• Robert Fichtner
May – Sep 2025

Via Transilvanica

Zu Fuß unterwegs nach Rumänien und einmal quer durch Transilvanien Read more
  • Trip start
    May 6, 2025

    Zum Zwischenstop Gulasch mit Unicum

    May 7 in Hungary ⋅ ☁️ 12 °C

    Ein Experiment kann gut oder schlecht ausgehen. Bei bestimmten Experimenten sollte man die Finger jedoch von vornherein weglassen. Zum Beispiel mit der Deutschen Bahn zu reisen. Doch sobald die Gleise Tschechichen Boden berühren geht es vorwärts. Auf und davon auf einen Ausflug nach Tansilvanien. Romänien ist jedoch auch nicht gerade nebenan. Und weil ich noch nie da war halte ich mit dem Zug ein paar Tage in Budapest.

    Derweil hat sich die Welt gedreht es ist bald eine Stunde zeitiger und damit bei Ankunft stockdunkel. Ich laufe vom Bahnhof durch die Häusergassen von Pest in Richtung Zentrum. Manche Lokale haben im Keller noch geöffnet auf der Straße ist jedoch nicht mehr viel los. Hätte ich es anders erwartet? Deutsche Innenstädte sind auch nicht gerade belebt. Meine Unterkunft ist schnell gefunden und meine Bewohnerin holt mich erstmal auf den Boden der Tatsachen zurück. Hier heißt es nicht mehr Deutsche Bahn aber von der Organisation und Pünktlichkeit ist es das Gleiche! Und - mir wird erklärt das Zentrum sei viel weitläufiger als in Deutschen Städten. Wo wenn nicht hier sollen denn die Leute leben? Es kann nicht überall was los sein. Ich bin beeindruckt. Besonders auch von dem Stadthaus in dem sie mit 50 anderen Familien lebt. Ein riesiger Innenhof der sich von außen gar nicht erahnen lässt verteilt die Wohnungen hübsch auf 5 Etagen. Viel Wohnraum ganz ohne Wolkenkratzer.

    Der erste ganze Tag in Pest ist vollgepackt. Ich beginne wieder einmal so zeitig dass die Innenstadt rund um das Parlament noch wie ausgestorben scheint. Ich schlendere durch die Gassen und schaue zu wie die Stadt erwacht. Das Frühstück fällt in der Regel herzhaft aus anstatt süß. Und wenn es daheim an einer Kaffeemaschine mangelt wird auf der Straße alle hundert Meter in Minibars Abhilfe geschaffen. Trotz das Kaffee auch hier extrem teuer geworden ist geht eben nichts ohne morgendliche Rituale.

    Ein Ritual für mich ist vielmehr wenn ich schon mal da bin dann auch ins Parlament eines Landes zu schauen. Das in Budapest ähnelt einem barocken Schloß. Ein riesiges, innen und außen reich verziertes Gebäude von dem über die Hälfte nur Repräsentation ist und gar nicht parlamentarisch genutzt wird. Im eigentlichen Plenarsaal wiederum fällt kein Apfel zur Erde. Einer der Gründe ist ein ausgeklügeltes Fernwärmesystem dass in dem Haus bereits im 19 Jahrhundert installiert wurde um nicht überall einen Ofen unterhalten zu müssen. Einen Großteil des Hauses nutzt man ausschließlich für Staatsempfänge und um die Krone zu schützen. Wenn sie denn gerade einmal da ist. Ich kenne keine Krone mit so wechselvoller Geschichte wie die Ungarische Krone. Eigentlich weiß niemand genau wo sie denn her kam und wie alt sie ist. Dann wurde sie bislang regelmäßig geraubt und wiederbeschafft oder im zweiten Weltkrieg sogar freiwillig außer Landes gebracht um sie vor den Sowjets zu schützen. Die Türken haben Budapest auch fast 150 Jahre eingenommen und selbst dass hat sie überstanden. Sprich, eigentlich ist Ungarn unverwüstlich.

    Ein regelrechtes Zentrum voller Steh-auf-Männchen ist das jüdische Viertel. Die Juden waren schon immer geschäftige Handelsleute und kamen bereits früh nach Budapest auf den Handelswegen nach Norden und in den Westen Europas. Mit dem zweiten Weltkrieg brach ein Dunkles Kapitel über die Ghettos von Budapest herein und all der Erfindergeist schien verloren. Doch auch diesmal sind sie wieder auferstanden. Die Synagoge in Budapest zählt heute zu den Großen und Prächtigen. Und ein besonderes Prädikat verdient bis heute der hier produzierte Unicum. Das schaue ich mir vielleicht morgen an. Für heute führt der Bummel noch in die Markthalle. Ich habe Hunger! Was liegt schließlich näher als bei Mutti auf der Herdplatte noch eine frische ungarische Gulaschsuppe zu ergattern.
    Read more

  • Ohne Buda kein Pest

    May 8 in Hungary ⋅ ☁️ 17 °C

    Das Gegenstück zum heutigen Regierungsviertel in Pest erreiche ich über die Donau auf der gegenüberliegenden Seite. Die Magaretheninsel lädt zu einem Bummel durch die grüne Lunge der Stadt. Vorbei an alten römischen Ausgrabungen, einem alten dominikanischen Kloster in dem der Grabstein von der heiligen Königstochter Margarethe liegt und in dessen Probstei die älteste bekannte Glocke in Ungarn hängt. Vorbei an Gülbaba, wo die Osmanen nach der Eroberung ihrem Schutzheiligen ein Mausoleum bauten, geht es hin zu osmanischen Thermalbädern und christlichen Burgen. In das alte Regierungsviertel von Buda.

    Neben der Kettenbrücke eröffnet sich bereits von Donauufer ein großartiger Blick auf das Parlament. Am Buda-Tunnel vorbei, von dem alle sagen man hätte ihn nur gebaut um bei Schlechtwetter die Kettenbrücke darin sicher zu verstauen. Von da geht es Bergauf. Vor mir öffnet sich die Fischerbastei als riesige Freitreppe. Mit ihren verspielten Türmchen und der Matthiaskirche gleich daneben bildet sie einen starken Kontrast zur sonst so ruhigen Oberstadt. Ein Hauch von Sissi. Einst kämpften die Fischer an dieser Seite der Donau für Ungarns Freiheit und die Kirche war schon immer die Krönungskirche der Ungarn. Dass die Ungarn bekanntlich unverwüstlich sind haben auch die Österreicher eingesehen und dem Frieden willen gemeinsam gegen die Türken immer wieder auf der Kirche eingeheiratet. Das bekannteste Paar bleibt bis heute Elisabeth und ihr Franz Joseph.

    Dagegen wirkt das Schloss globig, alt, heruntergekommen. Ich überlasse die Museen einem ander Mal wenn es fertig restauriert ist und laufe immer weiter gen Süden auf den Gellertberg. Auch der wird rekonstruiert. Von hier lohnt sich dennoch der Blick über die Donau und bis zum Sonnenuntergang ist’s nicht mehr weit. Umso weiter scheint mir der Rückweg einmal quer durch die Stadt. Darauf hätte ich jetzt am liebsten einen Schnaps getrunken. Doch leider ist heute schon geschlossene Gesellschaft. Einst sagte der Österreichische Kaiser auf die Wirkung dieses Magenbitters „das sei ein Unicum“. So kam der Trank zu seinem Namen und blieb bis heute einzigartig.

    Am Abend in meiner Unterkunft spreche ich über den Plan morgen weiter nach Transilvanien zu reisen. „Gibt es da nicht Bären und Wölfe?“
    So lange das die einzigen Dinge sind die Menschen mit Rumänien verbinden habe ich noch jede Menge zu entdecken denke ich mir.
    Read more

  • Das stolze Herz Rumäniens

    May 10 in Romania ⋅ ⛅ 17 °C

    Die Route quer durch Transilvanien ist weitaus weniger blutrünstig als das Land für uns zu glauben scheint. Wenn gleich doch die Entstehung des Wanderweges auf Gewalt und viele Jahre Gefängnis zurück geht ist es eine großartige Erfolgsgeschichte. Ich kenne kein anderes Land dass auf gemeinsam auf einen Wanderweg so stolz ist.

    Fast verpasse ich meinen Ausstieg weil ein klobiger dt. E-bike Fahrer vor meinem Ausstieg steht und mir freudestrahlend erzählt dass er noch eine Station weiter muss. Nachdem ich an ihm vorbei komme merke ich wie sich unter mir der Bahnsteig bereits wieder bewegt und der Schaffner nur noch Kopf schüttelt. Was soll‘s. Der Bahnsteig ist lang und Auslauf kann ich nach 8 Std Zugfahrt gebrauchen.

    Ich bin noch nicht einmal losgelaufen da bekomme ich in der Unterkunft schon meinen ersten Wanderstempel und ein heißes Bad. So leicht ist der Rucksack nicht - darum mitnehmen was kommt. Auch wenn der heutige Höhepunkt gleich nebenan scheint zieht sich der Weg bis nach Râpa Rosie. Ein Rinnsal dass nur bei Regen existiert hat über Millionen Jahre ein Farbspektakel vom Feinsten produziert.

    Der Weg zieht sich. Der Rucksack wiegt schwer. Jeden Kilometer markiert ein behauener Granitstein den Weg auf der Via Transilvanica. Künstler aus ganz Rumänien haben hierbei mitgewirkt. Je näher ich der Stadt Alba Iulia komme, desto eintöniger wird der Asphalt. Eigentlich ist die Stadt der totale Umweg auf derLandkarte. Manchmal weiß ich auch nicht recht was Wegeplaner sich denken wenn sie auf die Landkarte schauen. Aber was wäre ein Weg wenn nicht das Zick Zack kreuz und quer Teil des Ziels ist.

    Die Stadt hat gleich mehrfach Bedeutung von historischem Ausmaß. Das Rumänien wie wir es heute kennen vereinigte sich bis auf die Republik Moldavien erst vor rund 100 Jahren. Damals heiratete der Rumänische König seine Transilvanische Freundin und verleibte sich ehemalige Teile Ungarns und autonome Provinzen gleich mit ein. Für die Krönung ließ er hier in Alba Iulia eine Kathedrale bauen. Die heute christlich orthodoxe Krönungskirche. Passend dazu findet auch heute gerade eine Hochzeit darin statt. Den Punkt „Hochzeit in fremdem Land miterleben“ kann ich da bereits wieder abhaken. Dabei ließ der König jedoch nicht nur irgend eine Kirche bauen. Er bettete diese in eine alte Citadelle die zuvor bereits von den Römern erbaut und im Mittelalter verstärkt wurde. An darf sich das so vorstellen wie eine Matruschka bei der man nicht weiß was die innerste alles für Schätze verborgen hat. Einer dieser Schätze ist der Umstand dass genau hier vor sieben Jahren die Rumänen an einen Tisch kamen und vergebens nach einem Projekt suchten dass nach fast einhundert Jahren endlich einmal das ganze Land einbezieht und stolz macht Teil des geeinten Rumänien zu sein. Alba Iulia wird 2018 der Geburtsort der Via Transilvanica. Heute liegt Alba Lulia irgendwo genau in der Mitte.

    So zentral im neuen Rumänien gelegen war dieser Ort vielfach ebenso strategisch wichtig. Hier lagerte nach dem zweiten Weltkrieg bis heute die nationale Weinreserve. Edelste Tropfen auf die ich durch den Reiseführer zur Via Transilvanica aufmerksam geworden bin. Ich bin noch nicht einmal zu Tür herein und erzähle wo ich herkomme bzw ob es denn eine Führung zu der Reserve gebe. Kaum hört der Chef ‚Via Transilvanica‘ kann ich nicht einmal mehr meinen Rucksack absetzen bevor ich das erste Glas Wein in der Hand halte. Die Reserve sei derzeit leider nur für Gruppen nach Voranmeldung zugänglich. Aber ich könne mich hier frei umsehen und verkosten was ich wolle. Er erklärt mir die edlen Tropfen und die Hintergründe. Der Wein wird hier gehütet, gekellert und verschiedene Sorten verblendet. Das ganze scheint mir aufwändiger als jeder Whisky doch das Ergebnis überzeugt mich nach dem zweiten Schluck. Nur soviel - die Rumänen lieben es Rot und trocken. Fehlt nur noch ein deftiges Abendbrot dazu. Dabei gerate ich in eine Saesonabschlussfeier des lokalen Basketball-Vereins. So komme ich heute sogar noch zu meinem Stück Kuchen. Ich bin gespannt was mich morgen erwartet.
    Read more

  • Herr! Hilf!

    May 11 in Romania ⋅ ☁️ 15 °C

    Gut ausgeschlafen verlasse ich nicht all zu spät meine Unterkunft. Kein Wunder also, dass zum Sonntag morgen nirgends jemand umher irrt. Außer mir. Jetzt weiß ich zumindest wann immer die Fotos für Postkarten produziert werden. Allein schon die Tore zur Citadelle wirken ohne Besucher gleich noch einmal imposanter.

    Ganz allein bin ich denn doch nicht. Langsam füllen sich die Kirchen und die Orthodoxen halten ihre Messe ab. Über den Vormittag ist es schon interessant anzuschauen wie zuerst jeder kreuz und quer parkt, Hauptsache pünktlich in der Kirche und Knöllchen gibt es wenn frühestens am Montag wieder. Wer dennoch zu spät kommt wird in zweiter Reihe gleich biss zum Eingang chauffiert. Und dann gibt es ja die sogenannte Sonntags Ausgeh-Uniform. Der Gang in die Kirche ist schließlich nicht irgend ein Weg. Anders als bei der Hochzeit gestern kann ich jedoch nicht lange zuhören. Die Priester tragen ihre Predigt als Gesang vor. Das klingt dann zum Teil doch ein wenig schräg.

    Stattdessen geht es diverse Feldwege quer durchs Land. Am Nachmittag ist Regen angekündigt und ich möchte bis dahin gerne Meter machen. Immer wieder laufe ich durch Schafherden. Die Hütehunde sehen das gelassen. Auf der Straße bei des Nachbars Hunden habe ich dann schon eher einmal das Nachsehen.

    Die letzte Sonntagskirche packt gerade wieder zusammen als ich in das kleine Dorf Straja gelange. Nebenan möchte ein Auto in die Hauseinfahrt. Der Fahrer parkt davor und spricht mich an. „Du siehst aus als läufst du die Via Transilvanica. Willst du nen Kaffee?“ Ich zögere erst, sage schlussendlich jedoch zu. Schnell wird klar dass der Mann und seine Frau beide kein Englisch können und Google translater auf Rumänisch nur Müll übersetzt. Aber sie freuen sich und sehen es als Ehre an einen Gast zu betreuen wo sonst niemand anhält. Es gibt mit Marmelade gefüllte Hörnchen, Nusskrokant und jede Menge zu erzählen. Zumindest mit den Töchtern der beiden. Zwei von ihnen leben in Deutschland und müssen als Übersetzer herhalten.

    Wegen dem Regen wollte ich eigentlich gar nicht lange pausieren. Doch wie schnell vergeht die Zeit! Zumindest möchte ich vor dem Regen über den Berg sein und ich sehe die dunklen Wolken bereits heran ziehen. Im nächsten größeren Ort Berghin fängt es zu Tröpfeln an. An der Bushaltestelle wird Regenzeug ausgepackt, noch etwas Essen und weiter. Über mir klappern die Störche und versorgen bereits ihre Jungen. Ich bin noch keine 100m gelaufen als ein alter Herr mich anhält und erneut einlädt. Och, ich hatte doch gerade Pause…na gut. Stolz präsentiert er mir das Käsegebäck seiner Frau und seinen selbst erzeugten Met dazu. Ich erfahre er sei pensionierter Polizist und heute Imker aus Leidenschaft. Nach einer halben Karaffe Wein lerne ich erstmal den Trinkspruch der Rumänen. Statt Prost sagen sie „doamne ajute“ - Herr! Hilf! Nach der ganzen Karaffe kann ich das gut gebrauchendenn die muss jetzt noch leer werden. Zumindest habe ich heute von oben und von Innen kein Flüssigkeitsdefizit mehr. Und der Weg auf den letzten Acht Kilometern ist auch nicht mehr so langweilig geradeaus.
    Read more

  • Der Blasendorfer Freigeist

    May 12 in Romania ⋅ ⛅ 13 °C

    Bis zum nächsten nennenswerten Ort sind es heute gut zwanzig Kilometer. Mit etwas mehr Glück als Verstand bekam ich gestern noch ein Zimmer im Gästehaus des Dorfpfarrers. Im Gästebuch suche ich bedächtig nach Einträgen und stelle fest dass ich in diesem Jahr der dritte Wanderer auf der Via Transilvanica bin der hier Halt macht.

    Gleich nach dem Dorf haben mich die Hütehunde im Visier und bellen alles zusammen. Sie fletschen die Zähne und scheinen sogar Gesellschaft aus den umliegenden Höfen zu bekommen. Am Ende zähle ich mindestens sieben Hunde die gleichzeitig auf mich einbellen. Habe selten so viel Respekt gehabt. Der Schäfer beruhigt die Tiere. Er fragt mich irgendwas auf Rumänisch und ich kann zumindest ableiten dass er genauso wie all die Leute vor ihm nicht ganz versteht warum ich den Weg rückwärts gehe? Bis gestern wusste ich nicht einmal dass es ein vor- und rückwärts überhaupt gibt. Aber die vielen Hunde haben praktische Gründe. Er berichtet mir die Hunde seien so energisch weil gestern erst ein Bär hier war. Ich wusste gar nicht dass der im freien Feld, fast gänzlich ohne Wald überlebt, aber OK.

    Eine Stunde später gehe ich durch das Dorf Deleni-Obarsie. Nach dem Willen der Kommunisten wurden die Menschen hier in den siebziger Jahren zwangsumgesiedelt und das Dorf dem Verfall preisgegeben. Außer der Kirche. Sie scheint geweiht zu sein und darf bis heute stehen bleiben. Alle anderen Häuser hat sich die Natur zurück geholt. Heute stehen ein paar Finkas hier und Bauern haben einige Felder bestellt. Einer der Bauern spricht mich kurz darauf an ob er mich im Pick-Up ein Stück mitnehmen soll. Mit etwas Argwohn kommt er mir eher vor wie ein schlechter Verkäufer und ich lehne ab. Es ist auch noch nicht einmal Mittag und zum Wandern habe ich noch alle Zeit der Welt.
    Später nach dem Mittag treffe ich ihn bei Heu wenden wieder und die Scheu verfliegt. Wir sprechen über die Steine. Leider hatten die Bewohner der jeweiligen Region kein Mitspracherecht was denn auf dem Stein gezeigt werden soll. Das ist und bleibt Kunst. Und während sie manchmal passend bestimmte Ereignisse widerspiegeln wie Sterne, Musik, besondere Orte… weiß er bei sich nicht warum ausgerechnet er Fische vor den Hof gesetzt bekommen hat wo doch weit und breit das Wasser fehlt. Sein Angebot für eine Unterkunft lehne ich dankend weiter ab. Im Nachhinein denke ich mir - hätt‘ ich nur mal. Denn da wusste ich noch nicht dass ich das erste Mal auf dem Weg zurück gewiesen werde. Von wegen „wie stellst du dir das vor? Ich bin auf Arbeit. An der Unterkunft ist niemand und für einen fahre ich auch nicht erst dorthin…“ Ja, solche Menschen gibt es auch in Rumänien. Doch zum Glück in der Unterzahl.

    Ich wandere stattdessen weiter zur Freilichtkapelle Fecioara Sâracilor. Die kleine Sakristei ist leider nicht offen. Durch das Fenster ist sie aber über und über mit Wandmalerei bestückt. Und schlussendlich wandere ich nach Blaj. Die Stadt hat bedeutend zur Geschichte des Landes beigetragen weil bei einer „Vollversammlung“ mit ca. 40.000 Bauern festgelegt wurde den Zehnt und die Leibeigenschaft in Transilvanien abzuschaffen. Der Platz der Freiheit mit einer überdimensionalen Rumänischen Flagge erinnert heute noch daran.
    Read more

  • Eiswein aus Klein Rom

    May 13 in Romania ⋅ ☀️ 15 °C

    Die Gründungsväter von Blaj waren einst der Meinung hier eine Stadt auf den Grundpfeilern von Religion, Holzwirtschaft und Wein errichten zu können. Und tatsächlich stand der Ort im wirtschaftlichen Aufschwung. Als dann auch noch der rumänische Nationaldichter Mihai Eminescu über die Berge kam und im Anblick rief „Begrüße dich von Herzen kleines Rom!Danke Gott mir geholfen zu haben dich zu sehen!“ hieß bald darauf klein Rom und zeigt heute noch die Wölfin im Stadtwappen die einst Romulus gesäugt hat.

    Klein Rom zeigt sich am Morgen weiter von seiner schlechten Seite. Was ich gestern nur als kurzes Gewitter gezeigt hat brachte in den Bergen des Fagaraš reichlich Neuschnee. Und im Tal hängt dichter Nebel der sich zäh hält. Fernsicht Fehlanzeige. Jedoch immerhin auch keine sengende Sonne beim Aufstieg auf die umliegenden Hügel. Hinter mir trabt ein Pferdekarren heran. Ein Lkw würde im Matsch längst schon fest stecken, doch der Karren geht noch.

    Im Nebel stehen zwei Rehe ein wenig entfernt. Sie wittern mich und flüchten. Also schau ich weiter dass ich vorwärts komme und im Matsch nicht ausrutsche. Häh? Was ist denn das? Für eine Hundefährte ein bisschen komisch und vorne mit fünf so Löchern? Da stehe ich nun im Nebel, weit und breit allein , vor meiner ersten Bärenfährte in Rumänien. Und das einerseits wo der Wandertreck ausdrücklich hinweist dass Bären hier auf diesem Teil das kleinere Übel sind und ich mir beim besten Willennauch nicht herleiten kann wie ein Bär hier her kommt wenn der nächste Wald mindestens 4 Km entfernt ist. Das ist ungewöhnlich. Aus Instinkt führe ich laute Selbstgespräche. Selbst meine Trillerpfeife würde hier schlicht niemand hören. Später am Vormittag bestätigt mich eine Bäuerin und ein Hirte. Sie wissen auch nicht was der Bär hier sucht. Sie kommen aber immer näher an die Stadt und verlieren ihre Scheu vorm Menschen. Gerade weil der Winterschlaf auch nicht mehr so lang anhält wie Früher ist der Energiebedarf halt höher wenn es noch nichts gibt. Dann würdeb sie öfter hin und her irren.

    Ich bleib dann doch lieber bei der Weinbergschnecke mit Haus oder aber dem Hirschkäfer. Sein Geweih wenn er sich aufrichtet ist nicht minder Furcht einflösend. Zu allem Übel verlaufe ich mich am Nachmittag auch noch im Wald. Und als Belohnung dass ich wieder zurück finde treffe ich wenig später auf meinen ganz persönlichen Lieblingsort im Tal der 7 Religionen. Hier hat echt jeder Recht. Evangelisten, Katholiken, griechisch katholische, orthodoxe Gemeinde, die ungarisch-reformierte Kirche, Pfingstgemeinde & Baptisten.

    Als achte Religion gilt eigentlich noch der Wein. In einem kleinen Dorf etwas abgelegen steht die größte Kelterei Europas die auf Basis der Gravitation arbeitet. Hoch technologisiert reichen für den gesamten Weinberg mit 700 Hektar gerade einmal 5 Leute je Schicht. Um Wein zu ernten, zu keltern, zu reifen, zu filtern, zu lagern und abzufüllen.

    Kann man gut heisen. Mein Gastvater an diesem Abend sagt das schmeckt auch sehr gut. Er vertraut aber ebenso auf das selbst gebraute. Ich hätte Glück dass er nach der Nachtschicht gerade frei hat und somit überhaupt da wäre. So bekomme ich von Wein über Cognac bis Pflaumenschnaps eine Kostprobe nach der Nächsten. Danke Rumänien für deine außerordentliche Gastfreundschaft!
    Read more

  • Willkommen im Land der Sachsen

    May 14 in Romania ⋅ ☁️ 16 °C

    Meiner Gastmama ist es peinlich dass sie unvorbereitet ist und zum Frühstück nur Gebratene Würstchen, Spiegelei, Gemüsestreifen, Brot und Kaffee anbieten kann. Ich freue mich natürlich über jede Kalorien und glaube ich kann einmal darüber hinweg sehen wenn es weder Haferflocken noch Kuchen gibt. :) Doch irgendwie ist es ein wenig zu früh am Morgen für so viel Fettiges. Daran werde ich mich nicht gewöhnen. Andererseits, ich kann es gut gebrauchen. Auf dem Weg liegen heute 28km, drei Berge, sengende Sonne. Es geht nach Siebenbürgen. Wo die Sachsen wohnen ist bekanntlich immer schönes Wetter doch der Weg ist nicht immer der Leichteste.

    Der Blick zurück ist genau so schön wie nach vorn. Doch schon am frühen Morgen lechze ich nach jedem Baum der sich mir bietet. In Lodroman (Ledermann) gibt es zweites Frühstück. Wer hier absteigt hat die einzigartige Gelegenheit in einem Hausboot zu schlafen. Leider hatte der Gastgeber nicht auf meine Anfrage geantwortet. Was soll‘s ich war ja gut versorgt. Über die Pferdeschlucht gelange ich in einen großen Wald. Er ist die Grenzlinie. Ab hier werden die Steine ordentlich nummeriert und ein neuer Künstler ist am Werk der mir etwas mehr zusagt. Die Kilometersteine sehen gleich nochmal viel schöner aus.

    In Micâsasa ist die erste Etappe des Tages erreicht. Hier herrscht ebenso Religionsfreiheit wie im langen Tal. Jedoch gab es gar nicht so viele Gotteshäuser. So einfallsreich wie die Sachsen sind haben sie die Kirche einfach in zwei gleich große Hälften aufgeteilt, damit niemand benachteiligt wird. Leider verfällt die Burg Brukenthal zusehends und kann nicht mehr besichtigt werden. Als Trost werde ich ins Rathaus zu einem Kaffee eingeladen. Beamte müssen ja schließlich auch mal Pause machen. Die Orte hier blicken auf eine sehr sehr lange Geschichte zurück. Davon zeugen auch die vielen Auseinandersetzungen und die Wehrkirchen. Die werden immer stärker.

    In Seica Micâ war man besonders eifrig. Die Kirche wurde gleich in zwei Ringmaurn eingefasst. Wehr und Kirchentürme sind mit Löchern versehen um die Angreifer mit Pech und heißem Wasser zu versorgen. Der schönste Blick ergibt sich auf die Burg von oben denn dass man Einlass bekommt ist eher unwahrscheinlich.

    Ein wenig später geschieht das Unfassbare. Ich habe es ja schon nicht mehr für möglich gehalten dass jemand anderes den Weg läuft nachdem selbst „vorwärts laufend“ eine Woche lang niemand entgegen kam. Ein Pärchen etwa in meinem Alter kommt daher spaziert.
    Wir sind aller in heller Aufregung und tauschen uns über die neuesten Neuigkeiten aus. Welche Abschnitte schön sind, wo man bei Matsch und Regen aufpassen muss und auch über die Bären wird geredet. Sie meinten weniger später hätten sie zwar keinen Bären gesehen aber immerhin ein extra großes Schild. „Bärenzone. Füttern verboten“. Wir verabschieden uns, denn der Weg ist noch weit und genau an jenem Schild sehe ich , na was wohl. Frische Bärenspuren im Schlamm. Aber weit und breit ist niemand zu hören. Nach einer kurzen Rast geht es auf zum heutigen Endspurt. Frauendorf hält für mich die einzigartige Gelegenheit bereit in einer Kirche zu übernachten. Das lass ich mir nicht nehmen.
    Read more

  • Tradition vs Kommunismus

    May 15 in Romania ⋅ ⛅ 21 °C

    So gut wie in den Kornspeichern der Kirchenburg habe ich selten geschlafen. Alte Gemäuer haben eben stets ein besonderes Raumklima. Trotz dass ich es später bereuen werde lasse ich den Tag ruhig angehen. Es gibt Kaffee und Frühstück auf dem Vorplatz zur Kirche. Irgendwann kommt eine Angestellte zum Zimmer reinigen und sperrt das Museum auf. Es war das Ziel der Frauendorfer Gemeinde das vielseitigste Museum über das Leben in Siebenbürgen zu gestalten. Klassische Werkzeuge, Handwerksberufe, Trachten und Kunst gehören hauptsächlich dazu und spiegeln den Einklang mit der Kirche und dem Glaube wieder.

    Den Kommunisten war das mehr als einmal ein Dorn im Auge. Das haben sie die Sachsen je nach Lust und Laune spüren lassen was wohl schlussendlich zu ihrer Flucht nach Deutschland führte. Und sie hatten vor allem noch einen Trumpf in der Hand. Billige Arbeiter der Sinti und Roma. Auf die Saxen waren sie nicht angewiesen und gaben ihre Kultur dem Verfall preis. Keine drei Kilometer vor mir ragt die schwarze Geschichte wie ein Mahnmal aus dem Boden.

    Doch plötzlich zieht mich ein Gastwirt zurück in die Gegenwart. Er holt mich von der Strasse da er mir unbedingt einen „Sonderstempel von Copsa Miča“ geben möchte. Die Geschichte geht so… Der Wirt hatte mitbekommen das Alin Ușeriu ein Projekt ins leben rufen wollte dass 100 Jahre nach der Rumänischen Vereinigung endlich auch alle Landesteile und ethnischen Gruppen vereint. Dazu fand 2018 die Konferenz im nahegelegenen Alba Julia statt. Er war Feuer und Flamme und sagte zu hier in Frauendorf stets ein „Zimmer der Verständigung“ stets für Via Transilvanica Wanderer leer zu halten selbst wenn die ganze Pension aus allen Nähten platzt. Bei der Erstbegehung durch Alin Ușeriu kam es zum Treffen der beiden und seither sind sie dickste Freunde. Er lächelt scheinbar jedes Mal über beide Ohren wenn er stolz erzählt dass die Geschichte des Weges durch Siebenbürgen hier mit ihm den Anfang nahm.

    Beim Anblick seines schicken Hofes, weiß getüncht und Sehr schön eingerichtet ist kaum zu glauben dass er zwischenzeitlich bis 2008 in der dreckigsten Stadt Europas stand. Die Kommunisten produzierten in Kopisch tausende Tonnen Ruß und Schwefelsäure im Großindustriellen Maßstab und natürlich ohne Filter. Als billige Arbeiter leben die Zigeuner bis heute im Gebiet um Colonia Ravarna. Sie grüßen nicht, sind stets zurückhaltend misstrauisch gegenüber Fremden, den Sachsen nach zu urteilen klauen sie wie die Raben, sind ständig Mittellos. „Und wenn sie Geld haben dann protzen sie nach außen, schlafen aber eigentlich weiterhin in einer alten Hundehütte.“ Nun gilt das nicht für alle, aber einige bestätigen die Vorurteile. In jedem Fall findet ihr Leben auf der Straße statt. Laute Musik dröhnt aus den Häusern. Hauptsache mann sitzt davor auf der Straße und bekommt mit wenn etwas passiert. Und obwohl sie in Kasten leben, was für Europa sonst ungewöhnlich ist, so sind sie dennoch in Rumänien die Volksgruppe mit dem stärksten Zuwachs.
    Read more

  • Restaurierung der Bassener Kirchenburg

    May 16 in Romania ⋅ ☁️ 8 °C

    Am Abend zuvor kam ich noch bei strahlendem Sonnenschein in Bassen auf der Kirchenburg an. Heute Morgen regnet es und dass soll zwei Tage auch so bleiben. Da trifft es sich gut dass ich bei einer Pension Unterschlupf finde die gerade eine Gruppe deutscher Freiwilliger beherbergt. Allesamt ehemalige Bassener die für ihre alte Heimat noch etwas übrig haben und sich einmal im Jahr treffen um für eine Woche die Kirche zu reparieren und zu erhalten.

    Beim beisammen sein am Abend erfahre ich viel über die reiche Geschichte des Ortes. Kaum zu glauben aber wahr. So ist dies trotz des nahegelegenen Dreckschlotes von Koppisch hier ein Heilbad und Kurort. Die Salzbäder wurden reichlich bei Rheuma und Frauenleiden verwendet. Es ist sehr salzhaltiges und iodreiches Wasser. Gerne wurden auch Fango und Schlammbäder angeboten. Von dem alten Charme ist heute jedoch nur noch ein Kurhotel übrig geblieben. Die evangelische Gemeinde hat ihre Kirchenburg in der Dorfmitte während die orthodoxe Kirche weit draußen am Ortsrand gebaut hat. Auch das zeigt wer zuerst da war meint eine der Kollegen. Ich kann mir vorstellen wie stolz sie auf ihre Kirche sind wo sie mir aus dem Nachbarort auch Bilder zeigen wie die Kirchen verfallen wenn sich niemand darum kümmert.

    „Wenn wir gewusst hätten dass die EU die Grenzen öffnet wären wir nicht gegangen und heute keine Minderheit in Rumänien.“ So fragt die Gemeinde fast immer wenn sie da sind „ für wen leutet ihr eigentlich noch die Glocken?“. Die Zeit dreht sich und es kommt niemand neues mehr nach, so dass viele Kirchenburgen über die Jahrzente auch weiterhin dem Verfall preisgegeben sind. Mit Neunzehn Mitgliedern steht Bassen regelrecht gut da. Der Durchschnitt der evangelischen Gemeindemitglieder liege bei 1-5.

    Ich schaue noch ein wenig beim Frühjahrsputz zu, darf die Glocke mit aufziehen und verabschiede mich bald darauf auf den Weg nach Medias. Die Römer nannten es das Land des Weines wegen dem bis heute guten Taverna. Auf Empfehlung komme ich im evangelischen Gemeindehaus unter und bekomme am Abend eine Führung durch die Magarethenkirche. Ihr Altar zählt zu den größten und schönsten in Siebenbürgen. Wie ich erfahre ist es alte Wiener Malschule und die wohl älteste noch erhaltene Zeichnung von Wien in ganz Europa. Ihre Besonderheit besteht auch darin dass die Sachsen mit der Reformation nicht ganz so streng umgingen wie in Deutschland. Viele katholische Wandgemälde und selbst türkische Wandteppiche blieben erhalten. Sie gelten heute als unverkäuflich nachdem ein paar Reiche Türken bereits Millionenbeträge geboten hatten. So alte Teppiche gebe es selbst in der Türkei nicht mehr.

    Der Regen verleitet nicht gerade zum großen Stadtbummel. Die Burg rings um die Kirche ist aber dennoch viel größer als in Bassen. Sie beherbergt heute auch eine deutsche Schule die auf die Zeit der Freimaurer zurück geht. Wer hier aufgenommen wird kann immer noch Deutsch auf Niveau der Muttersprache. So ganz aussterben wird das siebenbürgische Sächsisch also nicht.
    Read more

  • Der Turm ruft - Schätze aus Altbestand

    May 17 in Romania ⋅ ☁️ 11 °C

    Gestern Abend als ich ankam suchte ich nach dem Gästehaus und rannte in ein älteres Ehepaar aus dem Eichsfeld. Sie arbeiteten in einem Turm und entstaubten gerade alte Kirchenschriften. Über den Abend kamen wir ins Gespräch. Dass dieser Turm voller Bücher überhaupt noch existiert verdanken sie einer Nacht- und Nebelaktion des Gymnasiums dass die Bücher vor der Verbrennung durch die Kommunisten rettete. Dann verstaubten sie in Ruß und Taubendreck. Bald siebzig Jahre wusste das Pfarramt dass hier Bücher lagen, doch es wurde nicht publik gemacht. Bis die Siebenbürgische Gemeinde nach dem Schlüssel fragte und ware Schätze aushob. So wie die Siebenbürgischen Perserteppiche in der Kirche, so lagen hier zum Teil Schriften aus dem neunten Jahrhundert! Das heißt als der Ort Medias gegründet wurde brachten sie die Siedler mit und da waren die Bücher bereits 300 Jahre alt! In Oxford wäre zu damaliger Zeit noch nicht einmal an eine Bibliothek zu denken gewesen.

    Ich erfahre dass die Siebenbürger sich selbst von Anfang an als ein sehr freies Volk gesehen haben. Selbst der Papst sprach ihnen in einer goldenen Pulle das Recht zu ihre Pfarrer selbst zu bestimmen, die Kirchengelder selbst zu verwalten und das Zölibat wurde hier abgeschafft. In Rom fragte man sich was der Papst getrunken hätte. Doch dieser meinte wohl auch schon. „Es ist das letzte Bollwerk um das Christentum nach Osten vor den Asiaten zu schützen. Da müsse man Zugeständnisse machen wenn sie sich dort ansiedelten und das Land nur recht verteidigten.“ in Hermannstadt entstand darauf hin auch die erste bürgerliche Verfassung. Und bisslang wohl auch die einfachste seither. „Bürger ist, wer hier wohnt und ordentlich seine Steuern zahlt“ Punkt.

    Unterdessen ruft mich mein Gastvater für diesen Abend an. Er wirkt leicht besorgt denn er ist derzeit für einen Job in Deutschland und versucht von da aus zu organisieren dass ich gut versorgt bin. Seine Frau hat meine SMS nicht gelesen und nun müsse sie heute Abend noch zur Wahlvorbereitung für die Präsidentschaftswahl am nächsten Tag. Doch er macht möglich was in seiner Macht steht. Sein Freund Remis holt mich an der Kirche ab. Zuerst mal ein Palincka. Die Frauen bekommen davon wie gesagt nichts mit denn die sind ja alle bei der Wahlvorbereitung. Sein zweiter Freund Konstantin, von gestern noch leicht angetrunken, zerhaut gleich erstmal ein Glas. Dann zeigt er mir sein Haus und es gibt einen Cognac. Er erweist sich jedoch ebenso als nützlich um für drei Meter meinen Rucksack zu tragen. Und dann ziehen wir noch ein Haus weiter und ich bin endlich da! Jetzt gibt es zu dem Alkohol endlich auch etwas zu Essen. Fragt man einen Mann hier, ob er Schnaps mag,
    wird jeder sofort mit dem aufrichtigsten Lächeln im Gesicht stolz antworten dass er ihn so sehr mag, dass er gelernt hat ihn selbst herzustellen. Bis die Gastmama von der Wahlvorbereitung wiederkehrt leisten mir die Nachbarn rege Gesellschaft und einen geselligen Abend.
    Read more

  • Stichwahl

    May 18 in Romania ⋅ ⛅ 15 °C

    Ich kann nicht behaupten dass ich einen tiefen Kater hätte. Doch die Lust früh am Morgen wach zu werden, aufzustehen, ausreichend (!) zu Essen und dann auch noch loszulaufen nimmt von Tag zu Tag ab. Derweil gehen die Wahlen in Rumänien bereits um früh um 7 Uhr los und dauern bis 21 Uhr. Für die Wahlhelfer wird es ein langer Tag. Meine Gastmama springt immer zwischen Wahllokal und der Küche hin und her um zu sehen dass es mir gut geht. Und Ob! Es gibt obligatorisch Würstchen, Speck und Rührei und im Anschluss den ersten Rhabarberkuchen der Saison hmmm.

    Auf dem Weg nehme ich von hier an wieder jeden Hügel mit. Auf vielen Hängen sind Terrassen angelegt die einst vom Weinbau in Siebenbürgen zeugen. In Reichesdorf ist man geschäftig. Jedes Haus bekommt einen neuen Anstrich und in der Kirche sind Restaurateure gerade am Werk ein altes Wandbild wieder frei zu legen. Das Dorf kauft sich ein. Viele Holländer, Deutsche, Portugiesen, wer es sich leisten kann kauft sich hier ein altes siebenbürgisches Häuschen, baut es wieder auf und genießt den einfachen aber ruhigen Lebensstil.

    Bis zur letzten Ecke versteckt sich Bierthelm auf dem nächsten Teilstück vor mir und dann ziehen Gewitter auf. Ab dem ersten Aussichtspunkt wird der Nachmittag ein taktisches Spiel zwischen Sonnenschein und Nässe dass aber bis zuletzt gut aufgeht. Zwei Busse und drei Souvenirverkäufer vor dem Tor machen die ganze Ruhe zunichte. Wir wird dass wohl sein wenn sich die Siebenbürger Sachsen hier zu einem Chorsingen treffen? Dass es das gibt haben die Leute in Medias erzählt. Dann passen über 600 Leute in die Kirche. Sie ist bis auf den Altar nicht besonders reich geschmückt. Das haben sicher alle Kirchen hier seit der Reformation ein Stück verloren. Doch besonders bleiben ihre gleich drei Wehrmauern, ihre fantastische Lage über dem Land und die Tatsache dass sie über Jahrhunderte Bischofssitz war. Das kleine Dorf bekam anstatt Medias nie Stadtrecht, doch da die Gemeinde entschied wer seine Heiligkeit vertritt und nicht allein der Papst konnte das eben auch auf dem Dorf geschehen. Und einmal gefestigt wurde die Kirche wehrhaft ausgebaut. Die Grabsteine im Mausoleumsturm zeugen von vielen die ihr Amt hier inne hatten. Vielleicht auch weil es hier wirklich selbst bei Regenschauer magisch schön ist und der Wein viel kürzere Wege hatte.

    Wie jeden Tag stand heute Morgen stand heute Morgen nicht nur die Präsidentschaftswahl an sondern auch die Suche nach der nächsten Unterkunft. Mein Gastvater fragte mich gleich zu Beginn ob ich wüsste worauf ich mich beim Nachtlager einlasse? Als das Projekt eines zweier Engländer denen es bereits nach 26 Jahren in den Mährischen Hügeln der Tschechei zu viel Trubel wurde wanderten weiter östlich nach Copsa-Mare. Beide sind Naturliebhaber und bieten Workshops für Naturmalerei an. Sie erzählen mir unter den Kommunisten war dieImkerei ein beliebtes Hobby da die Gewinne nicht verstaatlicht wurden. Jeder durfte sie behalten. Es entwickelte sich eine regelrechte Industrie LKW-Anhänger in Honigwagen umzubauen. Und die Zwei wiederum bauten ihn ursprünglich für die Kinder wieder um zu einem schlichten aber wunderschön gelegenen Wohnwagen. Zum Abend bekomme ich noch den Hinweis wenn ich kann solle ich nicht im Dunkeln auf die Latrine gehen. Im Tal ist gerade eine Bärenmama mit zwei Jungen unterwegs.
    Read more

  • Siebenbürgische Gemeinschaften

    May 19 in Romania ⋅ 🌬 13 °C

    Ich muss vom Bienenwagen die Schlüssel zurück ins Dorf bringen. Und da war ich nun den Hügel schon mal oben gewesen… Mein Gastvater will mir gerne Wechselgeld für die Unterkunft geben doch er hat keins. Er reicht mir 100LEU. Ich soll doch bitte ins Magazin gehen und fragen ob sie dort wechseln können. Gesagt, getan. Davor stehen einige Männer und verbreiten den Dorfklatsch. Die Frau hinter dem Tresen zieht ein Gesicht als wäre jemand gestorben als ich mit meinem Anliegen komme. Also kaufe ich etwas was ich hoffentlich irgendwann noch brauche. Aber sie ärgert sich scheinbar immer noch dass sie mir Wechseln muss. Der Rest vorm Laden ist schon am frühen Morgen betrunken. Wahrscheinlich gehört sie zu den wenigen die hier nicht liberal gewählt haben. Der Rest des Dorfes ist mehr oder minder im Freudentaumel und arbeitet heute Morgen deswegen lieber noch nicht.

    Auf dem Weg nach Malmkrog finde ich wieder ein paar kleine Bärenspuren. Zumindest ist die Mama mit ihren Kleinen also tatsächlich in der Nähe. Und so hat es auch sein Gutes dass der Boden einer aufgeweichten Lehmgrube ähnelt und das Vorankommen nach dem Regen äußerst mühsam ist. Nach Malmkrog hinein gehe ich durch eine Apfelplantage. Sie wurde wie vieles hier durch den Eminescu Trust aufgebaut und unterhalten. Ein Herzensprojekt seinerzeit noch von Prinz Charles. Eigentlich schreibt auch mein Wanderführer von dem tollen Saft aus der Mosterei. Stattdessen erfahre ich vor Ort dass die Mosterei vor zwei Jahren eingestellt wurde.
    Das ist schade. Im Gegenzug umso besser erfahre ich wo man bei privat hier im Ort gut und günstig zu Mittag essen kann. Gleichzeitig haben die den nächsten Wanderstempel. Das passt also doch perfekt! Die siebenbürgische Gemeinde ist hier im Ort noch sehr stark vertreten. Das macht es mir natürlich leichter einiges über Malmkrog zu lernen.

    Nach dem Mittag schaue ich mir die kleine Kirche an. Ein „künstlerisches Kleinod inmitten der Pampa“ trifft es sehr gut. Die gesamte Nordseite der Kirche als auch das Innere des Kirchendaches sind mit Fresken aus dem 13. und 14. Jahrhundert verziert. Selten ist ein Wandgemälde so vollständig erhalten geblieben. Due Kirchenführerin spricht gut Deutsch und ist von meinem Interesse ganz begeistert. So gehen eir auch noch ein Stück tiefer in die jüngere Geschichte. Sie erklärt mir dass die Sitzordnung in der Kirche bis heute festen Regeln unterliegt die Kommunisten eins festgelegt haben. So wusste jedes Kind wo es vor bzw. nach der Konfirmation sitzen durfte. Die konfirmierten Jungen sogar vorn rings um den Altar. Die Mädchen wieder an anderer Stelle unter den strengen Blicken der Brigadeführer. Ein Hauch von Organisation wo man es heute in der Gemeinde am Wenigsten erwarten würde.

    Am Nachmittag will ich mich beeilen. Ein großes Regengebiet soll heranziehen. Und ich will morgen bis zum Abschluss noch ein paar Kilometer schrumpfen. Leider gestaltet sich die Schlafplatzsuche etwas schwierig. Das eine Gästehaus nimmt nur Reservierungen bis zum Vortag an, das nächste ist schon voll und so lande ich schlussendlich auf dem Campingplatz. Der Platzwart meint nur in gebrochenem Englisch „du siehst nicht so aus als dass du hier bleiben solltest für die Nacht. „Na vielen Dank auch“ Derweilen organisiert er mir von irgendwoher einen Anruf bei einer Dorfbewohnerin. Sie hätte Schlüssel für wo ich denn für die Nacht und den Regen bleiben könnte. Am Ende finde ich mich in einem für Wanderer wie mich wieder hergerichteten Bauernhaus des Eminescu Trust. Es ist einmal mehr das Schönste was mir je passieren konnte.
    Read more

  • Schäßburg

    May 20 in Romania ⋅ ☁️ 15 °C

    Die Nacht war kalt in den alten Mauern. Die Decke scheinbar zu dünn. In jedem Fall bringt mich ein Kaffee am Morgen nur wenig auf Trab. Und dabei scheinen es doch nur noch 22km bis nach Schäßburg zu sein.

    Der erste Halt ist das Schloss Bethlen in Kreisch. Ein kleiner Adelssitz im Zuge der Renaissance erbaut. Es schlief seinen Dornröschenschlaf bereits zweimal. Nachdem der Adel die Residenz auflöste verfiel es und wurde in den 70ern als düstere Filmkulisse rumänischer Horrorfilme wiederentdeckt. Dabei schoss ein Filmteam über das Ziel hinaus. Es wollte brennende Fenster inszenieren und fackelte neben der Filmpyrotechnik leider auch Teile des originalen Daches mit ab. Da war dann Schluss mit lustig. Das Schloss versank bis zum Ende der Kommunistischen Ära erneut im Dornröschenschlaf. Heute versucht es ein Verein wieder hübsch zu machen. Das Schloss wurde komplett entkernt, das Dach neu gedeckt und von der Fassade gerettet was zu retten war. Die Arbeiten dauern wahrscheinlich noch Jahre an. Trotzdem kann ich mir gut ein Bild machen wie das Leben hier vor ca. 200 Jahren aussah. Kurz darauf halte ich an der Grundschule den gesamten Betrieb auf weil alle mir erst einmal winken müssen. Und der Weg führt weiter über Berg und Tal.

    An der nächsten Stempelstelle kurze Verwirrung. Die Frau vor Ort redet nur Rumänisch und ich wieder mein Spanischkauderwelsch aber sie ist die Erste die damit richtig gut was anfangen kann. Deutsch weniger. Dazu meint sie am Schluss nur dass sie regelmäßig spanische Telenovelas anschaut. Warum bleibt uns in Deutschland so etwas oftmals eigentlich verborgen?

    Als fünfter und letzter kommt mir ein einsamer Wanderer entgegen. (sprechen 5 Wanderer auf 250km jetzt für oder gegen die Qualität eines Wanderweges?) Er meint er hätte heute Früh im Wald zwei Bären gesichtet. Einer davon ein ausgewachsenes Männchen. Jedoch sonst hat er die letzten zwei Tage abgewettert und plant jetzt noch drei Tage nach Mediasch zu laufen. Dann fliegt er nach nichtmal einer Woche wieder Heim. Ich glaube der Bär und vielleicht der Bischofssitz in Bierthelm sind alles was er von der Wanderung mitnehmen wird. Von vielen Details und Sehenswürdigkeiten auf dem Weg hat er noch nicht einmal gehört. Da ist es eigentlich schon schade um den Flug selbst wenn er gar nicht mehr Zeit zur Verfügung hätte.

    Wenig später sichte ich die Spuren. Wie oft hat man mir in den letzten Tagen Respekt gezollt dass ich allein laufe? Wie oft hätten sich die Einheimischen sich das nicht getraut? Doch diese Spuren sind erstmals tatsächlich - groß! Ein wenig dankbar bin ich demnach schon dass die Bären mich vielleicht umgangen sind. Jede Begegnung verläuft anders und man kann sie nie vorher sehen.

    Eine letzte Pause. Ich merke dass ich im Einzugsgebiet einer Großstadt sein muss. Während ich Picknick halte kommt eine Gruppe lärmender Radfahrer daher. Spätestens als sie Bergab wegen dem Matsch schieben müssen lobe ich mir die Wanderschuhe und lasse sie bald weit hinter mir. Schäßburg ist seit Alba Iulia die größte Stadt auf meinem Abschnitt der Via Transilvanica.

    Schnell ist das Gepäck verstaut und ab geht es auf Entdeckungstour. Unübersehbar ragen die Bergschule und der Stundturm über die Stadt. Bis heute ist die Bergschule ein gehobenes Knaben Gymnasium immer wieder wechselte die Amtsprache mal zwischen Latein, Deutsch und Rumänisch. Dem Anspruch der Lehrer tut das keinen Abbruch. Und so ist man ganz stolz über den ehemaligen Schüler Hermann Roth der mit seiner theoretischen Physik und späteren Zuarbeit für die NASA den Grundstein für den kegelförmigen Raketendüsenantrieb und die späteren Mondmissionen legte.

    Wen das nicht interessiert, der bleibt früher oder später am Geburtshaus und der Kinderstube des Grafen Vlad Dracul kleben (1431-1435, dann zog er weg). Die ganze Hysterie um Dracula und seinen Blutdurst beruht einzig auf der wahren Begebenheit dass Graf Dracul gerne, viel und erfolgreich gegen die Osmanen in die Schlachten zog. Den Rest hat Bram Stoker erfunden und es wird vortrefflich Geld damit verdient. Mehr als dass verdient es jedoch keine Aufmerksamkeit.

    Die Oberstadt von Schäßburg wurde so gut gesichert dass sie bis auf ein einziges Mal von den Angriffen der Geschichte stets verschont blieb. Diese Wehrhaftigkeit verdankt sie den sich aufopfernden Gilden in der Stadt. Die Zünfte bildeten bis ins 19.Jh das Rückgrat für den Handel und den Wohlstand der auf allen Schultern gleich verteilt war. Denn man verteidigte sein Handwerk um Missbrauch oder Dumping vorzubeugen. Eine wunderbare kleine Ausstellung zeigt selbst wie weit die Ärzte und Apotheker waren die hier in Schäßburg praktiziert haben.

    Wenn nach 18 Uhr die Läden schließen wird es ganz still im Stadtzentrum. Zeit inne zu halten. Meine Reise geht nach 250 Steinen vorerst zu Ende und trotz der Stadt fühle ich mich noch einmal mittendrin statt nur dabei - in Transilvanien.
    Read more