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- Tuesday, May 20, 2025
- ☁️ 15 °C
- Altitude: 424 m
RomaniaSchäßburg46°13’3” N 24°47’29” E
Schäßburg

Die Nacht war kalt in den alten Mauern. Die Decke scheinbar zu dünn. In jedem Fall bringt mich ein Kaffee am Morgen nur wenig auf Trab. Und dabei scheinen es doch nur noch 22km bis nach Schäßburg zu sein.
Der erste Halt ist das Schloss Bethlen in Kreisch. Ein kleiner Adelssitz im Zuge der Renaissance erbaut. Es schlief seinen Dornröschenschlaf bereits zweimal. Nachdem der Adel die Residenz auflöste verfiel es und wurde in den 70ern als düstere Filmkulisse rumänischer Horrorfilme wiederentdeckt. Dabei schoss ein Filmteam über das Ziel hinaus. Es wollte brennende Fenster inszenieren und fackelte neben der Filmpyrotechnik leider auch Teile des originalen Daches mit ab. Da war dann Schluss mit lustig. Das Schloss versank bis zum Ende der Kommunistischen Ära erneut im Dornröschenschlaf. Heute versucht es ein Verein wieder hübsch zu machen. Das Schloss wurde komplett entkernt, das Dach neu gedeckt und von der Fassade gerettet was zu retten war. Die Arbeiten dauern wahrscheinlich noch Jahre an. Trotzdem kann ich mir gut ein Bild machen wie das Leben hier vor ca. 200 Jahren aussah. Kurz darauf halte ich an der Grundschule den gesamten Betrieb auf weil alle mir erst einmal winken müssen. Und der Weg führt weiter über Berg und Tal.
An der nächsten Stempelstelle kurze Verwirrung. Die Frau vor Ort redet nur Rumänisch und ich wieder mein Spanischkauderwelsch aber sie ist die Erste die damit richtig gut was anfangen kann. Deutsch weniger. Dazu meint sie am Schluss nur dass sie regelmäßig spanische Telenovelas anschaut. Warum bleibt uns in Deutschland so etwas oftmals eigentlich verborgen?
Als fünfter und letzter kommt mir ein einsamer Wanderer entgegen. (sprechen 5 Wanderer auf 250km jetzt für oder gegen die Qualität eines Wanderweges?) Er meint er hätte heute Früh im Wald zwei Bären gesichtet. Einer davon ein ausgewachsenes Männchen. Jedoch sonst hat er die letzten zwei Tage abgewettert und plant jetzt noch drei Tage nach Mediasch zu laufen. Dann fliegt er nach nichtmal einer Woche wieder Heim. Ich glaube der Bär und vielleicht der Bischofssitz in Bierthelm sind alles was er von der Wanderung mitnehmen wird. Von vielen Details und Sehenswürdigkeiten auf dem Weg hat er noch nicht einmal gehört. Da ist es eigentlich schon schade um den Flug selbst wenn er gar nicht mehr Zeit zur Verfügung hätte.
Wenig später sichte ich die Spuren. Wie oft hat man mir in den letzten Tagen Respekt gezollt dass ich allein laufe? Wie oft hätten sich die Einheimischen sich das nicht getraut? Doch diese Spuren sind erstmals tatsächlich - groß! Ein wenig dankbar bin ich demnach schon dass die Bären mich vielleicht umgangen sind. Jede Begegnung verläuft anders und man kann sie nie vorher sehen.
Eine letzte Pause. Ich merke dass ich im Einzugsgebiet einer Großstadt sein muss. Während ich Picknick halte kommt eine Gruppe lärmender Radfahrer daher. Spätestens als sie Bergab wegen dem Matsch schieben müssen lobe ich mir die Wanderschuhe und lasse sie bald weit hinter mir. Schäßburg ist seit Alba Iulia die größte Stadt auf meinem Abschnitt der Via Transilvanica.
Schnell ist das Gepäck verstaut und ab geht es auf Entdeckungstour. Unübersehbar ragen die Bergschule und der Stundturm über die Stadt. Bis heute ist die Bergschule ein gehobenes Knaben Gymnasium immer wieder wechselte die Amtsprache mal zwischen Latein, Deutsch und Rumänisch. Dem Anspruch der Lehrer tut das keinen Abbruch. Und so ist man ganz stolz über den ehemaligen Schüler Hermann Roth der mit seiner theoretischen Physik und späteren Zuarbeit für die NASA den Grundstein für den kegelförmigen Raketendüsenantrieb und die späteren Mondmissionen legte.
Wen das nicht interessiert, der bleibt früher oder später am Geburtshaus und der Kinderstube des Grafen Vlad Dracul kleben (1431-1435, dann zog er weg). Die ganze Hysterie um Dracula und seinen Blutdurst beruht einzig auf der wahren Begebenheit dass Graf Dracul gerne, viel und erfolgreich gegen die Osmanen in die Schlachten zog. Den Rest hat Bram Stoker erfunden und es wird vortrefflich Geld damit verdient. Mehr als dass verdient es jedoch keine Aufmerksamkeit.
Die Oberstadt von Schäßburg wurde so gut gesichert dass sie bis auf ein einziges Mal von den Angriffen der Geschichte stets verschont blieb. Diese Wehrhaftigkeit verdankt sie den sich aufopfernden Gilden in der Stadt. Die Zünfte bildeten bis ins 19.Jh das Rückgrat für den Handel und den Wohlstand der auf allen Schultern gleich verteilt war. Denn man verteidigte sein Handwerk um Missbrauch oder Dumping vorzubeugen. Eine wunderbare kleine Ausstellung zeigt selbst wie weit die Ärzte und Apotheker waren die hier in Schäßburg praktiziert haben.
Wenn nach 18 Uhr die Läden schließen wird es ganz still im Stadtzentrum. Zeit inne zu halten. Meine Reise geht nach 250 Steinen vorerst zu Ende und trotz der Stadt fühle ich mich noch einmal mittendrin statt nur dabei - in Transilvanien.Read more