• Zu Gast beim "Führer"

    June 4 in Poland ⋅ ☀️ 24 °C

    Aus einer Laune heraus tippe ich unser heutiges Ziel in Google Maps ein – und kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Suchbegriff „Führerhauptquartier“ wird prompt erkannt, die Route zuverlässig berechnet. Rund 250 Kilometer liegen vor uns – ein seltsames Gefühl, wenn man bedenkt, was für ein geschichtsträchtiger Ort da auf uns wartet.

    In Elbing machen wir einen kurzen Halt bei Lidl. Der Wasservorrat muss aufgestockt werden. Kaum im Markt, spricht uns eine freundliche Kundin auf Deutsch an. Ob sie helfen könne? Wir bedanken uns höflich, kommen dennoch ins Gespräch – zehn Jahre hat sie in Essen gelebt. Eine dieser kleinen Begegnungen unterwegs, die einfach gut tun. Die polnischen Kartoffeln im Einkaufskorb sehen übrigens aus wie ihre deutschen Verwandten – manche Dinge sind eben überall gleich.

    Unser Weg führt uns zunächst über eine autobahnähnliche Schnellstraße. Kurz kommt der Gedanke auf, ob wir vielleicht versehentlich eine Mautstrecke nutzen. Doch keine Sorge – alles im grünen Bereich. Wenig später biegen wir auf eine Landstraße ab, die uns durch eine sanfte, gepflegte Landschaft trägt. Junge Ahornbäume säumen den Straßenrand, als hätten sie eine Parade zu Ehren unserer Ankunft aufgestellt. Ein Hinweisschild bestätigt meine Ahnung: Der Ausbau wurde von der EU finanziert – ein stiller Gruß aus Brüssel.

    Nach der Durchfahrt durch Rastenberg erreichen wir am frühen Nachmittag die Wolfsschanze. Wir stellen unser Wohnmobil auf dem angrenzenden Stellplatz ab, der sogar einen Stromanschluss bietet – sehr praktisch für eine volle Batterie am nächsten Morgen. Nach einem kleinen Imbiss holen wir uns Audioguides und machen uns auf Erkundungstour.

    Etwa zwei Stunden wandern wir durch das weitläufige Gelände, vorbei an den Überresten gigantischer Bunker. Die Bauweise beeindruckt – massiv, durchdacht, geradezu überdimensioniert. Manche Bunker ähneln russischen Matroschkas: mehrere Schichten Beton, dazwischen mit Split gefüllte Zwischenräume – Schutz vor Bombenangriffen.

    Bomben konnten ihnen offenbar nichts anhaben. Die Zerstörung übernahmen schließlich die eigenen Leute: Als 1944 die Front näher rückte und das Hauptquartier nach Berlin verlegt wurde, erhielten die Pioniere der Wehrmacht den Befehl zur Sprengung. Infrastruktur, die dem Feind nützen konnte, sollte vernichtet, kompromittierendes Material unbrauchbar gemacht werden. Doch selbst schwerste Sprengladungen konnten nicht alles zum Einsturz bringen – deutsche Ingenieurskunst hat überdauert, was nicht überdauern sollte.

    Besonders eindrücklich ist die Ruine jenes Gebäudes, in dem am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg verübt wurde. In einer angrenzenden Garage ist das Geschehen rekonstruiert – anschaulich und mit den nötigen Erklärungen versehen.

    Fazit: Wer ohnehin in der Region unterwegs ist, sollte sich diesen Ort anschauen. Die Wolfsschanze ist keine klassische Touristenattraktion, aber ein eindrucksvolles Relikt deutscher Geschichte. Wer sich für Militärbauwerke interessiert, kommt hier auf seine Kosten. Für politisch oder historisch Interessierte bietet der Ort solide Informationen – wenn auch wenig Neues. Und doch: Es ist etwas anderes, an den Stätten zu stehen, von denen man sonst nur liest. Geschichte zum Anfassen – und zum Nachdenken.
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