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  • Day 314

    22 Mythen, Götter & andere Geschichte(n)

    December 10, 2022 in Greece ⋅ ☁️ 15 °C

    Die Tanknadel bewegt sich langsam Richtung Null, das rote Lämpchen leuchtet neckisch fröhlich vor sich hin. Zum Glück ist die erste Ortschaft, welche wir nach der abgeschiedenen Grenze  Albanien/Griechenland erreichen, nicht mehr weit. Da vorne siehts nach Tankstelle aus, den Blinker setzen, vor die Zapfsäule rollen und blöde aus der Wäsche gucken. Geschlossen. OK, dann eben die nächste.... selbes Spiel.... das darf doch wohl nicht wahr sein. An der dritten sitzen ein paar Männer auf ihren Plastikstühlen und palavern. Sie bestaunen unser Gefährt, wedeln jedoch mit den Händen, ebenfalls geschlossen. Falls wir Sprit bräuchten, gäbe es das im nächsten, 40 km entfernten Ort. Ob es daran liegt, dass heute Sonntag ist?
    Nun denn, so weit wollen wir heute gar nicht mehr. Schliesslich wartet die "tiefste Schlucht der Welt" auf unseren Entdeckungsgeist. Doch seien wir mal ehrlich, die ganze Vikos-Schlucht zu durchwandern ist uns dann doch.... zu mühsam. In 8 Stunden soll man es schaffen. Es fehlen jedoch öffentliche Verkehrsmittel und wie sollen wir zurückkommen? Taxi gäbe es in der Hochsaison, und Autostopp ist bei den wenigen Autos, die ausserhalb der Saison in dieser sehr abgelegenen und ursprünglichen Gegend unterwegs sind, reinste Lotterie. So begnügen wir uns eben auf einen kleinen Teil. Der hat's in sich. Zu Beginn begrüssen uns mächtige orientalische Platanen mit ihren weit ausladenden, zum Teil ineinander verwachsenen Ästen. Das schmale mit weissen Steinen überhäufte linke Ufer ist gesprenkelt mit den braunen Herbstblättern. Dahinter ist die senkrechte, sich in unerkannte Höhen auftürmende Steilwand. Und zu unseren Füssen plätschert das kristallklare Wasser sanft vor sich hin. Wir lassen uns von der Magie dieses Ortes einlullen und hüpfen beschwingt über den Weg, immer weiter hinein in die Schlucht.
    Eine Tankladung später (jaja, heute am Montag ist der Tankwart wieder im Dienst 😉) bestaunen wir den imposanten, fast 1000 Meter tiefen Canyon von oben. Gestern noch am Grund entlang wuselnd, heute mit grosser Ehrfurcht am Rand des tiefen Einschnitt stehend. Thes muss sich ganz schön zusammennehmen, ihr wird schon ganz anders ob der Schwindel erregenden Höhe. Da hilft es definitiv nicht, wenn sich Sascha noch einen Schritt näher dem Abgrund nähert und dann, zwecks besserem Foto, sogar noch auf das Mäuerchen steigt....

    160 Kilometer weiter östlich. Winternebel umwabert seltsam anmutende, freistehende Gesteinsnadeln, die hier wie aus einer Filmkulisse von Avatar bis zu 450 Meter hoch aus dem Boden ragen. Metéora; Unwirklich...fantastisch...unglaublich... um diesem Naturphänomen mit Worten wirklich gerecht zu werden, fehlen uns Adjektive. Und was macht der Mensch? Er setzt noch eins (Kloster, und davon gleich mehrere) obendrauf. 
    Frei von weltlicher Ablenkung waren die vor hunderten von Jahren entstandenen Einsiedeleien und Klöster auf den steilen Sandsteinfelsen kaum zugänglich. Wie diese religiösen Stätten, die bei dunstigem Wetter beinahe im Himmel zu schweben scheinen, entstanden sind, ist uns ein Rätsel. Liegt hier der Ursprung der Kletterei? Wir umwandern die ungewöhnlichen Felsformationen und besuchen auch eines des heute besser zugänglichen Kloster. Die Luft ist vom schweren Weihrauchduft geschwängert. Vorbei gehts an hübsch verzierten Gewölbebögen zu einem kleinen Gebetsraum. Christlich-Orthodox-typisch ist der Raum recht schwer und voll beladen mit Bildern. Die Mönche selbst verstecken sich in den ihnen vorbehaltenen Bereichen. Da hat man unten in der Kleinstadt Kalambaka, im Supermarkt, mehr Chancen auf eine Begegnung.

    Thes ist so fasziniert von der ganzen Umgebung, dass sie es wahrlich fertigbringt, Sascha am nächsten Morgen, lange, unendlich lange vor dem Sonnenaufgang aus dem gemütlich warmen Bett zu jagen, nur um frühzeitig in die Höhe zu fahren um beim ersten Sonnenstrahl auf den Auslöser der Spiegelreflex zu drücken (dass uns einige tiefe Wolken am Horizont einen nicht unerheblichen Strich durch die Rechnung machen, müssen wir hier ja nicht erwähnen)

    Nach so viel Natur, auch mal Kultur.... Wir steuern einen Grabhügel an. Klingt recht langweilig, was soll an einer aufgeschütteten, mit Gras bewachsenen Kuppel schon interessant sein? Vielleicht, aber nur vielleicht das darunter gebaute Museum mit den Überresten einiger Grabkammern? In einer davon, der imposantesten, lagen die Überreste von König Philippos II., dem Vater von Alexander dem Grossen. Wem Geschichte so gar nichts sagt, macht nix. Dies waren ein paar machtgeile Typen vor über 2000 Jahren, welche die damalige hellenistische und persische Welt in Angst und Schrecken versetzt haben. Entsprechend pompös wurden die über 2000 Jahre alten Grabkammern und deren Beigaben gestaltet. Geblendet vom vielen Gold zotteln wir weiter.

    Wie praktisch wäre es doch, könnte man vor einer wichtigen Entscheidung einen hellseherischen Rat erbitten. Diese "Hilfe" stand der griechischen und römischen Antike in Form vom Orakel von Delphi zur Verfügung. 
    Stell dir vor du bist ein "alter" Grieche. Nach tagelanger mühseliger Reise erreichst du das in den Bergen liegende Delphi. Ehrfürchtig durchschreitest du den aus weissen Steinsäulen flankierten Eingangsbereich der Tempelanlage. Händler bieten dir eine letzte Möglichkeit symbolische Mitbringsel zu erstehen, welche du später zusammen mit deinen Münzen für deine ersehnte Weissagung eintauschen kannst. Du gehst weiter den Hügel hinauf. Reich verzierte Schatzhäuser mit kostbaren Weihegeschenken und riesige Statuen aus Gold, Silber, Elfenbein und Kupfer lehren dich Ehrfurcht, bis du schliesslich vor dem gewaltigen Tempel stehst. Hier sitzt eine Frau in ekstatischem Dilirium auf einem Sitz über einer Felsspalte (vermutlich sind der Spalte giftige Gase entstiegen). Wie erhofft, beantwortet die in Trance Versunkene deine Frage mit unverständlichen Schreien. Nun ist es an den beistehenden Priestern die Schreie zu deuten und dir die richtungslenkende Vorhersage daraus zu übermitteln.

    Von 1500 v. Chr. bis etwa 300 n. Chr. wurden hier die politischen Geschicke der griechischen und römischen Welt beeinflusst, da Herrscher und Heerführer aus der ganzen antiken Welt sich vor wichtigen Entscheidungen die Zukunft weissagen liessen. Ganz schön clever oder?

    Ausserdem wurden in Delphi alle vier Jahre die zweitwichtigsten Wettkämpfe nach Olympia veranstaltet. Vor allem die am Schluss der Spiele ausgetragene Disziplin hat vor unserem geistigen Auge eine sehr interessantes Bild hinterlassen; splitterfasernackte Männer, "nur" bedeckt mit Helm, Schild und Schienbeinschützern rennen durchs vollbesetzte Stadion um den schnellsten Läufer zu eruieren.  😁 
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