann ich heute jedenfalls wieder zwei Haken setzen.
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  • Heidelbeeren auf Eis

    September 18, 2020 in Switzerland ⋅ ☀️ 9 °C

    Bei meinem Abstieg spreche ich mit zwei anderen Wanderern über den Gletscher. Der eine erzählt von einer früheren Reise von einem Norwegischen Gletscher hoch oben im Norden. Als er dort war reichte er bis ans Meer wie der Punta Arenas in Südamerika. Die Ideen werden mir also glaube ich nie ausgehen.
    Stattdessen steht heute noch ein weiteres Highlight an. Auf der Rückfahrt halte ich noch einmal am Leuchtturm in Ober Alp. Diesmal möchte ich zur Rheinquelle. Es ist schon weit nach fünf am Abend und auf den ersten zwei Kilometern kommen mir die letzten Wanderer des Tages entgegen. In jedem gottverlassenen anderen Gebirge der Welt wäre das gefährlich aber irgendwie ist es nach meinem Geschmack. Und ganz unerfahren bin ich ja auch nicht mehr. Bis zur Quelle sind es zu Fuß nur noch einmal 400 Höhenmeter. Bei leichtem Gepäck sollte das nach dieser anspruchsvollen Woche ebenfalls ein Leichtes bleiben. Der Rhein unterteilt sich in den Vorder- und den Hinterrhein. Eigentlich hat er also zwei Quellen - oder eher Quellgebiete. Unter mir erstreckt sich bereits eine riesige Fläche von feinen Wasseradern durchzogen. Der Weg ist auch nicht immer trocken und erfordert auch zu später Stunde stetige Konzentration. Irgendwann komme ich zu einer kleinen Kletterpassage und Schwups komme ich vom Weg ab. Das bekomme ich jedoch erst viel später mit. Denn hier hat die Natur für ausreichend Proviant gesorgt. Auf das Viele Eis von heute Mittag folgt jetzt das Heidelbeer-Kompott. Da hier scheinbar noch niemand vor mir vom Weg abgekommen ist hängen die kleinen Büsche ächzend voll! Ich kann es nicht lassen und eigentlich ist die Zeit ja relativ. Was macht das schon wenn es finster wird... Irgendwann denke ich mir aber - naja so gut wie am Fahrrad ist meine Stirnlampe nun auch wieder nicht und mache mich auf den Weg zur Quelle als ich merke dass die Sonne unter geht. Hier oben, 1320 km vor der Mündung des Rhein, gibt es tatsächlich Menschen die den ganzen Weg von der Rheinmündung Flussaufwärts hier her gepaddelt sind! Den Flaggen nach waren es zwei Polen. Abenteuer liebend und kein bisschen Arbeitsscheu, wie eh und je. Der Rhein selbst riecht von Anfang an streng nach Fisch! Selbst in seiner Quelle wachsen Algen. Egal - eine kurze Dusche ist dennoch ungemein erfrischend. Und die Blaubeeren auf dem Weg hier her entschädigen für alles! :) Auch wenn die Sonne bereits verschwunden ist entscheide ich mich dennoch für den Abstieg anstatt der nahegelegenen Hütte. In der Dämmerung nehme ich jedoch den vermeintlich leichteren offiziellen Weg über die erste Rheinbrücke. Mit ein bisschen Zuversicht komme ich auch gerade noch in der letzten Dämmerung wieder an der Straße an. Während andere schon zu Abend gegessen haben und beginnen das Erlebte zu verarbeiten gehe ich noch einmal in die Verlängerung. Das Wetter gibt es her und selbst wenn es nicht so perfekt scheint wie bei dem Fotograf Mario beeindruckt mich die Milchstraße immer wieder. Die Zeit wird kommen, dass ich sie wieder so gut beobachten kann wie schon in Kanada oder zuvor in Madagaskar. Währenddessen köcheln die Bohnen vor sich hin. Die Natur bietet einfach nur das Beste!
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  • Unter dem Rhein

    September 19, 2020 in Switzerland ⋅ ⛅ 11 °C

    Auf Anraten des Fotografen überspringe ich die Rheinschlucht und fahre an den Hinterrhein. Am nächsten Morgen erwartet mich hier ein besonderes Erlebnis. Es gibt am Rhein nur eine Stelle an dem man unter dem Fluss hindurchlaufen kann. Vor etwas mehr als hundert Jahren wanderte eine Schweitzer Familie ohne hiesige Zukunft nach Amerika aus. Dort fanden Sie leider ebenfalls kein Glück. Doch ihr Vater war einst begeistert vom Anblick der Niagara-Wasserfälle. Er erinnerte sich dass zu Hause hinter dem Haus ebenfalls ein großer, lauter Wasserfall war. Seine Familie war bald überzeugt, arbeitete hart für die Rückfahrt und zog wieder zurück in die Schweiz. Der Reisetourismus kam zu Hause mittlerweile fast gänzlich zum Erliegen nachdem der neue San Bernhardino Pass eröffnet war und kaum einer mehr an ihrem Haus hielt. Nun war es an dieser Familie etwas zu ändern. Im Sommer bewirtschafteten Sie das Land im Winter sprengte und hackte der Vater über sieben Jahre! unter lebensgefährlichen Umständen einen Weg zu dem Wasserfall. Langezeit war er verspottet denn es war nicht offensichtlich wann das Ziel je erreicht sei. Doch irgendwann schaffte er es doch und seine Erben leben noch heute vom Tourismus in die Roflaschlucht. Ein wunderschöner Spaziergang und ein echt guter Tipp wenn ihr mich fragt. Natürlich hat auch die Schweiz keinen Halt vor Bausünden der Neuzeit gemacht. Egal ob Wasserkraftwerke oder Autobahnen quer durch Gebirgsmassive. Die alten Wege sind jedoch stets erhalten geblieben und stets den Abstecher wert.
    Auf dem Weg von der Roflaschlucht zurück halte ich daher auch in der Viamalaschlucht. Eine enge, tiefe Felsschlucht die bereits die Römer auf ihren Feldzügen überwinden mussten und die jedes Mal reichlich Opfer fordert. Heute überspannt eine Brücke das tiefe Tal und man kann bis dort hinabwandern, wo die Sonne niemals scheint. Es ist ein kleines Mekka für Radfahrer und Tagesausflügler. Dieser Weg ist nicht nur eine Verkehrsbrücke. Auf vielen Tafeln wird anschaulich dargestellt wie der weg durch die Viamala-Schlucht gleichzeitig eine Brücke für Technik, Tourismus, Wirtschaftlichen Aufschwung, militärisch und auch literarisch hinauf in die entlegenen Berge ist. Doch es ist Zeit für den langen Weg nach Hause. Der Tag wird wohl ebenso wieder lang wenn mich Freunde und Familie erwarten.
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  • Ein Kobold der Murmeln spielt

    September 16, 2021 in Switzerland ⋅ 🌧 20 °C

    Am Horizont ziehen dunkle Wolken auf. Bei Gewitter fahre ich doch lieber dorthin wo die Sonne scheint. Die aktuelle Empfehlung des Routenplaners lautet – einmal quer durch die Nacht! Das hat Vorteile - da sieht man den Regen nicht und hat gefühlt die ganze Straßenbreite für sich allein. In der Schweiz ist das ohnehin alles ziemlich eng. Doch ich will übers Land fahren. Ich will Leute treffen und Geschichten sammeln. Da fahr ich ungern Autobahn um einfach anzukommen. Viel schlimmer wiegt daher wenn der Navigator meint „Autobahn verbieten – schön und gut, interessiert aber nicht…“ Und wenn die Genossen mitten im Kreisverkehr, wo eh schon zu viele Schilder stehen, einfach das Licht ausknipsen, dann ist Nachtruhe! Sonst wird man leicht auch als einziges aktives Fahrzeug im ganzen Kanton noch zur Gefahr. In sechs Stunden kam ich so gerade einmal bis Zürich. Besonders bleiben mir die Eindrücke in Erinnerung wenn in der Großstadt wirklich alle Straßen leer sind und viel zu überdimensioniert wirken. Alles ist eingebettet in das typische schweizerische Flair der Altstadt bei Nacht. Eine bessere Stadtrundfahrt als dieser Uhrzeit hinter der Polizei her zu fahren hätte ich mir nicht wünschen können. Man sieht echt fast alle Ecken der Innenstadt!
    Alsbald bin ich vom Schlaf überwältigt. Am Morgen Regen, immer wieder Regen! Der Blick auf Zürich von oben bleibt mir verwehrt und noch dazu steht gefühlt viel lange Weile auf dem Stundenplan. In gewohnter Radfahrgeschwindigkeit zuckle ich durch die Schweizer Dörfer. Erster Lichtblick bleibt dabei die Stadt Moudon. Sie entpuppte sich als wahres Kleinod historischer Architektur. Haben doch von den Kelten über die Römer bis hin zu den Franzosen und jetzt den Schweizern alle ihren Beitrag geleistet. Ich entdecke wunderschöne kleine Häuschen, die quasi hochkant an den Berg gepresst wurden neben riesigen Herrschaftshäusern mit deren freischwebenden Dächern man gefühlt den Stall, den Hof und die halbe Straße überdacht hat – zu welchem Zweck auch immer. Es wirkt übermächtig sobald man darunter steht. Noch dazu ist es schön anzuschauen ohne all die Touristen einer Großstadt. Ob mit oder ohne sie – die Fahrt durch Lausanne und Genf wirkt auf mich sehr eintönig. In einem Flussbett von Genf offenbart sich indes die ganze Mystik sobald der Regen seine Nebelschleier über dem stillen Wasser ausbreitet während der Himmel darüber aufklart. Sowas sind Momente und Situationen die nie lang andauern, von denen ich aber auch nie genug bekommen kann.
    Indes freue ich mich auf die ersten paar Höhenmeter in ‚La Salève‘, dem Hausberg von Genf. Während Die Stadt selbst bekanntlich noch in der Schweiz liegt beginnt hier das Leben bei Gott in Frankreich, wenn auch nur am Rande. Denn erstmal gibt es am Berg jede Menge Steinschlag wegen dem vielen Regen der letzten Tage. Die Steine grummeln die ganze Nacht wie Murmeln die einer vom Berg wirft. Heute wage ich keinen Schritt an den Berg. Es gibt eine hübsche Tränke zum Essen kochen und Waschen. Die Luftmatratze ist schön kuschelig weich. Was will ich mehr. Doch von morgen an kann es nur bergauf gehen.
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  • La Salève

    September 17, 2021 in France ⋅ ⛅ 11 °C

    Der Nebel am Morgen ist viel leichter. Nichts wie hoch! Kurve für Kurve arbeite ich mich den Berg hinauf. Wolke für Wolke lasse ich hinter mir. 500m höher begrüßt mich dann ein genialer Sonnenaufgang über den Wolken. Die Welt liegt mir zu Füßen und ich stehe darauf. Dann kann ich auch wandern gehen.
    Zum Einwandern ist der Weg recht kurz zur ‚Grotte d’Orjobet‘. Mitten im Steilhang hat sich hier ein gewaltiges Loch aufgetan. Der regen spült es immer weiter fleißig aus. Auf steilen Stufen geht der Weg einmal quer durch die Grotte hindurch. Der erste Eindruck stimmt mich positiv auf das was mich hier in den nächsten Tagen erwartet. Doch ach je! Sobald ich vom Sonnenaufgang weg gehe kommen die Wolken wieder und alles hüllt sich in dicken Nebel. Vielleicht ist es manchmal auch leichter so zu wandern. Links geht es steil Berg ab, rechts bergauf. Der Weg ist direkt in den Fels gehauen. Nur der schöne Blick über den Genfer See bleibt bei Sicht unter 10m leider verwehrt. Es ist einwandern, keine Frage. Daher suche ich in der Regel eine Spaziergangs Tour. Die Herausforderung kommt dann von allein, so dass ich Orientierungstraining mit Kompass und Karte im Nebel auch gleich noch einmal üben kann denn der Weg verläuft sich plötzlich auf einer Kuhweide und der Nebel wird nochmal dichter.
    Kaum zu glauben, wie oft man hier am Tag Hunger bekommt. Dann ist bald schon Mittag. Über die Schlucht von Usses geht es ziemlich schwindelerregend in den Nachmittag. ...
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  • Einwandern (2) am Col de la Cochete

    September 17, 2021 in France ⋅ ⛅ 18 °C

    … Zum Einwandern fiel die Wahl heute außerdem noch auf den Azurblauen Lac d’Annency. Die Karibik schafft dieses Blau nicht viel besser. Auf dem Weg in das kleine Dorf Duingt herrscht ab Freitag um Eins bereits reger Feierabendverkehr. Meine Wanderung, die mit 7:30 Std veranschlagt ist beginnt so auch erst um 16 Uhr. Da kann ich wenigstens mein neues Nacht Equipment ausprobieren, oder besser noch - schneller sein als veranschlagt. Bei der Grotte zur heiligen Maria hole ich mir noch meinen Segen dazu und dann geht es hoch hinauf.
    Der See wirkt nicht mehr ganz so blau, vielleicht liegt das aber auch an der untergehenden Sonne. Wiederum bin ich froh den Col de la Cochette nicht bei 25°C im Schatten auf der Sonnenseite hinauf zu steigen. Am Gipfel werde ich jäh belohnt mit faszinierender Weitsicht und einem kleinen Spielzeugland mit See weit unter mir im Tal. Hiernach heißt es aber auch wieder 800m bergab und sieht es im Training ganz mies aus. Unterdessen besinne ich mich glücklicherweise das Trinkwasser in Frankreich scheinbar nichts kostet. Jedes Dorf hat mindestens einen öffentlichen Wasserspender. Es fehlen zum Wandern nur noch Magnesium und Vitamine. Die Apfelbäume hängen noch voll. Wen das erstaunt wie wenig man zum glücklich sein braucht der trage seinen Rucksack selbst. Meiner wird in den nächsten Tagen jedenfalls bedeutend leichter.
    Den Berg schaffe ich noch bei Tageslicht und komme auch ohne Lampe fast komplett wieder zurück. Für das Einwandern konnte es nicht besser laufen. Nun liegt es an mir dass ich das Programm morgen nur eben wiederhole! *Uff*
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  • (k)arstiger Parmelán – Steinernes Meer

    September 18, 2021 in France ⋅ ⛅ 16 °C

    Hinter mir liegt eine unruhige Nacht. Sobald der Morgen graut spule ich meine morgendliche Routine runter. Ich gehe im Dorf bummeln. An wandern mit kalten, verkaterten Muskeln nicht zu denken. Plötzlich ist es schon wieder zehn Uhr und ich habe keinen Plan was ich heute eigentlich machen will. Laut Wetter ist es wohl der letzte sonnige Tag vor einer großen Regenfront. Daher soll die Tour entsprechend ausgiebig sein. Doch alle Touren die ich mir zuvor erdacht hatte sind viel zu weit entfernt. Ich erinnere mich von einer Hochebene gelesen zu haben. Nicht weit weg und einzigartig für die Alpen. Mein erster Eindruck wenn ich so etwas lese = Touristen-Magnet.  Doch ich will dem heute eine Chance geben in dem ich einen anderen Startpunkt wähle als es alle anderen tun. Für so etwas bin ich ja bekannt. Die Tour hat voraussichtlich wieder mal mehr Stunden als der Tag lang ist, doch das habe ich am Vortag bereits wunderbar geübt.
    Beim ersten kleinen Anstieg zur ‚Grotte de la Diau‘ überhole ich eine junge Familie wo ausnahmsweise mal die Frau den Mann anstachelt „los, los! Kannst ihm gleich hinterher laufen.“ – und er erwiedert nur „Ne! Nicht in dem Tempo“. Dabei brauche auch ich gute zwei Stunden um den ersten kleinen Stich mit 800Hm mehr kriechend als stehend zu bewältigen. Oben erwartet mich ein herrenloser zotteliger Hund, guckt mich strahlend an und freut sich ebenso wie ich mich über die Gesellschafft. Bis zum nächsten Wasserloch eine Stunde später sind wir also zu zweit. Doch schon nach fünf Minuten Pause wird ihm die Sache zu langweilig und er zieht weiter. Vielleicht gibt es ja bei anderen Wanderern mehr zu holen. Zugegeben hatte er sein Fell bereits ordentlich für den drohenden Regen eingefettet und ich bin alsbald gar nicht böse wieder etwas anderes als Hund zu riechen.
    Die Landschaft wandelt sich über der Baumgrenze schlagartig in ein Steinernes Meer. Karst so weit das Auge reicht. Am Wegrand gibt es wunderschöne Grotten in die man sehr schön klettern könnte wenn das Seil nicht schon nach 8m zu Ende wäre und das schwarze Loch doch teils bodenlos ist. Über Reste vom Eis des letzten Winters geht es hinauf bis zur Hütte des Parmelán auf 1823m. Vom Tal wehen schon die ersten Nebelschwaden herauf. Fernsicht ist gleich Null. Doch das tut in diesem grandiosen Umfeld keinen Abbruch. Die Gebetsfahnen am Gipfel sind unverkennbar um zu erkennen dass ich oben angekommen bin. Im Abstieg merke ich jedoch wieder dass die über 1000 Höhenmeter sehr schmerzhaft werden könnten. Denn wenn die Aussicht auf das teils nebelfreie Plateau nicht so einzigartig wäre würde ich wohl einen anderen Abstieg empfehlen. Egal. Zu spät. Die Knie tun schon weh bevor der erste Teil im Abstieg überhaupt geschafft ist. Ein paar Gämsen auf der anderen Talseite schauen mich argwöhnisch an und lachen sich wahrscheinlich ins Fäustchen.
    Auf einer Alm schaue ich dann wieder auf die Uhr. Typisch deutsch – ständig die Zeit im Nacken! Das verheißt zudem nichts Gutes. In einer halben Stunde geht die Sonne unter und noch sind 700Hm zu meistern. Im Wald geht es auf weichem Boden flott voran. Bis ich die Heidelbeeren entdecke die zuvor noch keiner gesehen hat. Mann, Mann, Mann! So schnell kann mich die Landschaft und ein paar Heidelbeeren in ihren Bann ziehen. Unglaublich! An einer wirklich netten Schutzhütte ‚des Bücherans‘ wäre ich fast geneigt zu übernachten wenn der Schlafsack nicht noch im Auto läge! Am Ende bleibt mir nur im Stockdunkeln mit der Taschenlampe auf nassen Wegen den Hang steil abwärts zu leuchten wie ich zum Glück schon am Anfang herauf gekommen bin. Und dass war gut so. In der Nacht beginnt es zu regnen und hört bis Mittag nicht wieder auf.
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  • Annecy

    September 19, 2021 in France ⋅ 🌧 14 °C

    Regen! Zeit für Erholung der müden Knochen. Allein weil ich das Gefühl habe mein Eigengewicht verursacht im Liegen mehr Schmerzen auf das Atmen als jeder Wadenkrampf bin ich bereits zeitig wach. Ändern tut sich nichts. Es regnet und ich plädiere schon beim ersten Gang ums Eck heute auf Ruhetag! Die Überlegung ist bald, dass ich heute auf Schlössertour gehe. Ein weit gefehlter Reinfall. Die ersten zwei Schlösser sind Hotels. Dann suche ich mir was neues – Hmm.
    Wasserfälle. Liegt gerade am Weg, ist dem Wetter entsprechend tatsächlich tosend und berauschend. Doch die Kraxelei mag ich gar nicht. Noch dazu werde ich auf dem Rückweg wieder von Regen erwischt.
    Dann heute doch den Stadtbummel, den ich so lang schon vor mir her geschoben habe. Auf zum Sturm! Auf nach Annency! *humpel* *hutsch* *bummel* An einem der saubersten großen Seen in Frankreich gelegen besitzt Annecy eine sehr schöne Altstadt mit Kanälen, Inseln und Häusern wie sie nur in Frankreich stehen. Und hey, hier ist echt was los mit bald schon so vielen Menschen wie aktuell selbst in Venedig nicht. Die Tiere haben sich farbenfroh heraus geputzt. Doch als ich später lese dass die Kugel Eis ab 3 Euro kostet suche ich alsbald das Weite zurück in die unberührte Natur!
    In Agnon gibt es einen schönen Wasserfall das beeindruckt mich bald wieder mehr. Durch eine Schlucht führ nur ein Weg im oberen Drittel, der als halboffener Tunnel in den Fels gehauen ist. Das Wasser fräst sich durch den Fels. Die entstandenen Trichter sind gewaltig. Weiter geht es nach Alberville. Der Ort rühmt sich heute noch als Olympiastadt kann jedoch mit Annency kein bisschen mehr mithalten. Mitten im Olympiapark steht abgesperrt und ziemlich verlassen die Olympische Flamme und dem Museum für Olympiageschichte ist es wichtiger um 12 Uhr Mittag zu machen als kurz zuvor noch Gäste zu begrüßen. Der Olympiazirkus ist weiter gezogen und auch sein Glanz hat neue Ufer gefunden. Zum Glück liegen Annecy und Albertville nicht allzu weit auseinander. Unterdessen sitzt eine weiße Taube im Baum und gibt Hoffnung auf interessante, spannende kommende Tage.
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  • 947 Weingeister, Trolle und 1 Starrkopf

    September 20, 2021 in France ⋅ 🌧 10 °C

    Für heute wurde durchgängig nichts Gutes beschieden. Aber noch scheint die Sonne, selbst wenn es im Nachbartal vielleicht bereits aus Kannen schüttet. Ich plane den Tag lieber noch einmal mit halber Kraft. Vier Stunden in den „Cirque de les Cascades“ sollten reichen. Als ich endlich dort bin finde ich ausufernde Parkplätze vor und an der Straße ein Kassenhäuschen – alles verwaist. Später werde ich nachgezählt haben dass mir heute genau Acht Menschen begegnet sind wo sonst am Tag sicher 800++ vorbeikommen. An den Wasserfällen (les Cascades) bin ich gar der einzige.
    Der Fels ist nass, ein paar schwindelige Kletterpartien führen zu einer Grotte und natürlichen Felstunnels oberhalb des rauschenden Wasserfalls. Trotz der Gefahr dass mir hier heute niemand zu Hilfe kommt – ich will da jetzt hoch! Vielleicht ist es sogar besser dass ich die steilen Abgründe nicht sehe. So konzentriert man sich vielmehr auf sich selbst. Die Szenerie ist es allemal wert. Der herbstliche Nebel, die abgrundtiefen Felsen, an den Bäumen noch das saftige Grün des Sommers. Die Bilder sprechen jedenfalls für sich.
    Da ist es nachher nur all zu wichtig mir nachher in einem der hier bald 1000-jährigen Klöster meinen Segen zu holen. Aktuell leben hier im Chatreuse-Gebirge ca. 500 Kartheuser-Mönche auf 24 Klöster verteilt. Das imposanteste ist „La grande Chatreuse“ wo jeder Mönch scheinbar nicht allein sein Hab und Gut sondern gleich einen ganzen Hofstaat mit Schloss und Auto und allem mitbringt. (durch die Fenster einer äußerlich scheinbar nicht mehr genutzten Scheune entlang der äußeren Klostermauer machte ich einen Fuhrpark mit gut zwanzig Autos aus.) Das ganze Kloster gleicht einem Schloss in dass man beim Besten Willen nicht hinein kommt. Leider ist auch so alles im Nebel. Ein Glockenspiel läutet zum Gebet. Die heilige Jungfrau spielt unter den Kartheusern eine erstaunlich große Rolle für Männer die im Zölibat leben. Immerhin wird sie von 0.30-20.00 Uhr fast stündlich angebetet! Und das in der Regel bei Wasser und Brot wie ich im Kloster-Museum nebenan erfahre. Obst gibt es nur im Sommer, gemeinsames Essen nur Sonntags. Damit man sich sonst voll und ganz seiner Bestimmung widmet.
    Schlussendlich sehe ich nen Mönch. Sein Lächeln ist echt, aber den Zahnarzt lassen sie auch nicht oft herein. Uns Besucher sowieso nicht. Mit Einsetzen der Dämmerung stahl er sich vielleicht gerade aus der Pforte bis ins Nebenhaus. Bestimmt für Käse und Wein! So wie üblicherweise bei Gott in Frankreich.
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  • Auf Messers Schneide

    September 21, 2021 in France ⋅ ⛅ 5 °C

    Gut für die Franzosen ist dass sie bei gutem Essen und Wein auch mal einen Tag im Nebel abwettern können. Für mich steht im Kalender jedoch ein dickes fettes Kreuz. Ich muss ins Belledonne und hoffe dass das Wetter dort besser ist. Den Weg zum ‚Col du croix fer‘ schleiche ich langsam Bergan und stoppe ständig. Der guten Aussicht wegen. Kein Wunder dass auch die Tour de France auf über 2000m regelmäßig Station macht. Doch was packe ich jetzt alles in meinen Rucksack?
    Zelt, Schlafsack, Wechselsachen, doch kein Zelt, Stirnlampe, Essen, Trinken, dann los, dann wieder zurück auf Anfang, Sonnenbrille und dies und jenes noch vergessen… Nach einer Stunde bin ich startklar. Auto leer, Rucksack voll. Trotzdem ist das ‚Refuge de l’Etendart‘ und wenig später der Fuß des Gletschers am ‚Pic l’Etendart‘ schnell erreicht. Der Gletschersee ist bereits wieder fast vollständig zugefroren. Die Schwierigkeit besteht nun nicht etwa in der Kälte. Nein, auf der anderen Seite des Berges wartet als heutiges Tagesziel eine Hütte. Den Weg dorthin gibt es offiziell nicht auf der Karte. Der Berg ist Nebelverhangen und ich habe die Zeit im Nacken bevor es dunkel wird! Somit finde ich mich bald in einer matschigen Steilhanglage mit äußerst rutschigem Schiefer wieder. Ich entscheide mich lieber um den Berg herum zu gehen anstatt darüber, oder besser noch – abwettern – nachdem der Berg schon zwei Mal ins Rutschen kam. Irgendwie bin ich auch nicht mehr soo weit unterhalb vom Gipfel. Überall liegen Schneefelder. Rasiermesserscharf steht der Schiefer aus dem Fels senkrecht empor. Als es sich lichtet ist es schon nach 17 Uhr und ich muss auf der anderen Seite auch wieder herunter. Das Zelt habe ich ja ausgepackt. Wie aus dem Nichts wird aus schroffem Schiefersplit auf der anderen Seite des ‚Cime de la Valette‘ plötzlich eine weite Alm mit immergrünen Wiesen. Wenig später sehe ich auch meine Hütte und rufe ein lautes ‚Echo‘. Der Nebel verschluckt es einfach. Erst mit der Dunkelheit treffe ich in Angesicht der Hütte auf meine heutige Hüttenwirtin Paola. Sie ist eine Freundin die ich seit langem einmal besuchen möchte und in dieser Saison hütet sie hier Schafe auf 2400m. Einmal mehr ist Paola jemand der sich schon Sorgen macht als ich eintreffe. Womöglich könnte ich mich in dem schlechten Wetter total verlaufen haben oder ich bin in einer Schiefermoräne stecken geblieben. Was bei mir schließlich schon zur Gewohnheit wurde scheint alle ihre Gäste zu betreffen. Sie alle treffen erst spät abends ein. Bei Kaminfeuer und Erbseneintopf lassen wir den Tag urig ausklingen. Die Höhe und die Anstrengung sind Gift für jeden Halbstarken. So liegt jeder auch halb Zehn schon im Bett. Nach harter Arbeit kann hier oben keiner dem Sandmann wiederstehen. Morgen früh geht es durchaus wieder quirlig zu.
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  • Ruf der Freiheit

    September 22, 2021 in France ⋅ ☀️ 4 °C

    Paola wird immer auf Trab gehalten. Hunde, Katzen, Hühner irgendwann scharrt jeder in dieser Nacht an der Tür und muss mal für kleine Mädels. Und jedes Mal bin ich natürlich auch mit wach. Die Hühner meinen indes im Mais ihre Eier legen zu müssen und federn alles schön aus was eigentlich noch gegessen werden soll. Zum Brüten soll es ja möglichst angenehm warm bleiben. Nur nicht draußen bleiben! Schließlich hat es wieder gefroren auf 2400m. Die Hunde selbst stört das vielleicht am aller wenigsten nach einer ‚erholsamen‘ Nacht am warmen Ofen. Es wird Zeit endlich raus zu kommen und Frauchen soll gefälligst auch mit! Wenn sich die Menschen mit einem ausgedehnten Frühstück nur nicht so viel Zeit nehmen würden! In der Wildnis ist das aber etwas eigen. Es gibt Crepes, es gibt Spiegelei, Schokolade… und alles was sonst noch bis zum Ende der Woche alle werden muss. Dann ist die Saison zu Ende. Leben wie Gott in Frankreich. Währenddessen schauen wir mit dem Fernglas kurz nach ob der ‚Nachbar‘ schon bei seinen Schafen ist und weil die auch noch in ihrem Nachtlager sitzen brauchen wir kein schlechtes Gewissen zu haben. Ein ausgewachsener Wachhund passt gut auf sie auf. Halb Hund, halb Wolf kennt er im Zweifel kein Pardon. Appropos… dass sich hier in den Alpen Mönchsgeier, Bartgeier und Gänsegeier mittlerweile wieder lebhaft gute Nacht sagen ist mir ja noch geläufig. Doch dass hier in den Alpen bis in diese hohen Lagen auch der Wolf heimisch ist habe ich am wenigsten erwartet! Die Schafe machen sich in ihrem Nachtlager denkbar wenig Gedanken.
    Sobald wir zur Herde stoßen ist es zunächst an uns ein krankes Tier zu finden und zu verarzten. Man nehme dazu 1500 Schafe und suche das eine was drei Blaue Striche als Markierung hat. Schäfchen zählen ist einfacher! Doch dann geht es für alle endlich raus in die Freiheit. Gestern ist außerdem wieder mal ein Schaf verrückt geworden. Durch Würmer kommt das immer wieder vor. Als wir das Schaf am alten Nachtplatz suchen zieht die Herde munter ins etwas wärmere Tal. Jetzt ist Eile geboten. Die Schafe dürfen auf keinen Fall in das Revier der Kühe. Wenn sie so weit unten sind wird es schier unmöglich sie bis zum Abend wieder hinauf zu treiben. Aber die Schafe spüren auch dass es dort ein zwei Grad wärmer ist und die Sonnenstrahlen haben den Fels hier bereits schön angewärmt. Bis zum Mittag bleibt uns nichts übrig als tatenlos zuzuschauen und möglichst nicht noch tiefer abzusteigen.
    Für mich heißt das nachher mit vollem Rucksack alles wieder rauf! Paola hat gemeint meine Essensvorräte im Rucksack reichen locker noch eine Woche und ich könnte ruhig einmal ums Gebirgsmassiv herum wandern. Oh, wie schwer mir das jetzt fällt nachdem sie mich mit so vielen extra Leckereien versorgt hat. Der Weg zum Nachbarn ins ‚Valle du Ferrand‘ ist nicht weit. Die Hirten untereinander laufen auch mal eben in zwei Stunden quer über das halbe Vorgebirge wo unsereiner einen halben Tag braucht ums sich mit irgendetwas gegenseitig zu helfen. Jetzt ist gerade Verladezeit. Die ersten Schafe verlassen das Hochland wieder in Richtung Marseille für den Winter. So ist auch die Nachbaralm schon leer.
    Ein letzter Abschiedsgruß ins Tal der ‚Chalets de la Valette‘ verhallt in der Weite, dann geht es bergab. Nur um von 2400m über 1700m ab, auf 2000m wieder hoch, auf 1800m wieder ab und dann auf 2400m hoch zu wandern. Man könnte meinen ich hätte gleich oben bleiben sollen. Aber das war dann doch ein wenig komplizierter. Unterdessen gelange ich nach Alpe d’Huez, dem sagenhaften Ort für Tour-de-France-Zielankünfte. So von oben sieht er recht unspektakulär aus und hat für meinen Geschmack viel zu viele Hotelhochburgen. Wintersport wird hier noch größer geschrieben als Radfahren. (PS wandern kann schon lang nicht mehr mithalten.) Die Zahl der Lifte und Pisten übersteigt buchstäblich die der Einwohner. Bleiben will ich hier jedenfalls nicht! Ich will gern noch zu einer Schutzhütte dort irgendwo über mir im Berg.
    Da, plötzlich! Die Dunkelheit holt mich vollkommen unvorhergesehen schneller ein als mir lieb ist. Der einzig richtige Entschluss ist jetzt noch eine der Gaststätten entlang der Skipiste aufzusuchen. Dort kann ich auf der Freiterasse sicher meinen Schlafsack ausbreiten. Jedenfalls weitaus sicherer als im Geröllfeld bergauf Nachts einen Weg zu finden. Ich kann mich kaum erinnern wann ich zuletzt unter freiem Himmel geschlafen hätte. So ganz ohne alles, noch dazu auf über 2000m wo es letzte Nacht Frost gab. Egal, in den Berg zu steigen wäre allemal gefährlicher. Und wie es mir wirklich ergeht kann ich morgen ja davon berichten.
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  • Aller! Aller!

    September 23, 2021 in France ⋅ ⛅ 10 °C

    Eigentlich war es echt kuschelig warm in der Nacht. Nur irgendwann kam der Vollmond und dann war die Nacht vorbei. Nach einem ausgiebigen ersten Frühstück um warm zu werden gelang mir der Aufstieg zum Refugio. An ziemlich jeder Haarnadelkurve im Geröllfeld halte ich inne und überdenke wie dramatisch das gestern Abend in der Dunkelheit ausgegangen wäre. An der Schutzhütte herrscht bereits Winterruhe. Die Fenster verriegelt, die Türe zu, kein Mensch weit und breit. Nur die Dusche läuft noch. Ahh! Es geht doch nichts über eine eiskalte Dusche aus auf 2400m irgendwo aus einer Quelle abgezweigt, oder? Als kleines Schmankerl lies die Hüttenwirtin scheinbar zwei Eier und diverse andere Kleinigkeiten vor der Tür mit entsprechender Notiz zur freien Verfügung die sie so nicht wieder ins Tal tragen wollte.

    Weiter aufwärts am ‚Lac Fare‘ kommt der Berg einer grau-grünen Mondlandschaft gleich. Und hey! Um kurz nach zwölf treffe ich die ersten Menschen des Tages. Zwei Jäger. Das werden dann wohl gefühlt die einzigen bleiben in dieser außerirdischen Landschaft die dem steinernen Meer in nichts nachsteht. Von nun an geht es erst wieder bergab um später bekanntlich bergauf wieder auf selbe Höhe zu gelangen. Dabei geht es durch großartiges Murmeltierrevier. Jetzt in der Nebensaison turnen die Tiere überall auf der Wiese und kaum bewegt man sich mal drei Minuten nicht geht ja keine Gefahr aus, also kommen gleich nochmal so viele aus dem Bau.

    Hätte ich durch die Murmeltiere nicht einen Gang heruntergeschalten wäre mir das Schild im Gras gar nicht aufgefallen. Wegen diverser Felsstürze im Sommer ist der Weg der zum Auto führt bis auf weiteres von der Gemeinde offiziell gesperrt. Da sonst kein anderer als der Weg zurück dorthin führt nützt das aber nichts. Während ich nun so über den Weg und die Murmeltiere am Wegesrand sinniere kommt aus dem Nichts eine Wandrerin geschwind daher. Weil der Weg gesperrt ist muss das dann wohl mein Schutzengel sein. Ok, denke ich mir. Wenn der nur nicht so rennen würde dass man kaum hinterher kommt! Wir reden ein wenig über die Murmeltiere, Wege die im Nichts enden und über den Mont Blanc der von hier oben majestätisch in 3. Reihe aufragt. So gerne wäre sie einmal dort gewesen und die Tour du Mont Blanc gewandert. Bisher blieb ihr das verwehrt. Einmal mehr erkenne ich bei mir welchen Wert und welche Freiheiten ich am Leben habe. Das würde ich zu gern mit allen teilen.

    Am ‚Col du Sablon‘ ist die Gefahr wieder vorüber. Der Schutzengel macht eine Trinkpause, steigt ins Auto und ist weg. Der steinige Abstieg zum Stausee ‚Lac de Grand Maison‘ und nachher der Aufstieg zum ‚Col de croix du Fer‘ ziehen sich unendlich lang und sind mühsam. Egal ob mit dem Rad bei der Tour de France oder zu Fuß ist dieser Pass eine echte Tortur. Was interessanterweise enorm hilft sind immer wieder die auf die Straße gemalten Namen der Rennradfahrer. Wer selbst Fan ist weiß meine Begeisterung nur zu gut zu teilen. Aller! Aller! Aller! Weitergehen! Nur nicht aufgeben!

    Erst mit der Dunkelheit bin ich wieder am Auto. 3 Tage, 63 km, 2200hm und immerhin 7 Wanderer, 10 Radfahrer und 3000 Schafe später.
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  • Die Grenze zu einer anderen Welt

    September 24, 2021 in France ⋅ ☀️ 9 °C

    Das mit dem ganz früh aufstehen um den Sonnenaufgang zu erwischen kann ich glücklicherweise zu dieser Jahreszeit auf weit nach um Sieben verschieben. Herrlich bleibt es allemal und ein schöner letzter Gruß.

    Heute gilt es das Gebirge einmal zu wechseln. Vom Belledonne hinauf zum Mont Blanc. Der Weg ist das Ziel und so komme ich erst weit nach Mittag überhaupt dort an. Am Ende sorgt mein ‚Navi mit Schuss‘ dennoch für etliche Höhepunkte auf dem Weg während die eigentliche Straße wohl keine 100m links weit unter 1000m weiter unten im Tal verläuft. Auf meiner Straße hingegen passen garantiert keine zwei Autos aneinander vorbei. Gegenverkehr ist bei den Franzosen nur leider nie ausgeschlossen… Egal! Im Tal gibt es keinen Ausblick! Da ab morgen Regen vorhergesagt ist will ich den Nachmittag wenigstens nutzen um mir alles einmal ganz aus der Nähe anzuschauen.

    Von Champel geht es zu den Chalets de Miage. Der Weg ist steil und voller Wurzeln. Ich merke meine Fersen samt der Blasen gewaltig. Den Franzosen fällt nichts Besseres ein als diesen Weg auch noch mit dem Mountainbike herunter zu kommen. Nur ein paar wenige Wanderer sind mit mir auf dem Weg nach oben doch die keuchen gewaltig dass oben alsbald wiederbeleben nötig wird. Auf Nachfrage sagt einer ‚geht schon, geht schon. Ich muss ja heute nicht wieder runter‘ Ich lächle schmerzhaft und denke mir, tja ich schon – und ich hab die Runde schon wieder so getaktet dass ich erst mit der Dunkelheit wieder unten sein kann. Also geht es weiter. Die Chalets de Miage sind aus einer Bauernsiedlung entstanden denen hier vom damaligen Königreich Weideland zugesprochen wurde. Heute sind es eine Herberge und ein Café vom Feinsten. Nur zu Fuß zu erreichen! Ohne High-Society! Und mit dem wohl schönsten Blick den es auf den Mont Blanc wohl gibt!

    Ab hier wird der Weg einsamer. Bis auf den Pass brauche ich trotz andauernder Läsionen nur eine gute Stunde und habe ausreichend Zeit von oben das ganze Panorama zu genießen. Wenn, ja wenn morgen kein schlechtes Wetter käme und heute davon schon die Wolken am Mont Blanc turnen. Ich war noch nicht oben, da war Sonnenschein. Ich bin wieder unten scheint die Sonne auch wieder. Dazwischen – ist alles Nebelverhangen als gäbe es kein Morgen.
    Auf dem Pass haben sie ein Kreuz errichtet. Seltsam – nicht auf dem Gipfel? Ich entdecke alsbald ein Tor. Dadurch führt ein Weg der direkt ins Gebirge führt. Zwischen dem Land der Menschen und der Berggeister beginnt hier eine andere Welt. Der Weg ins Eis. Irgendwann will ich die auch mal entdecken. Schauen wir mal.

    Beim Abstieg treffe ich einen Franzosen der in seiner Hundehütte die Nacht im Angesicht des Gletschers verbringen möchte. Smartphone und Stativ sind mit dabei. Und sonst ist er Barfuß unterwegs. Dabei erzählt er mir dann Geschichten von wegen der Mont Blanc sei unberechenbar. Es ist ein gefährlicher Berg. Hm, Respekt sollte man haben. Doch so leichtsinnig wie der Franzose schätze ich mich eher nicht. Und noch leichtsinniger erscheinen mir beim Abstieg zwei Wanderer die nach halb sieben noch tatsächlich erst herauf kommen. Dabei wird es gleich finster und ab der Grasgrenze möchte ich niemandem zumuten im Dunkeln den Weg zur Hütte zu finden. Ein wenig auf Abwege bringt mich dann selbst eine Hängebrücke am Wegesrand. Ich bin eben doch irgendwo ein Kind geblieben. =)
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  • Der Bofrostmann

    September 25, 2021 in France ⋅ ☁️ 12 °C

    Die Wasservorräte frisch aufgefüllt soll es heute zeitiger losgehen. Naja, egal… jedenfalls mit einer kurzen Tour, so maximal 6-7 Stunden dass ich vor dem Regen zurück bin. Und dass Regen kommt merke ich spätestens an der schwül warmen Luft während der drei Stunden Aufstieg zum ‚Arrete de la besse‘. Mit den täglich 1000 und mehr Höhenmeter habe ich mich angefreundet. Aber heute ist es schweißtreibend.
    Immerhin folgt prompt eine Belohnung. In einem Talkessel auf über 2000m hat sich hier ein Hochmoor gebildet. Die Wolken hängen unweit am Mont Blanc doch ich habe eigentlich schönstes Wetter. Über Stock, Stein und Seile geht es wieder bergab. Frei nach dem Motto „Sag mir welche Tour du gehst und ich sage dir welchen Wanderführer du benutzt“ treffe ich einen Deutschen der ebenso meine Tour läuft. Leider sieht er das Ganze mehr als sportlich und kommt nicht so gemütlich daher. Ich treffe häufiger auf Wanderer als im Wanderführer beschrieben. Weit mehr Leute jedenfalls als in den letzten Tagen. Sie kommen wie aus dem Nichts alle im Hochmoor und geht man dann ihren Weg verliert der sich nach spätestens 200m an einer steilen Felskante ohne Abstieg. Die Leute selbst sind währenddessen bereits über den Pass gelaufen und weg. Mehr oder weniger Merkwürdig. Der Abstieg, mühsam! Unweit höre ich das Hämmern eines Hubschraubers direkt am Berg gegenüber. Als der Hubschrauber aufsteigt baumelt unter ihm eine Person am Seil. Wen sie dort geborgen haben oder ob alles nur eine Übung war? Da mache ich lieber nicht mit. So ein Flug ins Tal ist auch nicht gerade günstig. Eher nehme ich mir bald ein Vorbild an den Ziegen. Die haben heute Almabtrieb. Auf allen vier Hufen sind sie weitaus flotter.
    Ganz zum Schluss als hätte ich früh am Morgen den Bofrost-Mann nicht belächelt, der bis hier an die hinterletzte Hütte im Wald sein Auto quält um Leute zu versorgen, sehe ich, dass das eine Käserei ist. Und nichts geht bekanntlich über französischen Käse. Auf dem Berg ist das besser als jedes Eis um seine Wunden zu lecken. Leider haben Ziegen und Schafe nicht ganzjährig Milchsaison und daher gibt es kaum Käse. Aber es tut gut mit dem Bauern zu reden und scheinbar seiner Mutter zuzuschauen wie sie den Hof derweil füttert. Hier herrscht Ordnung. Da stehen die Kühe artig im Stall und die Weiße Wäsche hängt in der Sonne auf dem Balkon. Mir konnte indes noch niemand erzählen warum die Wäsche bei den dreckigsten Erd- und Stallarbeiten hinterher immer so sauber sein können.
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  • Feierabend on ice

    September 26, 2021 in France ⋅ ☁️ 7 °C

    Feierabend, es regnet. Zeit nach Hause zu fahren. Ein paar kleine Spaziergänge und dann weg. So der Plan. Bis Mittag geht dieser auch ziemlich gut auf. Ausschlafen… undnoch einmal rumdrehen!
    Bei Les Houches haben sie eine ziemlich hässliche Christo-Statue aus Beton gegossen. Verehrt wird sie dennoch, denn Pabst Pius XI war in seinem früheren Leben Bergsteiger und er war beteiligt an der Erstbegehung des Mont Blanc über die Nordroute. Ihm ist hier eine Innschrift gewidmet
    Zum Abschluss etwas Leichtes. Ruhig auch mal mit der Seilbahn von Argentière hochfahren, gucken ob dort schöneres Wetter ist als im Tal und dann über einen Balkon wieder herunter laufen. Denkste… Heute bin ich einer von zwei Wanderern die diesen Weg auf sich nehmen und wegen uns hängt man nicht extra eine Gondel auf die Seile. Es ist Nebensaison und alles befindet sich im allgemeinen Tiefschlaf. Dann nehme ich es eben wieder selbst in die Hand. Das kleine Bisschen Aufstieg kann mich nach 10 Tagen nicht mehr erschrecken. Auf einer Berghütte auf halbem Weg haben sie ganz in meinem Sinne bereits eine Piratenflagge gehisst.
    Ich stehe auf der Terrasse und schaue hinab ins Tal wie der Kapitän von der Schiffsbrücke. Das alles gehört heute ganz allein mir! Hier ist weit und breit niemand! Nicht einmal der Regenmacher hat es bis hier her geschafft. Die Sonne ist stark genug und kämpft sich durch die Wolken.
    Ziemlich unerwartet kommt nach kurzer Zeit der Argentiere-Gletscher in Augenschein. Bin ich etwa schon da? Im Tal stand irgendwas von etwa der doppelten Zeit? Furchtlos will ich auch die letzten Meter noch bezwingen. Doch mich überkommt dieses Grinsen wenn man kurz vor dem Ziel steht und weiß dass man dem Gegenüber eigentlich viel zu klein ist um ihm etwas anzuhaben. Einen Gletscher besucht man nicht alle Tage und dieser ist ebenso wenig alle Tage gut aufgelegt zum Anfassen. Durch das Sonnenlicht schimmert das eiskalte Blau.
    Ich bin froh dass ich diesen Weg heute noch auf mich genommen habe. Anfangs wollte ich dem Tag einfach nur einen bunten, vielfältigen Sinn geben bevor ich mich auf den weiten Heimweg begebe. Zurück im Tal stelle ich fest, dass der Auf- und Abstieg jeweils mehr als 1300m Höhe in jeweils etwa 2,5 Stunden war. Der mit Abstand schnellste und mächtigste Höhenunterschied dieser Tour. Wenn da mal nicht kämpferischer Wille und ein Schluck Zaubertrank aus der Pulle nachgeholfen haben. Ausnahmsweise auf Eis. ;)
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  • Schöne heile Welt

    January 1, 2022 in Austria ⋅ ⛅ 4 °C

    Wie eng beieinander Freud und Leid zusammen liegen können erkennt man am leichtesten an Silvester und Neujahr. Während man dem alten Jahr noch nachtrauert und panisch bemerkt wie unaufhaltsam die Sekunden vergehen, hin zu etwas Ungewissem, weit weg ... nächstes Jahr.
    Das alte Jahr endet dadurch meist trostlos. Dabei kann das ungewisse Abenteuer nahtlos gleich morgen früh losgehen.
    0.00 Uhr - Die Sektkorken bleiben zu. Ein paar Leute stehen mit mir auf dem Hügel und schauen weit über das ganze Dorf. Große Menschenmengen sind heute verboten und Silvesterfeuerwerk auch. Aus der Not wird eine Tugend und alte Traditionen leben wieder auf. Warum nicht einfach Fackeln anzünden, statt alles in die Luft zu jagen? Warum nicht Kuhglocken schlagen, anstatt Sektkorken? Zugegeben ich vermisse das Böllern. Das Kuhglockenschlagen ist hingegen neu für mich. Es ist Tradition hier die Geister zu vertreiben. Die Kühe stehen ohnehin im Stall da kann man die Kuhglocken auch anderweitig gebrauchen und leutet so das neue Jahr ein.
    Ein Spaziergang durch das Dorf. Bevor ich wieder zu Hause bin schnarcht jedermann bereits tief und fest.

    Gleich in der Früh wenn es hell wird bin ich wieder auf den Beinen, ganz so als sei nichts gewesen schwinge ich auf mein extra frisch geputztes und geöltes Fahrrad. Nur ein paat Stunden später gelange ich nach Hinterstein. Ab hier hört die Straße auf und ein Wanderweg führt Bergan. Zu Neujahr einen "Spaziergang" zu unternehmen ist auch eine gute alte Tradition. In nullkomma nix bin ich am Wildfräuleinstein. Viele Sagen umranken den Fels. Doch die Fräulein wurden vertrieben nachdem man ihren Namen kannte. Und genauso alle guten Geister. Der Weg endet in einer Sackgasse. Ab hier ist Sperrgebiet wegen Wildfütterung im Winter. Ich treffe drei Wanderer die eigentlich auch da durch wollten. Wir beschließen gemeinsam dem Wild seine Ruhe und machen einen großen Umweg bis es endlich wieder Bergan geht. Hoch hinauf auf die Willers-Alpe. Dort oben liegt Schnee und besonders dort wo viele Wanderer vorbei kommen ist der Schnee in der glänzenden Sonne regelrecht vereist. Selbst schuld dass ich heute mit Halbschuhen unterwegs bin. Da meinen die Leute sie haben endlich den aufrechten Gang gelernt und werden jäh eines besseren belehrt. Von unserer Wandertruppe geht der erste indes stiften. Ein Wiener Schnitzel würde ihm jetzt mehr behagen wie weiter den Berg hinauf zu stapfen wo es durch den Schnee keinen rechten Weg mehr gibt. Wir anderen beschließen überzugehen zu Insel-Hopping. Von einem Braunen Waldfleck - quer durch den Tiefschnee - auf kürzestem Weg zum nächsten Waldfleck bergauf zu gelangen. Derweil stehen wir bald Hüfttief im Schnee, die Schuhe sind voll oder fallen am Hang einfach um weil die Schuhe keinen Halt finden. Und so gehen auch die anderen zwei Wanderer alsbald stiften. Doch so kurz vor dem Pass gebe ich nicht auf. Es sind vielleicht noch 100 Meter hoch und dann entscheide ich neu ob ich auch umkehre oder weiter gehe. Aber so mitten am Hang wo derzeit nicht einmal Lawinengefahr droht. So begrüßt man nicht das neue Jahr!
    Unterdessen hatten die drei Wanderer mich auf die Idee zu einem Gipfel gebracht den ich so bisher noch nicht einmal kannte dass es ihn gibt. Doch je höher ich steige, desto weniger Schnee liegt. Entweder vom Winde verweht oder in der prallen Sonne weggetaut. Bis auf ein, zwei haarige Wegabschnitte ist der Gipfel komplett eisfrei. Und was eben noch als unvernünftig galt den Weg allein zu beschreiten verleitet einmal mehr dazu die eigenen Grenzen neu zu setzen. Die Sonne geht unter und verschwindet sehr schnell in einem herrlichen Panorama hinter den Bergen. Zurück bleibt nur der kleine Robert, solo, auf 1800m ohne richtigen Weg oberhalb der Schneefelder. Die einzigen Zutaten die ich beisteuern kann sind ein bisschen Erfahrung, ausreichend Wasser und zu Essen sowie eine Stirnlampe. Mit großen und behutsamen Schritten stapfe ich von Fußabdruck zu Fußabdruck den Berg hinab. Der Schnee wird wieder tiefer. Diese Strecke muss ich unbedingt noch im letzten Tageslicht abschließen. Danach wird es wirklich gefährlich denke ich. Zurück an der Alpe ist es bereits so finster dass es auch nicht mehr darauf ankommt und lieber mache ich erstmal gemütlich eine Brotzeit als jetzt in Panik zu geraten. In der Ruhe liegt die Kraft! Als ich weiter absteige stelle ich ich meine Stirnlampe bewusst nur auf blaues bzw. grünes LED-Licht. Man sieht die Kontouren der Steine besser, auf die man tritt und man bleibt wach. Der größte vorteil von allen wird mir jedoch erst später bewusst. Jetzt da die Sterne herauskommen und das Auge sich an die Dunkelheit gewöhnt hat kommt die Milchstraße so unglaublich klar zum Vorschein wie ich sie in Deutschland selten kenne. Weit und breit nur Berge aber keine Stadt. Herrlich!

    Auf dem Parkplatz treffe ich unverhofft zwei Wanderer die so spät erst von einem anderen Berg zurück gekehrt sind. Wir blicken gemeinsam auf diesen herrlichen Tag zurück und all die kleinen Geschichten, die sich am Wegesrand ergänzen. Zum Schluss laden sie mich dazu ein das Fahrrad in ihren Transporter einzuladen. Ohne dass ich je damit gerechnet habe fahren sie mich fast bis vor die Haustür zurück.

    Und so ist zu Neujahr die Welt noch in Ordnung. Der ein oder andere Brauch wird lebendig und der Start in ein abenteuerreiches Jahr ist perfekt.
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  • Heute mache ich drei Kreuze !!!

    January 23, 2022 in Germany ⋅ ⛅ -1 °C

    Es ist trüb und es hat Hochnebel. Mit Sonne ist nicht zu rechnen an diesem einzigen freien Tag in der Woche. Mit genau jener Grundeinstellung fehlt mir heute jeglicher Elan Berge zu versetzen. Also geht es auf eine kleine, belanglose Wandertour nicht allzu weit weg in der Nähe zu Immenstadt. Den Großteil des Weges kenne ich bereits aus dem Herbst. Ich nehme mir diesmal vor nicht schon auf der erstbesten Alpe einzukehren denn weder gibt es um diese Zeit des Jahres kräftige Blaßmusik noch deftiges Essen. Stattdessen locken ein paar Gipfel ganz in der Nähe und die wohlverdienten Kekse als Gipfelbelohnung. Nicht zu hoch, nicht zu schwer… kurzum, das Richtige um an diesem Sonntag die Seele ein bisschen baumeln zu lassen. Jetzt müsste nur noch der Nebel verschwinden.

    Der Schnee pappt in diesem Winter einfach nicht. Einen Schneemann zu bauen ist schier undenkbar. Nur zu Beginn der Tour ist er ein kleines bisschen besser. Es reicht gerade so für Schneemann und Schneefrau. Später laufe ich ganz und gar in der Wolke und habe keinen Sinn mehr dafür einen Schneemann zu bauen. Es ist gut dass ich hier schon einmal war, denn mit der Orientierung fehlt es bei Nebel sehr schnell. Frische Spuren im Schnee gibt es Sonntagmorgen meist auch nicht viele. Ein paar wenige Wanderer laufen den Berg mit mir hinauf. Die meisten sind jedoch an der Seilbahn geblieben und Rodeln den Berg hinab was im Sommer eine Fahrstraße ist. Jetzt im Winter vereist und gut präpariert für kilometerlangen Rodelspaß. Wer hat der kann.

    Wie ein Rumpelstilzchen kreischt es plötzlich aus dem Wald über mir. Wenig später stolpern zwei Skitourengeher abseits des Weges über Baumstümpfe und versuchen ihren Weg nach unten zu finden. Hier im Nebel meinen sie kannst du machen was du willst. Entweder Du verletzt andere während man auf den breiten Waldwegen fährt oder Du verletzt dich selbst im Dickicht. Wenig später dann stehe ich oben. Auf dem Gschwender Horn. Und ich sehe, nichts!
    Vor mir ein Kreuz wie so ziemlich auf jedem Berg hier im Allgäu. Dahinter hört der Berg auf und der Blick fällt ins bodenlose Grau gen Norden. Das Trübsal trage ich mit Fassung und atme tief durch. Auch mit Nichts kann man reich belohnt werden, glaubt mir! “Irgendwo da unten liegt Deutschland. Laut Wetterbericht haben die Österreicher keine zehn Kilometer weiter Sonne und wir kriegen wieder nix ab.“ Unterhalte ich mich mit ein paar anderen Gipfelstürmern die mir berichten sie seien von der Südseite heraufgekommen und da hat tatsächlich die Sonne ab und an durch den Nebel geblinzelt.“ Jeder macht vom anderen ein Gipfelfoto und dann weg!

    Die Sonne kann ja nicht weit sein. Nicht einmal zehn Minuten später ist für mich so ein magischer Moment! Eine Kuppe, drei Hunde tollen im Schnee und zwei Frauen versuchen sie mit Leckerli zum idealen Schnappschuss zu bewegen. Wie ich so zuschaue versprüht die Sonne ihre Magie immer kräftiger. In hellem weiß und feurigem gelb strahlt sie durch den Nebel und wirft ihren Heiligenschein direkt auf die Hunde. Sowas muss man erlebt haben, das kann man nicht beschreiben! Und eigenltich habe ich das Privileg und erlebe solche Momente immer wieder. Es ist zugleich Belohnung für die zähe Ausdauer die es bis hierher gebraucht hat. Gemeinsam gehen wir den Weg zum Naturfreundehaus weiter. Die beiden Mädels kennen sich von der Alpen-Community* und gehen immer wieder gemeinsame Touren. Miri hat Erfahrung wie manch einer haufenweise Schnee vor der Hütte und Steffi ist zum ersten Mal heute auf Schneeschuhen unterwegs. Die Sonne gibt immer fantastischere Augenblicke! Im Gasthaus belohnen wir uns für dieses Schauspiel selbst mit Knödel, Kuchen und Heuschnaps. Der Weg ist noch weit und das Ausnüchtern dürfte kein Problem sein :-) Während wir so sitzen geht doch einige Zeit vorbei. Es wird spät und ich will im Hellen wieder vom Berg herunter sein. Der vermeintliche Wanderweg erweist sich im Winter als Spaltbreit Tiefschnee im Wald ohne Bäume. Jetzt kommen auch bei mir die Schneeschuhe zum Einsatz und der Weg hat einen fiesen Gegenanstieg. Ich komme bald schon aus der Puste. Es nützt ja nix. Unten im Nebel umher irren bringt nichts, also hoch und drüben hoffentlich gleich auf richtigem Weg wieder runter. Kaum stehe ich nun oben kann ich den Augenblick kaum fassen. Wieder mal ein Kreuz. Nunmehr das Dritte…Und unter mir liegt Deutschland nun gar nicht mehr in Nebelfetzen! Von Trübsal ist bei dieser Tour schon lang nicht mehr die Rede und die Wow-Momente häufen sich gerade.
    Vor mir geht es nur noch Bergab. Mit den Schneeschuhen stiebe ich nun durch den Tiefschnee und habe meinen Spaß neben den Skitourengängern meine ganz eigenen Wege zu ziehen.

    So ein Tag – so eine Tour – so gesellige Menschen – und so unbeschreiblich viele Glücksmomente werden es immer wert sein drei Kreuze zu machen.
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  • Auf dem Laufsteg
    Nur fliegen ist schöner!Das Prinz-Luitpold-Haus lädt zum verweilen ein. Mancher hat nachher seine Schuhe vergessen.Aufstieg zur KreuzspitzeDer Berg fällt bald!Gipfelglückauf der Sonnenterasse

    An Tagen wie diesen...

    August 7, 2022 in Austria ⋅ ☁️ 8 °C

    ... haben wir ewig Zeit. Allein die Vorbereitungen sind in weniger als einer Stunde abgehandelt. Die Rucksäcke stehen gepackt. Eigentlich könnte es sofort losgehen. Allein dann kommt erst noch die Nacht in der man vor Vorfreude und Mücken im Zimmer nicht schlafen kann, dann kommt der Wetterbericht der nur Nebel und am Nachmittag noch Regenschauer prophezeit und der ein Kollege der mich vorwarnt die besten Sichtweiten in den Bergen waren in den letzten zwei Tagen irgendwo zwischen 10-40m...

    Und dann kommt der Sturkopf in mir, der eigentlich nichts zu verlieren hat. Dennoch starten wir also noch vor dem Aufstehen. Unser gemeinsames Ziel hat jeder für sich eigentlich schon seit Monaten mit sich herum getragen. Jetzt ist es daran den Plan in die Tat umzusetzen. Wir, das sind zwei liebenswerte Mitmenschen vom Alpenverein und ich, der sich trotz noch so vieler Solo-Touren noch nicht davon überzeugt hat dem Deutschen Alpenverein beizutreten. Wenn ich so weiter mache kommt das bestimmt bald noch.

    Im Allgäu wird gestartet. Es geht hoch hinaus und nicht minder weit weg auf eine kleine Weltreise. Die Wolken hängen am Morgen so oder so noch tief. Daraus darf man sich nichts machen. Bereits nach den ersten Schritten kommen jedoch auch die ersten Sonnenstrahlen und gleich fühle ich mich zurück versetzt in die Steppe nach Madagaskar, nur mit Bergen. Es ist unbeschreiblich warum das so ist, aber ich freue mich wie ein kleines Kind. Mit so guten Vorzeichen dauert es nicht lange und wir gelangen nach Frankreich, in das Land der Mode und der Laufstege. Neben allerlei bunten Treckingsachen, Stöcken und Trinkrucksäcken trägt man heute graubraun! Die Allgäuer Kuh von Welt zeigt so eine gewisse Einzigartigkeit. Die Augenbrauen gerne lang hochgezogen, die Augen tiefbraun verführerisch. Damit stehen die Kühe hier den echten auf dem Laufsteg in nichts nach. Auch sonst lassen sie sich von umhergehenden Wanderern kaum beeindrucken und stehen ihre Figur auf einem Felsvorsprung.

    Auf dem Prinz-Luitpold-Haus schweben wir bald über den Wolken. Die umliegenden Berge wie zum Beispiel das Nebelhorn machen ihrem Namen alle Ehre. Nur fliegen wäre schöner. Zumindest mit genau dieser Leichtigkeit sind wir bereits unterwegs nachdem wir schon jetzt ca. eine Stunde gegenüber unserem Zeitplan heraus gewandert haben. Ohne große Pause geht der Weg weiter bergan. Das Gras wird weniger, selbst die Murmeltiere sind verschwunden. Was bleibt sind nun noch die Vögel. Es liegt also nahe heute den gleichnamigen Berg, den 'Hochvogel' einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

    Der Hochvogel ist in vieler Hinsicht ein besonderer Berg. Es geht hoch hinaus. Mit 2592m ist er einer der Allgäuer Könige und der höchste Gipfel der umliegenden Gebirgsketten. Seinen Namen hat er nicht von ungefähr - besteht der Aufstieg doch aus unzähligen Terrassen und Vorsprüngen auf denen ein Greifvogel bevorzugt sein Nest bauen würde. Damit wären wir beim nächsten Land. Über den Wolken sieht es hier sieht es aus wie über den Tafelbergen entlang der Route 66, USA. Der Berg hat zudem viele Facetten. Er ist nicht nur markant aus jeder Richtung leicht zu finden, schließlich verläuft die Deutsch-Österreichische Grenze heute genau über seinen Gipfel, er ist auch markant denn die Zeit arbeitet gegen ihn. Sein Gestein ist brüchig. In den letzten acht Jahren haben sich bis zu hundert Meter tiefe Risse aufgetan und die bewegen sich laut den Experten mit 0,4mm am Tag auseinander. In naher Zukunft stehen hier gleich mehrere Felsstürze mit bis zu 260.000m³ Gestein bevor. Man könnte auch sagen bei einer Bewegung von 15cm Drift im Jahr steht bald nur noch der halbe Berg. Und das ist wahrlich ein Grund diesen schönen Berg zuvor noch einmal im Ganzen zu besteigen.

    Im Anstieg erklimmen wir zuvor die Kreuzspitze. Vor uns erstreckt sich ein schier endloses Wolkenmeer. Sonne und Panorama sind bei ach so schlechter Wettervorhersage voll auf unserer Seite. Der Berg hält was er verspricht und jeder kommt auf seine Kosten. Die großen Jungs können Hautnah Messinstrumente für Geo- und Raumwissenschaften begutachten, die Mädels legen sich derweil zum Ausruhen in die Sonne - wohlgemerkt direkt vor den Gefahrenbereich. Hauptsache Sonne. Dass auch ich an diesem Tag zu viel davon abbekomme bemerke ich spätestens als die Sonnencreme noch zu Hause liegt. *auwei*

    Natürlich darf das Gipfelbuch nicht fehlen bevor wir über den Kalten Winkel wieder absteigen. ...steigen - ja sogar rennen! Denn unten in der Hütte warten lecker Kakao und Johannisbeertorte auf mich. Alsbald dass wir den ersten Bachlauf erreichen halte ich zur Abkühlung beide Arme hinein bis das Wasser verdampft. Für den Moment zwirbelt es schier überall und so bin ich dankbar dass nun der Abstieg auch für uns mehr in den Wolken als sonst wo stattfindet.

    Nach 12-13 Stunden und mehr als 1700 Höhenmetern sind wir zurück. Ob es die Anstrengung wert war brauche ich glaube ich nicht zu hinterfragen. Mit Leichtigkeit! ... (Frei nach den Toten Hosen: ) An Tagen wie diesen wünscht man sich ein Stück Zufriedenheit! ...wünsch ich mir Unendlichkeit.
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  • Namloser Wetterspitze
    Tschachaun und im Hintergrund der Sonnenaufgangsgipfel

    Der Gipfelmönch

    September 4, 2022 in Austria ⋅ ⛅ 5 °C

    Wer immer schon einmal etwas unternommen hat wo andere nur den Kopf schütteln weiß wovon ich heute schreibe. Es ist sogar zum Nachmachen geeignet und dringend empfohlen. Allerdings heißt es da früh aufstehen, Mut beweisen, sich einsam durch die Nacht kämpfen … nur um dann im richtigen Moment mit einem breiten Grinsen oder auch stumm und leise *wow* sagend der Magie freien Lauf zu lassen und der Sonne einen guten Morgen zu wünschen.

    Der Tag beginnt wie immer Mitternacht, nur diesmal klingelt gleich der Wecker. Wirklich gut schlafen konnte ich wegen der Mosquitos ohnehin nicht. Mitunter bin ich diese Momente jedoch gewohnt in stoischer Ruhe auszuharren. Allein der Weg zum Start ist weit und finster. Über der Straße haben sich Nebelschwaden gebildet. Was auf der Straße nachts alles los ist ist gleichfalls faszinierend. Hier pirscht ein Dachs links ins Gebüsch, da rennt ein Wiesel über die Straße und mehrfach stehen Rehe am Wegesrand wenngleich sie vom Licht wie hypnotisiert wirken. Der Wanderweg ist nachher geprägt von Kühen. Die Tiere schlafen nicht, sie dösen vor sich hin und schauen mich mit ihren großen grünen Glubschaugen an wenn ich vorbeigehe.

    Die Zeit vergeht so wie im Flug und sitzt mir bald schon wieder im Nacken. Obwohl ich schon der Meinung bin recht zügig unterwegs zu sein wird es ziemlich bald hell und es bleiben noch fünfhundert Höhenmeter bis zum Gipfel. Adrenalin schießt in meine Adern als dürfte ich das nächste Flugzeug da oben auf keinen Fall verpassen. Nach der Nacht wirkt das besser als zehn Kaffee und trotz großem Wanderrucksack geht es bald im Laufschritt bergan. Wie war das? Im Training kann man sich die Geschwindigkeit einteilen, aber der eigentliche Wettkampftag ist eigentlich nie sehr förderlich für die Gesundheit… check!

    Rings um mich herum heben sich die Silhouetten der Berge von der finsteren Nacht hervor und am Horizont bildet sich schon ein roter Balken. Das Gipfelkreuz kann ich schon sehen. Jetzt ist es nicht mehr weit. Ich habe sogar noch etwas Zeit mich einzurichten denn hier oben zieht es gewaltig! Es dauert keine drei Fotos dann sind meine Hände steif und melden den ersten Frost des Herbstes. Glücklicherweise habe ich an meine große Vließdecke gedacht die ich nun wärmend als Umhang benutze. Und wie ich noch ein wenig im Gipfelbuch stöbere kommt die Sonne über den Horizont. Es dauert einen Moment diesen Augenblick tatsächlich zu begreifen. Die Sonne ist einfach plötzlich da und es ist ja nun nicht mein erster Sonnenaufgang. Dennoch schaue ich wie gebannt auf diesen roten Ball – wie ein Mönch mit Kutte der tief im Gebet versunken scheint. Erst später realisiere ich um mich herum dass die Alpen glühen. Die Strahlen der Sonne bilden durch die wenigen Wolken immer neue Silhouetten.

    Diese Sonnenaufgangstour ist für mich wirklich rundum gelungen. Der weithin schwierigste Teil, der Abstieg kommt aber leider erst noch. Grund genug ihn noch ein wenig hinaus zu zögern… der Gipfel war ja quasi „noch vor dem Aufstehen“. Zählt der dann überhaupt? Also lieber noch einer. Unweit der Anhalter Hütte bietet sich dafür der Tschachaun mit Panoramablick auf die Heiterwand an. Erst hier treffe ich für heute erstmals auf andere Wanderer. Da ist schon fast wieder Mittag. Später kehre ich noch ein und belohne mich gebürtig mit Apfelstrudel und Sahne. Bis dahin muss ich jedoch gefühlt jeder Ziege am Berg erst einmal persönlich Guten Morgen wünschen damit sie mich vorbei lässt.

    Wie gesagt – eine Sonnenaufgangstour ist ein magisches Erlebnis.
    Zum Nachmachen empfohlen!
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