• Entspannung vs. Extremsport

    16 augusti 2018, Ecuador ⋅ 🌧 19 °C

    In Baños angekommen viel uns direkt auf, was wir schon von einigen Reisenden gesagt bekommen hatten: Der verhältnismäßig wahnsinnig fortgeschrittene Tourismus. Hier drängt sich Hotel an Hostel und Tour-Büro an Geldautomat. Ecuadorianer sind eher selten zu sehen und wenn, dann nur als Inhaber der verschiedenen Unternehmen und Unterkünfte. Nachdem wir ein Hostel gefunden hatten (mal wieder versuchten wir es mit einem Hängematten-Aufhänge-Ort, leider erfolglos), machten wir uns auf die Suche nach etwas Essbarem und erkundeten dabei die Straßen der Stadt. Zu dem bisherigen Bild fügten sich nun noch touristische Restaurants (Pizza, Burger, mediterrane Küche und allen voran ein Lokal, das sich mit Raclette rühmte – alles natürlich für überteuerte 8 Dollar aufwärts). Schließlich fanden wir einen Markt, wo die übliche Portion Fleisch, Reis und Salat 3 Dollar kostete und aßen wie so oft zwischen den vertrauten Gerüchen von rohem Fleisch und Bratfett.
    Im Anschluss (~19 Uhr) begaben wir uns in Richtung des Orts, dem die Stadt ihren Namen verdankte - die heißen, natürlichen Bäder (nochmal für die besonders hellen Kerzen auf dem Kuchen: span. „Baños“ = Bäder). Nun stellten wir uns, naiv wie wir sind, unter heißen Bädern natürlich dem Berg entspringende Quellen und Becken, die das Wasser über Jahrhunderte geformt hatte, vor. Als wir dann ankamen, waren wir zumindest einmal überrascht, um nicht zu sagen ernüchtert. Die Bäder waren im Grunde genommen ein mittelgroßes Freibad mit verschiedenfarbigen Becken und drei bunten Wasserrutschen. Nachdem wir unsere Erwartungen dementsprechend ein wenig angepasst hatten, freuten wir uns nun dennoch auf das warme, dampfende Wasser und hatten großartigen Spaß daran, uns in den vorgeschriebenen Badekappen (aka Kopfkondome) zu betrachten und uns in diesen wie TuPac zu fühlen. Außerdem positiv überraschend war, dass sich in den verschiedenen Becken nur wenig offensichtliche (weiße) Touristen tummelten.
    So verbrachten wir also ein paar Stunden mit dem Wechseln zwischen den verschieden heißen Becken, der Sauna, einem Dampfbad, einer kalten Dusche und rutschten einige Male die überraschend wilden Wasserrutschen hinunter. Entspannt und erfrischt gingen wir nach Hause und begaben uns dann in das feuchtfröhliche Nachtleben.

    Am nächsten Tag ging es dann alles andere als entspannt weiter. Nachdem wir uns ein wenig vor der anstehenden Aktivität gedrückt hatten, sahen wir ein, dass kein Weg daran vorbeiführen würde. Der Eine freudig erregt (überraschenderweise ich), der Andere eher zitternd und mit von Angstschweiß durchtränktem Shirt (überraschenderweise Conny) machten wir uns also auf zum einzigen auf der Tagesordnung stehenden Punkt: dem Bungee Jump von einer Brücke!
    Seit einigen Tagen hatte ich diesem Tag positiv entgegengeschaut, während Conny mich überwiegend auf die potentiellen Risiken aufmerksam gemacht hatte und alles daran gesetzt hatte, mich von meinem Vorhaben (was natürlich wie immer von beiden vollzogen werden würde) abzubringen.
    An der circa 100 Meter hohen Brücke angekommen sahen wir uns die Sache eine kurze Zeit von außen an, was das ganze allerdings nicht wirklich besser machte, sodass wir mutigen Schrittes die Brücke betraten und direkt von den motivierten Verantwortlichen (3 humorvolle Jungs in Straßenklamotten, die den größten Spaß daran hatten, sich über die angsterfüllten Touris lustig zu machen) hergewunken und freudig mit „You wanna jump?“ begrüßt wurden. „Wollen“ ist ein sehr schwer definierbares Wort in so einer Situation… Nach ein paar Witzeleien beider Seiten (Sehr gut war zum Beispiel „Warum kostet das denn 20 Dollar? Im Reiseführer stand 15.“ – „Wir hatten so viele Unfälle, da mussten wir die Preise heben… Aber du darfst auch gratis ohne Seil springen“) – man könnte es wohl kaum treffender als mit dem Wort „Galgenhumor“ beschreiben – hatte der Chef der amüsierten Bande genug und zog mir kurzerhand Gurt und Helm an und schickte mich auf den kleinen Metallvorsprung, der am Geländer der Brücke angeschweißt war. Instruktionen gab es nicht wirklich („Spring so weit wie du kannst und schrei so laut es geht“) und da begann er schon auf 3 zu zählen. Das Ganze ging mir dann doch ein wenig zu schnell und ich gab ihm zu verstehen, den Countdown zu stoppen und sagte, ich würde auf jeden Fall springen, brauche lediglich ein wenig Zeit um mich darauf einzustellen. So stand ich also ein Weilchen am Abgrund, sinnierte ein wenig über mein relativ kurzes, aber doch recht erfülltes bisheriges Leben, schloss innerlich mein Testament ab (ziemlich sinnlos im Nachhinein, aber es erschien mir in dem Moment angemessen) und bereitete mich mental auf den Moment des Absprungs vor. Schließlich (ich bin mir nicht sicher, wie viel Zeit vergangen war) gab ich dem grinsenden Sprunghelfer ein Zeichen, er zählte auf 3 und ich ... sprang!
    Das Gefühl was dann folgte, ist für mich schwer in Worte zu fassen. Ganz zu Beginn hat es etwas von Achterbahn fahren, wie man so mit den Armen rudernd (siehe Video) dem Boden entgegenrauscht. Dann kommt ein Moment, den ich salopp als „Fuck“-Moment bezeichnen würde, in dem mir bewusst wurde, dass ich mich eben nicht in einer Achterbahn befand, sondern mich mit ein paar rostigen Karabinern an einem 2 Zentimeter dickem Seil befestigt im freien Fall in Richtung ecuadorianischen Bodens bewegte. Und dann der Augenblick, in dem du spürst, wie das Seil dich auffängt und du mit einer Mischung aus Adrenalin und purer Erleichterung langsam dem Festland entgegenschwingst. Unten angekommen hätte ich die mich empfangende und mir den Weg nach oben weisende Dame vor lauter Freude küssen können, schaffte es aber, den Impuls mithilfe der letzten vorhandenen Kräfte meines Veto-Areals zu unterdrücken.
    Oben angekommen schilderte ich Conny aufgeregt die Erfahrung und dann war er dran. Sein Erlebnis kann er wohl am besten selber beschreiben (vielleicht folgt das noch an dieser Stelle?) und unterschiedet sich bis auf den Adrenalin-Erleichterungs-Cocktail am Schluss wohl auch erheblich von meinem, da es überwiegend von einer vorübergehenden Bewusstlosigkeit in der Luft geprägt war. :D

    Den Rest des Tages verbrachten wir mit dem Runterkommen von unserem Adrenalin-Rausch und dem abermaligen Ausgehen in der wohl touristischsten Stadt unserer Reise, bevor wir uns im Laufe des nächsten Tages in Richtung der nächsten Stadt- „Latacunga“ - aufmachten.

    Jan
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