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  • Day 24

    Töff-Taxi. Einmal 1000 Höhenmeter, bitte

    February 5, 2023 in Colombia ⋅ ⛅ 27 °C

    Nach unserem Frühstück im Perla Hotel packen wir unsere Rucksäcke und laufen durch die bereits heissen Strassen von Santa Marta. Um die Ecke befindet sich ein Markt, an dessen Ecke ein Stand sein soll, der uns in einem "colectivo", also einem Sammeltaxi, nach Minca fahren soll. Diverse Düfte von Fisch zu Gewürzen, von Blumen zu Unbekanntem, steigt uns in die Nase.

    Mit Hilfe von Google Maps haben wir das "Oficina" auch tatsächlich gefunden und für 1.80 Franken pro Person fahren wir in einem Sammeltaxi die 45 Minuten hoch in die Berge nach Minca.

    Dort angekommen, wimmelt es von anderen Backpackern, Einheimischen und Motorradtaxis. Da Pilar, unsere Gastgeberin für die kommenden zwei Nächte, nochmal dreieinhalbstunden Fussmarsch ab Minca wohnt, wollen wir uns das kleine Bergdorf erst anschauen, bevor wir uns auf den weiteren Weg machen.
    Nach einem Rundgang in dem kleinen Bergdorf und kurzem Besuch in der Schweizer Bäckerei, welche trotz des "Offen"-Schildes sehr geschlossen aussieht, kaufen wir uns Wasser und beschliessen, mit einem Auto-Taxi den Weg zu unserem Hotel nochmal 1000 Höhenmeter über uns in Angriff zu nehmen.

    Wir erkundigen uns, schwer bepackt mit einem grossen Backpack (Thomas) und einem mittelgrossen und einem kleinen Backpack (Sven) beim nächsten Taxi-Fahrer. Er winkt lächelnd ab und verweist uns auf die Moto-Taxis. Das sind Jungs auf Motorrädern, welche einen sehr günstig in einem Affenzahn die Berge hochfahren.

    Sven ist dieser Art des Transportes sehr argwöhnisch gegenüber, Thomas hätte grosse Lust, wobei er angesichts des vielen Gepäcks auch ein Auto bevorzugen würde.

    Kaum vom Taxi-Fahrer abgelehnt, werden wir von einem Typen angequatscht, wohin wir wollen und ob wir zwei Moto-Taxis möchten.

    Thomas zeigt ihm auf der Karte, wo Pilar wohnt, und er zerrt uns direkt zu den Moto-Taxis und organisiert einen Typen, der Sven völlig entspannt und erwartungsvoll anschaut.
    Eine Erklärung, wie wir auf diese Motocross-Töffs mit unseren grossen Backpacks drauf sollen blieb aus. Der erste Fahrer nahm Sven den kleinen Rucksack ab, setze ihn sich vorne auf, und ich nickte Sven aufmunternd in Richtung Motorrad zu.
    Ein zweiter Fahrer kam und erklärte genau so wenig wie der erste, wie ich mich nun mit dem riesigen Backpack auf das Motorrad setzen soll.
    Besten Wissens und Gewissens setzte ich mich einfach hinter ihn, hielt mich mit der einen Hand an seiner Brust, mit der anderen hinter mir am Motorrad fest, und er startete sein Motorrad.
    Ich war so konzentriert darauf, einigermassen "sattelfest" auf dem Motorrad zu sitzen, dass ich überhaupt nicht mitbekommen habe, dass der andere Fahrer mit Sven bereits auf und davon und ausser Sichtweite war.
    Direkt meldete sich mein paranoides, kolumbianisches Teufelchen auf der rechten Schulter, dass Sven mindestens schon ausgeraubt, wenn nicht sogar entführt worden ist und ich ihn nie mehr wieder sehe.

    Ich versuchte meinem Fahrer zu vertrauen und so gut es ging das Gleichgewicht auf diesen zwei Rädern zu halten.
    Er fuhr in einem Mords-Tempo die mehr schlecht als recht befestigte Strasse hoch, und nach einigen Minuten entdeckte ich vor uns Sven. Festgekrallt an seinen Fahrer fuhr er selbst in einem höllen-Tempo den Berg hinauf, zu erstarrt um einen Blick über die Schulter zu riskieren und mich zu erkennen.
    Wir fuhren weiter und weiter, und ich hatte mindestens 10 Mal den Gedanken, dass wir nicht auf dem richtigen Weg sein können, so lange sich die Fahrt schon hinzog.

    Als wir dann die wenigstens halbwegs befestigte Strasse verliessen und über Stock und Stein einen Feldweg entlang fuhren, war ich vollends überzeugt, dass einerseits meine Information an den ersten Typen unten in Minca, wohin wir müssen, angekommen ist, wir andererseits gerade irgendwo in die Sierra Nevada von Santa Marta entführt werden.

    Von 632 m.ü.M. in Minca steigen wir mit unserem Motorrad nun auf 1'565 m.ü.M. auf.

    Nach einigen Minuten kam das Schild von Pilar "Sierra Alta Finca Boutique" am Strassenrand in Sicht und die beiden Motorräder hielten an. Der Weg sei nun zu steil für die Motorräder, es dauere aber nur fünf Minuten zu Fuss, bis wir dort sein.
    Erleichtert stieg ich vom Motorrad und strahlte über alle Backen. Was für eine Erlebnis, was für ein Ride!!

    Das Paradies kann viele Gesichter haben. Unseres sieht heute so aus.

    Umgeben von Bananen- und Kaffeebäumen, Bambus, Palmen und Hibiskus liegt weit oben im Nationalpark Sierra Nevada de Santa Marta unsere Unterkunft für die nächsten zwei Tage.

    Pilar kümmert sich mit ihrer kleinen Crew, dazu zählt der Gärtner, eine junge Kolumbianierin (Dani) und ihre Mutter, mit viel Liebe um ihre Gäste.
    Wir sind für heute Nacht die einzigen Gäste und fühlen uns wirklich wie im Paradies.

    Heute sei in der ganzen Region der Strom ausgefallen. Im Hintergrund brummt leise Pilars Generator, den sie extra für solche Fälle beschafft hat.
    Im Laufe des Nachmittags erkundigt sie sich, ob wir für ein paar Stunden auf Strom verzichten können, damit sie den Generator abstellen kann.

    Die Natur, der Ausblick bis hinunter nach Santa Marta und über das Meer, sowie die plötzliche Stille lassen uns im null-komma-nix entschleunigen.

    Stille ist hier nicht die vollständige Abwesenheit aller Geräusche.
    Stille ist hier das Zwitschern eines einzelnen Vogels, das Zirpen der Grillen, das Rascheln der Blätter im Wind.

    Nach nicht allzu langer Zeit ist unsere Lodge (eine von fünf) bezugsfertig. Die Bilder sagen alles. Der Raum ist sehr liebevoll eingerichtet. Auf der Terrasse hat man einen tollen Blick ins Tal und auf den gesamten Dschungel. Neben der Sitzgruppe, auch outdoor, befinden sich WC, Dusche und der geschmackvoll eingerichtete Waschtisch.

    Pilar hat für uns für morgen drei Ausflüge zur Auswahl:

    1. Sonnenaufgang um 04.00 Uhr früh mit leichter Wanderung und anschliessender Vogel-Tour.

    2. Besichtigung eines nahegelegenen Wasserfalls (4 bis 5 Stunden)

    3. Besuch eines indigenen Dorfes, 4 Stunden-Wanderung hin, und wieder 4 Stunden zurück.

    Der Vater von Dani, der jungen Kolumbianerin, sei ein ausgezeichneter Führer und einer der Wenigen, welche das indigene Dorf besuchen dürfe.
    Nach kurzem Überlegen beschliessen wir diese einmalige Möglichkeit zu nutzen und morgen das indigene Dorf zu besuchen und am nächsten Tag den Ausflug zum Wasserfall zu machen.

    Zwischenzeitlich haben uns die Allrounderinnen ein tolles Mittagessen zubereitet. Lachs mit frittierter Kartoffel und einem Salat mit Tomaten, Erdbeeren und leckerem Dressing. Dazu ein Erdbeergetränk. Zum Dessert servieren sie uns flambierten Apfel mit Käse und Honig, dazu den sensationellen echten kolumbianischen Kaffee ☕️ 😋.

    Pilar kommt zu uns mit 'Bad News'.
    Letzte Woche habe eine grosse 50-köpfige Reisegruppe mit nochmals 50 Maultieren das indigene Dorf besucht. Da sie überall ihren Abfall liegen gelassen hätten, seien die Ältesten im Dorf wütend und wollen aktuell keine Besucher mehr. Dann wirds morgen wohl doch der Wasserfall 🙂.

    Nach dem Mittagessen haben wir viel Zeit für uns.
    Sven macht es sich auf unserer uneinsehbaren Terrasse neben unserm Outdoor-Klo und Outdoor-Dusche gemütlich.
    Thomas schnappt sich ein Buch und legt sich in die Hängematte des offenen 'Wohnzimmers'.
    Es dauert nicht lange, bis er vom langsamen hin- und herschwingen der Hängematte in den Schlaf gewiegt wird.

    Da wir morgen einen grossen Ausflug vor uns haben und die nächste Unterkunft wohl eher auf Fiesta ausgelegt ist, beschliessen wir diesen Tag ruhig und chillig zu verbringen. So vergeht ein wunderbarer Nachmittag mit der Vorfreude auf einen tollen Sonnenuntergang und ein feines Abendessen.
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