• Blüte auf Asphalt, Geschichte im Boden

    18. april 2019, Frankrike ⋅ ☀️ 16 °C

    Tag 12
    35 km
    330 km

    Mitte April. Die Sonne stand schon früh am Himmel, als hätte sie auf mich gewartet. 16 Grad, leichter Wind, blauer Himmel — besser kannst du’s draußen nicht erwischen. Das ist Wetter, da weißt du beim ersten Schritt: Heute wirst du Meilen fressen wie ein ausgehungerter Mustang Wasser am Fluss.

    Der Tag begann entspannt. Bus zum Bahnhof von Metz. Bahn raus aus der Stadt bis Ars-sur-Moselle. Manche würden sagen: Schade drum — der Weg aus Metz raus soll richtig schön sein. Mag sein. Aber weißt du was? Der Trail verzeiht dir keine Fehler — aber er bestraft dich auch nicht für kluge Entscheidungen. Heute war mein Fokus klar: Strecke machen. Den Kopf frei laufen. Frühling atmen.

    Der Weg war flach. Breit. Oft direkt an der Mosel entlang oder an einem alten Seitenkanal. Links Wasser, rechts Obstgärten — und alles blühte, als hätte der Frühling den Schießbefehl gegeben. Die Bäume reckten sich in den Himmel, die Blüten flogen wie Staubwolken über den Weg, und ich ging mittendurch. Kein Ziel. Kein Stress. Nur Schritt für Schritt in die Freiheit.

    Novéant. Arnaville. Pagny-sur-Moselle. Vandières. Kleine Orte wie Perlen auf einer staubigen Kette. Man läuft durch, nickt den Menschen zu, spürt die Sonne im Gesicht und den Staub auf den Lippen.

    Aber hinter Vandières war Schluss mit gemütlich. Da zog ich den Weg hoch, weg von der Mosel, rein in einen alten Wald, der Geschichten geflüstert hat, die schwerer waren als jeder Rucksack. Hier tobte der Erste Weltkrieg. Hier lag Vergangenheit im Boden wie schlafende Wölfe. Ich ging stiller. Nicht aus Angst. Aus Respekt.

    Der Wald war alt. Bäume wie Säulen, Licht wie gefiltertes Gold. Keine Menschen. Kein Lärm. Nur ich und der Trail. Und wenn du da draußen gehst, ganz allein zwischen Moos, Felsen und alten Gräben — dann weißt du wieder: Das Leben in der Stadt ist weit weg. Und das ist verdammt gut so.

    Der Weg führte mich runter nach Pont-à-Mousson. Eine hübsche Stadt. Alter Platz, Cafés, kleine Gassen. Ich fand ein Hotel, wie es sich für einen Cowboy gehört: Einfach. Gemütlich. Echt.

    Und dann gab’s Futter. Gutes Futter. Nicht aus der Tüte. Nicht aus’m Rucksack. Sondern Teller auf den Tisch, Besteck in die Hand und Ruhe im Herzen.

    Denn draußen unterwegs zu sein heißt nicht nur, sich durchzukämpfen. Es heißt auch: Genießen, wenn’s Zeit dafür ist. Essen, wenn der Magen brüllt. Schlafen, wenn der Körper sagt: "Genug, Partner."

    Ich saß noch lange draußen. Schaute den Menschen zu. Spürte den Staub des Tages auf der Haut. Und wusste wieder:

    „Pilgern ist kein Wettlauf. Es ist eine Sammlung von Momenten, die dir kein Geld der Welt kaufen kann.“

    Und dieser Tag? Der war Gold wert.
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