• Abenteuer Straße

    Jun 24–25 in Lithuania ⋅ 🌬 17 °C

    Am Morgen werden wir durch das Rauschen des Sturms in den Wipfeln der Bäume geweckt. Der Blick auf den See zeigt weiße Schaumkronen – es weht offenbar ein kräftiger Wind. Wir stehen jedoch in einer geschützten Ecke hinter hohen Bäumen und bekommen von den Wetterkapriolen kaum etwas mit.

    Auf der Weiterfahrt wird der Wind dann deutlicher spürbar. Das Wohnmobil wird immer wieder von Böen erfasst, doch dank der Luftfederung bleibt das Fahrgefühl insgesamt angenehm gedämpft. Bald fällt uns auf, dass die Landstraße über viele Kilometer hinweg von einem durchgehenden Wildschutzzaun flankiert wird – in dieser Länge haben wir das noch nie gesehen.

    Nach einiger Zeit beginnt unser ganz persönliches Abenteuer Straße. Ohne Vorankündigung befinden wir uns inmitten einer großen Baustelle. Der Verkehr wird abschnittsweise über Ampeln geregelt – mal dürfen wir, mal der Gegenverkehr. Die Strecke führt uns durch sämtliche Phasen des Straßenbaus: alte, aufgebrochene Betonplatten wie von früheren DDR-Autobahnen, grobe Schotterwege, Matsch- und Lehmabschnitte, bei denen wir tief hinunter und ebenso steil wieder hinauf müssen, weil Brücken noch fehlen. Das Ganze zieht sich über viele Kilometer – eine wahre Geduldsprobe.

    Schließlich entdecken wir eine Ausfahrt zu einer kleinen Nebenstraße und wittern die Chance auf ruhigere Fahrbahn. Leider erwartet uns hier der nächste Nervenkitzel: Die ohnehin enge Straße ist auf beiden Seiten ausgebrochen – nur ein schmaler Streifen bleibt. Und genau hier quält sich jetzt auch der übrige Verkehr entlang, viele mit deutlichem Zeitdruck. Immer wieder werden wir überholt, teils rücksichtslos.

    „Ich habe Angst, dass wir durch einen Überholer in einen Unfall verwickelt werden“, sage ich zu Juliane – und kaum ausgesprochen, sehe ich genau das im Rückspiegel: Zwei Fahrzeuge überholen sich gegenseitig, keiner achtet auf den anderen. Nur ein beherztes Ausweichmanöver verhindert das Schlimmste. Kurz darauf schert einer der Wagen direkt vor uns ein. Ich bin bedient. Wir halten an und machen Kaffeepause. Danach übernimmt Juliane das Steuer.

    Da das Wetter weiterhin ungemütlich ist, lassen wir Vilnius sprichwörtlich links liegen. Von der Straße aus sehen wir nur moderne Hochhäuser – die sicher sehenswerte Altstadt bleibt hinter dieser Silhouette verborgen. Schade, aber wir verspüren keinen Drang mehr nach Stadt.

    Am Nachmittag finden wir unser Nachtquartier an einem kleinen See. Der Platz ist ruhig gelegen, mit einem kleinen Sandstrand – eigentlich ein Ort zum Verweilen, Schwimmen, Seele baumeln lassen. Doch bei zwölf Grad Lufttemperatur und gelegentlichen Regenschauern vergeht uns die Lust auf Aktivitäten draußen. Stattdessen richten wir uns gemütlich im Wohnmobil ein – und sind dankbar für einen ruhigen Abend.
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