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  • Der Erkunder und der Fleißige

    22 de julho de 2018, México ⋅ ⛅ 20 °C

    Während Jan seinem ihn schon seit geraumer Zeit plagenden Gewissen nachgab und einen Arbeitstag einlegen wollte, beschloss ich, Elisa, Camilo und Nicolas zu dem Dorf „Chamula“ zu begleiten. Nach einem gemütlichen Frühstück nahmen wir ein colectivo, welches auf der anderen Seite der Stadt startete. Somit bekam ich eine kleine Stadtführung durch das wunderschöne San Cristóbal. In Chamula angekommen ging es direkt weiter mit einer privaten Stadt(Dorf)-Führung, diesmal von Juan (ein Dorfbewohner, der in San Cristóbal studiert). Dieser erzählte uns begeistert von seinem Dorf und dessen Gebräuchen. Sonntags ist in Chamula immer Markttag, welcher Bauern aus der ganzen Umgebung anlockt und somit das sonst sehr ruhige Dörfchen in ein buntes, lautes und fröhliches Treiben verwandelt. Für mich gab es neben leckerem Mais und Chicharrón (frittiertes Schweinefett) einen handgestrickten und sehr schönen Pulli. Der Höhepunkt des Tages war der Besuch der zentral gelegenen Kirche. Die Religion der Chamuleños ist eine Mischung des Christentums und alten Maya-Kulten. Wir traten durch die Türe und fanden uns in einer ungewöhnlichen Kirche wieder. Es gab keine Bänke, der Boden war mit Piniennadeln ausgelegt, an den Seiten reihten sich Heilige und die ganze golden und grün verzierte Kirche wurde durch den Schein eines Kerzenmeeres beleuchtet. Beim Betreten der Kirche wurden wir direkt von einem Guide abgefangen, der uns auf allerdings freundliche Art und Weise eine kleine Führung auf Spendenbasis nahelegte. Sehr gute Idee! So bekamen wir einen Einblick in die örtlichen Rituale: Wenn ein Dorfbewohner erkrankt, wird dieser von seinen Angehörigen in die Kirche gebracht. Ein „Pfarrer“ entscheidet per Pulsmessung, wie schwerwiegend die vorliegende Krankheit ist. Abhängig von der Einschätzung des Pfarrers werden verschieden viele Kerzen verschiedener Farben entzündet. Es wird ebenfalls ein Ei (bei z.B. einer leichten Grippe) oder ein ganzes Huhn (bei z.B. einer Lungenentzündung) benötigt. Das Ei bzw. das Huhn wird unter beschwörenden Gesängen an dem Kranken gerieben, sodass die negative – krankmachende – Energie vom Patienten auf das Ei/Huhn übertragen wird. Anschließend wird dem Huhn der Hals umgedreht und das erfolgreiche Ritual mit ordentlich Pox begossen. Die Angehörigen nehmen das Huhn mit nach Hause und vergraben es. Was mir sehr gut gefallen hat, ist die meiner Meinung nach dem Christentum fortgeschrittene Art zu beichten. Hierbei sitzt der Gläubige nicht in einer kleinen Kammer und beichtet einem Kirchenangehörigen, welcher, wie wir ja wissen, selber in einigen Fällen deutlich schlimmere Verbrechen begangen hat - ich schweife ab und es soll ja auch hier nicht um Kirchen-Bashing gehen. Der Gläubige spricht also nicht mit einem dunklen Gitter, hinter welchem ein Kirchenangehöriger sitzt, sondern geht zu einem der Heiligen. An der Brust eines jeden Heiligen hängt ein kleiner Spiegel, sodass der Gläubige sich beim Beichten seiner Sünden selbst in die Augen schaut. Die Decke der Kirche bedeckt ein Gemälde, welches einen Büffel, einen Leoparden, einen Adler und einen Jaguar zeigt. Diese symbolisieren die Apostel Johannes, Petrus, Markus und Paulus.
    Leider gibt es sehr wenig Bilder von dem Ausflug, da das Fotografieren sowohl in der Kirche als auch im Dorf, falls sich Bewohner auf dem Bild befinden, verboten war. Die Menschen glauben, dass ihre Seelen in den Bildern gefangen werden. Unter anderem für Einhaltung des Fotoverbotes sorgt die örtliche „Polizei“. Die „Polizisten“ tragen weiße Felle und sind mit langen, schwarzen Stöcken ausgerüstet, mit dessen Hilfe ungehorsame Touristen schon schwer verletzt wurden. Da es sich um ein autonomes Dorf handelt, welches seine eigenen Gesetze hat, ist bei Missachtung dieser keine Hilfe der mexikanischen Polizei zu erwarten. Als ich zurück ins Hostel kam, saß Jan im Innenhof. Laptop im Schatten, Körper in der Sonne. Als kleine schon erwartbare Vorwegnahme für morgen: Hautfarbe Tomate. Für das Abendessen gingen wir mal wieder in eine sehr leckere Taquería und buchten in einem „Reisebüro“ eine Bootstour für den kommenden Tag. Zurück im Hostel stellten wir auf der Suche nach unserem nicht aufzufindenden Geldbeutel unser Zimmer und das Auto von Carlos auf den Kopf, doch der Schlingel blieb verschwunden. Ratlos schlussfolgerten wir, dass er uns vermutlich aus unserem Zimmer geklaut wurde. Da das Hostel durchgehend ageschlossen war, musste es einer der anderen Gäste gewesen sein. Wir verkündeten laut, dass jegliches Geld von der Kreditkarte genommen sei und gingen – statt wie geplant feiern zu gehen – früh ins Bett.
    Conny
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