Der lange Ritt nach Westen

October 2016 - June 2025
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Mein Jakobsweg, in Etappen aus der Eifel bis nach... Read more
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  • Dijon

    April 4 in France ⋅ ☀️ 18 °C

    Tag 25
    13 km
    628 km gesamt

    Howdy, Freunde der weiten Wege,

    hier spricht TrailSoulKev – aus staubigen Stiefeln, mit müden Beinen und einem Herzen, das noch immer irgendwo zwischen Baumrinde und Windhauch auf dem Trail steckt. Heute war mein letzter Tag auf dem Chemin des Allemands – diesem alten Grenzweg zwischen Heimat und Aufbruch, zwischen Zivilisation und Wildnis. Wer hier geht, reitet ohne Pferd, aber mit derselben Zähigkeit, wie sie die Kerle damals brauchten, die mit nichts als einem Hut und einem Colt in der Hüfte das Land durchquerten.

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    Der Weg – rau und ehrlich wie ein unbehandelter Holzbalken

    Der Tag begann in Messigny-et-Vantoux. Ein Nest, das sich noch dem Rhythmus der Natur beugt – keine Hektik, kein Großstadtpuls, nur das Krächzen der Raben und ein kühler Wind, der mir durchs Hemd zog. Die ersten Meter gingen sanft bergan, der Boden weich und federnd vom Regen der letzten Tage, bedeckt mit Laub, das unter meinen Stiefeln raschelte wie trockenes Heu in einer verfallenen Scheune.

    Ich stapfte hinein in ein stilles Waldstück – der letzte richtige Abschnitt Wildnis vor dem Einreiten in die Stadt. Die Luft roch nach Moos und Frühling, nach Holz und Freiheit. Links und rechts tauchten Mauerreste auf, die vom Vergangenen flüsterten. Ein paar Steine, vom Leben gezeichnet, genau wie ich. Vogelgezwitscher begleitete mich – keine sanfte Melodie, eher das kratzige Banjo eines alten Westlers, der den Takt für den letzten Marsch vorgibt.

    Der Trail schraubte sich durch den Wald, nie zu steil, aber auch nicht nachgiebig. Kein Weg für Weicheier, sondern für die, die wissen, dass jeder Schritt zählt. Irgendwann lichtete sich das Grün, und vor mir lag Ahuy – ein Vorort mit dem Charme einer müden Grenzstadt, die nicht mehr weiß, ob sie Wildnis oder Zivilisation ist.

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    Vom Trail in die Stadt – per Droschke

    Ich hätt’ zu Fuß durchmarschieren können, Asphalt fressen und mir den Staub der Vorstadt auf die Zunge legen. Aber ehrlich? Ich bin Trail-Rider, kein Straßenläufer. Also stieg ich in den Bus – eine moderne Kutsche ohne Pferde – und ließ mich ins Herz von Dijon bringen. Kein Trick, kein Feiglingstour – nur eine Entscheidung, wie sie jeder Cowboy mal trifft, wenn der Horizont nicht mehr in der Steppe liegt, sondern zwischen Häuserschluchten.

    In Dijon angekommen, zog es mich schnurstracks zur Kathedrale. Hoch und würdevoll steht sie da, als wollte sie den Himmel festhalten. Ich saß eine Weile drin – schweigend, staunend, als wär’s mein letzter Ritt vorm Sonnenuntergang. Kein Gebet, kein Rosenkranz – nur ein stiller Dank. Für den Weg, für den Wind, für die Schmerzen in den Waden, die mir sagten: Du hast’s durchgezogen, Cowboy.

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    Begegnungen & Gedanken – zwischen Staub und Seele

    Im Wald traf ich einen alten Franzosen mit Hund. "Vous êtes pèlerin?" fragte er. Ich nickte.
    "Le chemin, il vous change, n'est-ce pas?"
    "Oui, il te casse d'abord… puis il te montre qui tu es."
    Er grinste. Ich auch. Dann gingen wir weiter – jeder auf seinem Trail.

    Der Weg hat mich geschliffen wie Wasser den Stein. Ich bin keiner, der viel redet, schon gar nicht über Gefühlskram. Aber heute, am letzten Tag, da spürte ich es deutlich: Diese Reise war mehr als Kilometerfressen. Es war ein Ritt nach innen. Jeder Tritt ein Takt meines Herzschlags. Jeder Hügel eine Erinnerung an das, was ich hinter mir lasse – und das, was noch kommen darf.

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    Abendessen & Abgesang

    Jetzt sitz ich in einem kleinen Bistro nahe der Altstadt. Ich hab mir ein Bœuf Bourguignon bestellt – schwer, ehrlich, tief wie die Wälder des Weges. Dazu ein Glas vom roten Stoff, der hier aus jedem Zapfhahn fließt wie Lebenselixier. Und zum Nachtisch eine Käseplatte, die zerfließt wie geschmolzenes Gold.

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    Resümee eines Reiters ohne Pferd

    Der Chemin des Allemands endet hier – aber der Trail, der geht weiter. Nicht auf Karten, nicht in Reiseführern, sondern in mir. Ich bin kein Tourist. Ich bin ein Trail-Rider. Einer, der weiß:
    „Wenn du auf dem Weg bist, bist du lebendig. Wenn du ankommst, beginnt das Vermissen.“

    Und morgen? Da geht’s heimwärts, mit der Bahn, zurück in den Alltag. Aber dieser letzte Tag, dieser staubige Ritt durch den Morgenwald, das Gespräch mit dem alten Mann, das Mahl in der Stadt – das alles bleibt.

    Der Weg hat mir nichts geschenkt. Aber alles gegeben.

    Bis zum nächsten Trail –
    euer TrailSoulKev
    „Der Weg ist rau. Sei härter.“
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  • Prairie de Bourgogne

    April 3 in France ⋅ ⛅ 18 °C

    Tag 24
    18 km
    615 km gesamt

    Howdy aus dem Staub, Freunde des rauen Pfads.

    Heute war wieder einer dieser Tage, an denen du früh merkst: Das wird kein Spaziergang. Kein Selfcare-Walk mit Chia-Riegeln und Vogelgezwitscher. Sondern ein echter Trail – ehrlich, staubig, knochentrocken. Is-sur-Tille liegt jetzt hinter mir. Und ich sag’s direkt: Ich trauere dem Ort nicht nach. Ein bisschen wie eine alte Zapfsäule – steht noch da, aber der Sprit ist raus.

    Ich schnapp mir in aller Frühe ein paar Vorräte aus’m Supermarkt, Brötchen aus der Bäckerei nebenan – knusprig, wie’s sich gehört – und setz mich in die Bar daneben. Kaffee schwarz wie Asphalt, dazu die ersten Sonnenstrahlen über den Häuserkanten. Der Tag kann kommen. Und wie er kam.

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    Der Trail – wo Schotter auf Seele trifft

    Der Weg windet sich aus dem Tille-Tal, als hätte er’s eilig, die Stadt zu vergessen. Erst noch Waldrand, dann ein langgezogener Aufstieg. Die Sonne drückt, der Schweiß läuft – aber genau das ist es, wofür ich hier bin. Kurz darauf passiere ich eine riesige Moto- und Autocross-Strecke. Ein einziges Crosscar knattert einsam über die Piste – ein rußiger Gruß aus der Maschinenwelt. Ich bleib stehen, lausche dem Klang. Klingt nach Freiheit. Nach Dreck unter den Fingernägeln.

    Dann wird’s ruhig. Die Dörfer Chaignay, Épagny und Savigny-le-Sec ducken sich am Wegrand wie schlafende Kojoten. Ich stapfe durch, ohne viel Aufhebens – ich bin nicht hier, um zu trödeln. Ich bin hier, um zu gehen. Um zu spüren. Um der Stille einen Namen zu geben.

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    Mittagsrast – mit Blick in die Weite

    Mittags such ich mir ein Fleckchen abseits des Wegs, ein bisschen Schatten, ein bisschen Staub, ein bisschen Frieden. Aus dem Nichts taucht eine Mauereidechse auf – neugierig, vorsichtig, fast wie ein kleiner Trailbruder. Wir schauen uns an. Zwei Wesen, jedes auf seiner Route.

    Neben einem Strommast wächst Königskerze – stur, stattlich, unbeirrbar. Und ich denk mir: Genauso will ich unterwegs sein. Tief verwurzelt. Breitblättrig. Und immer ein bisschen störrisch.

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    Die Farben des Wegs

    Manchmal braucht’s kein Panorama, sondern nur einen klaren Hinweis: Blau und Gelb – in den Boden eingelassen. Kein Schild, keine Erklärungen. Nur zwei Farben und ein Gefühl: Geh weiter. Du bist noch nicht am Ende.

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    Country-Rider in Savigny-le-Sec

    Kurz vor Messigny-et-Vantoux: Ich find ein Straßenschild, das zu mir spricht wie ein alter Cowboy aus 'nem verstaubten Saloon. Rue de la Mare. Und direkt daneben: Country. Ich stell mich drunter. Grinsend. Müde. Aber verdammt stolz.

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    Ankommen – Messigny-et-Vantoux

    Später dann das B&B – freundlich, ruhig, mit einem Bett, das sich anfühlt wie ein Sattel nach einem langen Ritt. Die Wirtin fragt, ob ich müde sei. Ich nicke. „Mais libre,“ sag ich. Sie lächelt. Vielleicht weiß sie, was ich meine.

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    Was mich heute bewegt hat

    Heute war kein Tag der Sensationen. Aber einer der Erkenntnisse. Manchmal liegt das Abenteuer nicht im Spektakulären, sondern im Weitermachen. In der Stille. In der Wärme des Steins, auf dem du sitzt. Oder in einem kleinen Echsenblick, der dir sagt: Du bist nicht allein hier draußen. Der Weg lebt. Er beobachtet dich.

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    Futter für den müden Reiter

    Zum Abend gibt’s was Deftiges – Omelette mit frischen Kräutern, ein Kanten Käse, ein Glas Wein, das nach Südhang schmeckt. Keine große Show, aber das ehrlichste Mahl des Tages. Essen für Männer mit Staub an den Stiefeln.

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    Fazit des Tages

    Der vierte Tag war wie ein abgewetzter Cowboy-Stiefel: nicht hübsch, aber verdammt verlässlich. Kein Ziel in Sicht, aber dafür ein klarer Kurs – geradeaus durch’s Flachland der Gedanken. Und morgen? Morgen reit ich weiter. Weil der Weg mich ruft. Weil ich’s brauche.

    > „Der Trail fragt nicht, ob du willst – er fragt, ob du’s kannst.“
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  • Vallée de la Tille

    April 2 in France ⋅ ☁️ 16 °C

    Tag 23
    21 km
    597 km gesamt

    Morgen, ihr rauen Seelen da draußen.

    Wenn ihr nach Blümchenpfaden und Selfie-Hotspots sucht, seid ihr hier falsch. Ich schreib nicht über Postkartenidylle – ich erzähl vom Staub unter den Sohlen, vom Schweiß in den Augen und vom Wind, der dir die Gedanken aus dem Kopf peitscht. Heute war wieder so ein Tag. Einer, an dem der Weg nicht nur Weg ist – sondern Gegner, Lehrmeister und Begleiter in einem. Willkommen am dritten Tag meines Ritts ohne Pferd – auf dem Chemin des Allemands. Wer hier unterwegs ist, trägt keinen Rucksack. Der trägt Geschichten. Alte, neue – und die, die sich zwischen zwei Schritten formen.

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    Der Ritt beginnt: Grancey-le-Château – Cussey-les-Forges

    Grancey-le-Château lag noch im Halbschlaf, als ich mich auf den Weg machte. Die Sonne hing flach über den Mauern, der Wind blies kühl aus dem Westen. Mein Gastgeber hatte mir ein Frühstück serviert, das man so schnell nicht vergisst – Kaffee stark wie Schmiedefeuer, Brot wie von der Großmutter und Konfitüre, die nach Sommer schmeckte. Dann: Rucksack schultern, Blick nach vorn – und los.

    Es ging steil bergab, als würde der Weg selbst sagen: "Runter mit dir, Pilger. Noch ist’s einfach." Ich folgte einer alten Route über einen niedrigen Höhenzug. Der Boden war steinig, trocken – mein Lieblingsboden. Gibt Widerstand, aber keinen Ärger. Weiter unten dann das Tal der Tille. Die ersten Meter Wasser glitzerten mir entgegen wie flüssiges Blei unter der Sonne.

    Cussey-les-Forges kam still daher. Alte Mauern, ein paar verlassene Scheunen, ein Hund, der mich erst anknurrte, dann begleitete. Die Schmieden und Mühlen sind stumm geworden, aber man spürt noch, was hier mal gehämmert und geschuftet wurde. Der Geruch von Metall liegt noch in der Luft, wie das Echo eines rauen Lebens.

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    Dem Fluss entlang: Tille bis Marey-sur-Tille

    Der Weg folgt dem Fluss, mal dicht dran, mal mit Abstand. Ich hörte das Wasser rauschen, während der Schotter unter meinen Stiefeln knirschte. Es gab keine anderen Pilger heute. Kein Reden, kein Grüßen – nur ich, der Wind, und der Ruf eines Bussards über mir.

    In Marey-sur-Tille mache ich Rast an einem alten Waschhaus. Moos zwischen den Steinen, das Dach halb eingestürzt. Ich sitze auf dem Rand des Brunnens, schließe die Augen. In der Ferne ruft ein Hahn. Ich esse Brot und Käse vom Vortag. Kein Festmahl, aber genau richtig. Der Körper fragt nicht nach Luxus – er fragt nach Kraft. Und die steckt oft in einfachen Dingen.

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    Der harte Ritt: Über den Rücken nach Is-sur-Tille

    Hinter Marey kommt die Prüfung. Eine Flussschleife wird abgekürzt – doch der Weg fragt dafür nach Schweiß. Ein Schotterweg, steil wie der Aufstieg zu einer alten Mine. Die Sonne brennt, der Atem geht schwer. Die Stiefel graben sich in den Boden wie Hufe in den Sand. Und du gehst. Immer weiter.

    Oben auf dem Rücken dann ein Wald, endlos scheinend. Die Stille ist drückend, der Boden federnd. Es ist dieser Teil des Trails, der dich still macht. Der, wo du keine Gedanken mehr brauchst, nur Schritte. Wie ein Reiter, der seinem Pferd vertraut und schweigend reitet, weil alles gesagt ist.

    Am Nachmittag führt der Pfad bergab, vorbei an kleinen Lichtungen, in denen sich Rehe verkriechen. Schließlich taucht Is-sur-Tille auf, verschlafen, aber freundlich. Kein Ort für Legenden, aber ein sicherer Hafen nach einem langen Tag.

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    Ein Abend wie aus der Feldflasche

    Ich kauf mir mein Etappenbier im Supermarkt. Kein Zapfhahn in Sicht, keine offene Bar – nur ein kühles Dosenbier, das auf dem Bordstein neben dem Hotel seine Wirkung entfaltet. Ich sitze dort, Staub in den Falten, die Stiefel längst durch. Der Blick leer, aber zufrieden.

    Das Hotel am Bahnhof ist einfach. Ein Zimmer, das viel will – und nicht viel gibt. Die Dusche spült den Tag ab, aber nicht das, was er hinterlässt. Abends geht’s in die Pizzeria nebenan. Eine "Quatre Fromages", warm und schwer, dazu ein Glas Rotwein. Nicht die Prärie, aber gut genug für einen Cowboy auf Wanderschaft.

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    Reflexion unterm Abendlicht

    Was mich heute bewegt hat? Die Frage, warum ich das mache. Warum ich jeden Morgen aufstehe und den Rucksack schultere. Die Antwort kam irgendwo zwischen Wald und Waschhaus: Es geht nicht ums Ziel. Es geht ums Ziehen. Ums Leben auf dem Trail. Die Straße unter den Füßen, der Himmel über dir, und das einfache, ehrliche Dazwischen.

    Der Weg ist keine Flucht – er ist Heimkehr. Nicht zu einem Ort, sondern zu mir selbst. Wenn du jeden Tag ein Stück mehr loslässt, merkst du, wie leicht du eigentlich bist.

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    Abschied mit Staub auf der Zunge

    Der dritte Tag ist Geschichte. Ein langer Ritt, mit viel Staub, etwas Schmerz – und diesem stillen Triumph, den nur kennt, wer den ganzen Weg geht.

    „Wenn der Tag vorbei ist, zählt nicht, wie weit du kamst – sondern ob du angekommen bist bei dir.“
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  • Au revoir Grand-Est, bienvenue Bourgogne

    April 1 in France ⋅ 🌬 11 °C

    Tag 22
    19 km
    576 km gesamt

    Howdy, Freunde des rauen Pfads.
    Wer heute noch glaubt, der Jakobsweg sei bloß eine hübsche Wandertour mit Blümchen am Wegesrand und Pilgerstempel zum Frühstück, der hat den Schuss nicht gehört.
    Dies hier ist kein Spaziergang. Dies ist der Chemin des Allemands – ein alter Pfad, der dich nicht fragt, ob du bereit bist. Er nimmt dich mit oder spuckt dich aus. Heute war ich wieder unterwegs. Kein Pferd unter dem Hintern, nur meine Stiefel im Staub. Zweiter Tag. Von Auberive nach Grancey-le-Château. 17 Kilometer, die es in sich hatten. Nicht wegen der Distanz – sondern wegen der Seele dieses Wegs.
    Ein Trail, so ehrlich wie ein alter Colt.

    Der Weg: Vom Frost in die Freiheit
    Ich bin früh aufgewacht, eingehüllt in die Kälte wie in eine raulederne Decke. Die Unterkunft in Auberive – das Maison du Charbonnier – hatte keinen Ofen. Draußen war’s gefroren, drinnen auch. Frühstück? Zwei starke Kaffees, ein paar Brocken Brot, mehr brauchst du nicht, wenn du weißt, dass der Tag dich prüft.

    Ich packte meine Sachen. Der Rucksack saß wie ein treuer Sattel auf dem Rücken. Raus aus dem Tal, rein in den Nationalpark Forêts. Und Junge, dieser Wald – der war was für Reiterseelen. Alte Bäume, still wie ein Indianer vor dem Angriff, der Boden weich und federnd. Das Val Clavin – ein Tal wie aus einer vergessenen Ballade. Still, kühl, ehrfürchtig. Die Sonne stand tief, der Himmel blau, doch ein eisiger Nordostwind peitschte durch die Baumwipfel. Als würde der Winter nochmal die Zähne zeigen, bevor er abzieht.

    Nach ein paar Stunden stand ich in Vivey. Ein Weiler, kaum ein Dutzend Häuser. Aber da war dieser Rastplatz – Tisch, Bank, Brunnen mit kaltem Wasser. Ich ließ mich nieder. Trank. Kaute einen Müsliriegel, der sich wie ein Stück Zunder im Mund anfühlte. Aber das war egal. Ich war draußen. Ich war frei.

    Die Straße nach Nirgendwo
    Hinter Vivey kam ein Stück Asphalt, aber so einsam wie ein Saloon nach Sonnenuntergang. Kein einziges Auto kam mir entgegen. Nur ich, der Wind, und der Rhythmus meiner Stiefel auf dem Teer. Ein Mann auf der Straße – kein Ziel, nur Richtung.

    Dann: Lamarguelle-du-Bois. Ein Geisterort. Keine Menschenseele zu sehen. Fensterläden geschlossen, Türen zu. Unter einer alten Linde fand ich Zuflucht. Setzte mich, lauschte dem Wind, dachte an nichts. Der Trail nimmt dir den Lärm im Kopf. Und lässt dich fühlen, was bleibt.

    Dann kam der Anstieg. Rauf in den Wald, steil, schweißtreibend. Hier endet die Champagne. Und du trittst ein ins Burgund. Die Luft roch nach Erde, Moos und Vergangenheit. Ich überquerte die Grenze ohne Schild, ohne Pomp – nur ein Gefühl in der Brust, dass sich was verändert hat. Der Westen beginnt nicht mit einem Ort. Sondern mit einer Haltung.

    Kurz darauf tauchte die Ferme de Borgirault auf. Ein Reiterhof, verwittert, lebendig. Pferde auf der Weide. Hühner im Hof. Ein alter Mann, Hut auf dem Kopf, grüßt mich mit einem knappen:
    „Vous êtes pèlerin?“
    Ich nicke.
    „Alors, bon courage, cow-boy.“
    Ich grinse. Genau mein Stil.

    Ziel erreicht, Seele satt
    Grancey-le-Château tauchte plötzlich auf. Der Weg führte hinab, die Beine brannten, der Wind biss. Ein kleines Schloss auf einem Hügel, eine Kirche, und stille Gassen. Mein Ziel. Ich schlenderte durch den Ort. Der Lebensmittelladen war dicht – seit Monaten. Kein Problem. Ich hatte Wasser, ein paar Nüsse – und eine Einladung.

    Im alten Pfarrhaus, meiner Unterkunft, warteten meine Gastgeber schon. Eine einfache, warme Stube. Holzofen, dicke Decken. Und – ein Abendessen, das mich umhaute.
    Boeuf Bourguignon, kräftig und tief wie der Boden unter meinen Füßen. Dazu ein Stück Brot, rotweingetränkt wie ein Gedicht. Wir redeten auf Französisch, lachten.
    Die Straße macht dich hungrig – nach Essen, nach Begegnung, nach echten Momenten.

    Gedanken am Feuer
    Was mich heute bewegt hat?
    Nicht die Kälte, nicht der Aufstieg, nicht die Leere in den Dörfern.
    Es war dieser Moment am Rand des Waldes.
    Als ich innehielt. Als der Wind durch die Bäume rauschte wie ein Chor alter Cowboys.
    Da wusste ich: Ich bin nicht auf der Flucht. Ich bin auf der Suche. Nach dem, was bleibt, wenn alles andere schweigt.

    Abgesattelt. Für heute.
    Der Tag war kurz, aber kein bisschen leicht.
    Der Chemin des Allemands zeigt dir nicht nur die Landschaft. Er zeigt dir dich selbst – ohne Filter, ohne Ausrede.
    Wer hier läuft, läuft gegen den Wind. Und manchmal, ganz selten, läuft man mit ihm.

    TrailSoulKev out.
    Und denkt dran:
    „Ein Mann, der den Wind im Gesicht spürt, braucht keinen Kompass. Er weiß, wo’s langgeht.“

    Bis morgen, wenn’s wieder heißt: Staub fressen. Freiheit atmen. Weiterziehen.
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  • Auberive

    March 31 in France ⋅ ☀️ 11 °C

    Tag 21
    30 km
    557 km gesamt

    Howdy, Weggefährten.

    Der erste Tag liegt hinter mir. Die Stiefel sind staubig, die Schultern schwer, aber das Herz schlägt frei wie ein Mustang auf offener Prärie. Der Chemin des Allemands – das ist kein Spaziergang für Sonntagswanderer. Das ist ein rauer Ritt. Ein alter Trail, der dich fragt, wer du wirklich bist, wenn die Sonne dir ins Genick brennt, der Wind dir ins Gesicht schlägt und du nur eins hast: deinen Willen, weiterzugehen.

    Heute war der Auftakt. Dreißig Kilometer. Eine verdammte Ansage. Von Langres runter ins Tal und wieder rauf auf die Hochfläche. Die Stadt liegt auf einem Berg wie eine alte Festung, und als ich loszog, blies der Wind mir kalt ins Gesicht, als wollte er sagen: „Zeig, was du kannst, Cowboy.“

    ---

    Der Weg:

    Der Abstieg war steil, steinig und schmal – wie ein Gebirgspfad im Grenzgebiet zwischen Freiheit und Wahnsinn. Die Sonne hing tief, noch schwach, aber schon wach. Ich trat raus aus dem Schatten der alten Mauern von Langres, rein in die offene Weite. Der Boden war feucht vom Tau, und die ersten Kilometer fraßen sich durch die Oberschenkel wie ein alter Revolvermann, der’s noch drauf hat.

    Mit dem Stausee „La Mouche“ kam Perrancey-les-Vieux-Moulins – verschlafen, still, als würde dort seit Jahrzehnten keiner mehr laut lachen. Ich ließ den Asphalt zurück, folgte einem alten Forstweg am Wasser entlang, dann durch offenes Land. Immer wieder kam der Wind wie ein alter Kamerad – mal stützend im Rücken, mal fordernd von vorn. Keine Gnade, aber auch kein Verrat. So ist er halt, der Wind auf diesem Trail: ehrlich.

    Noidant-le-Rocheux kam und ging. Kaum eine Menschenseele, nur ein Hund, der mich vom Gartenzaun aus mit halb geschlossenen Augen musterte. Ich nickte ihm zu wie einem alten Bekannten, der weiß, dass man reden kann – aber nicht muss.

    Dann die Schlucht. Ein Geschenk. Kühl, feucht, still. Frühblüher überall – kleine Farbtupfer in einer Welt aus Moos und altem Laub. Ich atmete tief durch. Da war sie wieder, diese Ruhe, die der Weg manchmal bringt, wie eine Hand, die sich auf dein Herz legt und sagt: „Du bist richtig hier.“

    ---

    Rast und Weiterweg:

    In Perrogney-les-Fontaines hab ich Rast gemacht. Brot, ein Stück salziger Langres-Käse, ein paar schwarze Oliven und etwas Salami. Kein Festmahl, aber das beste Essen ist das, was du dir selber mit Staub in den Schuhen verdient hast. Eine alte Frau kam vorbei, nickte mir zu und sagte: „Vous venez d’Allemagne?“ Ich grinste, wischte mir den Schweiß von der Stirn und sagte nur: „Oui, je marche vers Dijon.“
    „Bon courage, pèlerin. Le soleil est fort aujourd’hui.“
    Sie hat recht behalten. Die Sonne wurde mit jeder Stunde gnadenloser.

    Nach der Rast der Gipfel: Le Haut du Sec – 516 Meter, aber es fühlte sich an wie doppelt so viel. Der Körper schrie, aber der Blick… der war es wert. Von da oben war die Welt weit. Ich sah nichts außer Hügel, Wald, Himmel. Da draußen – irgendwo – lag mein Ziel. Aber heute? Heute war ich einfach nur hier.

    Dann ging’s runter in ein langes, schnurgerades Stück Wald. Zehn Kilometer wie mit dem Lineal gezogen. Der Boden federte, die Vögel sangen, und die Gedanken wurden leiser. Kein Empfang, keine Stimmen – nur ich, mein Schritt, mein Atem. Und das war gut so.

    ---

    Auberive:

    Am späten Nachmittag kam ich in Auberive an. Eine kleine Pilgerherberge am Ortsrand. Schlicht, aber sauber. Die Dusche war kalt – und verdammt, sie fühlte sich an wie der erste Regen nach einer Dürre. Ich stand da, ließ das Wasser über mich laufen und dachte: „Du bist ein Glückspilz, Cowboy. Du bist frei.“

    Im kleinen Laden hab ich eingekauft: Brot, Abendessen, ein Apfel für morgen. Und ein Bier – eiskalt. Ich saß draußen auf einer Bank, blickte auf den Horizont, die Sonne war tiefrot, die Luft roch nach Erde und Rauch. Ich trank langsam. Das war kein Bier. Das war ein verdammter Sieg.

    ---

    Reflexion:

    Heute ging’s nicht nur ums Gehen. Es ging ums Durchhalten. Ums Vertrauen. In die Karte, in die Beine, in die eigene Sturheit. Wer diesen Weg geht, der spielt nicht Sightseeing. Der spielt Poker mit den Elementen – und hofft, dass er die besseren Nerven hat.

    Der Weg erinnert dich daran, wie klein du bist – aber auch, wie stark. Wenn alles still ist, spürst du, wer du wirklich bist. Kein Lärm, kein Ablenken. Nur du. Und der Trail. Und wenn du dann am Abend in der Herberge liegst, mit müden Knochen und vollem Bauch, dann weißt du: Das ist echtes Leben. Nicht bequem, nicht einfach. Aber ehrlich. Und ehrlich ist verdammt nochmal genug.

    ---

    Abendessen:

    Heute gab’s Spaghetti Bolo, selbst gekocht. Mehr braucht’s nicht. Wenn du den ganzen Tag draußen warst, schmeckt sogar der kleinste Bissen wie ein Festessen im Saloon.

    ---

    Schlusswort:

    So war Tag 1. Dreißig Kilometer Staub, Sonne und Schweiß. Keine Ausreden, kein Zurück. Nur ein Ziel: weiter. Wer hier rausgeht, ist nicht auf der Suche nach Wellness. Sondern nach Wahrheit.

    „Wenn du reiten willst, Cowboy – dann steig in den Sattel und halt dich fest. Der Weg fragt nicht, ob du bereit bist.“
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  • Rückkehr zum Trail

    March 30 in France ⋅ ☁️ 10 °C

    Moin, Partner – das war heute kein Ritt, das war ein wilder Rodeo-Tag auf Schienen.

    Der Morgen begann so, wie nur echte Aufbrüche beginnen: mit müden Augen, festem Griff am Rucksack und der unerschütterlichen Gewissheit, dass der Weg ruft. 6:50 Uhr – Abfahrt am Westbahnhof von Jena. Noch bevor die Sonne ihre Colts gezückt hat, saß ich schon im Zug, bereit, dem Ruf des Chemin des Allemands zu folgen.

    Letzten Sommer hatte ich meine Wanderung in Langres unterbrochen. Jetzt, Monate später, zieht es mich zurück. Zurück auf den staubigen Pfad der Erkenntnis, der Stille und der schmerzenden Füße. Ich wusste: dieser Tag wird lang – aber keiner hatte mir gesagt, dass er auch verdammt laut werden würde.

    Erfurt – Kaffee, Stiefel, Wind.
    Erstes Lager in Erfurt. Eine Stunde Aufenthalt – gerade genug, um die Knochen zu strecken, in die aufgehende Sonne zu blinzeln und dem Rhythmus der Stadt zu lauschen. Ich trank meinen Kaffee wie ein echter Trail-Veteran: schweigend, mit Blick in die Ferne.

    Dann: ICE Richtung Süden. Klingt harmlos. War’s aber nicht.
    Der Zug kam aus Berlin – und er war voll. Nicht mit Pilgern. Nicht mit Reisenden. Sondern mit einer Horde wildgewordener Fußballfans aus der Hauptstadt, die offenbar auf dem Weg nach Freiburg waren, um dort ihre Farben zu verteidigen – oder zu verlieren, wer weiß das schon.

    Sie trugen Trikots, Fahnen und sehr viel Bier.
    Irgendwann muss einem von denen der Kragen geplatzt sein. Was genau er der Schaffnerin an den Kopf warf, blieb unklar – aber es war die Sorte "Ende-für-dich-und-ab-ins-Gefängnis". Die Bahn rief die Staatsgewalt. Der Kollege wurde noch am Bahnsteig aus dem Zug geholt. Für ihn endete der Tag nicht in Freiburg, sondern wohl in einer Zelle mit Aussicht auf Stahlgitter. Für uns alle anderen: 35 Minuten Verspätung.

    Dann der nächste Schlag: der Zug fährt aufgrund der Verspätung nicht bis zum Schweizer Bahnhof in Basel, sondern endet am Badischen Bahnhof.
    Kein Plan, keine Durchsage, keine Gnade. Ich musste rennen. Sprint durch den Bahnhof wie ein Bandit auf der Flucht vor’m Sheriff – nur, dass ich dem nächsten Zug hinterherjagte, nicht davon.

    S-Bahn geschnappt, durchgeruckelt, rausgehüpft, umgestiegen – und siehe da: Ich hab ihn gekriegt. Den Anschlusszug nach Frankreich. Wenn man im Wilden Westen überleben will, muss man schneller sein als der Plan.

    Mulhouse, Belfort, Langres – der Trail wird sichtbar.
    Der Rest war wie Reiten durch abgelegenes Gelände. Keine Menschenmassen mehr, keine Schreierei, nur noch das Rattern der Regionalzüge und das Gefühl, dass die Zivilisation langsam bröckelt.

    Langres begrüßte mich wie ein alter Bekannter: windgepeitscht, stolz und auf seinem felsigen Hochsitz thronend. Die Stadt liegt wie eine Westernstadt am Rande der Wildnis – ein Platz für letzte Gedanken, letzte Mahlzeiten, letzte Zweifel.

    Ein vorbestellter Rufbus kutschierte mich die letzte Etappe hoch auf das Plateau, direkt vors Hotel. Die Sonne hing schon tief, als ich mich noch einmal frisch machte und durch die alten Mauergassen zog, um etwas zu futtern. Nicht gerade Bohnen mit Speck am Lagerfeuer, aber herzhaft genug, um mich für morgen zu rüsten.

    Denn morgen ist es soweit.
    Dann heißt es wieder: Stiefel schnüren, Blick nach vorn, und der erste Schritt auf dem Trail. 30 Kilometer durch Wälder, über Hügel, vorbei an der Abtei von Auberive – und rein in die Stille des Weges.

    Ich geh diesen Weg nicht, um anzukommen. Ich geh ihn, weil der Ruf in mir brennt.
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  • Die Rückreise

    June 28, 2024 in France ⋅ ☁️ 22 °C

    Howdy, Pilgerfreunde!

    TrailSoulKev meldet sich zurück, und Mann, war das 'ne Tour! Nachdem ich 'ne ordentliche Mütze Schlaf bekommen hab und beim Frühstück richtig reingehauen hab, bin ich aus Langres aufgebrochen. Runter zum Bahnhof – 140 Höhenmeter hinab, als wär's nix. Aber lasst euch sagen, das war kein Zuckerschlecken. Die olympische Flamme war gerade in der Stadt, also Straßen gesperrt, Menschenmengen überall, keine Busse, keine Taxis. Da musste ich meinen Cowboyhut festhalten und die Sporen anlegen.

    Aber keine Sorge, ich hab's pünktlich zum Bahnhof geschafft. Zwei-ein-halb Stunden Bahnfahrt später war ich wieder in Toul. Einige Orte auf der Strecke kamen mir bekannt vor, wie alte Freunde, die man nach 'ner langen Zeit wieder trifft. Und da stand er, mein treuer Truck, bereit für die Heimfahrt. Wir sind zusammen über die Straßen gedüst, wie zwei alte Cowboys auf 'nem gemeinsamen Ritt.

    Ein großes Dankeschön an euch, meine treuen Follower, für euer Interesse und die mentale Unterstützung auf diesem Weg. Ohne euch wär's nur halb so spannend gewesen. Bis zum nächsten Abenteuer, bleibt locker und lasst euch den Staub der Wege nicht zu Kopf steigen!

    Euer TrailSoulKev 🚶‍♂️🤠
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  • Langres

    June 27, 2024 in France ⋅ ☁️ 23 °C

    Tag 20
    25 km
    527 km gesamt

    Howdy, liebe Wanderkumpel und Truckerfreunde! Hier ist euer TrailSoulKev, live und in Farbe, direkt vom Chemin des Allemands. Heute erzähle ich euch vom letzten Ritt, der sechsten Etappe, die mich von Montigny-le-Roi nach Langres geführt hat. Setzt euch hin, lehnt euch zurück und lasst euch von meinem Abenteuer durch die Wildnis Frankreichs erzählen.

    Der Morgen dämmerte, als ich mein Zelt in Montigny-le-Roi abbauen und meinen Rucksack schultern musste. Die Luft war frisch und klar, ideal für den letzten Marsch dieses epischen Trails. Wie die letzten Tage schon, führte mein Weg mich immer wieder über die alte Römerstraße, ein beeindruckendes Erbe längst vergangener Zeiten. Diese Straße ist ein ständiger Begleiter, mal als modern ausgebaute Landstraße, mal als gerader Feldweg, der schnurgerade durch die Felder zieht.

    Balance und Zufriedenheit – diese Worte klingen mir im Kopf nach, während ich meinen ersten Schritt des Tages mache. Der Weg vor mir ist ein Symbol für das Gleichgewicht im Leben: mal leicht und eben, mal steinig und steil. Es geht nicht nur darum, voranzukommen, sondern auch darum, den Moment zu genießen und die Balance zu finden zwischen Anstrengung und Ruhe.

    Nach einem guten Stück Marsch erreichte ich Chauffourt, dessen Name treffend "heißer Ofen" bedeutet – passend zu den Temperaturen dieses heißen Tages. Am Ortseingang fand ich einen schönen Pausenplatz für Pilger mit einem Trinkwasserbrunnen. Die kühle Erfrischung war genau das Richtige, um die Hitze erträglicher zu machen und neue Kraft zu tanken. Hier, inmitten der Natur und mit klarem Wasser zur Abkühlung, fand ich eine tiefe Zufriedenheit. Es war ein Moment der Stille und Reflexion, der mir half, in mich hineinzuhorchen und meine Gedanken zu ordnen.

    Während meiner Wanderung durch den Wald, dachte ich daran, wie wichtig es ist, Balance zu finden – besonders in meinem neuen Beruf als Trucker. Die langen Stunden auf der Straße erfordern einen Ausgleich, um Körper und Geist gesund zu halten. Die Natur bietet mir diese Balance, sie erdet mich und gibt mir die Ruhe, die ich brauche.

    Kurz hinter Changey erreichte ich die große Brücke über den Stausee "Lac de Charmes". Dieser Stausee, der im 19. Jahrhundert angelegt wurde, ist einer von vier Reservoirs, die den Canal de la Marne à la Saône speisen. Beim Bau wurde ein ganzes Dorf geflutet – die Überreste dieses alten Dorfes liegen nun unter den ruhigen Wassern des Sees. Die Brücke ist beeindruckend und bietet einen fantastischen Blick auf den Stausee und die umliegende Landschaft. In der Hitze des Tages war der See besonders verlockend, und so entschied ich mich, zur Abkühlung in den See zu springen. Das kühle Wasser war eine willkommene Erfrischung und bot eine weitere Gelegenheit, die Balance zwischen Anstrengung und Erholung zu finden.

    Stehend auf der Brücke, die über das ruhige Wasser führt, fand ich erneut einen Moment der Stille. Die Geschichte des gefluteten Dorfes unter mir erinnerte mich daran, wie das Leben ständig in Bewegung ist und sich verändert. Balance zu finden bedeutet auch, diese Veränderungen anzunehmen und sich ihnen anzupassen.

    Weiter ging es, schnurgerade auf der alten Römerstraße, in Richtung Langres. Das Plateau, auf dem die Stadt thront, war schon von weitem sichtbar. Ein majestätischer Anblick! Am Bahnhof von Langres machte ich halt, um mir schon mal das Rückfahrtticket nach Toul zu besorgen. Morgen um 11 Uhr geht es zurück, dorthin, wo mein treuer Truck auf mich wartet.

    Der Aufstieg nach Langres war steil und fordernd, aber die Anstrengung wurde mit einem grandiosen Blick auf die Stadt belohnt. Langres ist wie eine Zeitkapsel – eine Stadt mit Jahrtausenden an Geschichte, die sich in ihren alten Mauern und beeindruckenden Bauwerken widerspiegelt. Nachdem ich die alte Stadtmauer durchquert hatte, führte mich mein Weg direkt zur Kathedrale St. Mammes. Ein Ort der Ruhe und Besinnung, perfekt für den letzten Stempel meiner Pilgerwanderung.

    Beim Blick auf die weiten Felder und Wälder, die ich in den letzten Tagen durchquert habe, kam ich ins Grübeln. Diese Reise war nicht nur eine körperliche Herausforderung, sondern auch eine spirituelle. Jeder Schritt auf diesem uralten Weg hat mich näher zu mir selbst gebracht, meine Gedanken geordnet und mir eine tiefe Zufriedenheit beschert. Heute, auf der letzten Etappe, fühlte ich eine besondere Dankbarkeit – für die Natur, die Begegnungen und die Momente der Stille, die diese Reise so besonders gemacht haben.

    Zum Abschluss dieses denkwürdigen Tages gönnte ich mir ein gutes Essen in einem gemütlichen Restaurant in der Altstadt. Eine Pizza "Cowboy" mit Pommes, spare ribs, Wurst und bbq Sauce, begleitet von einem kräftigen lokalen Bier, rundete diesen Tag perfekt ab. Der Geschmack und die Atmosphäre waren wie ein Festmahl für die Sinne, eine Belohnung nach sechs Tagen harter Wanderung.

    Nun sitze ich hier, in einem Hotel in Langres, und lasse den Tag Revue passieren. Was für eine Reise! Jeder Schritt, jeder Atemzug und jede Begegnung waren es wert. Das Leben ist ein Abenteuer, und manchmal muss man einfach die Stiefel schnüren und losmarschieren, um es in seiner ganzen Fülle zu erleben.

    Bevor ich einschlafe, nehme ich mir einen Moment, um in mich hineinzuhorchen und drei Dinge aufzuschreiben, die mir geholfen haben, Balance und Zufriedenheit zu finden: die Natur erleben, tägliche Reflexionen und gute Gespräche. Diese drei Elemente werde ich auch in meinem Truckeralltag pflegen, um die Balance zu halten und Zufriedenheit zu finden.

    Also, Freunde, packt eure Sachen, schnappt euch eure Stiefel und geht raus in die Welt! Die Natur wartet, und das Abenteuer ruft. Und denkt immer daran: Der Weg ist das Ziel. Keep on truckin' und bis zum nächsten Mal, euer TrailSoulKev.
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  • Staubige Straßen entlang der Meuse

    June 26, 2024 in France ⋅ ⛅ 26 °C

    Tag 19
    24 km
    502 km gesamt

    Howdy, Freunde der Freiheit und des Fernwehs! Hier ist euer TrailSoulKev, der wandernde Cowboy des Jakobswegs, und heute nehme ich euch mit auf den fünften Tag meines Abenteuers auf dem Chemin des Allemands. Macht es euch gemütlich, schnappt euch einen Kaffee oder einen Whisky und reitet mit mir durch die malerischen Landschaften Frankreichs.

    Mit dem ersten Licht der Morgendämmerung wachte ich auf, schwerfällig und müde von den Strapazen des Vortags. Doch nach einem kräftigen Frühstück war mein Geist wieder belebt und bereit für die nächste Etappe. Ein weiterer Tag, ein weiterer Schritt näher an mein Ziel in Langres. Heute würde mich der Weg von Doncourt-sur-Meuse nach Montigny-le-Roi führen, eine Strecke von etwa 24 Kilometern. Das Wetter war heute wieder sehr heiß, deswegen bin ich früh los.

    Ich sattelte meinen Rucksack und machte mich auf den Weg, erneut entlang der Bahnlinie, die mir seit gestern Gesellschaft leistet. Die Geräusche der vorbeirauschenden Züge erinnerten mich an die Rastlosigkeit des modernen Lebens, während ich in meinem eigenen Tempo durch die Natur schritt. Hier, in der Stille der frühen Morgenstunden, begann ich über meine Visionen und Ziele nachzudenken.

    Eine klare Vision und konkrete Ziele geben uns Orientierung und Motivation. Denke darüber nach, was du als Trucker erreichen möchtest und wie dein Leben in ein paar Jahren aussehen soll. Dieser Gedanke begleitete mich, während ich durch die weiten Felder marschierte, die unter dem goldenen Licht der aufgehenden Sonne erstrahlten.

    Bald erreichte ich einen riesigen Farmkomplex und verließ die Bahnlinie. Hier folgte ich der alten römischen Landstraße, die heute kaum mehr als ein schmaler Pfad durch die Felder ist. Es ist faszinierend, auf diesen geschichtsträchtigen Wegen zu wandeln, sich vorzustellen, wie vor Jahrhunderten römische Legionen diese Strecken marschierten. Genau wie diese Soldaten damals ihren Marsch in eine ungewisse Zukunft fortsetzten, so setze auch ich meine Wanderung mit einer klaren Vision vor Augen fort.

    Mein erster Halt war das Dorf Meuvy, das ebenfalls römische Wurzeln hat. Der Ort strahlt eine ruhige Beschaulichkeit aus, aber das, was wirklich auffällt, ist der merkwürdig verdrehte Kirchturm. Ein Zeichen der Zeit oder ein Baufehler? Ich konnte es nicht herausfinden, aber es verlieh dem Dorf einen skurrilen Charme. Hier machte ich eine kurze Pause, trank einen Schluck Wasser und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Wie sehe ich mich in fünf Jahren? Was sind meine beruflichen und persönlichen Ziele?

    Weiter ging es auf kleinen Landstraßen. Bassoncourt streifte ich nur kurz, bevor ich durch Lenizeul marschierte. Diese Käffer wirken, als ob hier seit Jahrzehnten kein Mensch mehr richtig gelebt hätte. Die Saloons geschlossen, die Stille ist erdrückend, und man möchte hier wirklich nicht tot überm Zaun hängen. Doch in dieser Stille fand ich eine gewisse Klarheit. Die Ruhe half mir, meine Gedanken zu ordnen und meine Ziele klarer zu sehen.

    Am Gehöft Damphal traf ich ein letztes Mal auf die Meuse. Hier ist der Fluss nur noch ein schmaler Wiesenbach, der sich durch die Landschaft schlängelt. Die Natur zeigt sich in ihrer bescheidenen, aber doch faszinierenden Form. In solchen Momenten spürte ich die Einfachheit und Schönheit des Lebens. Diese Reise ist mehr als nur eine körperliche Herausforderung; sie ist eine spirituelle Reise, ein Weg zu mir selbst. Jeder Schritt bringt mich näher zu meiner inneren Ruhe und meinem wahren Selbst.

    In der Ferne tauchte der Hügel von Montigny-le-Roi auf, mein heutiges Ziel. Mit jedem Schritt wurde die Silhouette klarer, und ich fühlte eine Erleichterung, die nur Wanderer nach einer langen Etappe kennen. Während ich weiterging, stellte ich mir vor, wie mein Leben als Trucker in fünf Jahren aussehen könnte. Ein klares Bild formte sich in meinem Kopf: ein Leben, in dem ich meine Leidenschaft für das Fahren mit meinen anderen Interessen und Hobbys vereinen kann.

    Auf dem Campingplatz angekommen, checkte ich ein und baute mein Zelt auf. Ich packte meinen Rucksackproviant aus: Couscous, getrocknete Tomaten und Käse. Dazu gab es ein großes Bier vom Campingplatz-Kiosk. Während ich da saß und mein Abendessen genoss, ließ ich den Tag Revue passieren. Die Überreste der alten Römerstraße, die verlassenen Dörfer und die Natur, die sich in ihrer ganzen Pracht zeigte. Diese Reise ist mehr als nur eine körperliche Herausforderung; sie ist eine spirituelle Reise, ein Weg zu mir selbst. Jeder Schritt bringt mich näher zu meiner inneren Ruhe und meinem wahren Selbst.

    Heute bewegte mich die Erkenntnis, wie vergänglich alles ist. Die einst mächtigen Römer, die verlassenen Dörfer, sie alle sind Zeugen einer Vergangenheit, die in Vergessenheit geraten ist. Doch genau diese Vergänglichkeit macht den Moment, das Hier und Jetzt, so kostbar. Dies inspirierte mich, meine Vision für die Zukunft zu formulieren und konkrete Ziele zu setzen. Ich nahm mir vor, meine Vision und meine Ziele aufzuschreiben, um sie greifbar zu machen.

    Während ich im Zelt saß, zog ein Gewitter auf. Der Regen prasselte auf die Plane, aber ich fühlte mich trocken und geschützt. Die Natur zeigte ihre Kraft, aber ich war vorbereitet und konnte den Moment in Ruhe genießen.

    So, Freunde, das war der fünfte Tag auf dem Chemin des Allemands. Ein Tag voller Geschichten, Begegnungen und Reflexionen. Manchmal ist es nicht das Ziel, das zählt, sondern die Reise selbst. In diesem Sinne, haltet die Zügel fest, reitet weiter und genießt jeden Moment. Denn wie ein weiser Cowboy einmal sagte: "Das Leben ist ein Ritt, also mach es zu einem verdammt guten."

    Bis zum nächsten Mal, euer TrailSoulKev.
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  • INTER MOSAM MOSONAMQVE

    June 25, 2024 in France ⋅ 🌙 22 °C

    Tag 18
    31 km
    478 km gesamt

    Howdy Trail-Freunde!

    Hier ist euer TrailSoulKev, bereit, euch auf eine weitere Etappe meines Abenteuers auf dem Chemin des Allemands mitzunehmen. Heute ist der vierte Tag meiner Reise, und ich kann euch sagen, das war ein Ritt, der sich gewaschen hat! Mit 30 km war das die längste Etappe bisher, zum Glück flach wie der Rücken eines ruhigen Präriepferds. Also, Sattel festziehen und los geht’s!

    Ich starte früh in Neufchateau, als die ersten Sonnenstrahlen die Stadt in ein goldenes Licht tauchen. Die Luft ist frisch, und der Morgen verspricht einen klaren, sonnigen Tag ohne eine Wolke am Himmel. Während ich loslaufe, komme ich nicht umhin, an das Thema Loslassen zu denken – etwas, das mich schon seit Beginn dieser Reise begleitet.

    Die ersten zwei Stunden laufe ich auf einem Feldweg entlang der Bahnlinie. Das Geräusch der vorbeifahrenden Züge ist das einzige, was die Stille durchbricht. Diese Momente haben etwas Meditatives – der gleichmäßige Rhythmus meiner Schritte und das gelegentliche Rattern der Züge. Hier beginne ich, die Übung des Loslassens bewusst zu praktizieren. Mit jedem Schritt stelle ich mir vor, wie ich schwere Steine ablege, symbolisch für Ängste und Unsicherheiten, die ich mit mir herumtrage. Je mehr ich mich auf diese Vorstellung einlasse, desto leichter fühle ich mich.

    Nach einer Weile führt mich der Weg über einen Höhenzug und ich verlasse das Tal der Meuse, um ins Tal des Mouzon hinabzusteigen. Hier treffe ich auf eine alte, ruhige Landstraße, die sich scheinbar endlos geradeaus durch die Landschaft zieht. Diese Straße ist nicht irgendeine, sondern die Trasse einer alten römischen Fernstraße, die vor über 2000 Jahren gebaut wurde. Während ich meinen Weg fortsetze, stelle ich mir vor, wie römische Legionäre hier entlangmarschiert sind, dieselbe Sonne im Gesicht, dieselbe Erde unter den Füßen.

    Diese historischen Gedanken bringen mich zum Nachdenken über die Zeit und die Notwendigkeit des Loslassens, um Platz für das Neue zu schaffen. Die Legionäre mussten sicherlich auch vieles zurücklassen, um vorwärtszukommen – sei es in ihren Eroberungen oder in ihren persönlichen Leben. Ebenso reflektiere ich darüber, was ich in meinem eigenen Leben loslassen muss. Alte Gedankenmuster, Unsicherheiten, vielleicht auch vergangene Enttäuschungen – alles, was mich daran hindert, mein volles Potenzial zu entfalten.

    Die kleinen Orte Nijon und Graffigny-Chemin liegen wie Perlen an einer Kette auf meiner Route. Nijon, das sehr wahrscheinlich die antike römische Station Noviomagus war, lässt mich über die Zeit nachdenken, als diese Straßen noch das Rückgrat eines riesigen Reiches bildeten. In Nijon angekommen, ist die Hitze bereits drückend, und ich nutze die Gelegenheit, um mich im Dorfbrunnen abzukühlen. Mit dem Oberkörper tauche ich ins kühle Wasser und fühle sofortige Erleichterung. Bei jeder Gelegenheit fülle ich meine Wasserflaschen auf, denn die Hitze dieses Tages fordert ihren Tribut.

    In Graffigny-Chemin dann ein ergreifendes Zeugnis jüngerer Geschichte: Ein abgestürztes Flugzeug der Royal Air Force aus dem Zweiten Weltkrieg. Fünf britische Flieger und acht Soldaten fanden hier ihren Tod und sind in einem lokalen Friedhof beerdigt. Der Ort strahlt eine Ruhe aus, die einen still werden lässt und zum Gedenken einlädt.

    Während ich durch diese geschichtsträchtigen Landschaften wandere, komme ich nicht umhin, über die Vergänglichkeit der Zeit und die Beständigkeit des Weges nachzudenken. Jeder Schritt bringt mich nicht nur geografisch voran, sondern auch in meiner eigenen spirituellen Reise. Der Gedanke, dass ich denselben Pfaden folge wie Menschen vor Jahrhunderten, ja Jahrtausenden, verbindet mich auf tiefe Weise mit der Geschichte und der Menschheit. Heute hat mich besonders die Stille des Weges bewegt, die nur durchbrochen wurde von den Erinnerungen an die Vergangenheit, die in jedem Stein und jedem Hügel schlummern.

    Am Ende des Tages, als ich endlich Doncourt-sur-Meuse erreiche, finde ich Unterschlupf in einem gemütlichen B&B, wo mich die gastfreundliche Marie Claire willkommen heißt. Das Abendessen, das sie ihren Gästen serviert, ist ein Festmahl: Herzhaftes Tabouleh mit frischem Brot, leckere Pizza, eine Käseplatte und einem Glas Rotwein, das den Staub des Tages hinunterspült. Ein krönender Abschluss für einen langen Tag auf dem Trail.

    Bevor ich ins Bett falle, nehme ich mir Zeit, über das Loslassen nachzudenken. Ich schreibe auf, welche alten Gedankenmuster und Ängste ich loslassen möchte. Das Abwerfen dieser Lasten hat mich heute leichter gemacht und mir gezeigt, wie wichtig es ist, Raum für neue Erfahrungen und Erkenntnisse zu schaffen.

    So, Trail-Freunde, das war’s für heute. Dieser Tag war eine Mischung aus Geschichte und Natur, aus Stille und Reflexion. Manchmal ist der Weg das Ziel, und heute war definitiv einer dieser Tage. Ich falle nun erschöpft, aber zufrieden ins Bett und freue mich schon auf den nächsten Ritt.

    Bis zum nächsten Mal, bleibt wild und frei!

    Euer TrailSoulKev

    „Ein echter Cowboy weiß: Der Weg ist hart, aber jede Meile ist es wert.“
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